Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 03.07.2008, Az.: 11 U 22/08

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
03.07.2008
Aktenzeichen
11 U 22/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 42423
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2008:0703.11U22.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 21.12.2007 - AZ: 5 O 112/07

Fundstelle

  • OLGReport Gerichtsort 2009, 370-372

In dem Rechtsstreit

...

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Amtsgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Schlussurteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 21. Dezember 2007 abgeändert.

  2. Das Urkunden-Vorbehaltsurteil vom 15. August 2007 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  5. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

  6. Die Revision wird nicht zugelassen.

  7. Streitwert des Berufungsverfahrens: 25 000 €.

Gründe

1

I.

Die Klägerin, eine Maklerin, nimmt die Beklagten auf Zahlung von Courtage in Höhe von 25 000 € in Anspruch. Sie vermittelte den Beklagten ein Mehrfamilienhauses in S. Dieses Haus wurde zuvor durch den Angestellten der Klägerin v.S. besichtigt. Die Klägerin bot das Haus in einem Exposé an und beschrieb es dort wie folgt: "Das Objekt ist sehr hochwertig ausgestattet und befindet sich in einem sehr guten und gepflegten Neubauzustand" (B 2).

2

Die Beklagten erwarben das Haus für 420 000 €. Im notariellen Kaufvertrag vom 22. Dezember 2005 verpflichteten sie sich zur Zahlung einer Courtage in Höhe von 25 000 € an die Klägerin (§ 17; Bl. 7 R d.A.). Der Courtageanspruch selbst ist unstreitig.

3

Die Beklagten wenden gegen den Courtageanspruch ein, die Klägerin habe diesen Anspruch aufgrund mehrerer Aufklärungspflichtverletzungen verwirkt. Sie behaupten insbesondere, das vermittelte Haus sei wegen einer schadhaften Isolierung mangelhaft, weshalb massive Feuchtigkeitserscheinungen im gesamten Haus vorhanden seien. Dies habe die Klägerin vor der Vermittlung gewusst, weil deren Angestellte das Objekt vorher besichtigt hätten und der Angestellte der Klägerin v.S. vom Hausmeister des Objekts S. auf die Feuchtigkeit hingewiesen worden sei. Dieser Mangel sei ihnen von der Klägerin jedoch nicht mitgeteilt worden.

4

Das Landgericht hat die Beklagten zunächst im Urkundenprozess mit Urkunden-Vorbehaltsurteil vom 15. August 2008 antragsgemäß zur Zahlung verurteilt (Bl. 40 d.A.). Das Landgericht hat sodann Beweis über die Feuchtigkeit des Hauses und den Kenntnisstand der Klägerin hiervon (Vfg. Bl. 58 R d.A.) erhoben, Mangel und Kenntnis der Klägerin davon jedoch offen gelassen und durch das angefochtene Schlussurteil das Urkunden-Vorbehaltsurteil für vorbehaltslos erklärt. Wegen der Einzelheiten wird auf die beiden genannten Urteile Bezug genommen.

5

Gegen das Schlussurteil des Landgerichts richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihren Vortrag wiederholen. Die Beklagte zu 2 hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergänzend ausgeführt (§ 141 ZPO), ein Rücktritt vom bzw. die Anfechtung des Grundstückskaufvertrags sei nicht möglich, da der Verkäufer des Hauses nicht mehr erreichbar sei. Sie habe trotz eigener Besichtigung vom Mangel des Hauses keine Kenntnis haben können. Das Haus bestehe aus zwei Hälften. Nach Besichtigung der einen Haushälfte habe der Angestellte der Klägerin v.S. erklärt, die zweite Hälfte sehe genauso aus, weshalb sie und der Beklagte zu 1 auf eine weitere Besichtigung verzichtet hätten und daher Feuchtigkeitserscheinungen nicht selbst hätten bemerken können.

6

Die Beklagten beantragen,

  1. das Urteil des Landgerichts Stade vom 21. Dezember 2007 sowie das Vorbehaltsurteil vom 15. August 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

  1. die Berufung zurückzuweisen.

8

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

9

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

10

II.

Die Berufung ist begründet. Die Klage ist unter Aufhebung des zuvor vom Landgericht erlassenen Urkunden-Vorbehaltsurteils abzuweisen. Zu Unrecht hat das Landgericht die Aussagen der vernommenen Zeugen im Wesentlichen unberücksichtigt gelassen und die Beklagten zur Zahlung der Courtage verurteilt.

11

1. Aufgrund der Aussagen der Zeugen ist der Senat davon überzeugt, dass das von den Beklagten erworbene Haus unter einem schwerwiegenden Mangel leidet, nämlich unter erheblichen Feuchtigkeitserscheinungen.

12

a) Der Senat kann die protokollierten Zeugenaussagen selbst würdigen. Ist der Inhalt der protokollierten Aussage objektiv für die Beweisfrage ergiebig, kann das Berufungsgericht die Aussage ohne erneute Vernehmung des Zeugen anders beurteilen als die erste Instanz. Das Berufungsgericht darf eine Zeugenaussage ohne Wiederholung der Vernehmung auch hinsichtlich der Glaubwürdigkeit werten, die die Vorinstanz unberücksichtigt gelasssen hat, weil sie sie für unerheblich hielt (Saenger/Woestmann, ZPO, 2. Aufl. 2007, § 529 Rn. 8 m.w.N.). Eine erneute Beweisaufnahme durch den Senat ist hier nicht notwendig. Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugen sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Senat kann die Aussagen daher selbst würdigen, weil eine von der Würdigung des Landgerichts abweichende Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen nicht in Rede steht.

13

b) Erhebliche Feuchtigkeitserscheinungen wurden von den Zeugen D. und S. übereinstimmend bekundet. Die Zeugin D. hat zudem Fotos von Räumlichkeiten des Hauses gefertigt und zur Akte gereicht (Bl. 64 d.A.). Auch der von der Klägerin benannte Zeuge v.S. hat ausgeführt, dass auf den von der Zeugin D. eingereichten Lichtbildern erhebliche Feuchtigkeitserscheinungen zu erkennen seien.

14

Damit kann nicht zweifelhaft sein, dass das Haus unter einem erheblichen Mangel leidet, nämlich unter massiven Feuchtigkeitserscheinungen.

15

2. Aufgrund der Aussagen der Zeugen ist der Senat weiter davon überzeugt, dass der genannte Mangel bei der Vermittlung des Objekts bereits vorhanden und dem Angestellten der Klägerin v.S. bekannt gewesen ist.

16

a) Die Feuchtigkeitsmängel waren dem bei der Klägerin angestellten Zeugen v.S. positiv bekannt. Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen S. (Bl. 65 ff.d.A.). Der Zeuge hat ausgesagt, dass die Feuchtigkeitserscheinungen sowohl im Keller als auch in Wohnungen "von Anfang an" vorhanden gewesen seien (Bl. 65 d.A.). Feuchtigkeitserscheinungen habe man immer sehen können (Bl. 66 sowie 67 d.A.). Er habe Herrn v.S. die Feuchtigkeitserscheinungen gezeigt. Er habe ihn darauf hingewiesen und sie hätten sich darüber unterhalten (Bl. 67 d.A.).

17

Der gegenbeweislich benannte Zeuge v.S. hat dies in seiner Vernehmung nicht in Abrede gestellt. Er hat ausgesagt, er sei mit dem Zeugen S. "wohl" auch im Heizungskeller gewesen (Bl. 90, 91 d. A). Der Zeuge konnte sich allerdings nicht mehr daran erinnern, ob der Zeuge S. ihn auf Feuchtigkeitserscheinungen hingewiesen hat.

18

Aus der Aussage des Zeugen v.S. ist erkennbar, dass dieser unter Erinnerungslücken leidet, weil er ein Gespräch über Feuchtigkeitserscheinungen nicht ausschloss, sich jedoch an dieses nicht mehr erinnern konnte. Die Aussage des Zeugen v.S. ist daher schon von ihrem Inhalt her nicht geeignet, die Richtigkeit der Aussage des Zeugen S. in Frage zu stellen. Bei den gezeigten Feuchtigkeitserscheinungen handelte es sich auch um solche, die erheblich waren. Dies ergibt sich gleichfalls aus der Aussage des Zeugen S., der bekundete, er habe den Zeugen v.S. auf diese Feuchtigkeitserscheinungen hingewiesen, weil die Veräußerung des Objektes in Rede stand (Bl. 67 d.A.). Daraus folgt, dass die Feuchtigkeitserscheinungen so erheblich gewesen sein müssen, dass der Zeuge S. der Ansicht gewesen ist, darauf müsse ein Erwerber hingewiesen werden. Der Zeuge S. hat weiter ausgesagt, dass die Feuchtigkeitserscheinungen ohne weiteres zu sehen gewesen seien, "es sei denn, man ist blind" (Bl. 66 d.A.).

19

Aus der Aussage der Zeugin D. ergibt sich gleichfalls, dass die bemerkten Feuchtigkeitserscheinungen schwerwiegend waren. Die Zeugin konnte sich an den Zeitpunkt, in welchem sie diese Feuchtigkeitserscheinungen bemerkte, nicht genau erinnern. Aus ihrer Aussage kann daher nicht hergeleitet werden, dass die Feuchtigkeitserscheinungen erst nach der Besichtigung des Objekts durch den Zeugen v.S. bemerkbar gewesen sind.

20

b) Die Kenntnis des bei der Klägerin angestellten Zeugen v.S. muss diese sich gemäß § 278 BGB zurechnen lassen (vgl. zur Zurechnung: Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl. 2007, § 652 Rn. 18).

21

c) Der Mangel wurde den Beklagten von der Klägerin nicht mitgeteilt. Dies ist unstreitig.

22

2. Der Courtageanspruch steht der Klägerin unter den gegebenen Umständen nicht zu.

23

a) Der Courtageanspruch ist verwirkt. Über den Wortlaut des § 654 BGB hinaus nimmt die Rechtsprechung stets an, dass der Makler seinen Provisionsanspruch verwirkt, wenn ihm eine schwerwiegende Verletzung der Treuepflicht zur Last fällt, die er vorsätzlich oder in einer dem Vorsatz nahekommenden Weise leichtfertig den Interessen des Auftraggebers zuwider begangen hat (Senat , Urt.v.  6. Februar 2003, 11 U 170/02 ). Der Senat hat in dem genannten Urteil weiter ausgeführt: "Ein Makler kann nicht Angaben im Exposé stehen lassen, mag der Verkäufer sie ihm gegenüber auch so gemacht haben, wenn sie sich mit seiner eigenen Wahrnehmung von wesentlichen Tatsachen am Gebäude, die der Kläger im Streitfall hatte, nicht in Übereinstimmung bringen lassen. Lässt er dennoch solche unzutreffenden Angaben unkommentiert, stellt sich dies als zumindest dem Vorsatz gleichstehend dar". An diesem Rechtsgrundsatz hält der Senat fest. Damit ist der Courtageanspruch der Klägerin hier verwirkt.

24

b) Den Beklagten steht zudem ein Freihaltungsanspruch gegenüber der Klägerin in Höhe der Klageforderung zu.

25

(1) Aufgrund ihrer Kenntnis von den Feuchtigkeitserscheinungen traf die Klägerin eine Aufklärungspflicht. Der Makler hat seinem Auftraggeber alle ihm bekannten tatsächlichen und rechtlichen Umstände mitzuteilen, die sich auf den Geschäftsabschluss beziehen und für den Willensentschluss des Auftraggebers von Bedeutung sein können. Wie weit diese Pflicht reicht, bestimmt sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls ( BGH NJW 2000, 3642 [BGH 28.09.2000 - III ZR 43/99]). Erkennt der Makler, dass Objektangaben unrichtig oder ungesichert sind, muss er den Auftraggeber darüber informieren (Palandt/Sprau, a.a.O., Rn. 14 m.w.N.). Verletzt der Makler seine Aufklärungspflicht und ist die Pflichtverletzung für den Anfall der Provision ursächlich, hat der Makler den Auftraggeber nach dem Grundsatz der Naturalrestitution provisionsfrei zu stellen. Wer eine Aufklärungspflicht verletzt hat, ist beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten entstanden wäre. Insoweit besteht die Vermutung, dass sich der Geschädigte aufklärungsrichtig verhalten hätte (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 280 Rn. 39 m.w.N.).

26

Da die Klägerin eine Aufklärungspflicht verletzt hat und damit die Vermutung besteht, dass die Beklagten bei Erfüllung dieser Aufklärungspflicht das Objekt nicht erworben hätten, steht ihnen ein Freihaltungsanspruch in Höhe des Courtageanspruchs zu, welchen sie der Klägerin entgegenhalten können.

27

(2) Auf die konkrete Höhe der zur Beseitigung der Feuchtigkeitserscheinungen notwendigen Aufwendungen kommt es nicht an, weil kein Schadensersatzanspruch

28

wegen der Beseitigung der Schäden, sondern ein Anspruch auf Verletzung der Aufklärungspflicht geltend gemacht wird, der sich gegen den Courtageanspruch richtet.

29

(3) Der Senat folgt nicht den Ausführungen des Landgerichts, welches die Kenntnis der Klägerin vom Mangel offen gelassen hat. Nach Meinung des Landgerichts ist es gleichgültig, ob der Makler positive Kenntnis erheblicher Mängel hat oder nicht: entweder sind die Mängel versteckt, dann kann er sie auch nicht sehen, oder sie sind offensichtlich, dann muss er darauf nicht hinweisen. Nach dieser Auffassung kann ein Makler nie eine Aufklärungspflicht verletzen, was von vornherein nicht richtig sein kann. Dass ein Makler wegen der Verletzung einer Aufklärungspflicht seinen Anspruch verwirkt bzw. sich Ersatzansprüchen ausgesetzt sehen kann, ist nämlich unumstritten. Soweit sich das Landgericht auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ( NJW-RR 1994, 907 [BGH 08.04.1994 - V ZR 178/92]) bezieht, ist diese nicht einschlägig. Dort wurde die Pflicht eines Verkäufers, auf offenkundige Mängel hinzuweisen, verneint. Hier traf jedoch die Klägerin als Maklerin jedenfalls deshalb eine Aufklärungspflicht, weil sie das Objekt ausdrücklich als in einem sehr guten und gepflegten Neubauzustand bezeichnet hat. Damit hat sie nicht nur einen (notwendigen) Hinweis unterlassen, sondern das Haus mit nicht vorhandenen positiven Eigenschaften beworben.

30

3. Weitere Aufklärungspflichtverletzungen fallen der Klägerin allerdings nicht zur Last.

31

a) Die Beklagten rügen insoweit (Bl. 21 d.A.), die im Exposé angegebene jährliche Nettomiete sei zu hoch angegeben worden. Soweit die Beklagten daran eine Haftung der Klägerin herleiten wollen, ist eine Kenntnis der Klägerin, dass die Höhe der ihr mitgeteilten Nettokaltmiete unzutreffend war, nicht dargetan; eine Erkundigungspflicht der Klägerin als Maklerin bestand in diesem Punkt nicht.

32

b) Soweit die Beklagten schließlich eine Haftung der Klägerin aus einem bauordnungswidrigen Zustand des Objekts herleiten wollen, tragen die Beklagten selbst vor, diesen vor Abschluss des Kaufvertrags bemerkt zu haben (Bl. 21 d.A.). Dieser Hinweis ist sogar im notariellen Kaufvertrag enthalten (§ 6, Bl. 5 R d.A.), weshalb es jedenfalls an einer Kausalität zwischen einer etwaigen Pflichtverletzung und dem Abschluss des Kaufvertrages fehlt.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

34

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

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Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der Rechtsstreit hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Parteien haben insoweit auch keine Anhaltspunkte, die zu einer anderen Entscheidung Anlass geben könnten, aufgezeigt.