Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Beschl. v. 14.04.2015, Az.: AGH 11/14 (I 7)

Bibliographie

Gericht
AGH Niedersachsen
Datum
14.04.2015
Aktenzeichen
AGH 11/14 (I 7)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 45363
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
Anwaltsgericht - 02.04.2014 - AZ: 2 AnwG 2/2014

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft C. vom 10.4.2014 gegen den Beschluss des Anwaltsgerichts C. vom 2.4.2014, Aktenzeichen 2 AnwG 2/2014 wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben; die notwendigen Auslagen der Rechtsanwältin trägt die Rechtsanwaltskammer C.

Gründe

I.

Gegen die Rechtsanwältin wurde von der Generalstaatsanwaltschaft C. unter dem 18.12.2013 eine Anschuldigungsschrift erhoben. Ihr wurde vorgeworfen, zwischen dem 18.3.2013 und dem 20.6.2013 in drei Fällen bewusst Unwahrheiten verbreitet zu haben. Auf den Inhalt der Anschuldigungsschrift vom 18.12.2013 wird verwiesen.

Das Anwaltsgericht C. hat mit seinem im Übrigen in Bezug genommenen Beschluss vom 2.4.2014 den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft C. aus der Anschuldigungsschrift zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft. Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt, das Anwaltsgericht missverstehe die Anschuldigungsschrift in Bezug auf die schriftlichen Äußerungen der Rechtsanwältin vom 18.3.2013 und 15.4.2013 und vertrete eine fehlerhafte Ansicht zur Frage des Verbreitens von Unwahrheiten nach § 43a Abs. 3 S. 2 BRAO. Im Übrigen wird auf die Beschwerdeschrift vom 10.4.2014 verwiesen.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt,

1. den Beschluss des Anwaltsgerichts C. vom 2.4.2014 aufzuheben,

2. die Anschuldigung durch die Generalstaatsanwaltschaft vom 18.12.2013 zur Hauptverhandlung zuzulassen und das Hauptverfahren vor dem Anwaltsgericht C. zu eröffnen.

II.

Die nach §§ 116 Abs. 1 BRAO, 210 Abs. 2 StPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Eröffnung des Hauptverfahrens wird aus Rechtsgründen abgelehnt, §§ 116 Abs. 1 BRAO, 204 Abs. 1 StPO. Es besteht kein hinreichender Tatverdacht, dass die Rechtsanwältin gegen ihre Grundpflichten nach § 43a Abs. 3 BRAO verstoßen und sich unsachlich verhalten hat. Die geschilderten Umstände tragen nicht den Vorwurf, die Rechtsanwältin habe bewusst Unwahrheiten verbreitet. Im Einzelnen:

1. Die Rechtsanwältin hat in einem Schreiben an die Rechtsanwältin B. vom 18.3.2013 nicht bewusst wahrheitswidrig behauptet, dass Rechtsanwältin B. zu einem Termin am 3.6.2013 vor dem Familiengericht N. nicht erschienen sei, ohne den Mandanten davon in Kenntnis zu setzen. Diese Behauptung ist nicht unwahr. Es trifft vielmehr zu, dass Rechtsanwältin B. ihren Mandanten vor dem Termin am Familiengericht in N. am 3.6.2013 um 10.30 Uhr nicht davon in Kenntnis gesetzt hat, dass sie nicht rechtzeitig erscheinen werde. Rechtsanwältin B. hat selbst nicht behauptet, dass sie die beim Familiengericht in S. eingetretene Verspätung in deren Folge sie nicht mehr rechtzeitig in N. erscheinen konnte, ihrem Mandanten mitgeteilt hat.

Es ist auch richtig, dass Rechtsanwältin B. von dem beabsichtigten Erscheinen der angeschuldigten Rechtsanwältin zunächst keine Kenntnis hatte. Rechtsanwältin B. erklärt selbst, erst im Telefonat mit der Familienrichterin in N. M. Kenntnis davon erlangt haben, dass die angeschuldigte Rechtsanwältin den Mandanten im Termin vertritt. Dies deckt sich mit der schriftlichen Aussage der Zeugin Rechtsanwältin E. vom 27.1.2014 in der sie angibt, im Büro der Rechtsanwältin B. kurz vor dem Termin angerufen und nachgefragt zu haben, ob der Mandant nicht mehr von Rechtsanwältin B. vertreten werde und dort niemand etwas von einer anderweitigen Vertretung wusste.

Daneben war das Verschweigen, der von der Richterin M. im Termin abgegebenen Erklärung zur fehlenden Anwesenheit von Rechtsanwältin B. nicht bewusst wahrheitswidrig. Es besteht aus Sicht des Senats keinerlei Aufklärungspflicht der angeschuldigten Rechtsanwältin gegenüber Rechtsanwältin B. über die Abläufe in der mündlichen Verhandlung. Darüber hinaus erscheint das Schweigen auch deshalb nicht unsachlich, weil die Rechtsanwältin in ihrem Schreiben vom 18.3.2013 in keiner Weise den Eindruck erweckt, im Termin sei nicht bekannt geworden, dass Rechtsanwältin B. nicht erscheine. Im Mittelpunkt der Kritik steht vielmehr der Umstand, dass der Mandant sich schlecht beraten fühlte und davon ausging, dass auch die Antragsgegnerin persönlich nicht am Termin teilnehmen werde. Im Übrigen war die Nichterwähnung der Erklärung der Richterin für die Rechtsanwältin B. auch ohne Belang. Sie wusste ausweislich ihrer Erklärung im Schreiben vom 21.3.2013 bereits von der Richterin, was im Termin geschehen war.

2. Die Rechtsanwältin hat im Schreiben vom 15.4.2013 auch nicht wahrheitswidrig behauptet, dass das Amtsgericht keine Kenntnis von der Mandatsübernahme und der beabsichtigten Terminswahrnehmung gehabt hat. Eine solche Erklärung ist dem Schreiben auch gar nicht zu entnehmen. Die tatsächlich erfolgte Erklärung steht vielmehr im Kontext mit der erst später vorhandenen Kenntnis der Rechtsanwältin B. und beinhaltet lediglich, dass die Beschuldigte das Gericht nicht „zuvor“ über die Terminswahrnehmung und die Übernahme des Mandats unterrichtet hat. Hierzu hat die beschuldigte Rechtsanwältin vorgetragen, dass eine Mitarbeiterin ihres Büros sich am Morgen des Terminstags beim Familiengericht erkundigt hat, ob der Termin stattfindet. Bis zu diesem Zeitpunkt hat keine schriftsätzliche Anzeige gegenüber dem Gericht von der Mandatsübernahme vorgelegen. Eine telefonische Nachfrage einer Mitarbeiterin der Rechtsanwältin kann möglicherweise missverstanden werden oder die Mitarbeiterin sich missverständlich ausgedrückt haben. Dennoch konnte zu diesem Zeitpunkt in der Ehesache das Familiengericht nicht davon ausgehen, dass der Antragsteller wirksam anderweitig vertreten wird. Dass eine Mandatierung gegenüber der Gegenseite noch nicht angezeigt war ergibt sich aus dem Verhalten der Zeugin Rechtsanwältin E., die aus Erstaunen über die „neue“ Rechtsanwältin an der Seite des Antragstellers im Büro der Rechtsanwältin B. angerufen hat.

Dem Schreiben vom 15.04.2013 ist auch nicht der Inhalt zu entnehmen, dass Rechtsanwältin B. eine „solche Auskunft nicht erhalten (…) habe“. Vielmehr stellt sich der Inhalt „Sie konnten daher auch keine Auskunft der Richterin M. erhalten haben“ als eine Schlussfolgerung des vorher zutreffend geschilderten Geschehens dar, die aus dem nicht in Zweifel gezogenen Umstand resultiert, dass eine förmliche Mandatsübernahme dem Familiengericht bis zum Termin nicht angezeigt worden war. Zudem kann die beschuldigte Rechtsanwältin - die nicht Teilnehmerin des Telefonats war - schwerlich gegenüber der Teilnehmerin des Telefonats Rechtsanwältin B. etwas bewusst Falsches über den Inhalt behaupten.

Das schließlich in der Anschuldigungsschrift in Bezug auf das Schreiben vom 15.4.2013 wiedergegebene Zitat mag insoweit aus dem Zusammenhang genommen die unrichtige Behauptung beinhalten, die Richterin M. habe im Termin über das Telefonat zwischen ihr und Rechtsanwältin B. keine Informationen mitgeteilt. Tatsächlich bezieht sich diese Textstelle aber durch das Wort „deswegen“ auf den vorherigen Inhalt, der sich mit der Frage der Mandatsübernahme befasst. Hierzu konnte die Richterin aber im Termin keine Informationen aus der Vergangenheit geben, weil die Rechtsanwältin erstmals im Termin für den Antragsteller aufgetreten ist.

3. Schließlich hat die Rechtsanwältin auch in ihrem Schreiben vom 20.6.2013 an die Rechtsanwaltskammer keine unwahren Behauptungen aufgestellt. Der Passus des Schreibens, der zum Gegenstand der Anschuldigungsschrift genommen wurde, beinhaltet nicht die Behauptung, die Richterin habe im Termin keine Erklärung über das vorherige Telefonat mit Rechtsanwältin B. abgegeben. Er steht vielmehr im Zusammenhang mit dem vorherigen Absatz, der sich auf die Eingabe der Rechtsanwältin B. vom 29.5.2013, Seite 2, 4. Absatz bezieht. Darin ging es um eine Erklärung der Richterin M., die Rechtsanwältin hätte sich bereits für den Mandanten legitimiert, was die Richterin der Rechtsanwältin B. in dem Telefonat vor dem Termin gesagt haben soll. Tatsächlich hat die Richterin in ihrer Stellungnahme eine derartige Aussage nicht bestätigt. Darüber hinaus bestehen keine Anhaltspunkte - wie bereits festgestellt -, dass die Rechtsanwältin sich vor dem Telefonat zwischen der Richterin M. und der Rechtsanwältin B. bereits zur Akte legitimiert hatte. Ob die Richterin M. dennoch eine Mandatsübernahme gegenüber Rechtsanwältin B. behauptet hat, war der Rechtsanwältin tatsächlich nicht bekannt. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Richterin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, die angeschuldigte Rechtsanwältin habe sich bereits zuvor als neue Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers bei ihr vorgestellt. Dass die Aussage in diesem Absatz sich auf die Frage der Mandatierung bezieht, ergibt sich aus der Stellung im weiteren Kontext. Mit dem nachfolgenden Absatz geht die Rechtsanwältin sodann auf den Inhalt des Telefongesprächs zwischen der Rechtsanwältin E. und dem Büro der Rechtsanwältin B. ein. Dieses Telefonat hat nach Auskunft der Rechtsanwältin E. gerade im Zusammenhang mit der Vermutung eines Anwaltswechsels im Verfahren stattgefunden. Eine positive Kenntnis von einem solchen Wechsel hatte die Zeugin E. aber bis zum Termin nicht. Anderenfalls hätte sie das Telefonat nicht geführt.

Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 198 Abs. 1 BRAO.