Amtsgericht Hildesheim
Urt. v. 16.02.2006, Az.: 49 C 146/05
Verjährung des Anspruchs auf Zahlung der Stammeinlage eines GmbH-Gesellschafters; Beginn der neuen Verjährungsfrist
Bibliographie
- Gericht
- AG Hildesheim
- Datum
- 16.02.2006
- Aktenzeichen
- 49 C 146/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 11215
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHILDE:2006:0216.49C146.05.0A
Rechtsgrundlagen
- § 195
- § 199 BGB
- § 286 Abs. 1 BGB
- § 19 Abs. 1 GmbHG
- § 19 Abs. 6 GmbHG
- Art. 229 § 12 Abs. 2 EGBGB
Fundstellen
- InVo 2006, 189-190 (Volltext)
- NZI (Beilage) 2006, 40 (red. Leitsatz)
- ZInsO 2006, 334-336 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechsstreit
hat das Amtsgericht Hildesheim
im schriftlichen Verfahren
gem. § 128 ZPO
mit einer Erklärungsfrist bis zum 02.02.2006
durch
die Richterin Göttsch
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.)
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.556,46 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit denn 29-06.2005 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- 2.)
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.)
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Zahlung einer Stammeinlage nach § 19 GmbHG.
Der Kläger ist mit Beschluss vom 01.03.2005 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Eberhard Engel Bedachungs- GmbH bestellt worden. Gesellschafter dieser GmbH ist auf Grund des notariellen Gesellschaftsvertrag es vom 22.12.1988 u.a. der Beklagte mit einem Gesellschaftsanteil von 10.000,-- DM {= 5.112,92 EUR). Die von dem Beklagten zu zahlende Stammeinlage/Gesellschaftsanteil war nach dem Gesellschaftsvertrag in voller Höhe sofort fällig. Der Beklagte hat bislang lediglich die Hälfte, d.h. 2.556,46 EUR an die Gesellschaft gezahlt.
Mit Schreiben vom 06.06.2005 hat der Kläger den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 28.06.2005 zu Zahlung aufgefordert. Der Beklagte hat Verjährung geltend gemacht.
Der Kläger ist der Ansicht, der Zahlungsanspruch nach § 19 GmbHG sei noch nicht verjährt. Die Verjährung nach altem Recht habe 30 Jahre betragen, die neue Verjährung nach § 19 Abs. 6 GmbHG belaufe sich auf 10 Jahre. Die diesbezügliche geltende Überleitungsvorschrift des Art 229 § 12 Abs. 2 EGBGB sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass die neue 10-jährige Verjährungsfrist erst mit dem 01.01.2002 beginne.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2.556,56 EUR nebst 5%Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.06.2005 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass der Zahlungsanspruch gemäß 5 19 Abs. 6 GmbHG verjährt sei. Die Neuregelung des § 19 Abs. 6 GmbHG sei am 15.12.2004 in Kraft getreten. Nach Art 229 § 12 Abs. 2 EGBGB sei bei Berechnung der Verjährungsfrist die bis zu diesem Zeitpunkt abgelaufene Zeit in die Verjährungsfrist einzurechnen. Der Zahlungsanspruch sei seit dem 22.12.1988 fällig. Bis zum 14.12.2004 seien daher knapp 16 Jahre verstrichen, welche auf die 10-jährige Frist anzurechnen seien. Dies habe zur Folge, dass der Anspruch mit Wirkung vom 15.12.2004 verjährt sei. Der Wortlaut des Gesetzes sei insoweit eindeutig. Eine verfassungskonforme Auslegung sei weder geboten noch erforderlich; eine bedenkliche Rückwirkung der Verjährungsregelung sei nicht gegeben.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und im Wesentlichen begründet.
Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung der noch ausstehenden Stammeinlage nach § 19 Abs. 1 GmbHG zu. Dieser Anspruch ist auch nicht verjährt
Bis zum 31.12.2001 galt nach überwiegender Meinung nach §§ 195, 198 BGB a.F. für Einlageansprüche der Gesellschaft die 30-jährige Regelverjährung. Danach begann vorliegend die Verjährung am 22.12.1988 und endete am 22.12.2018.
Mit Einführung der neuen Regel Verjährung nach §§ 195, 199 BGB zum 01.01.2002 (Schuldrechtsmodernisierungsgesetz) hätte dies zu einer Geltung der 3-jährigen Regel Verjährung geführt, was im Wertungswiderspruch zu sonstigen Regelungen gestanden hätte. Auch ist diese Frist übereinstimmend als zu kurz erachtete worden. Der Gesetzgeber hat daher (durch Art 13 des Gesetztes zu Anpassung der Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts) den § 19 Abs. 6 GmbHG eingefügt, wonach der Einlageanspruch in 10 Jahren seit seiner Entstehung (= in der Regel Fälligkeit) verjährt. Diese Neuregelung ist seit dem 15.12.2004 in Kraft.
Die Übergangsregelung in Art 229 § 12 Abs. 2 EGBGB sieht vor, dass für die Verjährung von am 15.12.2004 noch nicht verjährten Einlageansprüchen, für die nach Ansicht des Gesetzgebers zuvor eine kürzere Frist (d.h. die Regel Verjährung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, aber str.) galt, nunmehr die längere Frist des § 19 Abs. 6 GmbHG gilt, wobei die bereits vor dem 15.12,2004 verstrichenen Verjährungszeiträume auf die 10-Jahres-Frist anzurechnen sind, vgl. dazu Baumbach/Hueck GmbH, 18. Aufl., § 19 Rn. 12 m.w.N.; Thiessen NJW 2005, 2120(2121); Roth/Altmeppen GmbH, 5,Aufl. § 19 Rn 73.
Dies bedeutet nach dem Wortlaut der Übergangsregelung, dass in allen Sachverhaltskonstellationen, in denen der vor dem 15.12.2004 verstrichene Zeitraum zehn oder mehr Jahre - vorliegend 16 Jahre -- beträgt, schon zum 15-12.2004 Verjährung eingetreten ist. Insoweit fehlt es in Art 229 § 12 Abs. 2 EGBGB an einer ausdrücklichen Rückwirkungsbegrenzung auf den 01.01.2002.
Allerdings wurde im Gesetzgebungsverfahren vorausgesetzt, dass die neue 10-Jahresfrist frühestens ab dem 01.01.2002 berechnet wird, vgl. BT-Dr 15/3653, S. 16; Thiessen NJW 2005, 2120 m.w.N.; Manset/Budzikiewicz NJW 2005, 321(328). Auch der Wortlaut des Art 229 § 12 EGBGB bietet dafür Anhaltspunkte, da sich diese Norm nach ihrem Wortlaut auf die seit dem 01.01.2002 geilende kurze Regelverjährung nach §§ 195, 199 BGB bezieht, an deren Stelle die neue 10-Jahr es-Frist treten sollte. Diese 3-Jahres-Frist war jedoch frühestens ab dem 01.01.2002 zu berechnen, so dass auch die 10 Jahres-Frist, die an die Stelle der 3-Jahres-Frist tritt, ab diesem Zeitpunkt zu berechnen ist. Dies führt dazu, dass die 10-Jahres-Frist des § 19 Abs. 6 GmbHG ab dem 01.01.2002 zu berechnen ist und am Ende des 31.12.2011 abläuft, vgl. Tiessen NJW 2005, 2120(2122); Baumbach/Hueck a.a.O..
Soweit man mit im Schriftturn vertretenen Ansichten davon ausgeht, dass zwischen dem 31.12.2001 und dem 15.12.2004 nicht die neue 3jährige Verjährungsfrist, sondern eine 10 oder 30-jährige Verjährungsfrist gegolten hat, führt dies dazu, dass im Fall von intertemporaler Kollision nicht Art 229 § 12 Abs. 2 sondern vielmehr Art. 229 § 12 Abs. 1 EGBGB anzuwenden ist. Danach wäre dann am 15.12.2004 die alte Frist von 10 oder 30 Jahren durch die neue 10-Jahres -Frist nach § 19 Abs. 6 GmbHG ersetzt worden, so dass eine Verjährung dann erst ab dem 31.12.2001 oder! 4.12.2014 eingetreten ist, vgl. Mansel/Budzikiewicz NJW 2005, 321 (328 f).
Der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Stammeinlage ist daher nicht verjährt. Der Beklagte ist mithin zur Zahlung verpflichtet. Allerdings beträgt die hälftige Forderung 2.556,46 EUR (nicht: 2.556.5GEUR), so dass insoweit die Klage in Höhe von 0,10 EUR abzuweisen war.
Der Beklagte befindet sich gemäß § 286 Abs. 1 BGB spätestens seit dem 29.06.2005 in Verzug, nach dem er auf die Mahnung des Klägers nicht gezahlt hat. Der Kläger hat daher Anspruch auf Verzugszinsen nach §§ 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf S 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.