Landgericht Göttingen
Urt. v. 02.03.1994, Az.: 5 (6) S 345/93

Anspruch auf Zahlung einer Kursgebühr; Nichteinordnung als Verbaucherkreditvertrag trotz Vereinbarung einer Ratenzahlung; Geltungsbereich des Verbaucherkreditgesetzes (VerbrKG); Begriff des Zahlungsaufschubs

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
02.03.1994
Aktenzeichen
5 (6) S 345/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 22543
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:1994:0302.5.6S345.93.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - 17.12.1993 - AZ: 26 C 365/93

In dem Rechtstreitverfahren
... Becker
auf die mündliche Verhandlung vom 9. Februar 1994
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17. Dezember 1993 verkündete Urteil des Amtsgerichts Göttingen - 26 C 365/93 - geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.978,- DM zuzüglich 14 % Zinsen seit dem 17. Juni 1993 zu zahlen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.637,75 DM festgesetzt.

Tatbestand

1

Von der Darstellung des Tatbestands wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

2

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der restlichen Kursgebühr in Höhe von 5.978,- DM gem. § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien am 4. März 1991 geschlossenen Vertrag über die Ausbildung zum Heilpraktiker. In diesem Vertrag verpflichtete sich die Klägerin der Beklagten den Lehrstoff zu vermitteln, dessen Beherrschung für die Heilpraktikerprüfung für erforderlich erachtet wird. Im Gegenzug verpflichtete sich die Beklagte zur Zahlung einer in Raten zu entrichtenden Kursgebühr von insgesamt 9.747,- DM. Hiervon hat die Beklagte lediglich 3.769,- DM gezahlt, so daß die Klägerin die restliche Kursgebühr in Höhe von 5.978,- DM noch fordern kann.

3

Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist wirksam. Er unterfällt nicht dem Verbraucherkreditgesetz, so daß es unschädlich ist, daß bei der im Vertrag angebotenen und von der Beklagten auch gewählten Ratenzahlung der effektive Jahreszins nicht ausgewiesen ist. Dieser Umstand hat nicht die Nichtigkeit des Vertrages gem. § 6 Abs. 1 Verbraucherkreditgesetz zur Folge.

4

Das Verbraucherkreditgesetz gilt für Kreditverträge und Kreditvermittlungsverträge. Gem. § 1 Abs. 2 Verbraucherkreditgesetz ist der Kreditvertrag ein Vertrag, in dem der Kreditgeber einem Verbraucher einen entgeltlichen Kredit in Form eines Darlehens, eines Zahlungsaufschubs oder einer sonstigen Finanzierungshilfe gewährt. Die hier allein in Betracht kommende Alternative der Gewährung eines Zahlungsaufschubs liegt nicht vor, denn der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag beinhaltet einen Zahlungsaufschub im Sinne des Verbraucherkreditgesetzes nicht.

5

Der Begriff des Zahlungsaufschubs ist zu definieren als entgeltliches vertragliches Hinausschieben der Fälligkeit oder Durchsetzbarkeit der gegen den Verbraucher gerichteten Forderung zu seinen Gunsten, durch Vereinbarung eines vom dispositiven Recht abweichenden Zeitpunkts (Münchener Kommentar/Ulmer § 1 Verbraucherkreditgesetz Rdnr. 54).

6

Durch den Vertrag vom 4. März 1991 haben die Parteien einen als Dauerschuldverhältnis ausgestalteten Dienstvertrag geschlossen, denn die Klägerin hat der Beklagten über einen längeren Zeitraum (20 Monate) ihre Dienste zugesagt. Im Gegenzug hat die Beklagte die Zahlung einer Vergütung versprochen.

7

Gem. § 614 BGB ist bei einem Dienstvertrag die Vergütung nach der Leistung der Dienste zu entrichten, das heißt die vom Dienstberechtigten zu zahlende Vergütung ist erst fällig, wenn der Dienstverpflichtete seine Leistung erbracht hat. Grundsätzlich hätte daher die Beklagte - ohne Berücksichtigung der vertraglichen Regelungen - die Vergütung erst nach Beendigung des Kurses, also nach 20 Monaten zahlen müssen bzw. gem. § 614 Satz 2 BGB jeweils nach Ablauf bestimmter im Vertrag geregelter Zeitabschnitte. Ein Zahlungsaufschub im Sinne des § 1 Verbraucherkreditgesetz läge deshalb nur dann vor, wenn sich durch den Vertrag diese Fälligkeit, die sich hier aus dem Gesetz ergibt, zugunsten der Beklagten nach hinten verschoben hätte. Das heißt, wenn die Beklagte erst mehr als drei Monate nach Beendigung des Kurses die Gebühr hätte zahlen müssen und sich das Entgelt dadurch erhöht hätte (vgl. hierzu Münchener Kommentar/Ulmer § 1 Verbraucherkreditgesetz Rdnr. 58 m.w.N.). Nur dann läge ein Zahlungsaufschub im Sinne des Verbraucherkreditgesetztes vor, denn der Zahlungsaufschub ist nach der Definition nur die Abweichung vom gesetzlich bestimmten Fälligkeitszeitpunkt nach hinten. Die Kammer schließt sich insoweit der Rechtsprechung der 6. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen (6 S 193/92) nicht an, denn selbst wenn man - wie die 6. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen in dem vorbezeichneten Urteil vom 8. Oktober 1992 - davon ausgeht, daß der Vertrag dahin auszulegen ist, daß die Parteien grundsätzlich Barzahlung zu Beginn des Dauerschuldverhältnisses vereinbart haben, fällt die Möglichkeit des Studierenden, die Kursgebühr in Raten zu zahlen, ebenfalls nicht unter das Verbraucherkreditgesetz. Dieses Hinausschieben der Fälligkeit bedeutet nämlich keine Vereinbarung eines vom dispositiven Recht abweichenden Fälligkeitszeitpunkts sondern die Abweichung von einem vertraglich vereinbarten Fälligkeitszeitpunkts. Die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes scheitert deshalb auch dann, wenn man davon ausgeht, daß die Parteien zunächst vertraglich eine Barzahlung vereinbart haben. Gegen diese von der 6. Zivilkammer vorgenommene Auslegung des Vertrages spricht aber auch, daß es keinen Sinn gibt, zunächst den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt vertraglich dahin zu ändern, daß die Gegenleistung schon zu Beginn des Unterrichts fällig wird und diese vertragliche Regelung sogleich nochmals in eine Ratenzahlungsabrede zu ändern. Vielmehr erscheint es einleuchtend, daß die Klägerin den Dienstberechtigten einen Rabatt gewährt, die das Entgelt nicht erst in Teilleistungen bis zum Ende des Kurses erbringen, sondern schon zu Beginn der Dienstleistung in voller Höhe entrichten.

8

Die Klägerin kann hier - trotz der vereinbarten Ratenzahlung - auch die restliche Kursgebühr auf einmal fordern. Dabei kommt es auf die Wirksamkeit der Klausel, daß die Restschuld sofort fällig wird, wenn der Studierende um mehr als 20 Tage mit der Zahlung der jeweils fälligen Rate in Verzug gerät, nicht an. Die Beklagte hat die erste Rate am 11. April 1991 gezahlt. Nach der dem Vertrag zugrundeliegenden Studienordnung ist die erste Rate spätestens am Einführungstag zu bezahlen. Es gibt keine Hinweise dafür, daß die Beklagte die erste Rate verspätet gezahlt hat. Mithin läßt sich der Schluß ziehen, daß der Kursus hier im April 1991 begonnen hat. Mit Schreiben vom 14. Mai 1993 hat die Klägerin der Beklagten mitgeteilt, daß die letzte Rate am 15. April 1993 fällig gewesen wäre. Dies hat die Beklagte nicht bestritten. Damit waren sämtliche noch ausstehenden Raten fällig, als die Klägerin am 17. Juni 1993 den Mahnbescheid beantragt hat.

9

Auch der Umstand, daß die Beklagte nur ungefähr 25 % des angebotenen Unterrichts angenommen hat, ändert nichts daran, daß die Klägerin die restliche Kursgebühr in voller Höhe fordern kann.

10

Gem. § 615 BGB kann der Dienstverpflichtete auch dann die vereinbarte Vergütung verlangen, wenn der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug gerät.

11

Dieser Fall liegt hier vor. Die Beklagte befand sich im Annahmeverzug, denn sie hat die weiteren Unterrichtsstunden der Klägerin unstreitig nicht angenommen. Dabei muß davon ausgegangen werden, daß die Klägerin den weiteren Unterricht, wie es im Vertrag vorgesehen war, am Unterrichtsort angeboten und abgehalten hat, so daß die Beklagte - wenn sie gewollt hätte - daran hätte teilnehmen können.

12

Nach § 615 BGB behält der Dienstverpflichtete den Vergütungsanspruch, er muß sich jedoch das anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erworben hat. Hier ergibt sich weder aus dem Vortrag der Beklagten noch aus den sonstigen Umständen, daß die Klägerin durch das Fernbleiben der Beklagten Einsparungen gehabt hat oder anderweitige Einnahmen.

13

Unstreitig hat die Klägerin den Kurs mit den übrigen Teilnehmern weiter abgehalten. Sie mußte also die Kosten für die Lehrkräfte und die Kosten für die Räume genauso aufbringen, als hätte die Beklagte weiterhin am Unterricht teilgenommen.

14

Auch ist nicht ersichtlich, daß für die Beklagte ein neuer Teilnehmer nachgerückt ist, der statt ihrer die Kursgebühr bezahle hätte.

15

Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 284, 286, 288 BGB.

16

Aus den oben genannten Gründen ist die Widerklage der Beklagten abzuweisen. Der Beklagten steht gegen die Klägerin kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 BGB zu. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin das vereinbarte Entgelt zu zahlen, so daß sie bereits geleistete Zahlungen von der Klägerin nicht zurückfordern kann.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.637,75 DM festgesetzt.

Dr. Hollstein
Pape
Becker