Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.03.2000, Az.: 2 K 407/98
Absendenachweis für einen Steuerbescheid
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 29.03.2000
- Aktenzeichen
- 2 K 407/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 21916
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0329.2K407.98.0A
Fundstelle
- DStRE 2001, 211-212 (Volltext mit amtl. LS)
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte (das beklagte Finanzamt FA) einen Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 1987 vor Ablauf der Festsetzungsverjährung und damit rechtzeitig abgesandt hat.
Der Kläger ist selbständiger ... Seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1987 gab er im Jahre 1989 ab. Nach einer Betriebsprüfung für die Folgejahre ab 1988, erkannte das FA als Betriebsausgaben berücksichtigte Aufwendungen nicht mehr steuermindernd an.
Das FA entschloß sich daraufhin, auch den streitgegenständlichen Bescheid für das Jahr 1987, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen war, noch kurzfristig zu ändern, da zum Ablauf des Jahres 1993 Festsetzungsverjährung eintreten würde. Der für die Veranlagung des Klägers zuständige Finanzbeamte A gab am 15. Dezember 1993 in die Datenverarbeitungsanlage des FA die Daten für einen Änderungsbescheid ein. Das Rechenzentrum lieferte dem FA daraufhin den Entwurf eines Bescheides. Dieser war auf das Absendedatum "30. Dezember 1993" vordatiert. Dem Veranlagungsbeamten A wurde dieser Entwurf des Änderungsbescheides am 22. Dezember 1993 zugeleitet. Er änderte das maschinell vorgedruckte (Absende-)Datum handschriftlich auf den 27. Dezember 1993.
Der Finanzbeamte A will den Änderungsbescheid am Vormittag des 27. Dezember 1993 einem Montag persönlich in die Poststelle des Finanzamtes gebracht und dort auf den Stapel abzusendender Briefe gelegt haben. Nach Angaben des Klägers erreichte ihn der Änderungsbescheid nicht. Das FA übersandte dem Kläger daraufhin später eine Abschrift desÄnderungsbescheides. Der Kläger berief sich dann auf Festsetzungsverjährung. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Dagegen richtet sich die Klage.
Der erkennende Senat hat der Klage im ersten Rechtsgang mit Urteil vom 22. Mai 1996 stattgegeben (Az.: II 596/95) und hat denÄnderungsbescheid antragsgemäß aufgehoben, da das FA den Zugang des Änderungsbescheides nicht nachgewiesen habe. Auf die zugelassene Revision hat der Bundesfinanzhof das Urteil aufgehoben und die Sache an den Senat zurückverwiesen (BFH-Urteil vom 19. März 1998 IV R 64/96), da es nicht darauf ankomme, ob der vor Ablauf der Festsetzungsfrist abgesandte Bescheid auch tatsächlich beim Adressaten eintreffe bzw. dies nachgewiesen werden könne. Der BFH hat dem Senat zugleich aufgegeben, festzustellen, ob der Bescheid tatsächlich vor Ablauf der Festsetzungsfrist zur Post gegeben wurde.
Der Kläger ist auch im zweiten Rechtsgang der Ansicht, das FA habe die rechtzeitige Absendung des Änderungsbescheides nicht nachgewiesen. Dazu sei die Übergabe an die Post und nicht nur an die hauseigene Poststelle zu dokumentieren. Die im Klageverfahren des ersten Rechtsganges am 16. Januar 1996 vorgelegten Vermerke der Finanzbeamten A und B bewiesen die Aufgabe zur Post nicht, da sie sich auf Vorgänge bezögen, die bereits über zwei Jahre zurückgelegen hätten. Auch die Zeugenaussagen in der erneuten mündlichen Verhandlung seien nicht glaubhaft. Daher sei Ende 1993 Festsetzungsverjährung eingetreten und derÄnderungsbescheid müsse aufgehoben werden, auch wenn dieÄnderung - in Gestalt des weiteren Änderungsbescheides vom 22. Dezember 1999 - in der Sache nicht mehr angegriffen werde.
Der Kl. beantragt,
den angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom 27. Dezember 1993 in Gestalt des Bescheides vom 22. Dezember 1999 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA ist der Ansicht, die Aufgabe des Bescheides zur Post sei durch den Absendevermerk des Veranlagungsbeamten A und die Zeugenaussagen nachgewiesen. Der BFH stelle ebenfalls keine strengeren Anforderungen an einen Absendenachweis durch das FA (BFH-Urteil vom 18. Juni 1998 V R 24/97, BFH/NV 1999, 281).
Das Gericht hat durch Vernehmung der Zeugen A und C Beweis zu der Frage erhoben, wann der Änderungsbescheid zur Post aufgegeben wurde. Der Zeuge A hat angegeben, den Bescheid persönlich zur Poststelle gebracht zu haben. Der Zeuge C hat ausgesagt, wie die in der Poststelle des FA in den Postausgangskorb eingelegten Briefe üblicherweise zur Post gelangen. Die vom Kläger gestellte Zeugin D hat bekundet aus einer Fortbildungsveranstaltung mit dem Zeugen A als Referent den Eindruck gewonnen zu haben, dass dieser kein gutes Gedächtnis habe, da er den Unterrichtsstoff teilweise wiederholt habe.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Das FA hat den Einkommensteuerbescheid 1987 noch wirksam durch den Bescheid vom 27. Dezember 1993 geändert, da derÄnderungsbescheid nach den Feststellungen des Senats noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist (Ende 1993) den Bereich des FA verlassen hat und zur Post gegeben wurde (§ 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO).
Im Streitfall ist die rechtzeitige Absendung des Änderungsbescheides durch den Absendevermerk in der Einkommensteuerakte und die Zeugenaussagen der Zeugen A und C zur Überzeugung des Senats bewiesen worden.
Bereits der Absendevermerk des Veranlagungsbeamten A auf der Rückseite der in den Akten verbliebenen Abschrift desÄnderungsbescheides spricht für eine solche rechtzeitige Absendung. Dies wird auch nochmals durch die Zeugenaussage des Beamten A bestätigt. Dieser hat sich noch gut an den "Fall" des Klägers erinnern können und auch glaubhaft den Grund dafür angeben können. Er war nämlich vom Betriebsprüfer darauf angesprochen worden, dass die Festsetzungsverjährung der Einkommensteuer 1987 vermieden werden solle. Der Zeuge hat dann die notwendigen Eingaben in die Datenverarbeitung des FA veranlaßt und daher nachvollziehbar dem Fall bereits besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Deshalb ist auch glaubhaft, dass er sich nach Vorlage des maschinell gefertigten und vordatiertenÄnderungsbescheides selbst um eine sofortige Absendung gekümmert haben will. Die handschriftliche Änderung des Datums des Bescheides in den"27.12.93" ist ebenfalls Ausdruck einer solchen besonderen Bearbeitung des Vorgangs. Auch erscheint dem Senat glaubhaft, dass der Zeuge den nunmehr vordatierten Änderungsbescheid persönlich und zwar noch vor seiner Mittagspause, in der Poststelle des FA in den Postausgangskorb gelegt hat. Auch die Nachfrage bei einem dort tätigen Bediensteten des FA erscheint vor dem Hintergrund der beabsichtigten Verjährungsunterbrechung und der Bedeutung des Falles immerhin sollte durch den Änderungsbescheid eine um rund 26.000,00 DM höhere Einkommensteuer festgesetzt werden glaubhaft.
Dagegen konnte vom Zeugen nicht wie der Kläger meint erwartet werden, dass er sich darüber hinaus auch an die genaue Uhrzeit der Abgabe des Briefes in der Poststelle, die konkrete Person, die er in der Poststelle nach der Absendung am gleichen Tag befragte, und die genaue Dauer seines Urlaubs zur Jahreswende 1993/94 erinnert. Insoweit handelte es sich um Geschehnisse, die für den Zeugen keinen konkreten Einfluss auf die Absendung des Änderungsbescheides hatten, und daher erfahrungsgemäß nach jetzt über sechs Jahren nicht mehr erinnerlich sein mussten. So war für ihn nicht wichtig, zu welchem Zeitpunkt genau er in die Poststelle gegangen war und wen er in der Poststelle angesprochen hatte. Bedeutung hatte für ihn allein der Umstand, dass irgendein Bediensteter aus der Poststelle ihm versichert hatte, die Post werde das FA noch am gleichen Tag verlassen. Nach der Ablieferung desÄnderungsbescheides noch am 27. Dezember 1993 in der Poststelle war auch die Dauer seines Urlaubs zum Jahresende nicht mehr wichtig, da er alles für den Fall notwendige bereits erledigt hatte. Dann verwundert es auch nicht, dass er jetzt nicht mehr angeben könnte, ob und wann genau sein Urlaub begonnen und wie lange er gedauert hatte. Es ist auch kein Widerspruch in der Zeugenaussage zu erkennen, soweit der Zeuge zunächst angegeben hatte, der Brief werde in der Poststelle "kuvertiert". Der Zeuge hat nämlich wie sich später auf Nachfrage ergab erklärt, dass er unter "kuvertieren" das Zukleben und nicht das "Eintüten" in Briefumschläge verstanden habe. Ein solcher (zunächst) falscher Gebrauch eines Fremdwortes erscheint entschuldbar, ohne nach der Richtigstellung der Aussage in der Sache ihren Wert zu nehmen. Auch die Zeugenaussage der Zeugin D vermag die Aussage des Zeugen A nicht infrage zu stellen. Sie hat vor allem nur eine eigene generelle Einschätzung über das Gedächtnis des Zeugen A abgegeben, die in keinem Zusammenhang mit dem Fall selbst stand. Nach Überzeugung des Senats kann aus der wiederholten Behandlung eines Unterrichtsstoffes durch den Zeugen A anläßlich einer Weiterbildung zur Umsatzsteuer eben nicht geschlossen werden, dass der Zeuge über ein schlechtes Gedächtnis verfügt. Vielmehr erscheint viel glaubhafter, dass der Zeuge den Stoff aus rein didaktischen Gründen wiederholte, die Zeugin dessen aber nicht Gewahr wurde.
Durch die Aussage des Zeugen C, einem Bediensteten des FA in dessen Poststelle, ist auch nachgewiesen worden, dass der in den Postausgangskorb eingelegte Änderungsbescheid für den Kläger die Poststelle auch am 27. Dezember 1993 verlassen hat und bei der Post eingeliefert worden ist. Der Zeuge hat nämlich überzeugend dargelegt, dass stets die gesamte bis 14 Uhr in der Poststelle eingehende Post dort frankiert, zugeklebt und vollständig in Postkisten bei der Post eingeliefert wird.
Für einen anderen Geschehensablauf gab es insgesamt keine Anhaltspunkte, so dass keine vernünftigen Zweifel an der Absendung desÄnderungsbescheides am 27. Dezember 1993 bestehen.