Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 08.07.2003, Az.: 1 W 41/03

Beschwerde gegen einen Kostenbeschluss; Aufhebung der Kosten des Rechtsstreits aus Gründen der Billigkeit; Verantwortlichkeit beider Parteien für einen unnötigen undüberflüssigen Rechtsstreit

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
08.07.2003
Aktenzeichen
1 W 41/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 30060
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2003:0708.1W41.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 02.05.2003 - Az: 7 O 1793/02

Fundstellen

  • OLGReport Gerichtsort 2004, 76
  • VersR 2005, 1703-1704 (Volltext mit red. LS)
  • WM 2004, 1306-1307 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Volksbank E.,H.L.,

Rechtsanwälte Dr. S.,H.,P.

Prozessgegner

A.P.,D.,W.,

Rechtsanwalt K.U.,B.,M.

In der Beschwerdesache
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch
die Richter ..., ... und ...
am 8. Juli 2003
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 2. Mai 2003 dahingehend geändert, dass die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden.

Die weiter gehende Beschwerde der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 3.500 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Die Klägerin hat die Beklagte unter Hinweis auf eine für sie im Grundbuch eingetragene Auflassungsvormerkung auf Löschung einer nachrangigen Sicherungshypothek über 40.773,43 EUR in Anspruch genommen. Nach Kenntnisnahme von dem der Auflassungsvormerkung zu Grunde liegenden Grundstückskaufvertrag hat die Beklagte eine entsprechende Löschungsbewilligung erteilt. Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt. Das Landgericht hat nach § 91a ZPO die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt, weil diese ohne die freiwillige Erteilung der Löschungsbewilligung den Rechtsstreit voraussichtliche verloren hätte. Gegen diesen Beschluss des Landgerichts vom 2.5.2003, auf den wegen aller weiteren Einzelheiten der Begründung Bezug genommen wird, wendet sich die Beklagte mit der sofortigen Beschwerde. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

2

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist nach § 91a Abs. 2, 567 ZPO zulässig und teilweise begründet.

3

Nach Auffassung des Senats entspricht es hier der Billigkeit, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.

4

Über die Kosten des Rechtsstreits ist, nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, nach § 91a ZPO unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei kommt, wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist, dem voraussichtlichen Ausgang des Rechtsstreits erhebliche Bedeutung zu. Im Rahmen der in § 91a Abs. 1 ZPO vorgesehenen Entscheidung nach billigem Ermessen sind aber nach allseitiger Auffassung die Wertungen der übrigen Kostenregelungen der §§ 91 ff. ZPO ebenfalls zu berücksichtigen; dies gilt insbesondere auch für die Wertung des § 93 ZPO, wonach dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen sind, wenn der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben und den Klageanspruch sofort anerkannt hat. Dem sofortigen Anerkenntnis ist dabei die Herbeiführung einer Erledigung durch sofortige Erfüllung des eingeklagten Anspruchs seitens des Beklagten gleichzustellen.

5

Im vorliegenden Fall haben beide Parteien Veranlassung zu dem letztlich überflüssigen Rechtsstreit gegeben.

6

Die Klägerin hat es vor Klageerhebung versäumt, der Beklagten in ausreichender Weise die Möglichkeit zu einer Überprüfung des von ihr in Anspruch genommenen (vorrangigen) Rechts zu geben.

7

Im Hinblick auf eine vergleichbare Interessenlage der Beteiligten müssen insoweit die gleichen Grundsätze gelten wie vor Erhebung einer Drittwiderspruchsklage. Nach diesen Grundsätzen muss der Kläger, der ein die Vollstreckung hinderndes Recht geltend macht, zur Vermeidung von möglichen Kostennachteilen bei einem Anerkenntnis im Prozess dem Vollstreckungsgläubiger das Recht so rechtzeitig vor Klageerhebung ausreichend glaubhaft machen und dazu die zur Überprüfung seiner Rechtsposition erforderlichen Unterlagen vorlegen, dass der Vollstreckungsgläubiger (der Beklagte), den eine Obliegenheit zur Mitwirkung an einer vorprozessualen Klärung trifft, den Bestand sowie den Vorrang des vom Kläger geltend gemachten Rechts ausreichend überprüfen und sich hiervon vergewissern kann (vgl. statt vieler Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 93, Rdnr.6, Stichwort "Widerspruchsklage").

8

Da die von der Klägerin als vorrangiges Recht in Anspruch genommene Vormerkung ein streng akzessorisches dingliches Sicherungsrecht darstellt, das vom Vorhandensein, Fortbestand und Inhalt des gesicherten schuldrechtlichen Anspruchs abhängt und ohne den gesicherten Anspruch keine relevanten Wirkungen entfaltet, wäre es nach Auffassung des Senats erforderlich gewesen, der Beklagten sogleich den notariellen Kaufvertrag zugänglich zu machen, damit diese sich vom Bestand und der Unangreifbarkeit des durch die Vormerkung gesicherten Auflassungsanspruchs der Klägerin überzeugen konnte. Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht geschehen. In dem vorprozessualen Schreiben der Klägerin vom 24.6.2002 hat der Klägervertreter die Beklagte wegen des Bestands der Auflassungsvormerkung lediglich auf eine Einsichtnahme im Grundbuch verwiesen.

9

Andererseits muss festgestellt werden, dass auch die Beklagte durchaus Veranlassung zur Klage gegeben hat. Die Beklagte hatte vorprozessual in keiner Weise erkennbar gemacht, dass sie den Bestand und den Vorrang der Auflassungsvormerkung (mit dem zu Grunde liegenden schuldrechtlichen Anspruch) noch prüfen wollte. Ein solcher Vorbehalt der Beklagten wäre zumutbar und geboten gewesen. Auch wäre von ihr zu erwarten gewesen, dass sie bei einer ernsthaft in Betracht gezogenen Prüfung der Rechtslage den von ihr für erforderlich gehaltenen Kaufvertrag von der Klägerin angefordert hätte.

10

Stattdessen hat sie, nachdem die Klägerin sich mit Schreiben vom 26.6.2002 auf einen Vorrang der Auflassungsvormerkung berufen und Löschung der Sicherungshypothek verlangt hat, sogleich mit Schreiben vom 4.7.2002 den geltend gemachten Löschungsanspruch zurückgewiesen und sich auf eine Gläubigeranfechtung des Übertragungsvertrags berufen, die sie mit Schreiben vom selben Tag (vgl. Anlagen zur Klageerwiderung) gegenüber der Klägerin und deren Sohn erklärt hat. Sie hatte sich damit auf für sie ungesicherter, unklarer Tatsachengrundlage letztlich ungeprüft festgelegt und der Klägerin den mit der späteren Klage geltend gemachten Löschungsanspruch vorschnell streitig gemacht. Damit hat die Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben.

11

Unter den dargestellten Umständen, aus denen zu entnehmen ist, dass beide Parteien für den unnötigen und überflüssigen Rechtsstreit verantwortlich sind, erscheint es sachgerecht und entspricht es der Billigkeit, beide Parteien gleichmäßig mit den Kosten dieses Rechtsstreits zu belasten.

12

Die Kostenentscheidung des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, [...].

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 3.500 EUR festgesetzt.

[D]ie Festsetzung der Streitwert [beruht] auf §§ 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.