Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 13.04.2011, Az.: 4 A 1413/09

Ausweisung eines türkischen Staatsangehörigen kurdischer Volkszugehörigkeit wegen einer Verurteilung zu einer vorsätzlichen Straftat; Ausweisungsschutz trotz fehlender familiärer Beziehungen

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
13.04.2011
Aktenzeichen
4 A 1413/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 14630
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2011:0413.4A1413.09.0A

Tatbestand

1

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und wendet sich gegen eine Ausweisungsverfügung des Beklagten. Gleichzeitig begehrt er die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

2

Der Kläger reiste am 16. März 1988 gemeinsam mit seinen Eltern und sechs Geschwistern in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo weitere drei Kinder/Geschwister zur Welt kamen. Die Einreise der Familie erfolgte - aus H./Libanon kommend - über den Flughafen I. (J.). Gegenüber der Grenzschutzstelle wiesen sich die Eltern des Klägers durch türkische Reisepässe, die nach dem Ergebnis einer später durchgeführten kriminaltechnischen Untersuchung weder gefälscht noch verfälscht waren, als K. B. (geb. 10.11.1960 in K./Türkei) und L. B. (geb. am 01.05.1954 in M./Türkei) aus und beantragten für sich und ihre Kinder die Anerkennung als Asylberechtigte. Der Kläger wurde dabei, wie im Reisepass seiner Mutter angegeben, als A. B. (geb. 02.07.1986) geführt. Am 25. März 1988 sprachen die Eltern des Klägers bei der Ausländerbehörde des Beklagten vor und stellten einen weiteren Asylantrag, wobei sie nunmehr vortrugen, die libanesischen Staatsangehörigen kurdischer Volkszugehörigkeit N. O. (geb. 01.12.1953 in H.) und P. O. (geb. 03.02.1953 in H.) zu sein. Für den Kläger erfolgte die (zweite) Asylantragstellung unter dem Namen Q. O. (geb. 28.01.1986 in H.). Schließlich äußerten die Eltern des Klägers am 4. Juli 1988 auch noch in AB ein Asylbegehren, wobei sie erneut als Kurden aus dem Libanon auftraten, sich aber nunmehr als L. S. und M. S. bezeichneten und den Namen des Klägers mit R. S. angaben.

3

Den Asylantrag der Familie O. lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge durch Bescheid vom 9. September 1988 und den der Familie B. durch Bescheid vom 27. Februar 1989 - jeweils - als offensichtlich unbegründet ab. Eine Entscheidung über den Asylantrag der Familie S. erging nicht mehr, weil sich im Januar 1989 die Personenidentität zu der Familie O. herausgestellt hatte.

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In der Folgezeit musste der Aufenthalt der Familie O. im Zuständigkeitsbereich des Beklagten geduldet werden, weil dessen Bemühungen, die Staatsangehörigkeit der Familie zu klären und für diese libanesische Pässe zu erlangen, scheiterten. Am 21. Juli 1994 erhielten die Angehörigen der Familie O. schließlich wegen der Unmöglichkeit ihrer Abschiebung befristete Aufenthaltsbefugnisse nach dem seinerzeit maßgeblichen Aufenthaltsrecht (heute: Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz - AufenthG -), die am 22. Juli 1996 um zwei Jahre verlängert wurden. Nachdem im Zuge von Ermittlungen gegen türkische Staatsangehörige, die sich als Kurden ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon ausgegeben hatten, aufgrund der Fingerabdrücke der Mutter des Klägers festgestellt worden war, dass zwischen den Familien B./O./S. Personenidentität bestand, befristete der Beklagte durch sofort vollziehbaren Bescheid vom 1. Juli 1997 die der Familie O. erteilten Aufenthaltsbefugnisse nachträglich auf den 31. Juli 1997. Rechtsmittel hiergegen blieben erfolglos.

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Am 11. September 1997 stellten die Eltern des Klägers für sich und acht ihrer Kinder einen Asylfolgeantrag, wobei sie sich auf eine ihnen im Libanon wegen der sich dort zuspritzenden Lage drohende Verfolgung beriefen und bestritten, die türkischen Staatsangehörigen mit dem Familiennamen B. zu sein. Im Rahmen dieses Asylverfahrens wurde für den Vater des Klägers darüber hinaus vorgetragen, dass sein richtiger Name nicht N. O., sondern K. S. sei. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte durch Bescheid vom 8. Januar 1998 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab und erließ eine Abschiebungsandrohung in die Türkei. Die hiergegen erhobene Klage (4 A 91/98) wurde durch Beschluss der erkennenden Kammer vom 15. Februar 1999 wegen Nichtbetreibens eingestellt.

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Während der Vater des Klägers aus der Abschiebehaft heraus am 7. Juli 1998 zwangsweise in die Türkei verbracht werden konnte, entzog sich der Kläger der auch hinsichtlich der übrigen Familienmitglieder für diesen Tag geplanten Abschiebung, indem er gemeinsam mit seiner Mutter und weiteren Geschwistern untertauchte. Am 2. Dezember 1999 wurde der seinerzeit noch minderjährige Kläger mit vier weiteren, ebenfalls minderjährigen Geschwistern aufgrund des Dubliner Übereinkommens aus Schweden in die Bundesrepublik Deutschland zurückgeführt. Ein weiterer Bruder des Klägers (T. B.) kehrte anschließend aus Dänemark in das Bundesgebiet zurück. Da sich die Mutter des Klägers in Schweden der Rückführung durch (erneutes) Untertauchen entzogen hatte, wurden der Kläger und seine Geschwister bei einer in Verden lebenden, verheirateten Schwester untergebracht. Diese teilte dem Beklagten im November 2000 mit, dass der Kläger und seine fünf Geschwister nicht mehr in Verden, sondern nunmehr wieder bei der Mutter lebten, deren Aufenthaltsort ihr allerdings nicht bekannt sei.

7

Im Juni 2001 stellte sich heraus, dass die Mutter des Klägers und ihre sechs Kinder in die Niederlande gegangen waren, wo sich seinerzeit auch der Vater des Klägers als Asylbewerber aufhielt. Während der Vater des Klägers nach Abschluss seines Asylverfahrens in die Türkei zurückkehren musste, wurden seine Familienangehörigen am 25. März 2002 aufgrund des Dubliner Übereinkommens von den Niederlanden in das Bundesgebiet überstellt und nahmen erneut im Zuständigkeitsbereich des Beklagten ihren Wohnsitz. Nachdem es dem Beklagten gelungen war, über das Türkische Generalkonsulat in U. für die Mutter des Klägers und ihre minderjährigen Kinder Passersatzpapiere zu erlangen, scheiterte im Dezember 2002 ein erneuter Abschiebungsversuch an erheblichen Widerstandshandlungen der Familienangehörigen. Weitere Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung konnten anschließend nicht mehr durchgeführt werden, weil der Mutter des Klägers aufgrund einer psychischen Erkrankung mehrfach Reiseunfähigkeit wegen akuter Suizidalität attestiert wurde. Seither wird der Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet geduldet. Am 12. Dezember 2007 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

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Der Kläger, der im Bundesgebiet weder einen Schul- noch einen Ausbildungsabschluss erlangt und - wie auch seine Eltern - seit der Einreise (und zumindest noch bis zum 10.04.2011) seinen Lebensunterhalt durch den Bezug öffentlicher Leistungen bestritten hat, ist strafrechtlich/jugendrichterlich mehrfach in Erscheinung getreten: Durch Urteil des Amtsgerichts Verden vom 24. März 2004 erhielt er wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis die Auflage, 20 Stunden gemeinnütziger Arbeit zu erbringen. Wegen Beleidigung wurde er durch Urteil des Amtsgerichts Verden vom 11. April 2005 erneut zur Erbringung von Arbeitsleistungen verurteilt. Am 20. Juli 2005 verhängte das Jugendgericht wegen unerlaubten Veräußerns von Betäubungsmittel (Kokain) einen Jugendarrest von zwei Freizeiten. Nachdem der Kläger am 26. Mai 2008 vorläufig festgenommen worden war und sich bis zum 28. November 2008 in Untersuchungshaft befunden hatte, verurteilte ihn das Amtsgericht Verden am 8. Januar 2009 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Kokain) in 225 Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.

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Nach vorheriger Anhörung wies der Beklagte den Kläger durch Bescheid vom 10. September 2009 auf unbefristete Zeit aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus und lehnte seinen Antrag vom 12. Dezember 2007 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab. Gleichzeitig erläuterte er dem Kläger, dass dieser aufgrund der rechtskräftigen Ablehnung seines Asylantrages zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet sei, und kündigte ihm für den Fall, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieses Bescheides nachkomme, den Vollzug der Abschiebungsandrohung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 8. Januar 1998 an. Zur Begründung führte der Beklagte unter anderem aus:

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Aufgrund der seit dem 28. Mai 2009 rechtskräftigen Verurteilung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten lägen die Voraussetzungen für eine Ausweisung nach § 53 Nr. 2 AufenthG vor. Danach werde ein Ausländer ausgewiesen, wenn er wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden sei. Diese Tatbestandsvoraussetzung erfülle der Kläger, so dass die Ausweisung zwingend zu verfügen sei. Ihm stehe kein erhöhter Ausweisungsschutz zu, weil ein rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet zumindest seit der letzten Überstellung aus den Niederlanden nicht vorgelegen habe und auch heute nicht vorliege. Die Ausweisung sei auch bei Anwendung der Bestimmungen des Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zulässig, weil der Kläger - zumindest seit der Überstellung aus den Niederlanden - durchgehend zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet gewesen sei und sich seine Ausreiseverpflichtung nicht aus der Ausweisungsverfügung, sondern aus der rechtskräftigen Ablehnung seines Asylantrages ergebe. Die von dem Kläger im Rahmen der Anhörung abgegebenen Erklärungen stünden dem Erlass der Ausweisungsverfügung nicht entgegen. Der Umstand, dass er den Erlös aus den Rauschgiftgeschäften zur Finanzierung seiner Drogenabhängigkeit gebraucht habe, sei bereits bei der Bemessung der Strafe von dem Amtsgericht Verden berücksichtigt worden und führe daher ausländerrechtlich zu keiner anderen Bewertung. Die Absicht des Klägers, seine in Verden lebende Freundin V. W. zu heiraten, stehe der Ausweisung ebenfalls nicht entgegen, weil sich auch aus einer Eheschließung ein Aufenthaltsrecht nicht ergeben würde, weil seine Freundin nur im Besitz eines befristeten humanitären Aufenthaltsrechts gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG sei. Auch unter Berücksichtigung des langjährigen Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet sei die Ausweisung gerechtfertigt, weil er im Bundesgebiet über kein Aufenthaltsrecht verfüge und ihm auch trotz des langjährigen Aufenthalts kein Aufenthaltstitel erteilt werden könne. Insbesondere sei darauf zu verweisen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltsrechts nach der gesetzlichen Altfallregelung des § 104a AufenthG von dem Kläger nicht erfüllt würden, weil zum einen bereits die zeitlichen Vorgaben fehlten und er zum anderen aufgrund seines strafrechtlichen Verhaltens von der Teilnahme an dieser Altfallregelung ausgeschlossen sei. Aufgrund der verfügten Ausweisung sei der Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG abzulehnen, weil einem Ausländer, der ausgewiesen worden sei, keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden dürfe.

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Gegen den ihn am 11. September 2009 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 12. Oktober 2009 (Montag) Klage erhoben und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor:

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Er sei im Alter von zwei Jahren in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und hier im Familienverbund mit mehreren älteren und jüngeren Geschwistern aufgewachsen. Er sei regulär eingeschult worden und seine schulischen Leistungen hätten sich zunächst auch sehr zufriedenstellend gestaltet. Durch die zwei Ausreisen seiner Familie nach Schweden und in die Niederlande sei seine Schulausbildung jedoch verzögert und unterbrochen worden, so dass er im Ergebnis keinen Schulabschluss habe erhalten können, was sich auch negativ auf die Erlangung einer Lehrstelle ausgewirkt habe. Unter Berücksichtigung der Aufenthaltszeiten in Schweden und den Niederlanden lebe er dennoch seit mehr als 20 Jahren im Bundesgebiet. Zu der Türkei habe er weder kulturelle noch persönliche Verbindungen. Zwar sei sein Vater 1998 in die Türkei abgeschoben worden, zu diesem bestehe aber so gut wie kein Kontakt. Er sei bei der Abschiebung seines Vaters 10 Jahre alt gewesen. Auch vorher sei sein Vater wenig zu Hause gewesen, so dass eine vitale Vater-Kind-Beziehung zu keiner Zeit habe aufgebaut werden können. Nach seiner Kenntnis lebten keine weiteren Verwandten in der Türkei. Seine große Familie wohne vielmehr vor allem in Niedersachsen und AB und es bestehe zu seinen Angehörigen ein intensiver familiärer Kontakt. In der Türkei habe er überhaupt keine Bekannten. Freunde, Sport- und ehemalige Schulkameraden habe er naturgemäß in Verden. Er beabsichtige noch in diesem Jahr, seine langjährige Freundin zu heiraten und später eine Familie zu gründen. Der Unterhalt der Familie sei ohne Beanspruchung von Sozialleistungen sichergestellt. Aufgrund seines Lebenslaufes sei er kulturell ein Deutscher und kein Türke. Er sei nicht verantwortlich dafür, dass seine Eltern mit ihm und seinen Geschwistern 1988 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist seien. Dies gelte auch für die Erklärungen, die seine Eltern hier in seinem Namen abgegeben hätten. Ebenso wenig könne er dafür verantwortlich gemacht werden, dass seine Mutter in den 1990er Jahren entschieden habe, mit ihren Kindern zeitweise nach Schweden und in die Niederlande zu reisen. Das ungeschickte ausländerrechtliche Agieren der Familie in den achtziger und neunziger Jahren sei eine Konsequenz aus ihrer damals fehlenden sprachlichen, kulturellen und vor allem rechtlichen Kompetenz gewesen.

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Der gesetzgeberische Grund der zwingenden Ausweisung nach § 53 Abs. 2 AufenthG bestehe in der Gefahrenabwehr. Erforderlich sei daher eine drohende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Er sei in einer Phase großer Depressionen von Personen seines Alters verführt worden, Drogen zu konsumieren, und sei dann schnell tiefer in die Sucht hineingeraten. Deshalb sei er auf Geheiß seiner Dealer gezwungen gewesen, selber Drogen zu verkaufen, weil er auf andere Weise seine Schulden bei den Dealern, deren Gefährlichkeit er gekannt habe, nicht mehr habe bezahlen können. Bereits in dem Urteil vom 8. Januar 2009 sei festgestellt worden, dass er die ihm vorgeworfenen Taten wegen und aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit begangen habe. Diese Betäubungsmittelabhängigkeit sei daher auch der zentrale Punkt bei der Beantwortung der Frage, ob eine Rückfall- oder Wiederholungsgefahr bei ihm bestehe bzw. ob eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung von ihm ausgehe. Im Ergebnis könne dies verneint werden. In der Untersuchungshaft habe er einen sogenannten kalten Entzug durchlaufen und habe seit dem 28. Mai 2008 bis heute keine Betäubungsmittel mehr konsumiert. Seit seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft am 28. November 2008 habe er regelmäßige Gruppen- und Einzeltherapiegespräche bei der Drogenberatung der Diakonie Verden durchgeführt und werde kurzfristig über einen stationären Drogentherapieplatz verfügen, so dass die Voraussetzungen für eine Rückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 Betäubungsmittelgesetz vorlägen. Hinzu komme, dass er durch die für ihn vollkommen ungewohnte Haftsituation in sehr entscheidender Weise positiv beeinflusst worden sei. Dafür, dass die Gefahr neuerlicher Straftaten durch ihn nunmehr sehr klein sei, spreche auch der Umstand, dass er sich noch aus der Haft heraus entschlossen habe, Aufklärungshilfe bei der Verfolgung fremder Straftaten zu leisten. So habe er sehr maßgebliche Angaben zu Personen aus der Drogenszene in Verden und Umgebung und darüber hinaus eine richtungweisende Zeugenaussage in dem Verfahren wegen Mordes an sieben Vietnamesen in Sittensen gemacht.

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Schließlich habe sich der ohnehin schlimme Krankheitszustand seiner Mutter, mit der er sich neben weiteren Geschwistern die Wohnung teile, nochmals verschlechtert. Seine Mutter sei auf seine Pflege einschließlich der Unterstützung bei der Körperpflege angewiesen. Er übernehme praktisch alle Haushaltstätigkeiten und das Einkaufen. Außerdem sorge er dafür, dass seine jüngeren Geschwister morgens pünktlich aufstünden und ein vernünftiges Schulbrot zu essen bekämen. Er koche, helfe bei den Hausaufgaben und bringe seine Geschwister zu Bett.

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Seit dem 11. April 2011 verfüge er über eine Arbeitsstelle.

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Der Kläger beantragt,

die Ausweisungsverfügung des Beklagten vom 10. September 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 12. Dezember 2007 einen Aufenthaltstitel zu erteilen.

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Er erwidert unter anderem:

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Der Kläger erfülle aufgrund seiner Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, die nicht zur Bewährung ausgesetzt worden sei, die Voraussetzungen für eine zwingende Ausweisung nach § 53 Nr. 2 AufenthG. Trotz seines langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet stehe ihm ein besonderer Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG nicht zu, weil er die dort genannten Voraussetzungen nicht erfülle. Insbesondere sei darauf zu verweisen, dass er während seiner Aufenthalte im Bundesgebiet mit Ausnahme des Zeitraumes von Juli 1994 bis Juli 1997 nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland gewesen sei, wobei die im Juli 1994 erteilte Aufenthaltsbefugnis von seiner Familie unter Angabe falscher Personalien erschlichen worden sei.

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Im Falle des Klägers komme aber auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes bezüglich der Ausweisung von ausländischen Staatsangehörigen, die hier aufgewachsen seien, keine andere Beurteilung in Betracht, weil diese eine Verwurzelung des Ausländers im Bundesgebiet voraussetze. Eine solche Verwurzelung könne allerdings nur angenommen werden, wenn sich der Ausländer rechtmäßig hier aufhalte und mit der Erteilung eines Aufenthaltsrechts habe rechnen können. Dies sei im Falle des Klägers nicht gegeben. Er sei durchgängig zur Ausreise verpflichtet gewesen und habe sich aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, wenn auch auf Veranlassung seiner Mutter, entzogen.

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Der Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG abgelehnt worden. Es sei eine Ausweisung verfügt worden und der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Hier käme allenfalls die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG in Betracht, wenn festgestellt werden könnte, dass dem Kläger eine Ausreise aus dem Bundesgebiet nicht möglich sei. Dabei komme es nicht auf die Zumutbarkeit der Ausreise, sondern auf deren tatsächliche Unmöglichkeit unter Berücksichtigung des Art. 6 Grundgesetz (GG) und des Art. 8 EMRK an. Eine solche tatsächliche Unmöglichkeit könne unter anderem nur dann angenommen werden, wenn aufgrund einer im Bundesgebiet erfolgten Integration eine Ausreise nicht möglich wäre. Im Falle des Klägers sei die erforderliche Integration aber nicht erfolgt. Er sei während seines Aufenthalts wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Schließlich habe die Verurteilung zu einer Jugendstrafe sogar zu seiner Ausweisung geführt. Auch eine wirtschaftliche Integration des Klägers könne nicht festgestellt werden, weil er seinen Lebensunterhalt nach wie vor durch den Bezug öffentlicher Leistungen bestreite. Im Übrigen habe er sich wiederholt einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entzogen. Schließlich habe seine Familie zu Beginn ihres Aufenthalts falsche Personalien angegeben, um so ein Aufenthaltsrecht für die Bundesrepublik Deutschland zu erhalten. Das Verhalten seiner Eltern müsse sich der Kläger zurechnen lassen.

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Der Kläger ist wegen seiner Drogenabhängigkeit bis zum 7. Juni 2010 stationär in der Reha-Klinik X. behandelt und regulär entlassen worden. Anschließend ist er zu seiner Mutter und seinen jüngeren Geschwistern in die Wohnung C. in der Stadt D. (Y.) zurückgekehrt. Seit Januar 2011 befindet er sich nach einer in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bescheinigung vom 12. April 2011 in psychotherapeutischer Behandlung bei der Dipl.-Psychologin Z.-AA in AB. Zu einer Vollstreckung der Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten ist es bisher nicht gekommen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakten A bis C) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Der Bescheid des Beklagten vom 10. September 2009 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten, wie es für eine erfolgreiche Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO erforderliche wäre. Der Beklagte hat den Kläger zu Recht unbefristet aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (1.) und die von ihm am 12. Dezember 2007 beantragte Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt (2.). Dazu im Einzelnen:

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1.

Für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung einer Ausweisungsverfügung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich. Dieser ursprünglich für die Überprüfung von Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsanghörigen entwickelte Grundsatz gilt nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) auch für alle Drittstaatenangehörigen, weil bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ihrer Ausweisung und der Gegenwärtigkeit der von ihnen ausgehenden Gefahr auf eine möglichst aktuelle Tatsachengrundlage abzustellen ist (vgl. u.a.: BVerwG, Urt. v. 15.11.2007 - 1 C 45.06 -, BVerwGE 130, 20).

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Rechtsgrundlage für die Ausweisung des Klägers ist § 53 Nr. 2 Alt. 1 AufenthG. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt, weil der Kläger wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist [vgl. Urt. d. AG D. - Strafgericht - v. 08.01.2009, 9a Ls 103 Js 30862/07 (33/08), rechtskräftig seit d. 28.05.2009].

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Besonderen Ausweisungsschutz nach nationalem Recht (hier: § 56 AufenthG) genießt der Kläger nicht. Er besitzt schon keinen der in § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 AufenthG aufgeführten Aufenthaltstitel (Niederlassungserlaubnis, Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG oder Aufenthaltserlaubnis) und hält sich auch bereits seit dem 1. August 1997 wegen der durch den Bescheid des Beklagten vom 1. Juli 1997 erfolgten nachträglichen Befristung der ihm zuvor am 21. Juli 1994 erteilten Aufenthaltsbefugnis nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet auf, so dass der Umstand seiner als Minderjähriger im Jahre 1988 erfolgten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland einen besonderen Ausweisungsschutz nicht zu begründen vermag. Da er auch nicht mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftliche Lebensgemeinschaft lebt und auch nicht als Asylberechtigter anerkannt worden ist oder die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, finden die Regelungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 5 AufenthG ebenfalls keine Anwendung. Schließlich war der am 2. Juli 1986 geborene Kläger bei Erlass der Ausweisungsverfügung vom 10. September 2009 bereits 23 Jahre alt, so dass schon aus diesem Grund die Regelung des § 56 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu keiner für ihn günstigeren Beurteilung führen kann. Darüber hinaus lässt sich für den Kläger, der die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, aber auch europarechtlich kein erhöhter Ausweisungsschutz aus der Anwendbarkeit des Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 EWG-Türkei (ARB 1/80) herleiten. Er hat selbst - jedenfalls bis zum 10. April 2011 - zu keinem Zeitpunkt dem regulären deutschen Arbeitsmarkt angehört und auch sein Vater (bis zu dessen Abschiebung in die Türkei am 07.07.1998) und/oder seine Mutter sind niemals als türkische Arbeitnehmer(in) im Bundesgebiet tätig gewesen. Der Kläger und seine Eltern haben während ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland ihren Lebensunterhalt ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bestritten. Daher scheiden Assoziationsrechte des Klägers aus Art. 6 und/oder 7 ARB 1/80 und damit ein erhöhter europarechtlich begründetet Ausweisungsschutz ebenfalls aus.

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Es verbleibt damit bei der zwingend zu verfügenden Ausweisung des Klägers. Dem Beklagten kommt insoweit kein Ermessen zu und es besteht grundsätzlich auch kein Raum für eine einzelfallbezogenen Abwägung. Allenfalls in extremen, höchst seltenen Ausnahmefällen kann eine zwingende Ausweisung dennoch unverhältnismäßig sein (vgl. Urt. d. VG Oldenburg v. 27.10.2010 - 11 A 2062/10 - sowie d. dazu ergangene Beschl. d. Nds. OVG v. 07.01.2011 - 11 LA 503/10 -, jeweils mit Nachweisen zur Rspr. d. BVerwG u. weiterer Obergerichte). Eine solche außergewöhnliche Sonderkonstellation vermag die Kammer im Falle des Klägers aber nicht festzustellen.

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In der Person des Klägers liegen keine Gründe vor, die die Ausweisung im Hinblick auf das in Art. 8 Abs. 1 EMRK verbürgte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens als unverhältnismäßig erscheinen lassen und damit ein Abweichen von der gesetzlichen Regelung des § 53 Nr. 2 AufenthG gebieten würden.

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Zwar ist der Kläger bereits im Alter von zwei Jahren in das Bundesgebiet eingereist und hat hier seither - abgesehen von den Aufenthalten in Schweden (ca. von Anfang/Mitte Juli 1998 bis zum 02.12.1999) und in den Niederlanden (ca. von November 2000 bis zum 25.03.2002) - gelebt. Eine Verletzung des in Art. 8 Abs. 2 EMRK verankerten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit kommt aber nur bei Ausländern in Betracht, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben in dem Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug (mehr) haben, schlechterdings nicht zuzumuten ist. Das ist aber bei dem Kläger auch unter Berücksichtigung der im Bundesgebiet bestehenden Bindungen aufgrund seines langjährigen Aufenthalts nicht der Fall.

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In diesem Zusammenhang kann zunächst schon nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Eltern des Klägers nach ihrer Einreise den Beklagten am 25. März 1988 bewusst über ihre wahre Identität und Staatsangehörigkeit, die sie nur wenige Tage vorher am 16. März 1988 noch gegenüber der Grenzschutzstelle des Flughafens I. (J.) unter Vorlage ihrer türkischen Reisepässe offenbart hatten, täuschten und dass es ihnen nur durch diese Täuschung gelang, sich als vermeintlich staatenlose Familie O. aus dem Libanon nach dem Abschluss des unter diesem Namen geführten Asylverfahrens (vgl. Bescheid d. Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge v. 09.09.1988) zunächst einen geduldeten Aufenthalt und in der Zeit vom 21. Juli 1994 bis zum 31. Juli 1997 sogar eine Aufenthaltsbefugnis zu "erschleichen". Darüber hinaus beruht der langjährige Aufenthalt des Klägers aber auch entscheidend darauf, dass sich seine Mutter gemeinsam mit ihren Kindern, nachdem das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge durch Bescheid vom 8. Januar 1998 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt hatte und die von der Familie gegen die in diesem Ablehnungsbescheid erlassene Abschiebungsandrohung in die Türkei bei der erkennenden Kammer anhängig gemachten Eilverfahren erfolglos geblieben waren (vgl. Beschl. v. 21.01.1998 - 4 B 98/98 -, v. 19.02.1998 - 4 B 269/98 - und v. 08.07.1998 - 4 B 762/98 -), einer Rückführung in die Türkei durch Untertauchen entzog, indem sie sich zunächst nach Schweden und später in die Niederlande begab. Schließlich blieb im Dezember 2002 ein weiterer Abschiebungsversuch des Beklagten aufgrund von erheblichen Widerstandshandlungen einzelner Familienangehöriger erfolglos.

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Die Identitätstäuschung und das rechtsmissbräuchliche Verhalten seiner Eltern bzw. seiner Mutter nach der am 7. Juli 1998 erfolgten Abschiebung des Vaters in die Türkei muss sich der Kläger für die Zeit seiner Minderjährigkeit ohne Weiteres zurechnen lassen (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 29.01.2009 - 11 LB 136/07 -). Hinzu kommt aber auch noch, dass er, nachdem er am 2. Juli 2004 volljährig geworden war, selber ebenfalls nichts unternommen hat, um der vollziehbaren Ausreiseverpflichtung aus dem Bundesamtsbescheid vom 8. Januar 1998 nachzukommen. Dies und die Tatsache, dass er mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und zuletzt im Januar 2009 wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (Handeltreiben mit Kokain in 225 Fällen) zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt werden musste, belegen, dass er trotz seines langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet nicht bereit ist, die hier geltenden Rechtsnormen zu beachten, sondern vielmehr eine erhebliche, bereits von seinen Eltern übernommene Neigung zur Missachtung der deutschen Rechtsordnung hat. Von einer gelungenen sozialen Integration des Klägers kann daher keine Rede. Zudem hat der Kläger, obwohl er im Juli 2011 bereits 25 Jahre alt wird, keinen Schul- und Ausbildungsabschluss erlangt und verfügte - jedenfalls bis wenige Tage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung - weder über einen (sicheren) Arbeitsplatz noch über ausreichende eigene Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes, geschweige denn zur Sicherung des Lebensunterhaltes für eine zukünftig zu gründenden Familie. Es kann daher auch eine wirtschaftliche Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse nicht festgestellt werden.

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Darüber hinaus führen aber auch weder die bereits bei Klagerhebung am 12. Oktober 2009 bekundete Absicht des Klägers, "noch in diesem Jahr" seine langjährige Freundin heiraten zu wollen, noch das geltend gemachte Angewiesensein seiner pflegebedürftigen Mutter und seiner minderjährigen Geschwister auf seine weitere Anwesenheit im Bundesgebiet zu der Annahme der Unverhältnismäßigkeit der von dem Beklagten verfügten Ausweisung. Der Umstand, dass der Kläger die angekündigte Heirat bis heute nicht in die Tat umgesetzt hat, begründet bereits Zweifel an der Ernsthaftigkeit der behaupteten Absicht. Hinzu kommt in diesem Zusammenhang aber auch noch, dass seine Freundin, die selbst Ausländerin ist, ebenfalls nicht über ein auf Dauer gesichertes Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland verfügt, sondern aus humanitären Gründen zur Zeit von dem Beklagten lediglich befristete Aufenthaltserlaubnisse erhält. Vor diesem Hintergrund ist es daher durchaus möglich und zumutbar, eine Ehe, wenn sie denn tatsächlich beabsichtigt ist, (auch) in der Türkei zu führen. Soweit der Kläger die im Zusammenhang mit seiner Mutter und seinen jüngeren Geschwistern geltend gemachten Pflege- und Betreuungsaufgaben tatsächlich wahrnehmen sollte, ist bereits nicht zu erkennen, dass diese Aufgaben ausschließlich nur von ihm übernommen werden können. Da in der Stadt Verden und in deren Umgebung verschiedene weitere Angehörige der Großfamilie B./O./S. leben, ist die Kammer davon überzeugt, dass bei einer Ausreise des Klägers sich diese Familienangehörigen um seine Mutter und die Geschwister kümmern könnten und auch kümmern würden. Belegt wird diese Annahme insbesondere dadurch, dass sich der Kläger bis zum 7. Juni 2010 in einer stationären Drogentherapie befunden hat, also während seines Aufenthaltes in der Reha-Klinik X. die Pflege, Betreuung und Versorgung seiner Mutter und der Geschwister auch anderweitig sichergestellt gewesen sein muss.

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Dass dem Kläger ein Leben in der Türkei schlechterdings unzumutbar wäre, ist ebenfalls nicht erkennbar. Bei einer Rückkehr in das Land seiner Staatsangehörigkeit wird er sich der Hilfe und Unterstützung seines dort bereits wieder seit vielen Jahren lebenden Vaters bedienen können. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch in Schweden und den Niederlanden mit für ihn völlig fremden Verhältnissen zurecht gekommen ist, werden ihm diese Erfahrungen durchaus zugute kommen und ihm ein Einleben in der Türkei erleichtern. Hinzu kommt, dass er auch noch nicht in einem Alter ist, in dem es ausgeschlossen erscheint, eine fremde Sprache (Türkisch) zu erlernen und sich an eine andere Mentalität und Kultur zu gewöhnen. Hinsichtlich der Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz werden ihm neben einer zu erwartenden familiären Unterstützung sein Schulbesuch und seine Deutschkenntnisse nützlich sein, weil diese es ihm ermöglichen können, in den türkischen Tourismuszentren eine Beschäftigung, die sein Auskommen sichert, zu finden.

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Soweit in dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Attest der Dipl.-Psychologin Z.-AA. vom 12. April 2011 dem Kläger Reiseunfähigkeit und Suizidgefährdung bei einer drohenden Abschiebung bescheinigt werden, sind dies Umstände, die vor dem tatsächlichen Vollzug der Abschiebungsandrohung aus dem Bundesamtsbescheid vom 8. Januar 1998 von dem Beklagten zu prüfen sein werden, die aber eine Ausweisungsverfügung nicht rechtswidrig machen können, weil es sich dabei nur um ein vorübergehendes Abschiebungshindernis handeln würde, das lediglich eine Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 AufenthG zu rechtfertigen vermag.

37

Nach alledem fehlen der Kammer ausreichende Anhaltspunkte sowohl für eine außergewöhnlich gelungene Integration des Klägers im Bundesgebiet als auch für eine Unzumutbarkeit der Rückkehr in die Türkei, die ausnahmsweise die verfügte Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK auf als unverhältnismäßig erscheinen lassen.

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Soweit der Kläger vorträgt, dass der gesetzgeberische Grund der zwingenden Ausweisung nach § 53 Nr. 2 AufenthG in der Gefahrenabwehr liege, bei ihm aber eine Rückfall- oder Wiederholungsgefahr nicht bestehe bzw. von ihm keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (mehr) ausgehe, greift dieser Einwand nicht durch. Ein Ausnahmefall von der Ist-Ausweisung kann sich zwar auch aus einem extrem gemilderten öffentlichen Ausweisungsinteresse ergeben, das heißt, es muss nicht nur spezial-, sondern auch generalpräventiv eine Sondersituation zu Gunsten des Ausländers festzustellen sein, wobei die Schwelle bei einer zwingenden Ausweisung deutlich höher als ein bloßer, für einen Ausnahmefall nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ausreichender atypischer Geschehensverlauf liegt. Dass eine solche Sondersituation hier unter general präventiven Gesichtspunkten gegeben sein könnte, ist für die Kammer schon nicht ansatzweise erkennbar. Aber auch unter spezial präventiven Gesichtpunkten lässt sich nicht feststellen, dass bei dem Kläger eine Rückfall- oder Wiederholungsgefahr nahezu sicher auszuschließen ist. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass der Kläger in der Vergangenheit nicht nur durch die von ihm begangenen Straftaten, sondern auch durch sein sonstiges Verhalten, wie bereits festgestellt, nachdrücklich die Missachtung der deutschen Rechtsordnung zu erkennen gegeben hat. Andererseits ist aber trotz der abgeschlossenen stationären Drogentherapie und der seit Januar 2011 durchgeführten psychotherapeutischen Behandlung nicht auszuschließen, dass er, wenn auch nicht zur Finanzierung der eigenen Drogensucht, so doch wegen des Fehlens eines über dem Sozialhilfeniveau liegenden eigenen Einkommens erneut einschlägig in Erscheinung treten wird. Darüber hinaus hat er die stationäre Drogentherapie auch erst im Juni 2010 beendet und befindet sich seit Januar 2011 weiter in psychotherapeutischer Behandlung mit den Zielen "Stabilisierung seines Zustandes in Abstinenz, Krankheitsverständnis, Einsichten in der Biographie, Rückfallprophylaxe, Stärkung des Selbstbewusstseins und Stabilisierung für den Arbeitmarkt" (vgl. Psychologische Bescheinigung v. 12.04.2011), so dass hinreichend sichere Feststellungen zu einem Leben des Klägers ohne Rauschgiftkonsum bzw. ohne Rückfall in die Drogenabhängigkeit noch gar nicht getroffen werden können. Hinsichtlich der Tatsache, dass der Kläger durch seine Angaben und Aussagen an der Aufklärung von durch dritte Personen begangene Straftaten mitgewirkt hat, ist dieser Sachverhalt - ebenso wie seine eigene Drogenabhängigkeit und sein umfassendes Geständnis - bereits strafmildernd in dem Urteil vom 8. Januar 2009 berücksichtigt worden, doch spielt es nicht nur strafrechtlich, sondern auch ausweisungsrechtlich eine bedeutende Rolle, dass er seine Verkaufsgeschäfte konsequent und zielgerichtet über einen sehr langen Zeitraum (ca. März 2007 bis Mai 2008) mit festem Kundenstamm ausgeführt hat, dass es sich bei Kokain um eine der härteren der dem Betäubungsmittelgesetz unterfallenden Drogen handelt und dass er im Zusammenhang mit Kokain bereits einmal strafrechtlich in Erscheinung getreten ist (vgl. zum Vorstehenden: Urt. d. AG D. v. 08.01.2009, S. 6), so dass letztlich eine Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren ohne Bewährung verhängt werden musste.

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Schließlich begegnet die Ausweisung des Klägers auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil sie ohne Befristung verfügt worden ist. Angesichts der Schwere des von ihm begangenen Rauschgiftdeliktes, der von ihm auch weiter ausgehenden Gefährdung sowie der Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter war es hier auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht geboten, die Ausweisung von vornherein zeitlich zu befristen. Der Kläger muss sich daher darauf verweisen lassen, zu gegebener Zeit nachträglich bei dem Beklagten eine Befristung der Wirkungen der verfügten Ausweisung (Einreise- und Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet, Verbot der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis) nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zu beantragen.

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2.

Der Erteilung der von dem Kläger begehrten Aufenthaltserlaubnis steht gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG bereits die gegen ihn rechtmäßig verfügte Ausweisung entgegen, so dass ihm selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem AufenthG ein Aufenthaltstitel nicht erteilt werden darf. Im Übrigen fehlen der Kammer aber auch jegliche Anhaltspunkte dafür, dass im Falle des Klägers überhaupt ein Erteilungs anspruch bestehen könnte.