Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 16.04.1982, Az.: 2 U 232/81
Zivilprozessuale Ausgestaltung der Aufhebung eines Urteils und der zurückverweisung der Sache an das Landgericht wegen Unterlassens eines gebotenen rechtlichen Hinweises; Schuldrechtliche Ausgestaltung der Geeignetheit einer Fristsetzung ohne Ablehnungsandrohung zur Auslösung von Schadensersatzpflichten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 16.04.1982
- Aktenzeichen
- 2 U 232/81
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1982, 17832
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1982:0416.2U232.81.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 11.08.1981 - AZ: 26 O 6/81
Rechtsgrundlagen
- § 278 Abs. 3 ZPO
- § 539 ZPO
- § 326 BGB a.F.
Verfahrensgegenstand
Schadensersatzanspruch
In dem Rechtsstreit
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 12. März 1982
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... und
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
fürRecht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlußberufung der Beklagten wird das am 11. August 1981 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover, einschließlich des zugrundeliegenden Verfahrens, aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Landgericht zurückverwiesen.
Die Beschwer der Klägerin beträgt 2.712 DM, die Beschwer der Beklagten 2.771,07 DM.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache führen die Berufung sowie die Anschlußberufung der Beklagten zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht (§539 ZPO). Die angefochtene Entscheidung beruht auf dem Unterlassen eines gemäß §278 Abs. 3 ZPO gebotenen rechtlichen Hinweises, der sich auf das Fehlen der Ablehnungsandrohung bezog. Weiter hätte das Landgericht der Klägerin Gelegenheit geben müssen, sich zu dieser aus der Sicht der Kammer prozeßentscheidenden Frage zu erklären.
1.
Zutreffend geht das Landgericht von der Notwendigkeit aus, daß der Schadensersatzanspruch der Klägerin von einer mit Ablehnungsandrohung verbundenen Fristsetzung abhängt (§326 BGB). Ob eine Rückgabe von Ladehilfsmitteln allgemein zu den Hauptpflichten eines Spediteurs oder Frachtführers gehört, kann dahinstehen. Die Parteien haben die Rückgabe ausdrücklich in einer Weise vereinbart, daß eine Hauptpflicht begründet wurde, so daß es für denÜbergang zum Schadensersatzanspruch gemäß §326 BGB einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung bedarf. Die Vereinbarung einer Hauptpflicht folgt aus Nr. 6 des Bestätigungsschreibens der Beklagten zu 1) vom 27. Juli 1969, wonach folgende Regelung getroffen ... ist (vgl. Ablichtung Bl. 29/30 d.A.):
"6.
Behälter, Gitterboxen, Paletten (Ladehilfsgeräte) werden rückgeführt, wenn Begleitschein beiliegt."
Dieses Schreiben bildet, wie vom Landgericht zutreffend angenommen, die Grundlage der vertraglichen Beziehungen der Parteien. Die Klägerin hat dem Bestätigungsschreiben nicht widersprochen.
Soweit die Beklagte zu 1) auf den Endempfänger auszustellende Begleitscheine vorgeschlagen hatte, ist es ihrem Schreiben zufolge nicht zu einer Einigung gekommen. Daß später eine entsprechende Vereinbarung getroffen wurde, haben die Beklagten nicht behauptet. Ebensowenig ist es zu einer Abstimmung über Ladehilfsgerät für mehrere Sendungen gekommen. Durch die fehlende Einigung über diese Nebenpunkte wird die in Nr. 6 des Bestätigungsschreibens getroffene Regelung, wonach grundsätzlich eine Rückgabepflicht der Beklagten zu 1) bestand, nicht in Frage gestellt.
2.
Dem Urteil des Landgerichts ist auch darin zu folgen, daß nach dem Inhalt des Schriftsatzes der Klägerin vom 9. Februar 1981 der Beklagten zu 1) für die Rückgabe der Paletten und Gitterboxen eine Frist zum 1. Juli 1980 gesetzt worden ist (vgl. S. 3 des Schriftsatzes; Bl. 27 d.A.), diese Fristsetzung jedoch nicht mit einer Ablehnungsandrohung verbunden und daher nicht geeignet war, eine Schadenersatzpflicht auszulösen. Auf diesen Gesichtspunkt hätte das Landgericht die Abweisung der Klage jedoch nur dann stützen dürfen, wenn, wie in §278 Abs. 3 ZPO zwingend vorgeschrieben, ein entsprechender rechtlicher Hinweis gegeben worden wäre, was nicht geschehen ist.
Das Fehlen der in §326 BGB geregelten Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch war nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Prozeßvorbringens. Der Gesichtspunkt der unterlassenen Ablehnungsandrohung ist in keinem der Schriftsätze der Parteien erörtert worden. Bei dieser Sachlage bedurfte es, um eine Uberraschungsentscheidung zu vermeiden, eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises.
Das angefochtene Urteil beruht auf dem Verfahrensmangel. Das Landgericht hätte auf die gebotene Erörterung hin der Klägerin Gelegenheit zu einer Erklärung geben müssen (§278 Abs. 3 ZPO). Das hätte zur Folge gehabt, daß bereits im Verfahren 1. Instanz das erst mit der Berufungsbegründung überreichte Schreiben der Klägerin vom 1. Juli 1980 (Ablichtung Bl. 171/172 d.A.) in den Prozeß eingeführt worden wäre. Dieses enthält neben einer Fristsetzung zum 20. Juli 1980 (vgl. vorletzter Satz) eine Ablehnungsandrohung (vgl. letzter Satz des Schreibens). Indem die Klägerin erklärte, nach Fristablauf werde sie auf den Rechnungswerten bestehen, brachte sie eine Ablehnungsandrohung und den beabsichtigten Übergang zum Schadensersatz zum Ausdruck.
3.
Von einer Entscheidung in der Sache durch den Senat ist abzusehen, weil es noch einer umfangreichen Beweisaufnahme bedarf.
Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht die Verjährung etwaiger Ansprüche der Klägerin verneint. Das gilt jedenfalls für die in dem Fernschreiben der Parteien und dem Kurzbrief der Beklagten zu 1) vom 23. April 1980 genannte Anzahl von Europaletten und um Gitterboxen (vgl. Ablichtung Bl. 14 d.A.). Insoweit ist die Verjährung gemäß §208 BGB unterbrochen. Bei dieser Sachlage kommt es entscheidend auf die Zahl der von der Beklagten zu 1) zurückgegebenen Paletten und Gitterboxen an, die im Streit ist. Insoweit ist von beiden Parteien Zeugenbeweis angetreten. Sollte sich nach Vernehmung der Zeugen noch eine Differenz zu Lasten der Beklagten ergeben, so stellt sich die Frage, wie die nicht zurückgegebenen Paletten und Gitterboxen für den Schadensersatzanspruch zu bewerten sind. Diese Frage wird sich ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens voraussichtlich nicht klären lassen. Wegen des Umfangs der noch erforderlichen Beweiserhebungen ist eine Entscheidung durch das Berufungsgericht nicht sachdienlich (§540 ZPO).
4.
Über die Kosten des Berufungsrechtszugs ist wegen der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache von dem Landgericht mitzuentscheiden (vgl. Baumbach-Lauterbach-Hartmann, 40. Aufl., §97 Anm. 1 Bb).
Wegen des Wertes der Beschwer folgt die Entscheidung aus §546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.