Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 27.04.2016, Az.: 1 A 221/14
Anzeigepflicht; Förderung; Mehreinbau; Mehreinbaudicke; Mehreinbaugewicht; Nebenbestimmung; Subvention; Wegebau; Widerspruch; Zuwendung
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 27.04.2016
- Aktenzeichen
- 1 A 221/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 43556
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- LW 99 ZTV
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Widersprüche bei der Formulierung von Nebenbestimmungen in einem Zuwendungsbescheid gehen zulasten des Subventionsgebers.
Hier: Wenn die Nebenbestimmungen zum einen vorsehen, dass projektbedingt zusätzlich entstehende Kosten, die bei Antragstellung nicht erkennbar bzw. bekannt waren, die jedoch der ordnungsgemäßen Umsetzung des beantragten Projekts dienen, vor der Vergabe von Aufträgen und der Umsetzung anzuzeigen sind, und zum anderen, dass die Bauausführung den Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien über die Befestigung ländlicher Wege (ZTV LW 99) entsprechen muss, gilt die Anzeigepflicht nicht für die nach den ZTV LW 99 zu vergütenden Mehreinbaugewichte oder Mehreinbaudicken. Sie sind bereits Gegenstand des ursprünglichen Bewilligungsbescheides.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von dem inzwischen zuständigen Beklagten die Gewährung weiterer Subventionen nach der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur integrierten ländlichen Entwicklung (ZILE) für den Ausbau des Wirtschaftswegs Bodensee – Gieboldehausen.
Auf Antrag der Klägerin vom 31.07.2012 bewilligte das damals zuständige Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Niedersachsen (LGLN) mit Bescheid vom 27.02.2013, mehrfach geändert, zuletzt durch Bescheid vom 07.11.2013, eine Zuwendung in Höhe von bis zu 50 % der zuwendungsfähigen Kosten, höchstens 30.000 Euro. Die Zuwendung erfolgte im Wege der nachträglichen Erstattung. Der Zuwendungsbescheid vom 27.02.2013 war mit diversen Nebenbestimmungen versehen, die durch den Änderungsbescheid vom 20.09.2013 etwas verändert wurden. Dort hieß es u.a. (in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20.09.2013):
„10. Projektbedingt zusätzlich entstehende Kosten, die bei Antragstellung nicht erkennbar bzw. bekannt waren, die jedoch der ordnungsgemäßen Umsetzung des beantragten Projekts dienen, sind mir vor der Vergabe von Aufträgen und der Umsetzung anzuzeigen. Ich werde dann die Förderlichkeit prüfen und Sie benachrichtigen. Werden solche Kosten erst mit dem Verwendungsnachweis geltend gemacht, sind diese nicht förderfähig und von den Gesamtkosten abzuziehen. Der Verwendungsnachweis fragt solche Kosten unter Nr. 1.3 ab.“
„15. Die Bauausführung muss den Standardbauweisen für Wegebefestigungen nach den Richtlinien für den ländlichen Wegebau (RLW 1999), Herausgeber: Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (DVWK), Bonn und den »Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien über die Befestigung ländlicher Wege (ZTV LW 99)« entsprechen. […]
Es ist eine Asphaltdecke von mindestens 7 cm (ca. 180kg/m²) beim Ausbau in MSB zu bauen. […]“
Im April 2013 schrieb die Klägerin den Ausbau des Wirtschaftswegs öffentlich aus. Der Ausbau auf der vorhandenen Trasse sollte folgendermaßen durchgeführt werden: Abbruch der vorhandenen Betondecke, Verbreiterung des vorhandenen Unterbaus, Verstärkung mit 20 cm Schotter, Einbau von 7,2 cm bituminöser Befestigung Tragdeckschicht sowie Befestigung des Seitenstreifens (Seite 1 der Ausschreibungsunterlagen). Zur Bauausführung wurde mehrfach auf die ZTV LW 99/01 verwiesen (Seite 5-7). Im Leistungsverzeichnis „Los 2 Verbindungsweg Bodensee – Gieboldehausen“ heißt es zu der Position 2.3.7. „Tragdecke 0/16 mm“:
„Wegebefestigungen – Asphalttragdeckschichten / Asphaltspuren
Asphalttragdeckschichten herstellen […]
Einbaugewicht: 180 kg/m2 (mind. 7,2 Zentimeter)
Einbaudicke (verdichtet) mind. 7,2 cm
Abrechnungseinheit: m2 Tragdeckschicht
Materialnachweis über Wiegescheine
1450,00 m2“
Auf der Grundlage der VOB/A beauftragte die Klägerin mit den Wege- und Straßenbauarbeiten die Firma Gebr. Gropengießer GmbH aus Wulften (Harz). Während der Bauarbeiten wurde ein sog. Mehreinbau notwendig. Es wurde mehr Material eingebaut, als zunächst rechnerisch veranschlagt. Die Notwendigkeit eines Mehreinbaus entsteht insbesondere durch Unebenheiten im Unterbau. Die Baufirma hatte in ihrem Angebot vom 23.04.2013 für die Position 2.3.7 einen Einheitspreis von 10,74 Euro und einen Gesamtpreis von 15.573 Euro angesetzt. Die Schlussrechnung vom 19.09.2013 blieb insgesamt knapp unter der veranschlagten Bausumme und wies insbesondere folgende Positionen aus:
2.3.7 Tragdecke 0/16 mm; 1421,632 m²; Einheitspreis: 10,74 Euro/m²; Gesamtpreis: 15.268,33 Euro
2.3.7.A Tragdecke 0/16 mm - Mehreinbau bis 10 % lt. ZTV LW 99/01; 25,366 t; Einheitspreis: 59,67 Euro/t; Gesamtpreis: 1.513,59 Euro
2.3.18 Plattendruckversuche nach DIN 18 134; 5 Stück; Einheitspreis: 135,60 Euro; Gesamtpreis: 678,00 Euro
Die Klägerin bezahlte die Rechnung. Unstreitig ist, dass sie dabei auch zur Begleichung der Mehreinbaukosten in Höhe von 1.513,59 Euro verpflichtet war. Nach Beendigung der Bauarbeiten reichte sie mit Schreiben vom 17.03.2014 bei dem Beklagten einen Verwendungsnachweis und Auszahlungsantrag ein. Sie machte förderfähige Projektkosten in Höhe von 59.931,62 Euro geltend und beantragte die hälftige Auszahlung (29.965,81 Euro). Bei der Durchführung des Projektes hätten sich keine Abweichungen von dem im Zuwendungsbescheid bestimmten Umfang ergeben.
Nach der Prüfung des Verwendungsnachweises setzte der Beklagte mit Bescheid vom 06.10.2014 die auszuzahlende Fördersumme auf 27.500 Euro fest. Die zuwendungsfähigen Gesamtausgaben lägen (nur) bei 57.473,85 Euro. Nicht alle von der Klägerin angesetzten Kosten seien zuwendungsfähig, insbesondere nicht die Positionen 2.3.7.A und 2.3.18 (anteilig 3 Stück) der Schlussrechnung der Baufirma. Diese Posten seien nicht Gegenstand des Bewilligungsbescheids und der diesen ergänzenden Genehmigungen gewesen, da sie nicht beantragt worden sein. Eine nachträgliche Berücksichtigung mit dem Verwendungsnachweis sei unzulässig. Da die Klägerin die Auszahlung einer Zuwendung in Höhe von 29.960 Euro beantragt habe, tatsächlich aber nur 28.730 Euro beanspruchen könne, sei die an sich zu gewährende Förderung gemäß der europäischen Kontrollverordnung um den Differenzbetrag (29.960 Euro - 28.730 Euro = 1.230 Euro) zu kürzen, sog. Sanktion. Somit ergebe sich der endgültige Auszahlungsbetrag von 27.500 Euro. In dem für die Abrechnung der Zuwendungen verwendeten Vordruck werde darauf hingewiesen, dass zur Vermeidung von Sanktionen nur der Zuwendungsbetrag beantragt werden solle, der dem bisher genehmigten Projektumfang entspreche.
Am 05.11.2014 hat die Klägerin Klage erhoben und ursprünglich beantragt, die Rechnungspositionen 2.3.7.A und 2.3.18 (anteilig 3 Stück) als zuwendungsfähig festzustellen sowie die Sanktion aufzuheben. Mit Schriftsatz vom 10.12.2014 hat sie erklärt, die Rechnungsposition 2.3.18 sei nicht mehr Gegenstand der Klage. Mit Bescheid vom 25.06.2015 hat der Beklagte den Festsetzungsbescheid bezüglich der Sanktion aufgehoben. Die gewährte Zuwendung betrage nunmehr 28.730 Euro. Die zuwendungsfähigen Gesamtausgaben lägen weiter bei 57.473,85 Euro. Zur Begründung hat der Beklagte auf eine zum 01.01.2015 in Kraft getretene Rechtsänderung verwiesen, mit der die Sanktionsgrenze auf 10 % angehoben worden sei. Diese Schwelle habe die Klägerin nicht erreicht. Soweit der Beklagte den Festsetzungsbescheid vom 06.10.2014 aufgehoben hat, haben die Beteiligten den Rechtsstreit vor der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Rechnungsposition 2.3.7.A sei zuwendungsfähig, da ihre mögliche Ausführung in den Förderbescheiden mit dem dortigen Verweis auf die RLW 1999, die ZTV LW 99 und die Asphaltdecke von mindestens 7 cm (ca. 180 kg/m²) gefordert worden sei. Mehreinbaudicken seien keine zusätzlichen, vorab zu beantragenden Investitionen, sondern der Bauart immanent. Sie - die Klägerin - habe deshalb keine Veranlassung gesehen, den Mehreinbau vor oder mit der Einreichung des Verwendungsnachweises anzuzeigen; zumal die veranschlagten Baukosten insgesamt eingehalten worden sein. Eine Anzeige vor der Ausführung wäre auch unmöglich gewesen, da erst nach dem Einbau der Tragdeckschicht festgestellt werden könne, ob ein Mehr- oder Mindereinbau erfolgt sei. Sie habe dementsprechend erst mit der Schlussrechnung der Baufirma am 11.10.2013 von dem Mehreinbau erfahren. Das Leistungsverzeichnis habe sie korrekt erstellt. Monetär habe sie die möglichen Mehreinbaudicken bereits in ihrem Fördererantrag angemeldet. Die Zuwendungsfähigkeit der Position 2.3.7.A führe dazu, dass eine Sanktion von vornherein nicht hätte festgesetzt werden dürfen, weil die Bagatellgrenze nicht überschritten gewesen sei.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Festsetzungsbescheides vom 06.10.2014 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 25.06.2015 zu verpflichten, die zuwendungsfähigen Gesamtausgaben um 1.513,59 Euro zu erhöhen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Klägerin hätte ihm - unabhängig von der baulichen Notwendigkeit des Mehreinbaus, ihrer Verpflichtung zur Begleichung der Kosten und der Einhaltung des Kostenrahmens insgesamt - die Notwendigkeit eines Mehreinbaus vor Erlass des Festsetzungsbescheides anzeigen und einen Änderungsantrag stellen müssen. Der unter der Rechnungsposition 2.3.7.A genannte Betrag sei nicht Gegenstand des Bewilligungsverfahrens gewesen. Kenntnis von dem Mehreinbau habe die Klägerin schon vor Erhalt der Schlussrechnung gehabt, weil sie sich die Kenntnis des mit der Bauleitung beauftragten Ingenieurbüros zurechnen lassen müsse. Hätte die Notwendigkeit für die Position 2.3.7.A allein auf Grund der auch im Förderbescheid genannten Vorgaben zur Bauausführung bestanden, dann hätte sie Bestandteil des Leistungsverzeichnisses sein müssen; zumindest als Bedarfsposition (Eventualposition).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen (Beiakte A/B) und die vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakten C - E) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat (Position 2.3.18, anteilig 3 Stück) und soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben (Sanktion) ist das Verfahren gemäß bzw. entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Im Übrigen hat die Klage Erfolg.
Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte die zuwendungsfähigen Gesamtausgaben um 1.513,59 Euro für die Position 2.3.7.A der Schlussrechnung der Baufirma erhöht. Insoweit ist der dieses Begehren ablehnende Festsetzungsbescheid vom 06.10.2014 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 25.06.2015 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Das Land Niedersachsen, handelnd durch den Beklagten, gewährt nach Maßgabe der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur integrierten ländlichen Entwicklung (ZILE; RdErl. d. ML v. 29.10.2007 – 306-60119/3 – VORIS 78350, Nds. MBl. S. 1217; inzwischen neu gefasst; im Folgenden: Förderrichtlinie), der Verwaltungsvorschriften zu § 44 der Landeshaushaltsordnung – VV LHO zu § 44 – (Nds. MBl. 1996, 1868) und der Verwaltungsvorschriften für Zuwendungen an Gebietskörperschaften und Zusammenschlüsse von Gebietskörperschaften in der Rechtsform einer juristischen Person des öffentlichen Rechts – VV-Gk (ebenda) – Zuwendungen für die integrierte ländliche Entwicklung.
Die Gewährung der Förderung erfolgt unter Beteiligung der EU und des Bundes u.a. auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20.09.2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER; ABl. EU Nr. L 277 S. 1) (Nr. 1.1 der Förderrichtlinie). Zuwendungsfähig sind insbesondere Ausgaben für den Neubau befestigter oder die Befestigung vorhandener, bisher nicht oder nicht ausreichend befestigter Verbindungswege und landwirtschaftlicher Wege außerhalb bebauter Ortslagen (Nr. 2.1.3.4 der Förderrichtlinie i.V.m. Abschnitt 125.2 der Anlage).
Derartige Richtlinienbestimmungen begründen nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als bloße ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften, anders als Gesetze und Rechtsverordnungen, nicht schon durch ihr Vorhandensein subjektive Rechte und damit verbundene Ansprüche der Zuwendungsbewerber auf Gewährung der Zuwendung. Eine über die ihnen zunächst nur innewohnende verwaltungsinterne Bindung hinausgehende anspruchsbegründende Außenwirkung wird vielmehr nur durch den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) vermittelt, dies zudem nur in der Ausprägung, die die Verwaltungsvorschriften durch die ständige Verwaltungspraxis gefunden haben. Maßgeblich ist mithin, wie die zu ihrer Anwendung berufene Behörde die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, vom Urheber der Verwaltungsvorschrift gebilligter oder jedenfalls geduldeter Praxis gehandhabt hat (Nds. OVG, Urteil vom 19.05.2015 – 8 LB 92/14 –, juris, Rn. 27 m.w.N. auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts).
Gemäß der danach maßgeblichen Verwaltungspraxis des Beklagten muss eine Zuwendung schriftlich beantragt werden (Nr. 3.1 der VV/VV-Gk zu § 44 LHO). Außerdem sind nach Nr. 10 der Nebenbestimmungen des Zuwendungsbescheides projektbedingt zusätzlich entstehende Kosten, die bei Antragstellung nicht erkennbar bzw. bekannt waren, dem Beklagten vor der Vergabe von Aufträgen und der Umsetzung anzuzeigen. Diese Anzeigepflicht umfasst nach der Überzeugung der Kammer jedoch nicht den nach den Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien über die Befestigung ländlicher Wege (ZTV LW 99/01, Ausgabe 1999/Fassung 2001 mit Änderungen und Ergänzungen Ausgabe 2007; Stand Juni 2011) zulässigen und zu vergütenden Mehreinbau. Insoweit stellt Nr. 15 der Nebenbestimmungen, die die Beachtung der ZTV LW 99/01 verlangt, eine gegenüber Nr. 10 vorrangige Spezialregelung dar.
Die technische Vorschrift enthält Vorgaben über Baugrundsätze, Baustoffe, Bauausführung, Prüfungen, Abnahme, Gewährleistung und Abrechnungen. Sie sieht vor, dass bei Vereinbarung eines flächenbezogenen Einbaugewichtes (kg/m²) für jede Schicht durch Wiegescheine nachzuweisen ist, inwieweit das Einbaugewicht mit dem im Bauvertrag vorgeschriebenen Einbaugewicht übereinstimmt. Mehreinbaugewichte werden nur nach Maßgabe des Abschnittes 4 vergütet (Nr. 1.11.3.1 ZTV LW 99/01). Mehreinbaugewichte werden zunächst zum Ausgleich von Mindereinbaugewichten darunterliegender, nach dem Bauvertrag auszuführender gebundener Oberbauschichten herangezogen. Das dann verbleibende Mehreinbaugewicht der - wie hier - Tragdeckschicht wird bis zur abrechenbaren Überschreitung des Solleinbaugewichts vergütet (Nr. 1.11.3.2). Ist ein Mehreinbaugewicht bei der Abrechnung zu berücksichtigen, so wird der vereinbarte Einheitspreis entsprechend dem Verhältnis des zu vergütenden Einbaugewichts zu dem vorgeschriebenen Einbaugewicht geändert und der Abrechnung zugrunde gelegt, sog. Abrechnungseinheitspreis (Nr. 1.11.3.3). Entsprechendes gilt, wenn im Bauvertrag Einbaudicken (cm) vorgeschrieben sind (Nr. 1.11.4). Bei - wie hier - Tragdeckschichten wird eine Mehreinbaudicke bis zu 10 % vergütet (Nr. 4.12). Aus den ZTV LW 99/01 geht demnach hervor, dass es beim Wegebau zu Mehreinbaudicken kommen kann und inwieweit diese zu vergüten sind. Daher war ein möglicher Mehreinbau von vornherein von dem Bewilligungsbescheid des Beklagten umfasst.
Für dieses Auslegungsergebnis spricht auch, dass die Kosten eines (möglichen) Mehreinbaus schon bei der Stellung des Förderantrags erkennbar sind, so dass es an einer Unvorhersehbarkeit im Sinne von Nr. 10 der Nebenbestimmungen fehlen dürfte. Sinn und Zweck der Anzeigepflicht ist es, dem Beklagten eine Überprüfung der Förderfähigkeit zu ermöglichen. In den Fällen des Mehreinbaus ist eine solche Prüfung jedoch nicht notwendig, weil die Zuwendungsfähigkeit bereits mit dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid anerkannt wurde.
Wenn der Beklagte die Anwendung der Abrechnungsvorschriften in den ZTV LW 99/01 hätte ausschließen wollen, so hätte er dies klarstellen müssen. Die vorliegend gewählte Formulierung der Nebenbestimmungen ist widersprüchlich. Dieser Widerspruch geht zu Lasten des Beklagten, der die Nebenbestimmungen erlässt. Er ist im Sinne eines Spezialitätsverhältnisses aufzulösen.
Es spielt keine Rolle, ob andere Zuwendungsempfänger (vorsorglich) eine Baubesprechung und eine Meldung an den Beklagten veranlassen, wenn sie im konkreten Fall absehen können, dass ein Mehreinbau erfolgen wird.
Ferner ist unerheblich, dass die Baufirma in der Schlussrechnung keinen Abrechnungseinheitspreis auswies, sondern die Mehreinbaudicke durch die Position 2.3.7.A und in der Maßeinheit „Tonnen“ abrechnete. Da es zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass der dort ausgewiesene Betrag für den Mehreinbau von der Klägerin zu zahlen war, wäre es bloße Förmelei, die Ausweisung eines Abrechnungseinheitspreises zu verlangen.
Auch das dem Rechtsvorgänger des Beklagten vorgelegte Leistungsverzeichnis war nicht fehlerhaft. Dort war keine Bedarfsposition (Eventualposition) für ein Mehreinbaugewicht anzusetzen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 VOB/A sind Bedarfspositionen grundsätzlich nicht in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen. Bedarfspositionen sind solche Positionen, bei denen trotz Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten im Zeitpunkt der Ausschreibung objektiv nicht feststellbar war, ob und in welchem Umfang die Leistungen zur Ausführung gelangen. Solche Leistungen werden erst - bei tatsächlichem Bedarf - später beauftragt oder gefordert (Lausen, in: Heiermann/Zeiss, jurisPK-Vergaberecht, 4. Aufl. 2013, § 7 VOB/A 2012 Rn. 46 f. m.w.N.). Mehreinbauten dürften schon nicht als Bedarfsposition anzusehen seien, weil sie nicht später vom Auftraggeber gefordert, sondern vom Auftragnehmer ausgeführt werden, um das Gewerk vertragsgerecht abzuliefern. Jedenfalls besteht für die Aufnahme als Bedarfsposition kein Bedürfnis, weil die Vergütung eines Mehreinbaus nicht von dem Auftragnehmer vorzuschlagen, sondern durch die ZTV LW 99/01 bestimmt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 2, 161 Abs. 2 Satz 1 und 154 Abs.1 VwGO.
Soweit das Verfahren wegen der Teilrücknahmeerklärung eingestellt wurde, trägt die Klägerin gemäß § 155 Abs. 2 VwGO die Kosten. Diesen Anteil an den Verfahrenskosten bewertet die Kammer mit 1/10. Für den Beklagten verbleibt ein Anteil von 9/10:
Bezüglich des übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrensteils ist nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO über die Verfahrenskosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, die Kosten insoweit dem Beklagten aufzuerlegen. Denn er hatte die ursprüngliche Sanktion rechtswidrig festgesetzt. Die nach Art. 30 der EU-Kontrollverordnung (Verordnung (EU) Nr. 65/2011 der Kommission vom 27. Januar 2011 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates hinsichtlich der Kontrollverfahren und der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen bei Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums) maßgebliche Sanktionsschwelle von 3 % Differenz zwischen der zustehenden und der beantragten Zuwendung war wegen der Förderfähigkeit der Rechnungsposition 2.3.7.A nicht überschritten. Beantragt hatte die Klägerin eine Förderung von 29.965,81 Euro. Zu gewähren ist ihr (bei Außerachtlassung von Rundungsvorschriften) eine Förderung von 29.493,72 Euro (57.473,85 Euro + 1.513,59 Euro = 58.987,44 Euro; davon 50 %). Die 3 %-Grenze liegt demnach bei ca. 884 Euro und ist bei einer überschießenden Forderung von lediglich 472,09 Euro (29.965,81 Euro - 29.493,72 Euro) nicht erfüllt.
Soweit in der Sache noch zu entscheiden war, trägt der Beklagte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.