Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Beschl. v. 28.01.2015, Az.: AGH 28/09

Bibliographie

Gericht
AGH Niedersachsen
Datum
28.01.2015
Aktenzeichen
AGH 28/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 45361
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Rügen und Anträge aus dem Schriftsatz des Klägers vom 03.02.2011 werden als unzulässig zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Kläger war als Rechtsanwalt mit Sitz in H. zugelassen. Die Beklagte hatte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft widerrufen, weil der Kläger keine Kanzlei mehr unterhalte, ohne von der Kanzleipflicht befreit zu sein. Termin zur mündlichen Verhandlung über die vom Kläger hiergegen erhobene Anfechtungsklage war auf den 17.01.2011 anberaumt worden. Mit der Ladung war der Kläger darauf hingewiesen worden, dass auch in seiner Abwesenheit verhandelt werden könne, es sei denn, dass der Kläger ausdrücklich mitteile, dass er zum Termin erscheinen wolle und seine Verhinderung wegen Erkrankung durch aussagekräftiges, ausführliches amtsärztliches Attest nachweise, welches die Beeinträchtigung im Einzelnen anführt, und aus dem sich ergibt, dass eine Mitwirkung an einer mündlichen Verhandlung gänzlich ausgeschlossen ist. Die Ladung mit dieser Verfügung wurde dem Kläger zugestellt (Zustellungsurkunde Blatt 20 d.A.).

Am 13.01.2011 beantragte der Kläger mit Telefaxschreiben, den Termin vom 17.01.2011 aufzuheben und neuen Termin erst in der Woche ab 31.01.2011 anzuberaumen. Zur Begründung gab er an, aufgrund einer ernsthaften schmerzhaften Erkrankung müssten am kommenden Montag [dem Terminstag] verschiedene Untersuchungen durchgeführt werden, voraussichtlich mit anschließender Therapie. In der mündlichen Verhandlung hatte der Senat festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Verlegung des Termins nicht gegeben seien, insbesondere ein amtsärztliches Attest nicht vorliege. Die mündliche Verhandlung wurde in Abwesenheit des Klägers durchgeführt; am Schluss der Sitzung wurde ein klageabweisendes Urteil verkündet (vgl. Protokoll Blatt 26-29 d.A.).

Unter dem 03.02.2011 erhob der Kläger per Telefaxschreiben verschiedene Verfahrensrügen und beantragte weiter die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand. Der Schriftsatz des Klägers vom 03.02.2011 enthielt zwar die Angabe des Aktenzeichens AGH 11/10. Aus den Umständen war indes ersichtlich, dass sich dieser Schriftsatz nur auf das vorliegende Verfahren AGH 28/09 beziehen konnte; er ist deshalb auch zu dieser Verfahrensakte genommen worden. Mit seinem Schriftsatz rügte er die Verletzung des rechtlichen Gehörs, des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes, die Nichtzulassung der Berufung und die Unverhältnismäßigkeit der Ausgangsentscheidung. Wegen der Einzelheiten der Rügen und des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand sowie deren Begründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 03.02.2011 Bezug genommen (Blatt 33-34 d.A.).

Dem Kläger wurde unter dem 18.03.2014 eine vollständige, mit Gründen und Rechtsmittelbelehrung versehene Ausfertigung des Urteils vom 17.01.2011 zugestellt (Zustellungsurkunde Blatt 49 d.A.). Soweit aus der Verfahrensakte ersichtlich ist, hat der Kläger Antrag auf Zulassung der (im Urteil nicht zugelassenen) Berufung offenbar nicht gestellt. Die Generalstaatsanwaltschaft C. teilte unter dem 29.08.2011 dem Niedersächsischen Anwaltsgerichtshof die Information der Beklagten mit, dass der Kläger wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO (Nichtunterhaltung der Berufshaftpflichtversicherung) seit dem 17.08.2011 aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschieden sei. Eine das Verfahren förmlich abschließende Entscheidung des Senats über den Antrag und die Rügen des Klägers aus dem Schriftsatz vom 03.02.2011 steht danach noch aus.

II.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand und die verschiedenen Verfahrensrügen aus dem Schriftsatz des Klägers vom 03.02.2011 sind unzulässig; sie waren deshalb zurückzuweisen.

Die Unzulässigkeit ergibt sich allein schon daraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis für die Rügen und den Antrag nicht mehr zusteht. Ob einem Kläger oder Antragsteller ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, ist vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Es kann auch während des Rechtsstreits entfallen. So liegt der Fall hier. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist unter anderem nämlich dann nicht gegeben, wenn auch ein Erfolg des Antrags oder einer Rüge die Rechtsstellung des Klägers nicht verbessern würde. Dabei darf das Gericht die Gewährung von Rechtsschutz nur verweigern, wenn ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers oder Antragstellers an der erstrebten gerichtlichen Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt (mehr) in Betracht kommt, wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. Eyermann-Rennert, VwGO, 13. Auflage 2010, Rn. 11 vor § 40 bis 53).

Auch unter Beachtung eines strengen Maßstabes kommt vorliegend ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers an einer Entscheidung über die Rügen und den Antrag aus dem Schriftsatz vom 03.02.2011 unter keinen Umständen mehr in Betracht.

Im vorliegenden Fall ist der Kläger zur Rechtsanwaltschaft nicht mehr zugelassen. Dies gilt auch für den Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung. Der Kläger ist - wie eine Überprüfung durch den Senat ergab - auch heute nicht in das gemäß § 31 BRAO bei der Bundesrechtsanwaltskammer geführte elektronische Rechtsanwaltsverzeichnis, das jedermann zugänglich ist, eingetragen. Er hat das in der vorliegenden Sache ergangene Urteil vom 17.01.2011 ersichtlich nicht angefochten; der Antrag auf Zulassung der Berufung hätte beim Niedersächsischen Anwaltsgerichtshof gestellt werden müssen (§ 112e Satz 1 und 2 i.V.m. § 124a Abs. 4 VwGO). Aufgrund des Umstandes, dass der Kläger Antrag auf Zulassung der Berufung nicht gestellt hat, ist das Urteil vom 17.01.2011 insgesamt rechtskräftig geworden. Gleichzeitig sind damit die verfahrensbezogenen Rügen des Klägers aus dem Schriftsatz vom 03.02.2011 unzulässig geworden. Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung hätte der Kläger unter anderem Verfahrensfehler des Anwaltsgerichtshofs geltend machen können, was gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO als Grund für die Zulassung der Berufung in Betracht kommt. Damit sind die Rügen der Verletzung des rechtlichen Gehörs und des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes ebenso gegenstandslos geworden wie die Rüge der Nichtzulassung der Berufung.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist allein auch um des Willen unzulässig, als er nur statthaft ist, wenn jemand ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten (§ 112c Abs. 1 BRAO i.V.m. § 60 Abs. 1 VwGO). Aus dem Vorbringen des Klägers, insbesondere aus seinem Schriftsatz vom 03.02.2011 ergibt sich nicht, welche Frist der Kläger ohne Verschulden nicht eingehalten haben könnte. Danach ist der Antrag nicht einmal statthaft.

Die Rüge der Verletzung übergeordneten europäischen Rechts und der Unverhältnismäßigkeit der Ausgangsentscheidung stellen sich als Rügen gegen die Entscheidung des Senats in der Sache dar. Sie sind als Verfahrensrügen deshalb von Grund auf nicht statthaft und hätten nur im Rahmen eines Antrags auf Zulassung der Berufung etwa nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemacht werden können.

Nach alledem waren die Rügen und der Antrag des Klägers aus dem Schriftsatz vom 03.02.2011 als unzulässig zurückzuweisen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Der vorliegende Beschluss ist gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 und 2 BRAO i.V.m. § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.