Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 22.12.1994, Az.: 5 B 64/94

Entziehung eines Jagdscheins; Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes; Nachweis einer bestandenen Jägerprüfung im Bundesgebiet und nicht im Ausland; Rücknahme eines rechtwidrig erteilten Verwaltungsakts

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
22.12.1994
Aktenzeichen
5 B 64/94
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1994, 11101
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:1994:1222.5B64.94.0A

Verfahrensgegenstand

Jagdscheinentzug

Prozessführer

1. Herr ...

2. Frau ...

Prozessgegner

der Landkreis Lüneburg, Auf dem Michaeliskloster 4, Lüneburg,

In dem Rechtsstreit
hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Lüneburg
am 22. Dezember 1994
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die Anträge der Antragsteller zu 1. und 2. auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes werden abgelehnt.

    Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens zu je 1/2.

  2. 2.

    Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000,00 DM (in Worten: Zwanzigtausend Deutsche Mark) festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Antragsteller wenden sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Entziehung Ihrer Jagdscheine.

2

Auf Anträge der Antragsteller hatte der Landkreis Hagenow diesen mit Bescheiden vom 9. Juni 1992 Jahres Jagdscheine mit den Jagdschein-Nrn. ... und ... für die Zelt vom 9. Juni 1992 bis zum 31. März 1994 erteilt. Die Antragsteller legten dabei Zeugnisse über am 9. April 1992 bestandene dänische Jagdprüfungen sowie die Ihnen erteilten dänischen Jagdscheine vor. Mit Bescheiden vom 19. Juli 1994 verlängerte der Antragsgegner die Jagdscheine der Antragsteller antragsgemäß für das Jagdjahr 1994/95 bis zum 31. März 1995, wobei die Verlängerungen unter den Nummern ... und ... in die Jagdscheunliste eingetragen wurden.

3

Mit Schreiben vom 12. August 1994 wies der Antragsgegner die Antragsteller darauf hin, daß für den Erwerb eines Jagdscheines der Nachwels einer bestandenen Jägerprüfung im Bundesgebiet erforderlich sei. Eine ausländische Prüfung genüge nicht. Da die Antragsteller diesen Nachwels bisher nicht erbracht hätten, bitte er sie, dies bis zum 26. August 1994 nachzuholen. Anderenfalls müßten die Jagdscheine für ungültig erklärt und eingezogen werden. Die Vorlagefrist verlängerte der Antragsgegner mit weiterem Schreiben aufgrund urlaubsbedingter Abwesenheit der Antragsteller bis zum 19. Oktober 1994. Nachdem der Antragsteller zu 1. mit Schreiben vom 13. Oktober 1994 mitgeteilt hatte, daß er und die Antragstellerin zu 2. sich jagdrechtlich nichts hätten zu Schulden kommen lassen und sie daher keine Notwendigkeit sähen, die Jagdscheine zurückzugeben, entzog der Antragsgegner den Antragstellern mit Verfügung vom 26. Oktober 1994 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die von ihm am 19. Juli 1994 bis zum 31. März 1995 verlängerten Jahresjagdscheine Nrn. ... und ... Zur Begründung führte er an, daß die den Antragstellern erteilten Jagdscheine wegen der fehlenden deutschen Jägerprüfung von Anfang an rechtswidrig gewesen und daher zurückzunehmen seien.

4

Die Antragsteller haben gegen die Verfügung des Antragsgegners Widerspruch eingelegt und am 9. November 1994 bei Gericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.

5

II.

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches der Antragsteller gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 26. Oktober 1994 ist zulässig, aber nicht begründet.

6

Nach der hier allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage spricht überwiegendes dafür, daß die angefochtene Verfügung rechtmäßig ist und der dagegen eingelegte Widerspruch der Antragsteller keinen Erfolg haben wird. Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der - formell ordnungsgemäß begründeten - sofortigen Vollziehung gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragsteller.

7

Rechtsgrundlage für die angefochtene Verfügung ist § 48 VwVfG. Nach § 48 Abs. 1 VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Gegenstand der Rücknahme sind unbeschadet der mißverständlichen Formulierung im Verfügungstenor der angefochtenen Bescheide allein die derzeit gültigen Jagderlaubnisse der Antragsteller für das Jagdjahr 1994/95, die auf den mit Verfügungen des Antragsgegners vom 19. Juli 1994 erfolgten Verlängerungen Ihrer Jagdscheine beruhen. Die erstmalige Erteilung der Jagdscheine durch Verfügungen des Landkreises Hagenow vom 9. Juni 1992 bleibt dagegen von der Rücknahme unberührt.

8

Der Antragsgegner war für die Rücknahme der von ihm erteilten Verlängerungen örtlich zuständig (vgl. Kopp, VwVfG, Kommentar, 5. Auflage, § 48 Rdnr. 100). Sollten die Antragsteller allerdings Ihren Wohnsitz nach Trittau im Landkreis Storman verlegt haben, ist darauf hinzuweisen, daß dann nach § 15 Abs. 2 BJagdG für künftige Entscheidungen bezüglich der Jagdscheine der Antragsteller nicht mehr der Antragsgegner zuständig wäre.

9

Die den Antragstellern erteilten Verlängerungen Ihrer Jagdscheine waren rechtswidrig. Nach § 15 Abs. 5 S. 1 Bundesjagdgesetz in der seit dem 1. April 1977 geltenden Fassung ist die erste Erteilung eines Jagdscheines zwingend davon abhängig, daß der Bewerber im Geltungsbereich dieses Gesetzes eine Jägerprüfung bestanden hat. Eine solche Jägerprüfung haben die Antragsteller nicht nachgewiesen. Bei der ersten Erteilung Ihrer Jagdscheine in Hagenow haben sie in Dänemark bestandene Jägerprüfungen sowie dänische Jagdscheine vorgelegt. Eine ausländische Jägerprüfung genügt angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 15 Abs. 5 S. 1 des Bundes Jagdgesetzes einer Jägerprüfung im Geltungsbereich des Bundes Jagdgesetzes nicht. Daher befreit die Vorlage eines ausländischen Jagdscheines oder der Nachwels einer im Ausland bestandenen Jägerprüfung nicht von dem Nachwels einer deutschen Jägerprüfung (vgl. BVerwG, Urteil v. 20.10.1977 - I c 17.75 -, Buchholz 451.16, § 15 Nr. 4 = MDR 78, 514 = RdL 78, 92). Diese Gesetzesfassung verwehrt den Ländern ausdrücklich die Berücksichtigung ausländischer Jägerprüfungen.

10

Dadurch, daß der Antragsgegner die Jagdscheine der Antragsteller verlängert hat, sind diese nicht rechtmäßig geworden. Zwar setzt § 15 Abs. 5 S. 1 Bundesjagdgesetz dem Wortlaut nach lediglich für die erste Erteilung eines Jagdscheins eine deutsche Jägerprüfung voraus. Daraus folgt Jedoch nicht, daß eine fehlende Jägerprüfung bei dem Erwerb einer Jagdberechtigung für alle Zukunft nicht mehr berücksichtigt werden darf. Die erste Erteilung eines deutschen Jagdscheines begründet nur eine widerlegbare Vermutung, daß sein Inhaber die deutsche Jägerprüfung bestanden hat (BVerwG, Beschluß v. 23.08.1971 - I CB 21.71 -, RdL 71, 325). Stellt sich - wie hier - das Gegenteil heraus, darf kein neuer Jagdschein erteilt werden (Meyer-Ravenstein, Jagdrecht in Niedersachsen, § 15 BJagdG Rdnr. 13; vgl. auch: Mitzschke/Schäfer, Bundesjagdgesetz, Kommentar, 4. Aufl. 1982, § 15 Rdnr. 31).

11

Da die Verlängerung der Jagdscheine rechtswidrig ist, Hegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 48 Abs. 1 VwVfG vor. Es ist nicht ersichtlich, daß dem Antragsgegner bei der Entscheidung über die Rücknahme der Jagdscheine Ermessensfehler unterlaufen sind. Der Antragsgegner ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Möglichkeit zur Rücknahme nicht durch § 48 Abs. 2 VwVfG eingeschränkt ist, da hier kein Verwaltungsakt vorliegt, der eine Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt.

12

Da die deutschen Antragsteller nicht die für die Erlangung des Jagdscheines erforderliche Inländische Jägerprüfung abgelegt haben, überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Rücknahme der Ihnen rechtswidrig erteilten Jagdscheine. Denn nur auf diese Welse kann verhindert werden, daß die Antragsteller, die materiell offensichtlich nicht die Voraussetzungen für einen Jagdschein erfüllen, gleichwohl die Jagd ausüben können.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000,00 DM (in Worten: Zwanzigtausend Deutsche Mark) festgesetzt.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 S. 1 GKG.