Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 10.08.2018, Az.: 11 WF 104/18

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
10.08.2018
Aktenzeichen
11 WF 104/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 29635
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Osnabrück - 16.04.2018 - AZ: 3 FH 7/18 RI

Fundstellen

  • FamRZ 2018, 1943
  • FuR 2019, 477-478
  • NJW-RR 2018, 1416-1418

In der Familiensache
A... B..., ...,
Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ...,
Geschäftszeichen: ...
gegen
B... B..., ...,
Antragsteller und Beschwerdegegner,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ...,
Geschäftszeichen: ...
hat der 11. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg durch die Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ...
am 10. August 2018
beschlossen:

Tenor:

  1. I.

    Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Osnabrück vom 16.04.2018 (3 FH 7/18 RI) wird aufgehoben.

  2. II.

    Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung über den Ordnungsmittelantrag des Antragstellers und zur Entscheidung über die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten an das Amtsgericht - Familiengericht - Osnabrück zurückverwiesen.

  3. III.

    Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

  4. IV.

    Der Beschwerdewert wird auf bis zu 500 EUR festgesetzt.

  5. V.

    Der Kindesmutter wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin ... bewilligt. Monatliche Raten werden nicht festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die getrennt voneinander lebenden Eltern des minderjährigen Kindes C.. B..., geb. ...2014. Mit Vereinbarung vom 07.03.2017 (Bl. 26 d.A.) einigten sie sich vor dem Oberlandesgericht Köln über den Umgang des Antragstellers mit seinem Sohn. Die Vereinbarung wurde durch Beschluss vom 07.03.2017 familiengerichtlich gebilligt und es wurden Ordnungsmittel angedroht (Bl. 98ff der Beiakte Amtsgericht Bergheim 62 F 149/16). Eine Zustellung der Umgangsvereinbarung wurde durch das Oberlandesgericht Köln nicht veranlasst. Im September und Oktober 2017 kamen geplante Umgangskontakte nicht zustande, wobei die Gründe hierfür zwischen den Beteiligten streitig sind.

Der Antragstellervertreter veranlasste am 19.01.2018, Bl. 29 d.A., die Zustellung der Umgangsvereinbarung im Beteiligtenbetrieb und erhielt eine vollstreckbare Ausfertigung von dieser. Sodann beantragte der Antragsteller am 02.02.2018 die Verhängung von Ordnungsmitteln gegen die Antragstellerin.

Mit Beschluss vom 16.04.2018 erfolgte eine Ordnungsmittelfestsetzung durch das Familiengericht. Gegen diese wendet sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung des Ordnungsmittelbeschlusses und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Familiengericht.

Bei Erlass des Ordnungsmittelbeschlusses vom 16.04.2018 lagen die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nicht vor. Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung - Titel, Klausel, Zustellung - müssen auch bei der Verhängung von Ordnungsmitteln als Reaktion auf einen Verstoß gegen Umgangsregelungen vorliegen.

Die Vollstreckung aus gerichtlich gebilligten Umgangsvergleichen erfolgt nach Maßgabe der §§ 86ff FamFG. Die Vollstreckung setzt also sowohl einen Vergleich als auch eine gerichtliche Billigung dieses Vergleichs gem. § 156 Abs. 2 FamFG voraus (Hentschel in Bahrenfuss, FamFG, 3. Aufl. 2017, § 87 Rdn. 14).

Eine wirksame Zustellung des Vollstreckungstitels (der vor dem Oberlandesgericht Köln geschlossenen Umgangsvereinbarung nebst Beschluss über die Androhung von Ordnungsmitteln) liegt jedoch nicht vor. Gemäß § 87 Abs. 2 FamFG darf die Vollstreckung nur beginnen, wenn der Beschluss bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt ist. Die Vorschrift des § 87 Abs. 2 FamFG beschränkt ihrem Wortlaut nach das Zustellungserfordernis zwar nur auf Beschlüsse, so dass vertreten wird, dass die Vorschrift des § 87 Abs. 2 FamFG über dessen Wortlaut hinaus dahingehend auszulegen ist, dass nicht nur Beschlüsse, sondern auch weitere Vollstreckungstitel wie gerichtlich gebilligte Vergleiche zum Umgang nach § 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG i.V.m. § 156 Abs. 2 FamFG der Zustellung vor der Vollstreckung bedürfen (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 16.12.2016, 15 WF 22/16, juris Rdn. 6; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.11.2011, 5 WF 151/11; juris Rdn. 5; Giers in Keidel, FamFG, 19. Aufl, 2017, § 87 Rdn. 12; Feskorn in Zöller, ZPO, 32. Aufl., 2018, § 87 FamFG, Rdn. 4; Hammer in Prütting/ Helms, FamFG, 4. Aufl., 2018, § 87 Rdn. 9). Einer solchen, über den Wortlaut hinausgehende Auslegung bedarf es aber nur dann, wenn nicht der gerichtliche Billigungsbeschluss, der den Vergleich erst vollstreckbar macht, sondern auch der Vergleich selbst als Vollstreckungstitel betrachtet wird. Vollstreckungstitel wird die einvernehmliche Regelung über den Umgang erst dann, wenn das Gericht diese durch Beschluss billigt (vgl. § 156 Abs. 2 FamFG). Mithin ist jedenfalls der Beschluss über die gerichtliche Billigung zuzustellen. Da die Vollstreckung aber auch einen Vergleich voraussetzt, ist nicht nur der Billigungsbeschluss sowie der hierin in Bezug genommene Vergleich zuzustellen. § 87 Abs. 2 FamFG ist dahingehend auszulegen, dass er der Zustellung sowohl des Billigungsbeschlusses als auch des Vergleichs bedarf. Die Zustellung hat eine Warnfunktion und bietet dem Vollstreckungsschuldner gleichzeitig rechtliches Gehör im Vollstreckungsverfahren (vgl. Giers in Keidel, FamFG, aaO, § 87 Rdn. 11).

Einer über den Wortlaut des § 87 Abs. 2 FamFG hinausgehenden Zustellung der nach § 86 Abs. 3 FamFG erforderlichen Vollstreckungsklausel bedarf es nicht. Dies wäre selbst unter der Annahme einer entsprechenden Anwendung des § 750 Abs. 2 ZPO nicht der Fall. Nach § 750 Abs. 2 ZPO bedarf es einer Zustellung der Klausel bei qualifizierten Vollstreckungsklauseln (z.B. Vollstreckungen von bedingten Leistungen (§ 726 ZPO) oder bei einer Vollstreckung für oder gegen Rechtsnachfolger (§ 727 ZPO)). Die Zustellung der Vollstreckungsklausel dient in solchen Fällen dem Schuldnerschutz. In den benannten Fällen des Zustellerfordernisses der Vollstreckungsklausel müssen vor Beginn der Vollstreckung weitere Voraussetzungen eintreten. So ist bspw. bei einem Wechsel des Schuldners oder Gläubigers eine Zustellung geboten, um das rechtliche Gehör des Schuldners sicherzustellen (vgl. Giers in Keidel, aaO, § 87 Rdn. 12). Bei der Vollstreckung von Umgangstiteln sind in der Regel Konstellationen, in welchen eine qualifizierte Klausel erforderlich wäre, nicht relevant (vgl. Grandel in Grandel/ Stockmann, Stichwortkommentar Familienrecht, 2. Aufl., 2014, Vollstreckungsvoraussetzungen, Rdn. 31). Vor dem Umgang sind in der Regel weder bedingte Leistungen zu erfüllen, noch ist eine Rechtsnachfolge denkbar, so dass es nicht geboten ist, dem Elternteil, welcher zum Umgang verpflichtet ist, rechtliches Gehör durch Zustellung der Vollstreckungsklausel zu geben.

Die nach § 87 Abs. 2 FamFG erforderliche Zustellung des Umgangsvergleiches und des Billigungsbeschlusses muss nach § 15 Abs. 2 Satz 1, 1. Alt. FamFG i.V.m. § 166 ff. ZPO von Amts wegen erfolgen. Eine Zustellung auf Betreiben eines Beteiligten ist hingegen nicht ausreichend, da diese Möglichkeit in § 87 Abs. 2 FamFG im Gegensatz zur Parallelvorschrift in der ZPO (§ 750 Abs. 1 Satz 2 ZPO) nicht vorgesehen ist. Hierbei handelt es sich weder um ein Redaktionsversehen, noch um eine Regelungslücke, womit eine Auslegung der Vorschrift dahingehend, dass auch eine Zustellung im Parteibetrieb entsprechend § 750 Abs. 1 Satz 2 ZPO zulässig ist, ausgeschlossen ist. Vielmehr wurde § 87 Abs. 2 FamFG ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien bewusst lediglich § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO nachgebildet (BT-Drs. 16/ 6308, Seite 217).

Eine Zustellung im Beteiligtenbetrieb bietet nicht den gleichen, im Vollstreckungsverfahren erforderlichen, zuverlässigen Nachweis der Zustellung (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 15.12.2016, 13 WF 279/16, juris Rdn. 8.; Hentschel in Bahrenfuss, FamFG, 3. Aufl. 2017, § 87 Rdn. 15; Borth/ Grandel in Musielak/ Borth, FamFG, 6. Aufl. 2018, § 89 Rdn. 7; Hammer in Prütting/ Helms, aaO, § 87 Rdn. 9; Lorenz in Zöller, aaO, § 156 Rdn. 5). Zwar sind Vergleiche grundsätzlich im Beteiligtenbetrieb zuzustellen (vgl. Schulte-Bunert in Schulte-Bunert/ Weinreich, FamFG, 5 Aufl., 2016, § 87 Rdn. 2; Giers in Keidel, FamFG, aaO, § 87 Rdn. 12; Giers, Die Vollstreckung in Familiensachen und Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach dem FamFG in DGVZ 2009, 127 (129)). Da aus einem Umgangsvergleich - im Gegensatz zu sonstigen in familiengerichtliche Verfahren geschlossenen Vergleichen - erst vollstreckt werden kann, wenn dieser gerichtlich gebilligt wird (§ 156 Abs. 2 FamFG) ist eine Zustellung des Umgangsvergleichs nebst Billigungsbeschluss im Beteiligtenbetrieb nach § 95 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 794 Abs. 1 Nr. 1, 795, 750 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht zulässig. Die nach § 95 Abs. 1 FamFG ermöglichte Anwendung der Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Zwangsvollstreckung gilt nicht, soweit das FamFG für die Vollstreckung abweichendes normiert. Dies ist mit den §§ 88 - 94 FamFG hinsichtlich der Vollstreckung von Titeln zum Umgang geschehen, so dass ein Rückgriff auf die zivilprozessualen Vollstreckungsvorschriften über die Zustellung im Parteibetrieb ausgeschlossen ist (vgl. Hammer in Prütting/ Helms, FamFG, aaO, § 95 Rdn. 2; Giers in Keidel, FamFG, aaO, § 95 Rdn 2; Feskorn in Zöller aaO § 95 Rdn. 1).

Daher ist es geboten, dass neben dem Billigungsbeschluss auch der Umgangsvergleich im Amtsbetrieb und nicht im Beteiligtenbetrieb zugesellt wird (vgl. Krekeler, Die Vollstreckung von Umgangstiteln, FuR 2017, 240 (241); Cirullies in Gottwald, Münchener Prozessformularhandbuch, Bd. 3: Familienrecht, 5. Aufl., 2017, unter R III. 1. d; Cirullies, Vollstreckung aus Titeln nach § 86 FamFG, FPR 2012, 473 (477); Bumiller/Harders in Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG 11. Aufl. 2015, § 87, Rdn. 7).

Für das Erfordernis der Zustellung im Amtsbetrieb spricht schließlich auch, dass es sich bei Umgangsverfahren um Amtsverfahren handelt, welche hinsichtlich der Einleitung, des Umfangs und der Beendigung dem Willen der Beteiligten zum Großteil entzogen ist. Sie können lediglich Anregungen für die Verfahrensgestaltung geben. Dementsprechend erscheint es konsequent, wenn ein zur Beendigung des Verfahrens geschlossener Vergleich ebenfalls von Amts wegen zugestellt wird.

Die fehlende von Amts wegen betriebene Zustellung kann nicht nach § 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG i.V.m. § 189 ZPO durch die erfolgte Zustellung im Beteiligtenbetrieb geheilt werden. Zustellungsmängel können nur dann geheilt werden, wenn das zuzustellende Schriftstück vom hierfür zuständigen Organ, dem Familiengericht bzw. dem Familiensenat, tatsächlich zugestellt werden sollte. Nur dann liegt der erforderliche Zustellungswille vor. Dieser Zustellungswille des für die Zustellung zuständigen Organs fehlt jedoch gerade bei der Zustellung im Beteiligtenbetrieb, womit sie eine unterlassene, von Amts wegen zu betreibende, Zustellung nicht heilen kann (vgl. BGH, Urteil vom 19.05.2010, IV 14/08, juris Rdn 11, 16; Hentschel in Bahrenfuss, FamFG, aaO, § 87 Rdn. 15).

Die durch den Antragstellervertreter veranlasste Zustellung der Umgangsvereinbarung an den Antragsgegnervertreter am 19.01.2018 war mithin nicht ausreichend. Von Amts wegen erfolgte eine Zustellung nicht. Im Ursprungsverfahren des Oberlandesgerichts Köln, 4 UF 162/16 (= Amtsgericht Bergheim, 62 F 149/16), erfolgte eine Zustellung ausweislich der beigezogenen Verfahrensakte nicht. Die Umgangsvereinbarung wurde lediglich formlos übersandt. Auch im hiesigen Verfahren erfolgte keine Zustellung durch das Familiengericht.

Nachdem die Beschwerde begründet ist, war der Ordnungsmittelbeschluss aufzuheben und das Verfahren nach § 87 Abs. 4 FamFG, 572 Abs. 3 ZPO an das Familiengericht zurückzuverweisen. Dieses hat die Zustellung der vor dem Oberlandesgericht Köln geschlossenen Vereinbarung vom 07.03.2017, des Billigungsbeschlusses vom 07.03.2017 einschließlich der darin enthaltenen Ordnungsmittelandrohung, vorzunehmen. Im Anschluss ist erneut über den Ordnungsmittelantrag zu entscheiden.

Der Senat selbst ist an einer Zustellung der Vereinbarung und des Billigungsbeschlusses einschließlich der darin enthaltenen Ordnungsmittelandrohung gehindert, da die Zustellung vor oder gleichzeitig mit der Vollstreckung erfolgen muss (§ 87 Abs. 2 FamFG). Eine nachträgliche Zustellung scheidet mithin aus. Die Vollstreckung beginnt mit Erlass des gerichtlichen Ordnungsmittelbeschlusses (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.11.2011, 5 WF 151/11, juris Rdn. 6; Kammergericht Berlin, Beschluss vom 16.12.2016, 15 WF 22/16, juris Rdn. 6; Seibel in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, vor § 704 Rdn. 33). Bei einer Zustellung durch den Senat und anschließenden Entscheidung über die Beschwerde, verbliebe es dabei, dass die Zustellung erst nach der Vollstreckung, die mit Erlass des erstinstanzlichen Ordnungsmittelbeschlusses begonnenen hat, erfolgt. Nach Aufhebung des Ordnungsmittelbeschlusses des Familiengerichtes kann die Zustellung durch dieses noch vor Beginn der Zwangsvollstreckung nachgeholt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 20 FamGKG. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens war dem Familiengericht zu übertragen, da diese auch von dem Ausgang des Vollstreckungsverfahrens abhängen.

Der Beschwerdewert beruht auf § 40 Abs. 1 FamGKG.