Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 21.08.2024, Az.: 3 W 53/24,

Analoge Anwendung von § 19 Abs. 2 RPflG in streitigen Erbscheinsverfahren; Einwände des Nachlasspflegers gegen eine beantragte Entscheidung i.S.d. § 19 Abs. 2 RPflG

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
21.08.2024
Aktenzeichen
3 W 53/24,
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 21145
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Papenburg - 22.03.2024 - AZ: 12 VI 46/24

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zur analogen Anwendung von § 19 Abs. 2 RPflG in streitigen Erbscheinsverfahren.

  2. 2.

    Einwände gegen eine beantragte Entscheidung i.S.d. § 19 Abs. 2 RPflG sind nicht nur solche, die von Verfahrensbeteiligten oder Dritten erhoben werden, sondern auch solche, die der Nachlassrechtspfleger erhebt. Soweit sich der Nachlassrechtspfleger auf Grund eigener Einwände an einer antragsgemäßen Entscheidung gehindert sieht, hat er das Verfahren dem Nachlassrichter zur weiteren Bearbeitung vorzulegen.

Beschluss
in der Beschwerdesache
betreffend
AA, verstorben am TT.MM.2010, mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in, Ort1,
Beteiligte:
1. BB, Ort2,
Beschwerdeführer,
2. CC, Ort1,
Beschwerdeführer,
3. DD, Ort3,
Beschwerdeführerin,
4. EE, Ort4,
Beschwerdeführerin,
5. FF, Ort5 / SCHWEIZ,
Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigte zu 1) - 5):
(...),
Geschäftszeichen: (...)
hat das Oberlandesgericht Oldenburg - 3. Zivilsenat - durch die Richterin am Oberlandesgericht (...), den Richter am Oberlandesgericht (...) und den Richter am Oberlandesgericht (...) am 21.08.2024 beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Papenburg vom 22.03.2024 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Erteilung des Erbscheins an den Nachlassrichter des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Papenburg zurückverwiesen.

Gründe

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die Erteilung eines Erbscheins nach dem am TT.MM.2010 verstorbenen AA (Erblasser).

Der Erblasser war in erster und einziger Ehe mit Frau GG verheiratet. Diese verstarb am TT.MM.2020. Aus der Ehe sind sechs Kinder hervorgegangen, die Beteiligten zu 1) - 5) sowie die am TT.MM.2023 nachverstorbene Tochter HH. Gesetzliche Erben der Ehefrau des Erblassers sind die gemeinsamen sechs Kinder geworden (vgl. Erbschein vom 15.05.2023, AG Papenburg 12 VI 80/23).

Am 05.01.2024 beantragten die Beteiligten zu 1) - 5) die Erteilung eines Erbscheins, wonach die Ehefrau des Erblassers dessen testamentarische Alleinerbin geworden sei. Der Erblasser habe am 15.04.2001 ein mit "Vertrag" überschriebenes handschriftliches Schreiben verfasst, welches sein Testament darstelle. Aus diesem ergebe sich die Alleinerbenstellung seiner Ehefrau.

Mit Verfügung vom 19.02.2024 wies der Nachlassrechtspfleger die Beteiligten unter anderem darauf hin, dass er den "Vertrag" abweichend von dem Erbscheinsantrag auslege. Der Erblasser habe nicht seine Ehefrau zur Alleinerbin, sondern den Beteiligten zu 2) und dessen Ehefrau JJ zu Miterben bestimmt.

Hierauf nahm der Beteiligte zu 2) seinen ursprünglichen Erbscheinsantrag am 07.03.2023 zurück und beantragte gemeinsam mit seiner Ehefrau die Erteilung eines Erbscheins, wonach beide Miterben geworden seien. Das Nachlassgericht wies hierauf mit Zwischenverfügung vom 13.03.2024 auf das Fehlen der eidesstattlichen Versicherung hin, woraufhin der Beteiligte zu 2) und seine Ehefrau ihren Erbscheinsantrag vom 07.03.2023 wieder zurücknahmen. Gleichzeitig reichten sie eine Erklärung zur Akte, wonach sie weiterhin dem ursprünglichen Erbscheinsantrag vom 05.01.2024 zustimmen würden.

Alle Beteiligten traten sodann gemeinsam den Bedenken des Nachlassgerichts entgegen und begehrten weiterhin die Erteilung des ursprünglich von ihnen beantragten Erbscheins, wonach der Erblasser von seiner Ehefrau beerbt worden sei.

Mit Beschluss vom 22.03.2024 hat das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag durch den Nachlassrechtspfleger vom 05.01.2024 aus den Gründen der Verfügung vom 19.02.2024 zurückgewiesen.

Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 1) - 5) mit der form- und fristgerecht erhobenen Beschwerde, in welcher sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholen und vertiefen.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde durch den Rechtspfleger nicht abgeholfen und insbesondere dazu ausgeführt, dass der Nachlassrechtspfleger für die Entscheidung und die Nichtabhilfe zuständig sei, da kein Verfahrensbeteiligter Einwendungen gegen den beantragten Erbschein erhoben habe. Für den Übergang der Zuständigkeit auf den Nachlassrichter nach § 19 Abs. 2 RPflG genüge es nicht, wenn der Nachlassrechtspfleger die Positionen der Antragsteller nicht teile. Vielmehr sei es erforderlich, dass ein Verfahrensbeteiligter oder ein Dritter Einwendungen erhebe. Das sei hier nicht der Fall.

II.

Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache - jedenfalls vorläufig - Erfolg, weil der angefochtene Beschluss rechtswidrig ist und die Sache gem. § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG von Amts wegen an den funktionell ausschließlich zuständigen Richter des Nachlassgerichts zurück zu verweisen ist zur erneuten Entscheidung, über die Entscheidung des beantragten Erbscheins.

Nimmt ein Rechtspfleger ein ihm nach dem Gesetz nicht übertragenes und auch nicht übertragbares Geschäft wahr, so ist seine Entscheidung nach § 8 Abs. 4 S. 1 RPflG unwirksam und im Rechtsmittelverfahren - unabhängig von ihrer etwaigen inhaltlichen Richtigkeit - aufzuheben (BGH Rpfleger 2005, 520 [BGH 02.06.2005 - IX ZB 287/03]; Sternal/Sternal, FamFG, 21. Aufl., 2023 Einl. Rn. 114; Hintzen in: Arnold/Meyer-Stolte/Rellermeyer/Hintzen/Georg, RPflG, 9. Auflage, 2022, § 8 Rn.16; Dörndorfer, RPflG, 4. Auflage, 2023, § 8 Rn. 20). Da in einem solchen Fall keine wirksame Sachentscheidung vorliegt, ist die Sache nach § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG an das Gericht des ersten Rechtzugs zurückverweisen (vgl. OLG Hamm FGPrax 2013, 215). Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben.

Nach § 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG ist dem Richter die Erteilung von Erbscheinen (§ 2353 Bürgerlichen Gesetzbuches) vorbehalten, sofern eine Verfügung von Todes wegen vorliegt. Der Richtervorbehalt § 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG ist allerdings in Niedersachsen nicht anwendbar: Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 RPflG sind die Landesregierungen ermächtigt, Richtervorbehalte aufzuheben, soweit sie (unter anderem) Geschäfte nach § 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG betreffen.

Das Land Niedersachsen hat diese Befugnis dem Ministerium für Justiz übertragen (§ 1 Nr. 7 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen auf den Gebieten der Rechtspflege und der Justizverwaltung [Subdelegationsverordnung-Justiz] vom 13.12.2022, zuletzt geändert durch Verordnung vom 26.05.2023). Dieses hat von der Ermächtigungsgrundlage durch die Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten in der Gerichtsbarkeit und der Justizverwaltung (ZustVO-Justiz) vom 08.06.2023 Gebrauch gemacht. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 ZustVO-Justiz sind die Richtervorbehalte unter anderem für die Geschäfte nach § 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG aufgehoben, also auch für die Erteilung von Erbscheinen. Allerdings ist die Aufhebung des Richtervorbehaltes nur für einvernehmliche Verfahren vorgesehen; für den Fall, dass gegen den Erlass der beantragten Entscheidung Einwände erhoben werden, sieht § 19 Abs. 2 RPflG eine Vorlagepflicht an den Richter vor (Schmid, RPflG, 1. Auflage 2012, § 19, Rn. 2). Ein solches streitiges Verfahren liegt vor, wenn zwischen widerstreitenden, im Verfahren klar zum Ausdruck gebrachten Positionen zu entscheiden ist. Dabei kommt es weder auf einen förmlichen Antrag noch auf die förmliche Beteiligtenrolle der Vertreter der widerstreitenden Interessen an. Insoweit sind maßgeblich allein die im Verfahren zum Ausdruck gebrachten unterschiedlichen Rechtspositionen (Gierl, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, 4. Auflage 2022, § 352e FamFG, Rn. 6). Diese Vorlagepflicht ist in § 14 Abs. 1 Satz 2 ZustVO-Justiz umgesetzt worden. Danach hat der Rechtspfleger das Verfahren dem Richter zur weiteren Bearbeitung vorzulegen, soweit gegen den Erlass der beantragten Entscheidung Einwände erhoben werden (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 10. August 2020 - 3 W 92/20 -, juris, Rn. 17; Krätzschel, in: Firsching/Graf, Nachlassrecht, 12. Auflage 2022, § 38, Rn. 16).

Hiernach war der Nachlassrichter für die Entscheidung über den Erbscheinsantrag zuständig. Nach Auffassung des Senats sind von den Einwänden gegen den Erlass der beantragten Entscheidung i.S.d. § 19 Abs. 2 RPflG nicht nur solche umfasst, die von einem Verfahrensbeteiligten oder einem außerhalb des Verfahrens stehenden Dritten erhoben wurden. Vielmehr liegt auch bereits dann ein die Richterzuständigkeit begründender Einwand vor, wenn dieser ausschließlich von dem Nachlassrechtspfleger erhoben wird. In den Fällen, in denen sich der Nachlassrechtspfleger gehindert sieht, den Erbschein auf Grund eigener rechtlicher oder tatsächlicher Einwände zu erteilen, hat die Richtervorlage zu erfolgen. Der Nachlassrichter hat dann eigenständig zu prüfen, ob der Erbschein trotz der Bedenken des Nachlassrechtspflegers zu erteilen oder ob der Antrag zurückzuweisen ist. Zur eigenständigen Zurückweisung ist der Nachlassrechtspfleger hingegen nicht berufen.

Das Nachlassgericht wies in seinem Nichtabhilfebeschluss zwar zutreffend darauf hin, dass die Frage unterschiedlich beantwortet wird, ob eigene Einwände des Nachlassrechtspflegers, die von keinem weiteren Beteiligten oder Dritten geteilt werden, zur Richtervorlage verpflichten. So vertritt das OLG Frankfurt in seinem Beschluss vom 30.07.2015 die gegenteilige Auffassung und meint, dass der Rechtspfleger auch für die Zurückweisung eines Erbscheinsantrags zuständig sei. Ansonsten wäre die funktionale Zuständigkeit des Nachlassrechtspflegers bzw. Nachlassrichters von dem beabsichtigten Entscheidungsinhalt abhängig, was nicht nachvollziehbar sei (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. Juli 2015 - 21 W 99/15 -, juris, Rn. 35). Diese Auffassung, die auch in der Kommentarliteratur aufgegriffen wird (vgl. Burandt/ Rohahn/ Giers, 4. Aufl., 2022, § 352e FamFG, Rn. 6; Rellermeyer in Arnold/ Meyer-Stolte, RPflG, 9. Aufl., 2022, § 19 Rn. 13.1) hat in der Literatur teilweise Zustimmung gefunden (vgl. Domisch in RPfleger 2018, 577, 578).

Dieser Auffassung ist zwar zuzugeben, dass sich aus dem direkten Wortlaut des § 19 Abs. 2 RPflG nicht entnehmen lässt, dass eine Richtervorlage auch dann zu erfolgen hat, wenn der Einwand gegen die beantragte Entscheidung ausschließlich von dem Nachlassrechtspfleger erhoben wird. Auch befasste sich der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung über die Einführung des § 19 Abs. 2 RPflG ausschließlich mit der Vorlage für den Fall, dass ein Einwand von einem Verfahrensbeteiligten oder einem sonstigen Dritten erhoben wird (vgl. BT-Drucks. 15/1508, S. 10, 45). Der Fall, dass der Einwand ausschließlich von dem Nachlassrechtspfleger erhoben wurde, wird nicht ausdrücklich geregelt und im Rahmen der Gesetzesbegründung nicht thematisiert. Zur Überzeugung des Senats weist das Gesetz jedoch insofern eine planwidrige Regelungslücke bei vergleichbarer Interessenlage auf, die durch die analoge Anwendung des § 19 Abs. 2 RPflG auch auf diese Fälle zu schließen ist (vgl. zu den Voraussetzungen der Analogie etwa BGH, Urteil vom 16. Juli 2003 - VIII ZR 274/02 -, juris, Rn. 22 ff. m.w.N.).

Es liegt eine Regelungslücke vor. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/1508) sollte es den Ländern über die Öffnungsklausel des § 19 Abs. 1 RPflG ermöglicht werden bestimmte, ursprünglich dem Richter vorbehaltene Angelegenheiten durch Rechtsverordnung auf den Rechtspfleger zu übertragen. Umfasst hiervon sind auch Entscheidungen über die Erteilung von Erbscheinen, sofern eine Verfügung von Todes wegen vorliegt (§§ 19 Abs. 1 Nr. 5, 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG). Über die Verpflichtung zur Richtervorlage nach § 19 Abs. 2 RPflG sollte gleichzeitig sichergestellt werden, dass der Rechtspfleger ausschließlich "unstreitige" Verfahren, also solche, in denen keine Einwände gegen den beantragten Erbschein erhoben werden, bearbeitet. Die "streitigen" Verfahren sollten nach wie vor dem Richter vorbehalten bleiben (vgl. BT-Drucks. 15/1508, S. 45). Hierdurch sollte zum einen dem grundgesetzlich verankerten Rechtsprechnungsvorbehalt für den Richter nach Art. 92 GG Rechnung getragen werden (vgl. BT-Drucks. 15/1508, S. 33) und zum anderen sichergestellt werden, dass der Rechtspfleger nur solche Erbscheinsverfahren bearbeitet, in denen keine weiteren Ermittlungen erforderlich sind (vgl. BT-Drucks. 15/1508, S. 45). Hierbei wurde im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren zunächst auf widersprechende Anträge von Beteiligten abgestellt (vgl. BT-Drucks. 15/1508, S. 10) und die Formulierung dann auf Einwände abgeändert. Hierdurch sollte den Besonderheiten der Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Erbscheinsverfahrens Rechnung getragen werden, wonach Beteiligte - anders als im Zivilprozess - nicht zur Antragstellung gehalten sind und auch Dritte, die noch keine formellen Beteiligten des Verfahrens sind - ggf. zu hören sind. Mit der Frage, wie mit Bedenken des Gerichts gegen den Erbscheinsantrag umgegangen werden soll und wie sich diese auf die funktionale Zuständigkeit auswirken, verhalten sich jedoch weder das Gesetz, noch die Gesetzesbegründung, so dass insofern eine Regelungslücke vorliegt.

Diese Regelungslücke erfolgte auch planwidrig. Dem Gesetzgeber ging es mit der Einführung des § 19 RPflG um eine effiziente Verfahrenssteuerung und den ökonomischen Einsatz von personellen Ressourcen (vgl. BT-Drucks. 15/1508, S. 1), Ziele, die durch die Möglichkeit der Übertragung von ursprünglich richterlichen Angelegenheiten auf den Rechtspfleger umgesetzt werden sollten. Gleichzeitig sollte es in den Fällen von "streitigen" Angelegenheiten zur Wahrung des Rechtsprechungsvorbehaltes des Richters bei der richterlichen Zuständigkeit verbleiben. Hierdurch sollte der Richter vor allem in den Verfahren zuständig bleiben, in denen weitere Ermittlungen anzustellen, Rechtsfragen zu klären oder Testamente auszulegen sind, während der Rechtspfleger die Entscheidungen treffen sollte, die antragsgemäß ergehen können. Dass es allerdings eine Anzahl von Erbscheinsanträgen gibt, die bei Vorliegen einer Verfügung von Todes wegen gestellt werden und welchen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht entsprochen werden kann, ohne dass ein Beteiligter dies rügt oder in denen kein weiterer Beteiligter als die Antragsteller vorhanden sind, wurde hingegen nicht bedacht. Hierbei war diese Konstellation jedoch ebenfalls regelungsbedürftig, da auch in diesen Fällen weitere Ermittlungen anzustellen sind, die nach den Gesetzesbegründungen ausdrücklich dem Richter vorbehalten werden sollen.

In beiden Fällen - der Erhebung von Einwänden durch einen Beteiligten oder deren Erhebung durch das Gericht - liegt eine vergleichbare Interessenlage vor, die eine rechtliche Gleichbehandlung gebietet. Hinsichtlich des Ermittlungsumfangs und der Auseinandersetzung mit der Sach- und Rechtslage macht es in einem Erbscheinsverfahren keinen Unterschied, ob ein und derselbe Einwand von einem Beteiligten oder dem Gericht selbst erhoben wird. In beiden Fällen kann der Erbschein zumindest zunächst nicht wie beantragt erteilt werden und es hat eine weitere Sachverhaltsaufklärung bzw. umfangreiche Auseinandersetzung mit den tatsächlichen oder rechtlichen Gegebenheiten des Verfahrens zu erfolgen. Der Umfang der Ermittlung unterscheidet sich in beiden Fällen auf Grund des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht (§ 26 FamFG). Nachdem das Vorgehen in beiden Situationen identisch ist, muss unter Beachtung von Art. 92 GG auch in beiden Situationen gleichlaufend die Richterzuständigkeit bestehen. Die Verfahren sind unabhängig davon, wer den Einwand erhebt, rechtlich gleich zu behandeln und jeweils durch den funktional zuständigen Nachlassrichter zu entscheiden.

Unter Beachtung dieses Maßstabes war der Nachlassrechtspfleger gehalten, das Verfahren dem Nachlassrichter zur weiteren Bearbeitung vorzulegen, nachdem die Beteiligten zu 1) - 5) in dem Schriftsatz vom 14.03.2024 weiterhin an ihrem Erbscheinsantrag festhielten und der abweichenden Bewertung durch den Nachlassrechtspfleger aus der Zwischenverfügung vom 15.02.2024 widersprachen. Spätestens hätte die Richtervorlage mit Einlegung der Beschwerde und vor Erlass der Nichtabhilfeentscheidung erfolgen müssen. Nachdem der Nachlassrechtspfleger seine Bedenken gegen den Erbscheinsantrag äußerte und die Beteiligen zu 1) - 5) dem nicht folgten, wurde aus dem Verfahren ein "streitiges" Verfahren entsprechend § 19 Abs. 2 RPflG. Der Rechtspfleger erhob Einwände in Bezug auf die eigenhändige Abfassung des gesamten handschriftlichen "Vertrags" des Erblassers und in Hinblick auf die Testamentsauslegung. Aufgrund dieser Einwände gegen den Erbscheinsantrag sind umfangreiche Ermittlungen und rechtliche Bewertungen erforderlich. Diese beziehen sich u.a. auf die Urheberschaft des "Vertrags", die rechtliche Frage, ob dieser eine letztwillige Verfügung darstellt, die Eigentumsverhältnisse hinsichtlich der im "Vertrag" aufgeführten Immobilie zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung, und den Erblasserwillen in Bezug auf seine Rechtsnachfolge. Die hiermit verbundenen Ermittlungen und rechtlichen Bewertungen obliegen dem Nachlassrichter.

Nachdem die Richtervorlage bereits aus den vorstehenden Gründen erforderlich war, kann es im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob der Rechtspfleger nicht auch bereits mit Einreichung des Antrags des Beteiligten zu 2) und dessen Ehefrau vom 07.03.2024 gehalten war, das Verfahren dem Richter vorzulegen. Dort stellten beide einen eigenen Erbscheinsantrag, der von dem ursprünglichen Antrag der Beteiligten zu 1) - 5) abwich und mithin auch einen Einwand i.S.d. § 19 Abs. 2 RPflG darstellen dürfte.