Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 05.03.2015, Az.: 13 U 12/15

Eilbedürfnis für eine einstweilige Verfügung auf Bewilligung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
05.03.2015
Aktenzeichen
13 U 12/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 13678
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2015:0305.13U12.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 26.11.2014

Fundstellen

  • BauR 2015, 1195-1196
  • FMP 2015, 75
  • IBR 2015, 309
  • MDR 2015, 453-454
  • NJOZ 2015, 1043
  • ZfIR 2015, 583

Amtlicher Leitsatz

1. Der Verfügungsgrund, also die besondere Gefährdung des zu sichernden Anspruchs, wird im Rahmen des § 885 Abs. 1 Satz 2 BGB widerleglich vermutet (Anschluss OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. Februar 2013 - 21 U 123/12; OLG Koblenz, Urteil vom 13. Mai 2013 - 12 U 1297/12; OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2012 - 5 W 42/12).

2. Die für den Verfügungsgrund erforderliche Eilbedürftigkeit ist dann als entfallen anzusehen, wenn sich der Unternehmer nach Beendigung seiner Arbeiten mehr als 18 Monate Zeit lässt, seine Schlussrechnung zu erstellen, und nach Erstellung der Schlussrechnung weitere 14 Monate zuwartet, bevor er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt.

3. Der Verfügungsgrund lebt trotz der Absicht des Auftraggebers, sein Baugrundstück zu veräußern, nicht wieder auf, wenn zwischen den Parteien bereits seit längerem Streit über die Vergütungsforderung des Unternehmers bestand.

Tenor:

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das am 26. November 2014 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Verfügungskläger zu tragen.

Der Streitwert für die Berufung und - den Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 27. Oktober 2014 von Amts wegen abändernd - für die erste Instanz wird einheitlich auf 21.737 € festgesetzt.

Gründe

I.

Von einer Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß §§ 542 Abs. 2 Satz 1, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung des Verfügungsklägers ist unbegründet.

1. Der erforderliche Verfügungsgrund ist nicht gegeben.

a) Während der Erlass einer einstweiligen Verfügung normalerweise auch die Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes, also der besonderen Gefährdung des zu sichernden Anspruchs voraussetzt (§§ 935, 940, 917, 920 Abs. 2 ZPO), wird dies nach § 885 Abs. 1 S. 2 BGB bei einer die Eintragung einer Vormerkung anordnenden einstweiligen Verfügung widerleglich vermutet (OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. Februar 2013 - 21 U 123/12, juris Rn. 10; OLG Koblenz, Urteil vom 13. Mai 2013 - 12 U 1297/12, juris Rn. 29; OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2012 - 5 W 42/12, juris Rn. 3; OLG Hamm, Urteil vom 4. November 2003 - 21 U 44/03, juris Rn. 6; Palandt/Bassenge, BGB, 74. Aufl., § 885 Rn. 5; Eckert in BeckOK BGB, Stand 1. November 2014, § 885 Rn. 11; Pastor in Werner/Pastor, Der Bauprozess, 14. Aufl., Rn. 277; Schmitz in Kniffka, ibr-online-Kommentar-Bauvertragsrecht, Stand 1. Februar 2015, § 648 Rn. 43). Nach anderer Ansicht erübrigt sich durch diese Regelung das Erfordernis der Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes insgesamt (Staudinger/Gursky, BGB, 2013, § 885 Rn. 29; MünchKomm/Kohler, BGB, 6. Aufl., § 885 Rn. 7); die Vermutung sei unwiderleglich (Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2014, § 648 Rn. 40).

Der Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an. Für deren Richtigkeit spricht bereits der Wortlaut des Gesetzes, da hiernach lediglich die Glaubhaftmachung nicht aber das Vorliegen eines Verfügungsgrundes entbehrlich ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. Februar 2013, aaO., juris Rn. 11; OLG Hamm, Urteil vom 4. November 2003, aaO.).

b) Die für den Verfügungsgrund erforderliche Eilbedürftigkeit ist dann als entfallen anzusehen, wenn der Bauhandwerker nach Beendigung seiner Arbeiten und Erstellung der Schlussrechnung geraume Zeit ins Land gehen lässt, bevor er sich zur Beantragung einer einstweiligen Verfügung entschließt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. Februar 2013, aaO., juris Rn. 13; OLG Koblenz, Urteil vom 13. Mai 2013, aaO., juris Rn. 29; OLG Celle, Urteil vom 27. Februar 2003 - 14 U 116/02, juris Rn. 3; Musielak/Huber, ZPO, 11. Aufl., § 935 Rn. 13; Pastor in Werner/Pastor, aaO., Rn. 277; Schmitz in Kniffka, aaO., § 648 Rn. 43). Dies ist hier zu bejahen, da die Schlussrechnung vom 10. August 2013 stammt und der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung erst am 24. Oktober 2014 beim Landgericht, mithin über 14 Monate später, eingegangen ist. Zudem hat der Verfügungskläger mit der Erstellung der Schlussrechnung noch über 18 Monate zugewartet, nachdem die Parteien am 21. Januar 2012 eine vorläufige Regelung über die weitere Durchführung des Werkvertrags getroffen hatten. Der Verfügungskläger hat nicht behauptet, nach dem 21. Januar 2012 überhaupt noch weitere Werkleistungen ausgeführt zu haben.

c) Zwar haben sich die Umstände dahingehend geändert, dass die Verfügungsbeklagten seit Herbst 2014 beabsichtigen, ihre Eigentumswohnung zu veräußern. Damit ist die Eilbedürftigkeit aber nicht "wieder aufgelebt" bzw. "neu entstanden".

Die Regelung des § 648 BGB dient der dinglichen Sicherung des Unternehmers. Der Unternehmer soll im Wege des Verfahrens der einstweiligen Verfügung erreichen können, dass eine Vormerkung zur Sicherung seines Anspruchs auf Eintragung einer Sicherungshypothek in das Grundbuch eingetragen wird, soweit es um die Vergütung für die schon geleistete Arbeit geht. Das wirkt faktisch wie eine Grundbuchsperre, indem einerseits die letzten freien Beleihungsreserven des Grundstücks blockiert und andererseits etwaigen Geldgebern Zahlungsprobleme des Bestellers signalisiert werden. So wird Druck auf den Besteller ausgeübt, die fälligen Teile der Werklohnforderung auszugleichen (Staudinger/Peters/Jacoby, aaO., § 648 Rn. 6).

Solange eine Vormerkung nicht eingetragen ist, ist die Möglichkeit des Verkaufs oder die wertausschöpfende Belastung des Sicherungsobjekts jederzeit gegeben.

Der Verfügungskläger hat von seiner Sicherungsmöglichkeit und Druckmittel jahrelang keinen Gebrauch gemacht, obwohl zwischen den Parteien erheblicher Streit in Bezug auf die Vergütungsforderung des Verfügungsklägers bestand. Die Verfügungsbeklagten haben frühzeitig das Vorhandensein erheblicher Mängel gerügt, wie sich aus den Inhalten der Anwaltsschreiben vom 30. November 2010, vom 8. Dezember 2010 und vom 15. April 2011 ergibt. Selbst die Vereinbarung vom 21. Januar 2012 hat nicht dazu geführt, dass der Streit zwischen den Parteien beigelegt war. So hat der Verfügungskläger mit Anträgen vom 31. Dezember 2013 wegen seiner Werklohnforderung den Erlass von Mahnbescheiden gegenüber den Verfügungsbeklagten beantragt. Gegen die Mahnbescheide vom 2. Januar 2014 haben beide Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt.

2. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob und in welcher Höhe ein Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist unanfechtbar (§ 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

IV.

Der Streitwert für die Berufung beläuft sich auf 21.737 €.

Bei der Bemessung des Streitwerts ist das Interesse des auf die Eintragung der Vormerkung klagenden Gläubigers maßgeblich, mithin der Wert der zu sichernden Forderung ohne Kosten (Musielak/Heinrich, ZPO, 11. Aufl., § 3 Rn. 24 "Bauhandwerkersicherungshypothek"; Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 3 Rn. 16 "Bauhandwerkersicherungshypothek"). Im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Eintragung einer Vormerkung ist das vorgenannte Interesse aber geringer, weil es darauf gerichtet ist, anderweitige Belastungen oder eine Veräußerung des Grundstücks als Sicherungsgegenstand zu verhindern. Es ist daher mit einem Bruchteil von 1/3 der zu sichernden Forderung anzusetzen (OLG Celle, Beschluss vom 17. Dezember 2004 - 6 W 136/04, juris Rn. 10; Musielak/Heinrich, aaO.).

Dementsprechend war der Streitwert für die erste Instanz von Amts wegen nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG den Beschluss des Landgerichts vom 27. Oktober 2014 abändernd auf 21.737 € festzusetzen.