Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.12.2007, Az.: 16 K 511/05
Geltendmachung eines Anspruchs auf Vorsteuerabzug durch einen Unternehmer; Voraussetzungen der Unternehmereigenschaft einer Gesellschaft; Bindung der Unternehmereigenschaft an die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 06.12.2007
- Aktenzeichen
- 16 K 511/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 47355
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2007:1206.16K511.05.0A
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 1 UStG
- § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG
Fundstellen
- DStR 2008, IX Heft 24 (Kurzinformation)
- DStRE 2008, 1092-1094 (Volltext mit amtl. LS)
- NWB direkt 2008, 9
- Jurion-Abstract 2007, 228734 (Zusammenfassung)
Amtlicher Leitsatz
Eine Gesellschaft, die Edelmetalle lediglich zwecks Geldanlage erwirbt und die Metallbestände nicht umschichtet, ist nicht Unternehmerin und hat deshalb auch keinen Vorsteuerabzug.
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob die Klägerin Unternehmerin ist.
Die Klägerin ist eine Bruchteilsgemeinschaft, die im Herbst 2002 gegründet wurde. Gemeinschaftszweck ist nach § 2 des Gemeinschaftsvertrages die gemeinsame Geldanlage der zur Verfügung stehenden Mittel jeweils zu gleichen Teilen in real existierende zertifizierte Edelmetalle, nämlich Gold, Silber und Platin, die in Barrenform erworben werden, zu investieren. Maximal 10 v.H. des Gesamtbetrages darf sie in Euro halten. Die Barreserve dient zum Ausgleich von Spitzenbeträgen, um jeweils in der Lage zu sein, das Edelmetall in Form ganzer Barren zu erwerben oder zur Abfindung von ausscheidenden Depotteilnehmern. Jegliche andere Anlageform wird ausgeschlossen.
Die ... AG aus W übernimmt die Geschäftsführung der Gemeinschaft (§ 7 des Gemeinschaftsvertrages). Die Geschäftsführung führt für jeden Gemeinschafter variable Beteiligungskonten. Für die Geschäftsführung erhält die ... AG eine monatliche Gebühr von 0,2 v.H. des Anlagebetrags, zudem haben die Beteiligten ein Aufgeld von 5.5 v.H. des Anlagebetrags zu entrichten.
In einem Werbeprospekt der Klägerin heisst es, dass es Zweck der Klägerin sei, privates Gesamtvermögen langfristig zu sichern und zu vermehren. Die Klägerin sei vorsteuerabzugsberechtigt, woraus sich ein Kostenvorteil gegenüber dem privaten Erwerb von Edelmetallen ergebe.
Ende 2005 hat die Klägerin den Gemeinschaftsvertrag geändert. Nach der Neufassung ist es gestattet, durch geeignete An- und Verkäufe der bereits erworbenen Edelmetalle das Vermögen der Gemeinschaft zu mehren.
Die Klägerin hat seit 2002 Edelmetall in erheblichem Umfang erworben. Soweit Gemeinschafter das Vermögen nicht im Privatvermögen hielten, erfolgte per 30. Dezember 2004 eine Übertragung von Edelmetallen auf die Vermögenssicherungsgemeinschaft II. Darüber hinaus haben bis einschließlich Juli 2005 keine Veräußerungen von Edelmetallen stattgefunden. In der Nachfolge sind mehrfach Edelmetalle physisch an ausscheidende Gemeinschafter ausgehändigt worden. Außerdem fanden Übertragungen an die neu gegründete ... GmbH & Co KG statt, im September und Oktober 2007 zwei Verkäufe an die ... GbR. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die von der Klägerin eingereichte Aufstellung verwiesen.
Die Klägerin reichte beim Beklagten eine Umsatzsteuervoranmeldung für Juli 2005 ein, in der sie einen Vorsteuern aus dem Erwerb von Edelmetallen geltend machte. Die Verwaltervergütungen erklärte sie als Umsatz. Insgesamt ergab sich danach ein Vorsteuerüberhang von 118.480,88 EUR.
Der Beklagte verarbeitete die Voranmeldung zunächst nicht. Vielmehr fand bei der Klägerin in der Zeit vom 6. - 26. September 2005 eine Umsatzsteuersonderprüfung statt. Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass die Klägerin nur insoweit unternehmerisch tätig geworden sei, als sie zugunsten der Beteiligten die Geschäfte führe; insoweit würden sich steuerpflichtige Umsätze und Vorsteuern aufgrund der Eingangsleistungen der ... AG gegenseitig aufheben.
Mit Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid Juli 2005 vom 14. Oktober 2005 hat der Beklagte entsprechend den Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung die Umsatzsteuer auf 0,- EUR festgesetzt.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Sprungklage, der der Beklagte am 12. Dezember 2005 zugestimmt hat.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie als Unternehmerin anzusehen sei. Sie sei nicht nur ihren Mitgliedern gegenüber tätig geworden, sondern auch nach außen hin. Sie habe Einkäufe getätigt und habe damit am Handel teilgenommen. Es hätten auch einzelne Veräußerungen stattgefunden und es würden weitere erfolgen, wenn der erwartete Preis erzielt werde oder Gemeinschafter ausschieden. Wie bei einer Handelsgesellschaft werde erst dann veräußert, wenn ein gewünschter Preis erreicht werde. Es sei nirgends geregelt, wie viel Zeit zwischen Einkauf und Verkauf liegen müsse. Gegen die Annahme des Beklagten, dass die Metalle nicht verkauft werden sollten, spreche schon der Umstand, dass diese in Barrenform erworben worden seien, weil diese nicht geeignet seien, eine Sammlung aus privater Neigung aufzubauen.
Nach der Rechtsprechung des EuGH habe als Unternehmer zu gelten, wer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht habe, eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig auszuüben und Investitionen dafür tätige. Ihm stehe der Vorsteuerabzug im Zeitpunkt des Leistungsbezugs zu. Dass sich eine Investition als Fehlinvestition herausstelle, stehe dem Vorsteuerabzug nicht entgegen. Im Streitfall seien die Investitionen bereits erfolgt; insofern stehe der Klägerin der Vorsteuerabzug zu.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer für Juli 2005 auf ./. 118.480,88 EUR festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Tätigkeit der Klägerin nicht über eine private Vermögensverwaltung hinausgehe. Sie trete, soweit sie Edelmetalle erwerbe, nicht als Edelmetallhändlerin am Markt auf. Damit sei sie aber nicht unternehmerisch tätig und habe deshalb keinen Vorsteuerabzug.
Im Streitfall gehe es entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin auch nicht um die rückwirkende Aberkennung der Unternehmereigenschaft, weil die Betätigung zu keinen steuerpflichtigen Umsätzen führe, sondern um die Frage, ob die Tätigkeit der Klägerin von Anfang an als unternehmerische Tätigkeit zu werden sei.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht kein Vorsteuerabzug zu, weil sie keine Unternehmerin ist.
Gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG #kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Der Vorsteuerabzug steht damit nur demjenigen zu, der Unternehmer ist.
Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht Gewinn zu erzielen, fehlt oder die Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.
Art. 4 Abs. 1 6. EG-Richtlinie bestimmt, dass als Steuerpflichtiger gilt, wer die wirtschaftlichen Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis. Auch die Begriffe der "gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit" in § 2 Abs. 1 UStG setzen eine "wirtschaftliche Tätigkeit" in diesem Sinne voraus (Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, § 2 Rz 169). Auch nach der Rechtsprechung des BFH ist die #Unternehmereigenschaft an die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit geknüpft (BFH Urteil vom 15. Juli 2004 V R 84/99, BStBl. II 2005, 155). Das bloße Halten und Verwalten eines Vermögens stellt keine wirtschaftliche Tätigkeit und damit keine unternehmerische Tätigkeit in diesem Sinne dar (EuGH Urteil vom 20. Juni 1996 Rs C-155/94 - Wellcome Trust Ltd - UVR 1996, 235; BFH Urteil vom 15. Januar 1987 V R 2/77, BStBl. II 1987, 512).
Nachhaltig im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG ist eine Tätigkeit, wenn sie auf Dauer berechnet ist. Als Kriterien für die Nachhaltigkeit kommen in Betracht: mehrjährige Tätigkeit, planmäßiges Handeln, auf Wiederholung angelegte Tätigkeit, die Ausführung mehr als nur eines Umsatzes, Intensität des Tätigwerdens, Beteiligung am Markt, Auftreten wie ein Händler, Unterhalten eines Geschäftslokals (BFH Urteil vom 18. Juli 1991 V R 86/87, BStBl. II 1991, 776).
Im Streitfall übte die Klägerin danach keine nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit aus. Die Klägerin wurde nicht wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender tätig. Denn sie hat nicht wie ein Händler Edelmetalle gekauft und zeitnah wieder verkauft, um Preisunterschiede am Markt auszunutzen. Ebensowenig hat sie ihre Bestände umgeschichtet oder je nach Preisentwicklung des jeweiligen Metalls gezielt bestimmte Metallsorten erworben, sondern das Vermögen paritätisch in Gold, Silber und Platin angelegt. Zweck der Tätigkeiten war nicht ein marktmäßiges Auftreten als Händler, sondern die langfristige Anlage von Vermögen. Das ergibt sich eindeutig aus § 2 des Gemeinschaftsvertrags und dem Werbeprospekt und wird auch durch das tatsächliche Verhalten der Klägerin bestätigt. Denn nahezu sämtliche Wertmetallabgänge aus ihrem Bestand beruhen auf der physischen Abgabe der Edelmetallbarren an ausscheidende Gemeinschafter sowie der Übertragung auf weitere Anlagegesellschaften, nicht aber auf einem Verkauf über die für den Metallhandel üblichen Märkte.
Bei wertender Betrachtung der Für und Gegen die Nachhaltigkeit der Tätigkeit der Klägerin sprechenden Kriterien kann ebenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin nachhaltig unternehmerisch tätig geworden ist. Abzustellen ist dabei primär auf die Verkaufs- und nicht auf Einkaufsseite, weil sich die Klägerin mit dem bloßen Leistungsbezug nicht von Endverbrauchern unterscheidet. Bei quantitativer Betrachtung der vorgenommenen Verkäufe ist festzustellen, dass in knapp drei Jahren bis zum streitgegenständlichen Voranmeldungszeitraum kein einziger Verkauf von Metallen an außenstehende Dritte erfolgt ist. Eine planmäßige Marktbearbeitung bzw. eine auf kurzfristigen Güterumschlag gerichtete Tätigkeit wie die eines Händlers hat nicht stattgefunden. Die Klägerin ist hinsichtlich der Verkäufe nicht werbend am Markt aufgetreten; es gab auch keine organisatorischen Maßnahmen wie Werbung oder die Einrichtung eines Geschäftslokals, so dass potentielle Abnehmer zwecks Erwerbs von Edelmetallen auf die Klägerin hätten zugehen können. Bei eine Gesamtbetrachtung liegt damit keine nachhaltige unternehmerische Tätigkeit vor.
Aus den diversen von der Klägerin zitierten Urteilen des BFH kann die Klägerin nichts für sich herleiten. So ist es zwar zutreffend, dass das Recht auf Vorsteuerabzug schon im Zeitpunkt des Leistungsbezugs und nicht erst bei Erzielung von Umsätzen entsteht (BFH Urteile vom 16. Mai 2002 V R 56/00, BStBl. II 2006, 725, vom 11. Dezember 2003 V R 48/02, BStBl. II 2006, 384). Dies gilt selbst dann, wenn sich die Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit zerschlägt und letztendlich keine Umsätze erzielt werden. Vorausgesetzt wird in diesen Entscheidungen aber jeweils, dass die im Zeitpunkt des Leistungsbezugs beabsichtigte spätere Tätigkeit ihrer Art nach eine unternehmerische Tätigkeit darstellt. Genau daran scheitert jedoch im Streitfall die Unternehmereigenschaft der Klägerin.
Der Umstand, dass die einzelnen Gemeinschafter die Edelmetalle nicht für sich allein, sondern gemeinschaftlich erworben habe, ist für die Frage des Vorliegens der Unternehmereigenschaft ohne Belang.
Es kann dahin stehen, ob die später erfolgte Änderung des Gemeinschaftsvertrages bewirkt, dass die Klägerin als Unternehmerin anzusehen ist. Für den streitgegenständlichen Voranmeldungszeitraum Juli 2005 ist dies jedoch nicht maßgeblich, weil die Änderung des Vertrages erst danach erfolgte und nicht auf die Verhältnisse vor Vertragsänderung zurückwirkt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.