Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 07.04.1982, Az.: 21 UF 57/81

Beschränkung des Rechtsmittels auf getroffene Sorgerechtsregelungen; Verfassungswidrigkeit des Art. 17 Abs. 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB); Verfassungskonforme Auslegung; Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
07.04.1982
Aktenzeichen
21 UF 57/81
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1982, 16077
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1982:0407.21UF57.81.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Wennigsen - 14.10.1981 - AZ: 7 F 12/81

Fundstelle

  • IPRspr 1982, 62

Verfahrensgegenstand

Ehescheidung

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Erklärung, eine Partei lege keine Berufung ein, ist regelmäßig als Verzicht auf Rechtsmittel auszulegen. Dagegen reicht die Erklärung, die Einlegung eines Rechtsmittels sei nicht beabsichtigt, nicht aus. Denn durch eine solche Erklärung wird lediglich zum Ausdruck gebracht, dass gegenwärtig nicht an die Einlegung eines Rechtsmittels gedacht werde, schließt aber einen späteren Sinneswandel nicht aus.

  2. 2.

    § 606 b ZPO ist mit Art. 3 Abs. 3 GG nicht vereinbar, weil der biologische Unterschied zwischen Mann und Frau kein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Frage ist, welches Gericht für ein Scheidungsverfahren international zuständig ist.

  3. 3.

    Art. 17 Abs. 1 EGBGB ist jedenfalls dann nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn beide Eheleute Ausländer sind und das anwendbare Recht ausschließlich aufgrund der Staatsangehörigkeit des Mannes zu bestimmen wäre. Art. 17 Abs. 1 EGBGB wird verfassungskonform dahin ausgelegt, dass das (letzte) gemeinsame Heimatrecht der Eheleute bzw. der Grundsatz des schwächeren Rechts maßgeblich ist.

Der 21. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. März 1982
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Sch. sowie
die Richter am Oberlandesgericht K. und B.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Antragsgegners gegen das am 14. Oktober 1981 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Wennigsen wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die am 23. Juni 1940 in ..., geborene Antragstellerin und der am 12. August 1941 in ... geborene Antragsgegner haben am 23. Januar 1970 vor dem Standesbeamten in ... die Ehe miteinander geschlossen. Die Antragstellerin ist Staatsangehörige der UdSSR, während der Antragsgegner - bis zur Unabhängigkeit seines Landes portugiesischer Staatsangehörigkeit - die angolanische Staatsangehörigkeit besitzt. Aus der Ehe sind die Kinder J., geboren am ... in der UdSSR, und P., geboren am 19. September 1972 in der Bundesrepublik Deutschland, hervorgegangen. Die Parteien lebten seit 1972, nachdem der Antragsgegner bereits im Jahre 1970 die Sowjetunion verlassen hatte, gemeinsam in der Bundesrepublik, und zwar in G. bei H. Im Oktober 1979 ist der Antragsgegner nach Angola zurückgekehrt mit dem Ziel, für immer dort zu bleiben. Er hat seine Familie gegen Ende des Jahres 1980 besucht. Im Verlaufe von Streitigkeiten ist die Antragstellerin im Dezember 1980 aus der Ehewohnung ausgezogen und lebt seitdem mit Herrn F. zusammen, den sie nach der Scheidung zu heiraten beabsichtigt.

2

Die Antragstellerin hat Scheidung der Ehe begehrt und dazu behauptet, die Parteien lebten seit Oktober 1979 getrennt. Der Antragsgegner sei zum Zwecke der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft aus der Ehewohnung ausgezogen und nach Angola zurückgekehrt. Er sei dort für seine Familie nicht erreichbar gewesen und habe keinen Unterhalt gezahlt.

3

Die Antragstellerin hat beantragt,

4

die Ehe der Parteien zu scheiden und ihr das Sorgerecht für die beiden Kinder zu übertragen.

5

Der, anwaltlich vertretene, aber persönlich nicht geladene, Antragsgegner hat der Scheidung zugestimmt, jedoch beantragt,

6

ihm das Sorgerecht für die Kinder J. und. P. zu übertragen.

7

Er bestreitet eine Trennung im Oktober 1979, da er mit Wissen der Antragstellerin nach Angola zurückgekehrt sei, um dort eine Existenz aufzubauen und den Umzug der Familie dorthin vorzubereiten.

8

Das Amtsgericht hat - nach Einholung eines Gutachtens über das nach seiner Meinung anwendbare angolanische bzw. von Angola übernommene portugiesische Recht - die Antragstellerin als Partei über das Verhalten des Antragsgegners vernommen und hat sodann die Ehe nach portugiesischem Recht aus Verschulden des Antragsgegners geschieden, weil dieser im Oktober 1979 eigenmächtig die Familie verlassen und sich seitdem nicht mehr um sie gekümmert und auch keinen Unterhalt gezahlt habe; damit habe er die Antragstellerin "in ihrer physischen und moralischen Integrität schwer verletzt" (Art. 1792 i.V.m. Art. 1778 Port. Codigo Civile). Das Sorgerecht über die Kinder hat das Amtsgericht der Antragstellerin übertragen.

9

Gegen dieses Urteil, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, richtet sich das Rechtsmittel des Antragsgegners. Die Rechtsmittelschrift ist als "Beschwerdeschrift" bezeichnet und enthält die Erklärung, daß gegen das amtsgerichtliche Urteil Beschwerde eingelegt werde; hinter der Bezeichnung der Parteien ist der Verfahrensgegenstand (wegen ...) mit "elterlicher Sorge" angegeben. Die Rechtsmittelbegründungsschrift ist mit "Beschwerdebegründung" überschrieben und enthält u.a. den Antrag, den Scheidungsantrag zurückzuweisen. Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt der Antragsgegner vor, das Urteil sei verfahrensfehlerhaft zustandegekommen, weil weder er noch die Kinder angehört worden seien, obwohl er um Terminsverlegung gebeten habe, um aus Angola kommend an der Verhandlung teilnehmen zu können. Statt ihn als Partei zu den Antragsbehauptungen zu vernehmen, habe das Amtsgericht aufgrund einer unzutreffenden Aussage der Antragstellerin die Ehe geschieden. Sein Einverständnis mit der Scheidung habe er nur unter der Voraussetzung erklärt, daß ihm das Sorgerecht übertragen werde. Er habe sich nicht schuldhaft verhalten. Zwischen den Parteien habe Einigkeit darüber bestanden, daß man gemeinsam nach Angola habe ziehen wollen. Diesem Vorhaben habe auch eine zweimonatige Reise im Jahre 1977 gedient. Im Oktober 1979 sei er mit Wissen und Billigung der Antragstellerin nach Angola gegangen, um dort eine Existenz aufzubauen und den Umzug der Familie dorthin vorzubereiten. Er habe die ganze Zeit brieflich Kontakt zu seiner Familie gehalten. Für diese sei finanziell dadurch gesorgt gewesen, daß ihr verschiedene Steuerrückzahlungen zugeflossen seien, er ihr anläßlich seines Besuches im Dezember 1980 einen Scheck über 3.500 DM übergeben habe und im übrigen die Antragstellerin als Zahnärztin gut verdient habe. Die Antragstellerin sei zur Betreuung der Kinder nicht geeignet, da sie wieder ganztags als Zahnärztin tätig sein wolle - z.Zt. sei ihre Arbeitserlaubnis abgelaufen -, so daß sie für die Betreuung der Kinder nur sehr eingeschränkt zur Verfügung stehe; außerdem lebe sie mit Herrn F. in ehebrecherischem Verhältnis zusammen. Er befürchte, daß seine Kinder als Negerabkömmlinge mit fortschreitendem Alter in Deutschland Vorurteile zu spüren bekommen würden, die sich nachteilig auf ihre Entwicklung auswirken könnten. Die - allen Belangen der Kinder gerecht werdende - Betreuungssituation bei ihm in Angola sei nicht überprüft worden.

10

Der Antragsgegner beantragt,

unter Abänderung des am 14. Oktober 1981 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Wennigsen den Antrag auf Scheidung der Ehe zurückzuweisen,

11

hilfsweise,

das erstinstanzliche Urteil nebst den ihm zugrundeliegenden Feststellungen und Verfahren aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen,

12

ganz hilfsweise,

die elterliche Sorge für die Kinder J. und P. dem Antragsgegner zu übertragen.

13

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.

14

Sie vertritt die Auffassung, aufgrund der Rechtsmittelerklärungen des Antragsgegners sei nur die Sorgerechtsentscheidung angegriffen, das Rechtsmittel hinsichtlich des Scheidungsausspruchs unzulässig. Im übrigen behauptet sie, der Antragsgegner habe anläßlich eines Anhörungstermins wegen einstweiliger für Besuchsregelung für die Kinder vor dem Amtsgericht Wennigsen am 23. November 1981 auf Rechtsmittel gegen den Scheidungsausspruch verzichtet, da sein Prozeßbevollmächtigter auf Fragen des Richters erklärt habe, es sei ein Rechtsmittel gegen das amtsgerichtliche Scheidungsurteil eingelegt, aber ausdrücklich auf die Sorgerechtsregelung beschränkt worden; der Scheidungsausspruch selbst sei und werde nicht angegriffen. Außerdem habe er der Scheidung ausdrücklich zugestimmt. Die Ehe müsse geschieden werden, da sie gescheitert sei. Die Ehe habe schon seit 1974 gekriselt, weil der Antragsgegner Beziehungen zu anderen Frauen unterhalten habe und nur unregelmäßig nach Hause gekommen sei; dann habe er sich kaum um die Familie gekümmert, sondern zu viel Alkohol getrunken. Die Antragstellerin weigere sich, nach Angola zu ziehen. Da der Antragsgegner aber Angola nicht verlassen wolle, sei die Ehe endgültig gescheitert. Die amtsgerichtliche Sorgerechtsentscheidung sei richtig, da die Antragstellerin die Kinder nahezu ausschließlich betreut und erzogen habe, während der Antragsgegner sich kaum um sie bemüht habe. Sie seien in Deutschland aufgewachsen und dort verwurzelt, zu Angola hätten sie keinerlei Beziehungen, sprächen auch die dortige Landessprache portugiesisch nicht.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

16

Der Senat hat die Parteien persönlich und - durch den Berichterstatter - auch die Kinder J. und P. angehört; insoweit wird auf den Vermerk des Berichterstatters vom 5. Januar 1982 verwiesen. Außerdem hat der Senat Beweis über den behaupteten Rechtsmittelverzicht gemäß Beweisbeschluß vom 27. Januar 1982 erhoben. Wegen des Beweisergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16. Februar 1982 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17

Das Rechtsmittel des Antragsgegners ist in vollem Umfang zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

18

I.

Das Rechtsmittel des Antragsgegners ist als Berufung gemäß §§ 629 a, 511 ZPO zulässig. Der Nachweis, der Antragsgegner habe auf Rechtsmittel verzichtet, ist von der Antragstellerin nicht geführt worden.

19

1.

Das Rechtsmittel ist zwar in der Rechtsmittelschrift als Beschwerde bezeichnet worden. Damit hat der Antragsgegner zu erkennen gegeben, daß er mit seinem Rechtsmittel eine Abänderung des angefochtenen Urteils hinsichtlich eines den Verfahrensregeln des FGG unterliegenden Verfahrensteils (§ 629 a Abs. 2 ZPO) erstrebte, hier also der Sorgerechtsentscheidung, wie auch ausdrücklich angegeben. Dadurch war der Antragsgegner jedoch nicht gehindert, sein Rechtsmittel auch auf andere Verfahrensteile zu erstrecken. Denn es ist nicht die Aufgabe der Rechtsmittelschrift, den Umfang der Anfechtung zu umreißen. Dies geschieht vielmehr erst durch die Begründungsschrift. Bis zur - fristgerechten - Einreichung einer Begründungsschrift tritt die Rechtskraft selbst dann nicht ein, wenn sich die Rechtsmittelschrift nur auf einen Teil der angefochtenen Entscheidung bezieht. Soweit hinsichtlich der übrigen Teile kein wirksamer Rechtsmittelverzicht vorliegt, kann das Rechtsmittel mit der Begründung auf andere Teile der angefochtenen Entscheidung erstreckt werden (vgl. BGHZ 7, 143; BGH FamRZ 81, 946 m.w.N.). Das ist im vorliegenden Fall mit der Begründungsschrift geschehen. Dabei ist als offensichtliche Fehlbezeichnung unschädlich, daß diese Schrift als Beschwerdebegründung bezeichnet ist. Denn aus dem u.a. gestellten Antrag, der Scheidungsantrag solle zurückgewiesen werden, ergibt sich unzweifelhaft, daß auch - und gerade - der Scheidungsausspruch angefochten werden solle.

20

Der Antragsgegner hat auch nicht dem Amtsgericht gegenüber auf Rechtsmittel hinsichtlich des Scheidungsausspruchs verzichtet (§ 514 ZPO). Eine derartige Verzichtserklärung hätte der Antragsgegner allerdings vor dem Amtsgericht Wennigsen anläßlich des Verhandlungstermins am 23. November 1981 abgeben können, da dort über eine einstweilige Anordnung im Rahmen des anhängigen Scheidungsverfahrens verhandelt worden ist (Bl. 18 in 7 F 12/81 AG Wennigsen). Ein derartiger - nicht protokollierter - Verzicht hätte jedoch die eindeutige und zweifelsfreie Erklärung enthalten müssen, daß der Erklärende sein Recht auf Einlegung eines Rechtsmittels ganz oder teilweise aufgebe. Dabei muß sich der Wille, auf ein Rechtsmittel verzichten zu wollen, wenn auch nicht unbedingt eine ausdrückliche Erklärung erforderlich ist, ganz eindeutig aus den Umständen ergeben (vgl. BGHZ 2, 112). Die Erklärung, eine Partei lege keine Berufung ein, wird man daher regelmäßig als Verzicht auslegen können (vgl. BGH LM Nr. 6 zu § 514 ZPO; Baumbach-Lauterbach-Albers ZPO, 40. Aufl., § 514 Anm. 2 c). Dagegen reicht die Erklärung, die Einlegung eines Rechtsmittels sei nicht beabsichtigt, nicht aus (BGH MDR 58, 414 [BGH 26.02.1958 - IV ZR 211/57] und BGH NJW 74, 1248). Denn durch eine solche Erklärung wird lediglich zum Ausdruck gebracht, daß gegenwärtig nicht an die Einlegung eines Rechtsmittels gedacht werde, schließt aber einen späteren Sinneswandel nicht aus, eben weil noch keine endgültige Begebung des Rechtsmittels zum Ausdruck gebracht wird.

21

So verhält es sich auch im vorliegenden Fall. Denn der von Rechtsanwalt E., dem damaligen Prozeßbevollmächtigten des Antragsgegners, am 23. November 1981 abgegebenen Erklärung läßt sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein endgültiger Verzicht auf Rechtsmittel nicht entnehmen. So hat Rechtsanwalt K. bekundet, Rechtsanwalt E. habe im Beisein des Antragsgegners erklärt, daß lediglich die Entscheidung zum Sorgerecht angefochten sei und der Scheidungsausspruch nicht angegriffen werden solle. Insofern enthält die Wiedergabe der Erklärung (durch die Verwendung der Wortform "solle nicht") eindeutig nur eine für die Annahme eines Verzichts nicht ausreichende Absichtserklärung. Diese Aussage wird bestätigt durch die Bekundungen des Zeugen Rechtsanwalt E. und des Richters am Amtsgericht D. Während Rechtsanwalt E. angegeben hat, er habe lediglich die Einlegung einer Beschwerde gegen die Sorgerechtsregelung veranlaßt und eine Anfechtung des Scheidungsausspruchs sei nicht beabsichtigt, hat sich RiAG D. nur noch ungenau an eine Äußerung erinnern können, daß die Sorgerechtsentscheidung angefochten sei oder angefochten werden solle, während der Scheidungsausspruch nicht angegriffen werden solle. Dem steht die auf Vorhalt ergänzte Aussage des Rechtsanwalts K. nicht entgegen, daß klar zum Ausdruck gebracht worden sei, der Scheidungsausspruch solle bestehenbleiben. Denn auch diese Bekundung, die im Wortlaut von der früheren Angabe "solle nicht angegriffen werden" zwar abweichen mag, schließt nicht aus, daß sich die Erklärung von Rechtsanwalt E. nur auf den gegenwärtigen Verfahrensstand bezog und damit nicht über eine Absichtserklärung hinausging. Dafür spricht - abgesehen von dem Wortlaut "nicht beabsichtigt" - insbesondere auch die Situation, in der Rechtsanwalt E. seine Erklärung abgegeben hat. Weil über eine einstweilige Anordnung verhandelt werden sollte, war es für die vom Richter angesprochene Frage der Zuständigkeit lediglich von Bedeutung, ob im gegenwärtigen Verfahrensstand der Scheidungsausspruch angefochten sei, weil nur dann das Amtsgericht nicht zuständig gewesen wäre; ob die Anfechtung des Scheidungsausspruchs - später - beabsichtigt war, war dagegen im Rahmen der rechtlichen Erörterungen unerheblich. So ist auch die Äußerung des Rechtsanwalts E. zu verstehen, daß er eine rechtsgestaltende Erklärung nicht habe abgeben wollen, eine Erklärung, wie sie von ihm in der konkreten Situation auch gar nicht gefordert wurde. Nach alledem kann ein Rechtsmittelverzicht des Antragsgegners hinsichtlich des Scheidungsausspruchs nicht festgestellt werden.

22

3.

Die Zulässigkeit des Rechtsmittels scheitert schließlich nicht daran, daß der Antragsgegner - durch seinen Prozeßbevollmächtigten - sein Einverständnis mit der Scheidung erklärt hat. Denn diese Einverständniserklärung im Sinne von § 1566 Abs. 1 BGB ist nach § 630 Abs. 2 ZPO bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung frei widerruflich. Dieser Widerruf kann nach der auch vom Senat geteilten herrschenden Meinung (vgl. Baumbach-Lauterbach-Albers, ZPO, 40. Aufl., § 630 Anm. 3 m.w.N.) auch in der Rechtsmittelinstanz erfolgen, wie das vorliegend durch das Stellen des Antrages auf Zurückweisung des Scheidungsbegehrens geschehen ist.

23

II.

1.

Das Amtsgericht Wennigsen und damit auch das Oberlandesgericht Celle als Rechtsmittelgericht sind zur Scheidung der Ehe international zuständig. § 606 b Nr. 1 ZPO bestimmt, daß bei der Scheidung ausländischer Eheleute ein deutsches Gericht nur entscheiden kann, wenn der gewöhnliche Aufenthalt des Mannes oder der Frau im Inland gelegen ist und nach dem Heimatrecht des Mannes die von dem deutschen Gericht zu fällende Entscheidung anerkannt werden wird. Die Antragstellerin hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, da sie seit 1972 in G. lebt und dort auch zu bleiben beabsichtigt. Im übrigen aber ist zu prüfen, ob die einseitig an das Heimatrecht des Mannes anknüpfende weitere Zuständigkeitsvoraussetzung der Anerkennungsfähigkeit mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 2 GG zu vereinbaren ist. Die Anknüpfung allein an das Heimatrecht des Mannes wird ganz überwiegend als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG angesehen (vgl. z.B. OLG Köln, FamRZ 80, 785 = NJW 80, 2026; KG NJW 80, 535; Baumbach-Lauterbach-Albers a.a.O., § 606 b Anm. 2 b; Stein-Jonas-Schlosser, ZPO, 19. Aufl., § 606 b Rdn. 10 f.; Jayme NJW 77, 1378; Berkemann, FamRZ 77, 295, jeweils mit weiteren Nachw.). Dieser herrschenden Meinung schließt sich der erkennende Senat an. § 606 b ist mit Art. 3 Abs. 3 GG nicht vereinbar, weil der biologische Unterschied zwischen Mann und Frau kein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Frage ist, welches Gericht für ein Scheidungsverfahren international zuständig ist (so Beschluß des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts vom 19. Februar 1982 - 12 WF 44/82 -).

24

2.

Die gesamte ZPO ist nachkonstitutionelles Recht (BVerfG 8, 210 = FamRZ 58, 451; BVerfGE 35, 41 = FamRZ 73, 443). Dies gilt insbesondere auch für § 606 b ZPO, der durch Art. 2 Nr. 2 des Gleichberechtigungsgesetzes vom 18. Juni 1957 anstelle des bis dahin geltenden § 606 a Abs. 3 a.F. ZPO "in den Willen des nachkonstitutionellen Gesetzgebers" (dazu BVerfGE 11, 126) aufgenommen worden ist. § 606 b ZPO kann daher nicht vom Senat für verfassungswidrig erklärt werden. Diese Kompetenz steht allein dem Bundesverfassungsgericht zu.

25

3.

Gleichwohl ist die Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nicht erforderlich. Denn diese Rechtsfrage ist letztlich nicht entscheidungserheblich. Wäre § 606 b ZPO insoweit nichtig, als an die Anerkennung durch das Heimatrecht des Mannes angeknüpft wird, würde das Gesetz ohne diese Einschränkung anzuwenden sein; dann wäre die internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts Wennigsen zu bejahen. Das gilt im konkreten Fall aber auch dann, wenn man diejenigen Möglichkeiten erwägt, die zur Beseitigung der verfassungswidrigen Anknüpfung in Rechtsprechung und Schrifttum, sei es unter dem Blickwinkel der verfassungskonformen Auslegung, sei es de lege ferenda, erörtert worden sind. Dabei bieten sich im wesentlichen folgende Möglichkeiten an:

26

a)

Auf die Anerkennung der Entscheidung durch das Heimatrecht des Mannes wird überhaupt verzichtet (z.B. Zöller-Geimer, ZPO, 13. Aufl., Anm. II 3 und V 4 zu § 606 b ZPO).

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b)

Es wird die Anerkennung durch beide Heimatrechte gefordert (so z.B. LG Stuttgart, FamRZ 73, 36), wobei allerdings durch die Schaffung eines zusätzlichen Merkmals die Grenzen verfassungskonformer Auslegung überschritten sein dürften (Stein-Jonas-Schlosser, a.a.O., 20. Aufl., Rdn. 10 zu § 606 b).

28

c)

Es wird an die Anerkennung durch das Heimatrecht des jeweiligen Antragstellers angeknüpft (z.B. KG FamRZ 75, 627 und Jayme, FamRZ 71, 221 (228); für das gleichgelagerte Problem des Art. 17 EGBGB, OLG Düsseldorf, FamRZ 76, 277; Makarov RabelsZ 52, 382; Gamillscheg, RabelsZ 1969, 654; OLG Köln, FamRZ 80, 785).

29

d)

Es wird, was allerdings nur de lege ferenda in Betracht kommt, an die Anerkennung durch das Recht am gemeinsamen gewöhnlichen (letzten) Aufenthalt der Eheleute angeknüpft.

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Während bei der Auffassung zu d) vorliegend, wie mit Rücksicht auf die übrigen nicht verfassungswidrigen Tatbestandsmerkmale des § 606 b ZPO wohl in den meisten Fällen, auf deutsches Recht abzustellen wäre, kommt es nach den Rechtsauffassungen zu a) bis c), sei es alternativ oder kumulativ auf russisches oder angolanisches Recht an. Beide Rechte aber erkennen die Entscheidung eines deutschen Gerichts an. Nach Art. 163 Abs. 2 des Ehe- und Familiencodex (Gesetz vom 4. Dezember 1979 der RSFSR/UdSSR) wird die Trennung der Ehen zwischen Sowjetbürgern und Ausländern, die außerhalb der Grenzen der UdSSR nach der Gesetzgebung des maßgeblichen Staates erfolgt, in der RSFSR/UdSSR anerkannt, soweit im Zeitpunkt der Ehetrennung wenigstens einer der Ehegatten außerhalb der Grenzen der UdSSR gelebt hat (zitiert nach Bergmann, Internationales Familienrecht - UdSSR; Staudinger-Gamillscheg, 10./11. Aufl., Rdn. 376 zu § 606 b ZPO - Anhang zu Art. 17 EGBGB -; Waehler, FamRZ 68, 563). Die Anerkennung durch Angola ergibt sich, ein neue angolanisches internationales Privatrecht ist nicht feststellbar, über Art. 58 der Verfassung der Volksrepublik Angola aus portugiesischem Recht, das bis zum Erlaß neuer Vorschriften weitergilt. Nach Art. 75 und 1096 des portugiesischen Còdigo Proceso Civile (vgl. Bergmann, Intenationales Familienrecht - Portugal) liegen die Anerkennungsvoraussetzungen vor (vgl. auch OLG Kamm, FamRZ 80, 449 und LG Hamburg, FamRZ 74, 257). Dann aber ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zu bejahen.

31

III.

Das amtsgerichtliche Verfahren leidet insofern an einem schwerwiegenden Mangel, als der Amtsrichter weder die Kinder persönlich angehört hat und auch der Antragsgegner faktisch enthört worden ist. Der Senat sieht jedoch von einer Aufhebung des Urteils und einer Zurückverweisung der Sache ab (§ 540 ZPO); er hat deshalb die erforderlichen Anhörungen nachgeholt.

32

IV.

Der Senat vermag hinsichtlich des Scheidungsausspruchs dem Amtsgericht bei der Anwendung des angolanischen bzw. portugiesischen Rechts (dessen Voraussetzungen das Amtsgericht im übrigen nicht richtig geprüft und festgestellt hat) nicht zu folgen. Das anzuwendende Recht ist, wovon auch das Amtsgericht ausgeht, dem Art. 17 Abs. 1 EGBGB zu entnehmen. Der Senat hält jedoch diese Norm - jedenfalls soweit nur ausländische Ehegatten beteiligt sind - insofern für verfassungswidrig, als sie bei der Wahl des anzuwendenden Rechts einseitig auf das Heimatrecht des Ehemannes abstellt.

33

Im Schrifttum ist Art. 17 Abs. 1 EGBGB schon frühzeitig für verfassungswidrig gehalten worden (z.B. Makarov, RabelsZ 1952, 382; Beitzke, GG und IPR S. 23 f). Die Rechtsprechung hat demgegenüber Art. 17 Abs. 1 EGBGB zunächst als mit Art. 3 Abs. 2 GG vereinbar angesehen, insbesondere mit der Begründung, es könne nicht generell gesagt werden, daß die Frau durch die Anwendung des Mannesrechts immer schlechter gestellt sei und daß die Grundrechte im internationalen Privatrecht nur dann rechtliche Wirkung entfalten, wenn und soweit die deutschen Kollisionsnormen dies zuließen (z.B. BGH FamRZ 54, 16; BGHZ 42, 7 = FamRZ 64, 496 = LM Nr. 3 zu Art. 17 EGBGB). Jedoch hat das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1971 entschieden, daß auch die Kollisionsnormen unter der Verfassung stehen, so daß auch geprüft werden müsse, ob die Anknüpfungsgesichtspunkte mit der Verfassung in Einklang stehen (BVerfG FamRZ 71, 414 = NJW 71, 1509). Seitdem ist auch in der Rechtsprechung in steigendem Maße Art. 17 Abs. 1 EGBGB für verfassungswidrig gehalten worden (z.B. KG FamRZ 75, 627; OLG Stuttgart, FamRZ 79, 824 und 932). In Befolgung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat der Bundesgerichtshof in einer neueren Entscheidung folgerichtig bewußt die Überprüfung seiner früheren Ansicht, daß Art. 17 EGBGB fortgelte, offengelassen (BGHZ 75, 241 = NJW 80, 47 - die Frage war nicht entscheidungserheblich, da die Antragstellerin Deutsche war -). Der im Schrifttum weit überwiegenden und in der Rechtsprechung im Vordringen begriffenen, wenn nicht schon herrschenden Meinung, daß Art. 17 Abs. 1 EGBGB jedenfalls dann nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist, wenn beide Eheleute Ausländer sind, schließt der Senat sich an, weil ein legitimer Grund nicht ersichtlich ist, das anwendbare Recht ausschließlich aufgrund der Staatsangehörigkeit des Mannes zu bestimmen.

34

2.

Der Senat ist nicht gehalten, die Sache gemäß Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Denn bei Art. 17 EGBGB handelt es sich um vorkonstitutionelles Recht. Der vereinzelt vertretenen Mindermeinung (Palandt-Heldrich, BGB, 40. Aufl., Anm. 2 a), Art. 17 sei nachkonstitutionell, weil der Gesetzgeber anläßlich der Beratung des 1. EheRG den zweiten Halbsatz des Art. 17 Abs. 3 EGBGB gestrichen und im übrigen durch die Übernahme des inhaltlich verwandten § 606 b ZPO auch Art. 17 in seinen gesetzgeberischen Willen aufgenommen habe, vermag der Senat nicht zu folgen. Vielmehr hat der Gesetzgeber ganz bewußt von einer Neuregelung des internationalen Privatrechts anläßlich des 1. EheRG abgesehen (vgl. BT-Drucksache 7/4361 - S. 53). Das kommt auch darin zum Ausdruck, daß in Art. 17 Abs. 1 das Wort Klage stehengelassen worden ist, obwohl es aufgrund des 1. EheRG hätte Antrag heißen müssen. Es geht daher nicht an, dem Gesetzgeber etwas "als in seinen Willen aufgenommen" zu unterstellen, was er bewußt gerade eben nicht neu hat regeln wollen (vgl. BVerfGE 25, 213 [BVerfG 11.02.1969 - 1 BvL 3/69]). Die Streichung des zweiten Halbsatzes von Art. 17 Abs. 3 diente lediglich der Anpassung dieser Norm an das Zerrüttungsprinzip im Scheidungsrecht, berührte also international privatrechtliche Fragen nicht. Diese mehr redaktionelle Rechtsbereinigung führt nicht dazu, daß Art. 17 damit nachkonstitutionell geworden wäre (h.M.; z.B. OLG Stuttgart, FamRZ 79, 932).

35

3.

Damit stellt sich die Frage, welches Anknüpfungsmerkmal anstelle des Heimatrechts des Ehemanns herangezogen werden kann. Die zu dieser Rechtsfrage vertretenen Lehrmeinungen sind vielfältig, die Literatur so umfangreich, daß (wie hier auch sonst) nur eine fragmentarische Erwähnung erfolgen kann (Zusammenstellungen z.B. bei Berkemann, FamRZ 77, 295; Jayme, NJW 77, 1378; Goerke, NJW 75, 1587). Folgende Lösungsvorschläge werden - beschränkt auf Fälle, in denen beide Eheleute Ausländer sind - vertreten, soweit sie sich im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung bewegen und nicht "nur" de lege ferenda in Erwägung gezogen werden können:

36

a)

Art. 17 Abs. 1 EGBGB ist trotz seiner Verfassungswidrigkeit weiterhin anzuwenden, wobei Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes herangezogen werden (als Argument bei BGH FamRZ 80, 1097) und ein Anknüpfungschaos befürchtet wird, das es mit Rücksicht auf Art. 20 Abs. 3 GG zu verhindern gelte (z.B. Palandt-Heldrich, 40. Aufl., Art. 17 Anm. 2 a; Erman-Marquordt, BGB 7. Aufl., Rdn. 6 zu Art. 17; vgl. allgemein auch Heußner, NJW 82, 257). Dieser Lösungsvorschlag überzeugt nicht, weil es nicht rechtens sein kann, als verfassungswidrig erkannte Normen gleichwohl anzuwenden, wenn die Rechtslehre seit rund drei Jahrzehnten Lösungsmöglichkeiten für eine verfassungskonforme Anknüpfung aufgezeigt hat. Dabei haben sich einige Theorien bereits so weit durchgesetzt, daß sie schon als fast herrschend bezeichnet werden können. Dann aber kann und muß es bis zu einer gesetzlichen Neuregelung der Rechtsprechung überlassen bleiben, die geeigneten Anknüpfungskriterien im Wege verfassungskonformer Auslegung zu gewinnen.

37

b)

Art. 17 Abs. 1 wird verfassungskonform dahin ausgelegt, daß das (letzte) gemeinsame Heimatrecht der Eheleute maßgeblich ist (z.B. Beitzke, GG und IPR S. 23; ähnlich Kropholler FamRZ 76, 316 (319); Kegel in Soergel-Siebert, BGB, 10. Aufl., Art. 17 Rdz. 16). Diese Art der Anknüpfung ist sicher verfassungsgemäß und praktikabel, führt aber in Fällen gemischter Staatsangehörigkeit, wie hier, zu keinem Ergebnis, so daß häufig auf Hilfsüberlegungen (z.B. die ersten beiden genannten Autoren: letzter gemeinsamer Aufenthalt, mit gewissen Unterschieden im Detail) zurückgegriffen werden muß - dazu unten.

38

c)

Beide Heimatrechte werden kumulativ angewendet (Berkemann, FamRZ 77, 302; LG München, FamRZ 77, 332). Diese Handhabung würde dem internationalen Entscheidungsgleichklang zu begrüßenswerter Durchsetzung verhelfen und entspricht auch der Eheschließungsnorm des Art. 13 EGBGB. Andererseits aber ist diese Handhabung ausgesprochen scheidungsfeindlich. Der Gefahr hinkender Scheidungen wird im Schrifttum augenscheinlich ein weit größeres Gewicht beigemessen, als ihr in der Praxis zukommt (der Berichterstatter hat jahrelang bei der Erteilung der Ehefähigkeitszeugnisse gemäß § 10 Abs. 2 EheG mitgewirkt). Zahlreiche ausländische Rechte nehmen auf den internationalen Entscheidungseinklang keine Rücksicht, ohne daß deswegen besondere Schwierigkeiten bekannt geworden sind. Die schon erwähnte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum IPR und das sogenannte Spanier-Urteil des BGH (BGHZ 41, 136) haben mit dazu beigetragen, daß in größerem Umfang als bisher hinkende Ehen und hinkende Scheidungen vorkommen. Der Senat hält daher das Argument des internationalen Entscheidungseinklangs nicht für so gewichtig, daß er die Kumulation beider Rechte befürworten könnte.

39

d)

Es wird an dem (eventuell letzten) gemeinsamen Aufenthalt der Eheleute angeknüpft (Kropholler, FamRZ 76, 316, 319; hilfsweise auch Beitzke a.a.O.; OLG Stuttgart, FamRZ 79, 932; BGHZ 56, 193 f [BGH 12.05.1971 - Iv ZB 52/70]ür das Namensrecht). Begründet wird diese Auslegung mit einer Analogie zu Art. 29 EGBGB. Dafür spricht allerdings, daß im internationalen Privatrecht, teils bei begrenzten Gesetzgebungsvorhaben, überwiegend aber in internationalen Abkommen, statt an die Staatsangehörigkeit an den (letzten) gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft wird. Eine solche Lösung wäre de lege ferenda deshalb auch ernsthaft in Erwägung zu ziehen. De lege lata verbietet sich die Anwendung dieses Grundsatzes deswegen, weil Art. 29 EGBGB eine Ausnahmevorschrift für Staatenlose ist, bei denen zwangsläufig nicht an das (jetzt noch) im IPR absolut vorherrschende Staatsangehörigkeitsprinzip angeknüpft werden kann. Ausnahmevorschriften aber sind eng auszulegen. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß mit dem Zurückgreifen auf den letzten gemeinsamen Aufenthalt die Grenzen verfassungskonformer Auslegung überschritten sein dürften. Das - insoweit verfassungswidrige - Gesetz geht von einer Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit aus. Diese Anknüpfungstatsache kann im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung nur dann übergangen werden, wenn eine Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit unter allen denkbaren Gesichtspunkten kein verfassungskonformes Ergebnis ermöglicht (so Kegel in Soergel-Siebert, BGB, 11. Aufl., Art. 17 EGBGB Rn. 10; Berkemann a.a.O.). Das ist jedoch der Fall, wie die Lösungsmöglichkeit zu c), im übrigen die nachfolgenden Auffassungen zu e) und f) zeigen. Aus diesem Grund scheiden auch andere, gelegentlich vertretene Anknüpfungen, die sich von der Staatsangehörigkeit lösen, aus, z.B. das Recht, des Eheschließungsortes und das Aufenthaltsrecht nur eines Ehegatten.

40

e)

Es wird an das Heimatrecht des Antragstellers (Klägers) angeknüpft. Diese Regelung macht Art. 17 Abs. 3 EGBGB zur allseitigen Kollisionsnorm, paßt sich damit am besten in das gegenwärtige systematische Gefüge der Kollisionsnormen ein (vgl. Makarov, RabelsZ 52, 382; Gamillscheg, RabelsZ 69, 654; Jayme, FamRZ 71, 221; Habscheid, FamRZ 75, 76 (78); Henrich, FamRZ 74, 105 (108); OLG Köln, FamRZ 80, 785 für § 606 b ZPO). Außerdem ist diese Regelung leicht praktikabel und klar. Es ist allerdings nicht zu verkennen, daß bei beiderseitigen Scheidungsabsichten letztlich der Zufall das anzuwendende Heimatrecht bestimmt, weil es oft von Äußerlichkeiten abhängt, welche Partei ihren Antrag zuerst einreicht. Auch kann zweifelhaft sein, ob bei wechselseitigen Scheidungsanträgen (Klage und Widerklage) jeweils unterschiedliche Rechte anzuwenden sind, oder ob sich auch insofern das Antragstellerrecht durchsetzt.

41

f)

Einer Hilfsüberlegung Kegels (in Soergel-Siebert, BGB, 10. Aufl., vor Art. 13 EGBGB Rz. 7, Art. 17 Rz. 16) folgend, ist der Grundsatz des schwächeren Rechts anzuwenden, nämlich die Scheidung auszusprechen, wenn nur eines der Heimatrechte - und zwar gleich welches - die Scheidung erlaubt. Auch hinsichtlich der Eingehung der Ehe gilt der Grundsatz des schwächeren Rechts gemäß Ar. 13 Abs. 1 EGBGB. Diese Regelung ist wegen des erforderlichen Vergleichs von zwei Rechtsordnungen komplizierter als diejenige zu e). Im Einzelfall kann auch zweifelhaft sein, welche Rechtsordnung in conreto die geringeren Anforderungen stellt, insbesondere wenn über dem Scheidungsstatut folgende Rechtsmaterie zu entscheiden ist. Auch besteht die Gefahr hinkender Scheidungen, die jedoch nicht überbewertet werden sollte (vgl. c)).

42

Der Senat braucht im vorliegenden Fall nicht abschließend zu entscheiden, welchen der beiden letztgenannten Meinungen zu folgen ist, wenn er auch wohl der Anknüpfung an das Antragstellerrecht zuneigt. Denn im vorliegenden Rechtsstreit würde nach beiden Theorien das russische Recht anzuwenden sein. Es ist das Recht der Antragstellerin, gleichzeitig auch das schwächere Recht. Denn es verlangt in Art. 33 Abs. 3 des Ehe-Familiencodex vom 30. Juli 1969 (zitiert nach Bergmann, Internationales Familienrecht - UdSSR) lediglich die gerichtliche Feststellung, daß ein weiteres Zusammenleben der Ehegatten und die Aufrechterhaltung der Familie unmöglich geworden ist. In Rußland gilt damit die schlichte Zerrüttungsscheidung ohne Einhaltung von Fristen. Demgegenüber fordert das angolanische Recht, sollte nicht ein Verschulden im Sinne des insofern weitergeltenden portugiesischen Rechts (dazu vgl. Gutachten Jayme S. 41 f. d.A.) nachgewiesen werden können, was sich bereits als Scheidungserschwerung gegenüber dem russischen Recht darstellt, bei Einverständnis mit der Ehescheidung jedenfalls eine dreijährige Ehedauer und ein Mindestalter von (jetzt) 22 Jahren (Gesetz Nr. 9/78 des Revolutionrats vom 26. Mai 1978) oder aber eine fünfjährige Trennung oder das Verlassen des Landes (Angola?) seitens des anderen Ehegatten mit der Absicht, nicht mehr zurückzukehren (Art. 6 des Gesetzes Nr. 53/76 des Revolutionsrates vom 2. Juli 1976). Damit stellt das russische Recht offensichtlich geringfügigere Anforderungen als das angolanische. Unabhängig von dem unterschiedlichen theoretischen Ansatz zu e) und f) ist daher das russische Recht anzuwenden. Das entspricht letztlich auch den Vorstellungen des Antragsgegners von den rechtlichen Ehewirkungen; denn er hat im Termin persönlich geäußert, wenn die Antragstellerin sich scheiden lassen wolle, dann könne und solle sie dies vor einem sowjetischen Gericht nach russischem Recht tun, zumal sie in der Sowjetunion geheiratet hätten; dagegen werde er sich nicht wenden.

43

V.

Die Berufung des Antragsgegners hat keinen Erfolg, da das Scheidungsbegehren der Antragstellerin auch nach russischem Recht begründet ist. Die maßgebliche russische Scheidungsnorm ist oben bereits zitiert. Ihre Voraussetzungen sind, wie die Anhörung der Parteien vor dem Senat ergeben hat, erfüllt. Denn die Ehe der Parteien ist nach der Feststellung des Senats endgültig gescheitert. Der Antragsgegner ist nach Angola verzogen, ist dort stellvertretender Gesundheitsminister seines Landes und ist nicht bereit, nach Deutschland zurückzukehren. Demgegenüber ist die Antragstellerin nicht willens, zu dem Antragsgegner nach Angola zu ziehen. Sie hat sich vielmehr einem anderen Mann, dem Zeugen F. zugewandt, den sie nach Abschluß dieses Verfahrens hier zu heiraten gedenkt. Bei dieser Sachlage an eine Fortsetzung der Ehe zu denken, ist utopisch. Das hat letztlich auch der Ahtragsgegner eingesehen, der eingeräumt hat, bei der in der Anhörung zutage getretenen Sachlage selbst in der Zukunft einmal ein Scheidungsverfahren betreiben zu müssen, wobei seine Motivation, warum er nicht in Anknüpfung an seine erstinstanzlichen Erklärungen schon jetzt in eine Scheidung einwilligt, unklar geblieben ist. Das ändert aber an dem nachgewiesenen Scheitern der Ehe nichts, so daß die Berufung des Antragsgegners hinsichtlich des Scheidungsausspruchs zurückzuweisen ist, zumal auch nach deutschem Recht die Scheidung zulässig ist (Art. 17 Abs. 4 EGBGB): Die Ehe ist - wie dargelegt - gescheitert. Die Ehegatten leben - zumindest jetzt - seit mehr als einem Jahr getrennt, nachdem die Antragstellerin im Dezember 1980 aus der Ehewohnung ausgezogen ist und sich Herrn F. zugewandt hat. Die Voraussetzungen des § 1565 Abs. 1 BGB liegen daher vor, nachdem die Antragstellerin infolge des Widerrufs der zu Protokoll vom 30.9.1981 erklärten Zustimmung des Antragsgegners zur Scheidung wieder zum streitigen Scheidungsantrag übergegangen ist und den Nachweis des Scheiterns der Ehe geführt hat.

44

VI.

Das Rechtsmittel hat auch insoweit keinen Erfolg, als der Antragsgegner die amtsgerichtliche Sorgerechtsentscheidung angreift. Denn nach der vom Senat durchgeführten Anhörung der Kinder und des Antragsgegners, die das Amtsgericht verfahrensfehlerhaft unterlassen hatte, steht fest, daß die getroffene Entscheidung im Ergebnis richtig ist.

45

Rechtlich nicht zu beanstanden ist die durch das Haager Minderjährigenschutzabkommen vom 5. Oktober 1961 vermittelte Anwendung deutschen Rechts, da die Kinder der Parteien seit etwa einem Jahrzehnt andauernd ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik haben und ein gemäß Art. 3 MSA zu beachtendes gesetzliches Gewaltverhältnis nicht vorliegt. Die Kinder haben ausweislich des vorgelegten Reisepasses die sowjetische Staatsangehörigkeit; Art. 34 des Ehe- und Familiencodex sieht eine freie gerichtliche Regelung des Sorgerechts im Zusammenhang mit der Scheidung vor. Entsprechendes gilt auch für die "im Geiste der angolanischen Verfassung" auszulegenden einschlägigen portugiesischen Bestimmungen.

46

Der Senat ist nach der durchgeführten Anhörung der Überzeugung, daß die Kinder aufgrund ihrer Bindungen und Entwicklungsmöglichkeiten der beiderseitigen Betreuungssituationen besser bei der Mutter aufgehoben sind. Das Verfahren hat allerdings deutlich werden lassen, daß es die Antragstellerin jedenfalls im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren mit der Wahrheit nicht immer genau genommen hat. Denn ihre Prozeßbehauptung, der Aufenthalt des Antragsgegners sei ihr längere Zeit unbekannt gewesen, ist durch den vorgelegten Schriftwechsel widerlegt. Auch trifft ihre Behauptung, der Antragsgegner sei eigenmächtig unter Mitnahme von Einrichtungsgegenständen nach Angola gegangen, nicht zu. Vielmehr hat die Antragstellerin einräumen müssen, daß der Antragsgegner verabredungsgemäß nach Angola gezogen ist, um die gemeinsame Übersiedlung der Familie dorthin vorzubereiten, und sie selbst den Spediteur dazu bestellt hat, daß sie selbst aber den Antragsgegner bewußt im Unklaren darüber gelassen hat, sie wolle ihm unter keinen Umständen nach Angola folgen. Das mag aber letztlich auf sich beruhen, weil die Ermittlungen des Senats gleichwohl ergeben haben, daß die Betreuung der Kinder durch die Mutter die dem Wohl der Kinder am ehesten entsprechende Lösung ist.

47

Die Mutter ist bisher die Hauptbezugsperson gewesen und hat bisher eine vollständig normale Entwicklung der Kinder sicherstellen können. J. hat sie wegen der Übersiedlung des Antragsgegners in die Bundesrepublik während der Säuglingszeit weitgehend allein, jedenfalls ohne den Antragsgegner, betreut. Nach der Übersiedlung der Antragstellerin in die Bundesrepublik mit den Kindern im Jahre 1972 hat sie auch weithin überwiegend die Betreuungsaufgaben wahrgenommen, auch wenn sie wegen ihrer Berufstätigkeit Dritte hinzugezogen haben dürfte. Selbst wenn der Antragsgegner sich in der Zeit von 1972 bis 1974 intensiv um seine Kinder gekümmert haben sollte, was positiv nicht einmal festgestellt werden kann, so läßt sich ab 1974 eine solche Fürsorge mit Sicherheit nicht mehr feststellen. Denn der Antragsgegner nahm im Laufe des Jahres 1974 und bis zur Trennung andauernd, Arztstellen an den Krankenhäusern in G. und - mit kurzer Unterbrechung - in B. an, so daß er sich allenfalls an Wochenenden, die nicht durch Bereitschaftsdienst in Anspruch genommen worden sind, um seine Familie und besonders die Kinder hätte kümmern können. Schon von daher ist die Bindung der Kinder an die Mutter zwangsläufig sehr viel stärker als diejenige an den Vater, den sie seit Oktober 1979 nur kurzfristig bei Besuchen Ende 1980 und rund ein Jahr später anläßlich des vorliegenden Verfahrens haben sehen können.

48

Hinzu kommt aber auch, daß die Kinder in ihrem jetzigen Lebensbereich voll integriert und fest verwurzelt sind. Sie sind in Deutschland aufgewachsen, beherrschen, im Gegensatz zu den Eltern, die deutsche Sprache vollständig, sind gut in der Schule und haben dort, wie auch im Sportverein ihre festen Beziehungen gefunden. Dagegen fehlt ihnen zu Angola, das sie nur während eines Urlaubs, der nicht einmal einen eindeutig positiven Eindruck hinterlassen hat, jegliche Beziehung. Sie kennen die portugiesische Landessprache überhaupt nicht und können zwangsläufig mit den dortigen Lebensverhältnissen nicht auch nur annähernd vertraut sein. Daran würde auch der etwa mögliche Besuch einer deutschen Schule in Luanda nur wenig ändern. Denn "zu Hause" würden Beziehungen zum bisher vertrauten sprach- und Kulturkreis allenfalls in sehr stark eingeschränktem Umfang stattfinden können, da dem Antragsgegner aufgrund seines Berufs als Arzt und dem Amt eines stellvertretenden Gesundheitsministers zwangsläufig nur wenig Zeit verbleiben könnte. Die weitaus meiste Zeit würden die Kinder von der Schwester des Antragsgegners betreut werden müssen, die lediglich portugiesisch spricht.

49

Das Argument des Antragsgegners, die Kinder könnten sich in Deutschland wegen ihrer Hautfarbe in späteren Jahren verstärkt Vorurteilen gegenübergestellt sehen, ist zwar nicht schlechthin von der Hand zu weisen, wenn auch in der Vergangenheit die Vorbehalte gegenüber Ausländern und fremden Rassen im Schwinden begriffen waren; ob sich in Zukunft, was zu bedauern wäre, eine neue Ausländer(- und Rassen -)feindlichkeit aufbauen sollte, muß abgewartet werden. Diese Gefahr besteht aber in ähnlichem Maße auch in Angola, da auch dort die Kinder als Mischlinge angesehen und wegen ihrer Zugehörigkeit zu einem anderen Kulturkreis diskriminiert werden können. Demgegenüber ist festzuhalten, daß die Kinder bei der Mutter eine gute Betreuungssituation vorfinden, daß sie auch zu deren neuen Lebensgefährten, Herrn F., guten Kontakt gefunden haben, der sie auch, wie J. unbefangener Äußerung entnommen werden kann, schulisch zu fördern vermag. Ihre positive Einstellung zu Herrn F. ergibt sich - auch - daraus, daß beide Kinder nach ihrer recht ungezwungen verlaufenen Anhörung durch den Berichterstatter zunächst spontan auf Herrn F. zuliefen und sich erst später der Mutter zugewandt haben. Ihre Einstellung zum Vater ist demgegenüber ablehnend, wobei (vgl. letzter Absatz des Berichterstattervermerks) allerdings nicht zu verkennen ist, daß das jedenfalls auch auf eine Beeinflussung wohl durch die Mutter zurückzuführen ist, die nicht gutgeheißen werden kann. Das ändert aber nichts daran, daß aus den vorstehenden Gründen gleichwohl eine gedeihliche Entwicklung der Kinder am ehesten durch die Mutter gewährleistet ist.

50

Das Rechtsmittel des Antragsgegners kann daher auch hinsichtlich der Sorgerechtsregelung keinen Erfolg haben.

51

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Wegen der rechtsgrundsätzlichen Frage des nach Art. 17 EGBGB anwendbaren Scheidungsrechts hat der Senat die Revision zugelassen.