Amtsgericht Osnabrück
Urt. v. 11.10.1996, Az.: 44 C 345/96

Voraussetzung der Passivlegitimation für die Zulässigkeit einer Klage; Vornahme einer Mietminderung; Berechung des Mietminderungsbetrages von der Gesamtmiete

Bibliographie

Gericht
AG Osnabrück
Datum
11.10.1996
Aktenzeichen
44 C 345/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 15382
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGOSNAB:1996:1011.44C345.96.0A

Fundstellen

  • JurBüro 1997, 667 (Kurzinformation)
  • NJW-RR 1997, 774 (Volltext mit red. LS)
  • WuM 1996, 754-755 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Forderung

In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Osnabrück
auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 1996
durch
den ...
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.)

    Die Klage gegen die Beklagte zu 1.) ist unzulässig.

  2. 2.)

    Die Klage gegen den Beklagten zu 2.) wird abgewiesen.

  3. 3.)

    Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  4. 4.)

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

1

Auf die Wiedergabe des Tatbestandes wird gemäß § 313 a ZPO verzichtet.

2

Die Klage gegen die Beklagte zu 1 ist wegen der fehlenden Passivlegitimation unzulässig. Die Klägerin durfte bei Unterzeichnung des Mietvertrages durch den Beklagten zu 2 nicht davon ausgehen, daß dieser zugleich für die Beklagte zu 1, seine Lebensgefährtin, unterschrieben hat, auch wenn beide im Mietvertrag unter der Rubrik Mieter aufgeführt werden. Es kann nämlich allenfalls bei Eheleuten Vertretung angenommen werden, wenn im Vertrag beide Ehegatten genannt werden und nur einer unterschrieben hat (Palandt-Putzo § 535 Rn. 6; OLG Oldenburg MDR 1991, 968 [OLG Oldenburg 30.01.1991 - 2 W 1/91]; OLG Düsseldorf WuM 1989, 362 [OLG Düsseldorf 29.05.1989 - 3 W 239/89]; OLG Schleswig NJW 1993, 274). Die Klägerin durfte nicht von einer Stellvertretung ausgehen, da sich bei der Unterschrift des unterzeichnenden Beklagten zu 2 kein Zusatz hinsichtlich einer Vertreterstellung befindet. Durch die Schriftform des Vertrages soll nämlich u. a. dokumentiert werden, wer Vertragspartner geworden ist. Beim schriftlichen Vertrag kann Stellvertretung nur angenommen werden, wenn sich dies aus einem Zusatz zur Unterschrift ergibt (RGZ 96, 286, 289; LG Mannheim WuM 1987, 414 [LG Mannheim 14.05.1986 - 4 S 148/85]). Weiterhin ist die Stellvertretung beim Abschluß des Mietvertrages nicht die Regel, sondern die Ausnahme (LG Köln NJW-RR 1994, 274).

3

Es ist zwar richtig, daß die Beklagten zusammen in besagter Wohnung lebten. Für einen Vertragsschluß ergibt sich daraus aber nichts, da auch ein alleiniger Mieter eine andere Person in die Wohnung aufnehmen kann. Selbst eine eventuelle Zahlung des Mietzinses durch die Beklagte zu 1 wäre kein Indiz für einen Vertragsschluß, da auch ein Dritter zur Erfüllung berechtigt ist gemäß § 267 I BGB, ohne daß der Vermieter die Leistung ablehnen könnte, was sich aus § 267 II BGB ergibt.

4

Die Klage gegen den Beklagten zu 2 ist zulässig, aber unbegründet.

5

Die vom Beklagten zu 2 vorgenommene Mietminderung gemäß § 537 BGB erfolgte zu Recht. Die Kürzung der für die Monate Mai-August 1996 geforderten 4.560,00 DM um 1.370,00 DM und damit 30% ist wegen der mit den Bauarbeiten am Grundstück ... zusammenhängenden Beeinträchtigungen berechtigt. Der Minderungsbetrag ist dabei von der Gesamtmiete zu berechnen (Sternel II Rn. 556; Emmerich § 537 Rn. 19; OLG Frankfurt WuM 1986, 19).

6

Nach § 537 ist nämlich der Mieter nur zur Entrichtung eines Teils des Mietzinses verpflichtet, wenn im Laufe der Miete ein Fehler entsteht, der die Tauglichkeit der gemieteten Sache mindert. Insbesondere kann Baulärm bei Mietverhältnissen einen Fehler iSd § 537 darstellen. Dies ist für Baulärm im Hause des betroffenen Mieters (AG Hamburg WuM 1987, 272 [AG Hamburg 16.01.1987 - 44 C 1605/86]) und sogar für Baulärm anerkannt, der von Nachbargrundstücken ausgeht (BayObLG NJW 1987, 1950; LG Kassel NJW-RR 1989, 1292 [LG Kassel 24.05.1989 - 1 S 805/88]; LG Siegen WuM 1990, 17 [LG Siegen 09.11.1989 - 3 S 87/89]). Die Beeinträchtigungen der Wohnung ... als der gemieteten Sache müssen bei der Bemessung der Höhe des Minderungsbetrages als Gesamtheit gesehen werden. Eine Aufteilung in Beeinträchtigungen wegen Baulärms, in optische Beeinträchtigungen und Beeinträchtigungen wegen erhöhter Schmutzbildung ist nämlich nicht möglich, da der Grund der jeweils vorherrschenden Beeinträchtigung während der Baumaßnahme einer ständigen Veränderung unterliegt (LG Siegen WuM 1990, 17 [LG Siegen 09.11.1989 - 3 S 87/89]).

7

Nach eigenen Aussagen der Klägerin wurden ab Mitte Mai 1996 Baumaterialien auf dem Grundstück gelagert und ab Juni 1996 am Wohnhaus bedeutende und umfangreiche Arbeiten vorgenommen. Diese waren aber naturgemäß mit schwerwiegenden Geräusch- und Lärmbeeinträchtigungen verbunden. Das gesamte Haus ist nämlich mit einer vollständigen Rundum-Wärmedämmung (Schaummatten und Styroporplatten) sowie mit einer Verklinkerung versehen worden. Weiterhin wurden im Hause zwei Wohnungen zusätzlich geschaffen. Ferner sind Fliesen abgeklopft und Wände gestemmt worden, um Leitungen zu verlegen. Zur Durchführung der Arbeiten sind Gerüste rund um das Haus aufgestellt worden. Dies läßt sich auch den Photos entnehmen, die die Beklagten vom Grundstück ... angefertigt haben und die auch der Klägerin zur Verfügung gestellt wurden. Das obere Photo auf Bl. 28 d.A. und das untere Photo auf der Rückseite von Bl. 28 d.A. zeigen, daß das gesamte Haus mit Gerüsten umgeben und daß ein neuer Dachstuhl errichtet wurde. Die Rückseite von Bl. 28 d.A. zeigt die Dämmarbeiten und die totale Verklinkerung des Hauses. Auf den Bl. 31 und 32 d.A. ist zu erkennen, wie der Balkon mit Baumaterial und Gerüstteilen vollgestellt wurde. Daß der Weg zwischen Garagen und Haus nur äußerst mühsam zu begehen war, folgt aus den Photos auf den Rückseiten von Bl. 29 und 31 d.A.

8

Auch unter dem Gesichtspunkt der nervlichen Belastung für den Beklagten zu 2 und der mit ihm wohnenden Personen, darunter zwei Kinder, ist eine Minderung um 30% gerechtfertigt. Zu berücksichtigen ist nämlich, daß die Wohnqualität während eines größeren Bauvorhabens auch in den Zeiten beeinträchtigt ist, in denen besonders starke Lärm- und Geräuschstörungen nicht stattfinden, weil der Mieter nie sicher sein kann, daß er für einen bestimmten voraussehbaren Zeitraum von solchen Beeinträchtigungen verschont ist (AG Hamburg WuM 1987, 272 [AG Hamburg 16.01.1987 - 44 C 1605/86]: Minderungsquote 60 % der Brutto-Kaltmiete für eine Dachwohnung bei Abriß des Dachstuhls und Ausbau eines neuen Dachstuhls).

9

Die Mietminderung kommt weiterhin auch wegen der nach Schluß der regulären Bauarbeiten (8.00- 16.30 Uhr) durchgeführten Arbeiten in Betracht.

10

Den Ausführungen der Klägerin läßt sich entnehmen, daß die von ihrem Schwiegersohn, ... vorgenommenen Arbeiten von 17.00 bis 20.00 Uhr dauerten.

11

Ein Mieter darf nämlich darauf vertrauen, daß jedenfalls in den Stunden des üblichen Feierabends, also nach ca. 17.00 Uhr, und an Samstagen und Sonntagen Ruhe herrscht (AG Darmstadt WuM 1984, 245 [AG Darmstadt 03.05.1982 - 39 C 1706/81], bestätigt durch LG Darmstadt, Urteil vom 18.03.1983-17 S 284/82: 25 % Minderungsquote bei Bauen eines Hochhauses unmittelbar an die Außenwände der Wohnung des Mieters).

12

An dieser Einschätzung des Gerichts würde sich auch dann nichts ändern, wenn die in der Wohnung des Beklagten zu 2 lebenden Personen zur Zeit der Bauarbeiten nicht anwesend gewesen wären. Das Recht des Mieters nach § 537, das kraft Gesetzes die Vertragspflicht ändert (BGH in ständiger Rechtsprechung NJW 1987, 432; NJW-RR 1991, 779) besteht nämlich unabhängig davon, ob der Mieter die Sache, wäre sie vertragsgemäß gewesen, verwendet hätte oder nicht (BGH NJW 1958, 785; Palandt-Putzo § 537 Rn. 21).

13

Die Duldungspflicht des Beklagten zu 2 nach § 541 b BGB bei Maßnahmen der Klägerin zur Einsparung von Heizenergie läßt ebenfalls nicht das Minderungsrecht nach § 537 entfallen. Führen nämlich Modernisierungsarbeiten des Vermieters dazu, daß der vertragsgemäße Gebrauch der Wohnräume aufgrund der modernisierungsbedingten Änderungern erheblich beeinträchtigt wird, so steht dem Mieter ein Minderungsrecht zu (LG Mannheim WuM 1978, 95 [LG Mannheim 23.11.1977 - 4 S 6/77]; Sternel II Rn. 544).

14

Die prozessualen Nebenentscheidungen leiten sich aus §§ 91 I 1 Hs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO her.