Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 27.03.2008, Az.: 6 A 2018/06

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
27.03.2008
Aktenzeichen
6 A 2018/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 45854
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2008:0327.6A2018.06.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 31.07.2009 - AZ: 7 LA 79/08

Fundstellen

  • BauSV 2009, 75
  • GuG aktuell 2009, 31

In der Verwaltungsrechtssache

...

hat das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Gärtner, den Richter am Verwaltungsgericht Fahs, den Richter Dr. Luth sowie die ehrenamtlichen Richter D. und E. für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27. Februar 2006 und ihres Widerspruchsbescheides vom 3. August 2006 verpflichtet, den Kläger als Sachverständigen für das Fachgebiet "Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, für Mieten und Pachten" öffentlich zu bestellen und zu vereidigen.

  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

  3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

  4. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die öffentliche Bestellung und Vereidigung als Sachverständiger für das Fachgebiet "Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, für Mieten und Pachten".

2

Der Kläger absolvierte von 1993 bis 1995 eine Ausbildung zum Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft bei der G. Der Kläger arbeitete ab dem Jahr 1995 als Sachbearbeiter für die Objektrentabilität und Wohnungsverwaltung bei der G. In dem Zeitraum vom 15. März 1996 bis zum 30. Juni 1996 war der Kläger in der Hausverwaltung bei der Firma I als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Grundstücksangelegenheiten angestellt. In dem Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis zum 30. September 1998 arbeitete der Kläger bei der J. Zugleich war er als freier Mitarbeiter für die Vermietung und den Verkauf von Immobilien bei der K tätig. Seit dem 1. Oktober 1998 war der Kläger als Immobilienmakler und Hausverwalter selbständig tätig und gründete die Firma "L". In dem Zeitraum 1997 bis 1999 nahm der Kläger an der Fortbildung zum Fachwirt für Grundstücks- und Wohnungswirtschaft (IHK) beim M teil und bestand am 27. April 1999 die Prüfung als Fachwirt in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft. Ab dem Jahr 2000 studierte der Kläger an der N. Mit Urkunde vom 25. Januar 2002 erwarb der Kläger den Titel "Diplom-Sachverständiger (X) für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, für Mieten und Pachten". In dem Zeitraum vom 1. Oktober 2000 bis zum 31. März 2002 war der Kläger als kaufmännischer Mitarbeiter/Assistent der Geschäftsführung bei der O. beschäftigt.

3

Der Kläger ist seit dem 1. April 2002 als freier Mitarbeiter bei der H tätig.

4

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 18. Februar 2005 die öffentliche Bestellung und Vereidigung zum Sachverständigen der Beklagten für das Fachgebiet "Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, für Mieten und Pachten". Zum Nachweis seiner besonderen Sachkunde fügte der Kläger dem Antrag seinen vollständigen Lebenslauf unter besonderer Berücksichtigung des Ausbildungsweges und beruflichen Werdeganges einschließlich der gegenwärtigen Tätigkeit, Abschlusszeugnisse ("Diplom-Sachverständiger (X)", "Fachwirt in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft" und "Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft") und Zeugnisse über seine praktische Tätigkeit (Referenz der P., der O., der J., der Q. und der r) bei. Zudem legte er insgesamt sieben selbst verfasste Gutachten vor.

5

Dazu gehörten:

- ein Verkehrswertgutachten über eine Eigentumswohnung in R. (1),

- ein Verkehrswertgutachten über ein Einfamilienhaus mit Nebengebäude in S. (2),

- ein Verkehrswertgutachten über ein ehemaliges Schulzentrum in R. (3),

- ein Verkehrswertgutachten über ein O. und ein Wohngebäude in R. (4),

- ein Verkehrswertgutachten über ein Mehrfamilienhaus mit 18 Wohnungen in R. (5),

- ein Gutachten über die ortsübliche Vergleichsmiete für Büroflächen in einem Gebäude in R. (6),

- ein Gutachten über die ortsübliche Vergleichsmiete nach § 558 BGB für eine Wohnung in R. (7).

6

Mit Schreiben vom 16. März 2005 teilte der von der Beklagten als Sachverständiger für Kraftfahrzeugtechnik, Kraftfahrzeugschäden und -bewertung sowie Straßenverkehrsunfälle öffentlich bestellte und vereidigte Dipl.-Ing. T. mit:

"Sie haben mir die Unterlagen des o.g. Antragstellers zukommen lassen und mich gebeten, diesen Antrag zu beurteilen. Nach Durchsicht der Unterlagen komme ich zu folgendem Ergebnis:

Meine Ausführungen beschränken sich auf die Beurteilung der vorgelegten Gutachten. Zur Person des Antragstellers wird sich Herr U. äußern. Herr V. hat mit seinem Antrag 7 Gutachten eingereicht, die sich mit unterschiedlichen Aufträgen aus dem beantragten Sachgebiet befassen und nicht älter als ein Jahr sind.

In zwei der Gutachten wird der Verkehrswert einer Eigentumswohnung und eines Einfamilienhauses festgestellt. Die angewendeten Verfahren über die Ermittlung der Verkehrswerte sind ausführlich beschreiben und auch für den Laien nachvollziehbar. Die Auswahl des angewendeten Bewertungsverfahrens ist eingehend begründet. In einem weiteren Gutachten wird der Wert eines unbebauten Grundstückes ermittelt, dass z. Zt. noch mit Schulgebäuden bebaut ist, die abgerissen werden sollen. Das Verkehrswert-Gutachten für ein Büro- und Wohngebäude in der Bremer Innenstadt berücksichtigt die Tatsache, dass das Gebäude unter Denkmalschutz steht. Diese besonderen Umstände bei der Ermittlung des Verkehrswertes sind vom Antragsteller ausführlich erläutert. Ein weiteres Gutachten dient zur Feststellung des Verkehrswertes eines größeren Mehrfamilienhauses. Auch zwei Gutachten zur Mietwertermittlung für ein gewerbliches Objekt (Büroräume) und für eine Mietwohnung hat Herr V. vorgelegt.

Die eingereichten Gutachten decken alle Sachgebiete ab, für die Herr V. die öffentliche Bestellung anstrebt und weisen teilweise auch überdurchschnittliche Anforderungen auf. Gerichtsgutachten sind allerdings nicht dabei. Sämtliche Gutachten erfüllen alle formalen Voraussetzungen, die an eine solche Ausarbeitung gestellt werden. So sind jeweils der Auftraggeber (unkenntlich gemacht) genannt, der Auftrag beschrieben und die Teilnehmer an Ortsbesichtigungen angeführt. Die Gutachten sind übersichtlich gestaltet, mit Inhaltsangabe und Quellennachweis. Das Bewertungsobjekt ist ausführlich beschrieben. Lagepläne und Stadtplanausschnitte sowie Lichtbilder erleichtern die Orientierung. Die Ausarbeitungen sind systematisch aufgebaut und übersichtlich gegliedert. Die sprachliche Ausdrucksweise ist einwandfrei.

Ich kann daher dem Ausschuss empfehlen, der Kammer vorzuschlagen, Herr V für das beantragte Sachgebiet öffentlich zu bestellen."

7

Mit Bescheid vom 1. August 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie beabsichtige, die vorgelegten Gutachten ihrem Ausschussmitglied W bis zur nächsten Ausschusssitzung am 10. November 2005 noch einmal zur Prüfung vorzulegen. Sie werde den Kläger bei positiver Bewertung der Gutachten zur nächsten Sachverständigenausschusssitzung persönlich laden. Im Rahmen dieser Sitzung werde entschieden, ob sie den Kläger zur Fachprüfung anmelde.

8

Mit Schreiben vom 18. Oktober 2005 bat die Beklagte Herrn W. um Beurteilung der Gutachten des Klägers.

9

Am 10. November 2005 tagte der Sachverständigenausschuss der Beklagten. Zu dieser Sitzung wurde der Kläger persönlich geladen.

10

Mit Schreiben vom 11. Januar 2006 bat der Kläger um Mitteilung des Sachstands.

11

Mit Schreiben vom 16. Februar 2006 informierte sich der Kläger über die Gründe, die der Bescheidung seines Antrags entgegenstehen. Er wies darauf hin, dass er trotz telefonischer und schriftlicher Nachfrage bislang weder einen Bescheid noch eine Nachricht erhalten habe. Er führte dazu aus:

12

Er habe nach vollständiger Einreichung seiner Unterlagen und erfolgreicher Prüfung der Gutachten am 10. November 2005 bei der Sachverständigenausschusssitzung vorgesprochen. Ein Mitarbeiter der Beklagten habe ihm mitgeteilt, dass eine Entscheidung des Sachverständigenausschusses per Bescheid bis Weihnachten 2005 erfolgen werde. Auch sei ihm in Aussicht gestellt worden, dass ihm im Bescheid aufgegeben werde, einige Seminare zu besuchen. Daraufhin habe er dem Mitarbeiter der Beklagten mitgeteilt, die erforderlichen Seminare bis zur nächsten Sachverständigenausschusssitzung am 27. März 2006 besuchen zu wollen, obwohl diese geforderten Themen bereits während seines Studiums eingehend erörtert und bearbeitet worden seien. Auch habe er ausdrücklich um die Zusendung eines Bescheides bis Weihnachten gebeten, um die Seminare buchen zu können.

13

Mit Bescheid vom 27. Februar 2006 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 18. Februar 2005 ab.

14

Zur Begründung führte sie aus:

15

Der Kläger habe den erforderlichen Nachweis seiner besonderen Sachkunde auf dem Sachgebiet "Wertermittlung von bebauten und unbebauten Grundstücken, Mieten und Pachten" nicht nachgewiesen. Zwar hätten die eingereichten Gutachten des Klägers "insgesamt gesehen einen guten Eindruck hinterlassen". Auch habe der Kläger in der Ausschusssitzung vom 10. November 2005 einen "fachkompetenten und sicheren Eindruck hinterlassen". Doch könne sie ihm "trotz dieses positiven Gesamteindrucks" nicht die für die Bestellung erforderliche besondere Sachkunde bescheinigen, weil der Maßstab der besonderen Sachkunde über eine gute Fachkompetenz hinausgehe. Die erforderliche besondere Sachkunde besäßen nur herausragende Experten auf diesem Gebiet. Auch erfülle der Kläger die persönliche Bestellungsvoraussetzung einer gewissen Tätigkeitsdauer als Sachverständiger nur bei wohlwollender Betrachtungsweise. Er habe im Bereich des Sachverständigenwesens bei der X zwar die Gutachtentechnik erlernt. Zur Verbreitung seines Wissenshorizontes empfehle sie dem Kläger - vor erneuter Antragstellung - jedoch, grundlegende Sachverständigenseminare zu belegen.

16

Der Kläger erhob gegen den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2006 mit Schreiben vom 5. März 2006 Widerspruch.

17

Die Beklagte bestätigte mit Schreiben vom 17. März 2006 den Eingang des Widerspruchs und kündigte an, dass sie die Angelegenheit in sachlicher und rechtlicher Hinsicht erneut prüfen werde.

18

Mit Schreiben vom 20. März 2006 begründete der Kläger seinen am 5. März 2006 erhobenen Widerspruch.

19

Er trug vor:

20

Er besitze die erforderliche "besondere Sachkunde". Sein abgeschlossenes Studium zum Diplom-Sachverständigen (X) für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, für Mieten und Pachten sei ein bundesweit hoch angesehener Abschluss im Bereich der Immobilienbewertung. Bei verschiedenen Industrie- und Handelskammern reiche dieser Abschluss bereits als Nachweis der besonderen Sachkunde aus. Bei diesem Studium an der X handele es sich um ein sehr ausführliches und kompetentes Studium des Sachverständigenwesens für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, Mieten und Pachten. Die Ausbildung orientiere sich am Kurrikulum des deutschen Industrie- und Handelskammertags, welches wiederum für die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen zugrunde gelegt werde. Die Ablehnung seines Antrags habe bei der X und dem Y großes Unverständnis ausgelöst. Der Kläger legte zum Nachweis seiner Angaben den Stoffplan, die Zulassungsvoraussetzungen, den Studienführer der X, ein Schreiben der Z. und ein Schreiben des J. vor. Darüber hinaus könne er eine ausreichende Tätigkeitsdauer vorweisen. Er habe bereits im Januar 2002 das Studium erfolgreich abgeschlossen. Setze man seine Hospitationszeit bei Herrn K als Zeitpunkt des Tätigkeitsbeginns an, so sei er bereits seit über 5 Jahren als Sachverständiger erfolgreich tätig. Im Übrigen verlange die Sachverständigenordnung der Beklagten keine bestimmte Tätigkeitsdauer. Ungeachtet dessen werde er auch zukünftig - aus eigener Veranlassung - weiterbildende Seminare besuchen. Er legte seinem Schreiben ferner eine Teilnahmebestätigung des E vom 27. Oktober 2005 zu den Themen: "Die Rechtsstellung des öffentlich bestellten Sachverständigen", "Der öffentlich bestellte Sachverständige als Gerichtsgutachter" und eine Bescheinigung der Beklagten vom 10. November 2005 über die Teilnahme am 6. Sachverständigentag zu den Themen: "Qualitätssicherung und Wiederbestellung in der öffentlichen Bestellung", "Werbung des Sachverständigen" und "Neues aus dem Sachverständigenwesen" bei.

21

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2006 zurück.

22

Zur Begründung führte sie aus:

23

Der Kläger erfülle die Voraussetzungen gemäß § 36 Gewerbeordnung - GewO - für eine öffentliche Bestellung als Sachverständiger auf dem Sachgebiet Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, Mieten und Pachten nicht vollständig. Die sieben Gutachten des Klägers genügten nach Überzeugung ihres Sachverständigenausschusses nicht den Anforderungen, die an eine besondere Sachkunde zu stellen seien. Der Kläger müsse dafür eine Sachkunde nachweisen, die über Kenntnisse von Sachverständigen, die nicht öffentlich bestellt und vereidigt seien, weit hinausgehe. Die Gutachten des Klägers machten zwar insgesamt einen zufriedenstellenden Eindruck. Doch sei dies für eine öffentliche Bestellung und Vereidigung als Sachverständiger nicht genügend. Schon aus diesem Grund habe sie dem Widerspruch des Klägers nicht abhelfen können. Darüber hinaus habe der Kläger die Voraussetzung nach Ziffer 1 der fachlichen Bestellungsvoraussetzung nicht erfüllt. Die X sei keine Lehranstalt im Sinne der Ziffer 1.1 der fachlichen Bestellungsvoraussetzungen. Danach sei erforderlich, dass der Kläger an einer staatlich anerkannten Hoch- oder Fachhochschule mit einer einschlägigen Fachrichtung, wie beispielsweise Architektur, Bauingenieurwesen, Vermessungswesen bzw. Wirtschaftswissenschaften studiert habe. Das vom Kläger erfolgreich abgeschlossene Studium sei angesichts der Studienkürze von 4 Semestern á 100 Stunden als eine intensive und weiterführende Fortbildungsmaßnahme zu betrachten, die ein Studium im vorstehenden Sinne zwar sinnvoll ergänze, jedoch nicht ersetzen könne. Auch die Voraussetzung für den alternativen Nachweis einer mindestens 10-jährigen praktischen Tätigkeit im Sinne von Ziffer 1.2 der fachlichen Bestellungsvoraussetzungen liege nicht vor. Der Kläger sei ausweislich seines eingereichten Lebenslaufes seit dem 1. Oktober 1998 als Immobilienmakler tätig. Da die vom Kläger eingereichten Gutachten nicht unerheblich hinter den Anforderungen an eine besondere Sachkunde zurückblieben, habe sie auch nicht die Ausbildungszeit des Klägers zum Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft im Sinne der Ziffer 1.2 der fachlichen Bestellungsvoraussetzungen anrechnen können. Die Beklagte empfahl dem Kläger erneut, weitere vertiefende Seminare, insbesondere auf dem Gebiet der Erstellung von Gerichtsgutachten, zu besuchen.

24

Daraufhin hat der Kläger am 15. August 2006 die vorliegende Klage erhoben.

25

Zur Begründung trägt er vor:

26

Er habe gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 der Gewerbeordnung Anspruch auf eine öffentliche Bestellung und Vereidigung als Sachverständiger für das Fachgebiet "Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, für Mieten und Pachten". Die Beklagte habe seinen Antrag - ohne erkennbare Auseinandersetzung mit seiner besonderen Sachkunde - zu Unrecht abgelehnt. Er hebe sich durch seine nachgewiesene besondere Sachkunde von den Berufskollegen mit einer allgemeinen fachlichen Befähigung ab. Die Beklagte habe bislang nicht substantiiert dargetan, weshalb der Kläger den Nachweis der besonderen Sachkunde nicht erbracht habe. Insbesondere habe die Beklagte sich weder im Ablehnungsbescheid noch im Widerspruchsbescheid konkret mit den eingereichten sieben Gutachten auseinandergesetzt. Vielmehr habe sie ihm bescheinigt, dass die von ihm eingereichten Gutachten insgesamt gesehen einen guten Eindruck hinterlassen hätten. Weshalb der Sachverständigenausschuss der Beklagten nachträglich zu der Auffassung gelangt sei, die eingereichten 7 Gutachten genügten nicht den Anforderungen der besonderen Sachkunde, könne er nicht ansatzweise nachvollziehen. Zudem habe die Beklagte ihn zu keiner Zeit darauf aufmerksam gemacht, dass sie den Studiengang der X nicht anerkenne. Diese Einschätzung der Beklagten stelle für ihn eine Überraschungsentscheidung dar.

27

Der Kläger beantragt,

  1. den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2006 und deren Widerspruchsbescheid vom 3. August 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Sachverständigen für das Fachgebiet "Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, für Mieten und Pachten" öffentlich zu bestellen und zu vereidigen, hilfsweise, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

28

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

29

Zur Begründung trägt sie vor:

30

Der Kläger erfülle die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 GewO nicht. Danach seien Personen, die als Sachverständige auf den dort genannten Gebieten tätig sind oder tätig werden wollen, auf Antrag durch die von den Landesregierung bestimmten oder nach Landesrecht zuständigen Stellen für bestimmte Sachgebiete öffentlich zu bestellen, sofern für diese Sachgebiete ein Bedarf an Sachverständigenleistungen besteht, sie hierfür besondere Sachkunde nachweisen und keine Bedenken gegen ihre Eignung bestehen. Bis auf den Nachweis der besonderen Sachkunde seien diese Voraussetzungen bei dem Kläger erfüllt. Die "besondere Sachkunde" setze voraus, dass der Sachverständige überdurchschnittliche Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten auf einem bestimmten, abgrenzbaren Sachgebiet nachweisen kann, dass er in der Lage ist, einen konkreten Streitfall in Gutachtenform nachvollziehbar, nachprüfbar und verständlich zu bearbeiten. Ob dies der Fall sei, richte sich nach ihrer Sachverständigenordnung und den fachlichen Bestellungsvoraussetzungen für das jeweilige Sachgebiet. Ihre Legitimation, die Verfahrensweise zur öffentlichen Bestellung von Sachverständigen selbst zu regeln, ergebe sich aus § 36 Abs. 4 GewO in Verbindung mit § 6 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Bundesrecht zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern.

31

Hiernach könne sie die erforderlichen Vorschriften über die Voraussetzungen für die Bestellung sowie über die Befugnisse und Verpflichtungen der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit im Sinne des § 36 Abs. 3 der GewO erlassen. Von dieser Kompetenz habe sie mit Verabschiedung ihrer Sachverständigenordnung Gebrauch gemacht und hierbei die Vorgaben der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 1990 beachtet. Gemäß § 4 ihrer Sachverständigenordnung entscheide sie über die öffentliche Bestellung nach Anhörung der dafür bestehenden Ausschüsse und Gremien. Zur Überprüfung der besonderen Sachkunde könne sie Referenzen einholen, sich vom Bewerber erstattete Gutachten vorlegen lassen, Stellungnahmen fachkundiger Dritter abfragen, die Einschaltung eines Fachgremiums veranlassen und weitere Erkenntnisquellen nutzen. Da der Vielzahl der einzelnen Sachgebiete vernünftigerweise Rechnung getragen werden müsse, regele § 3 Nr. 1 Satz 2 der Sachverständigenordnung, dass sie die jeweiligen Bestellungsvoraussetzungen selbst bestimme. Die Industrie- und Handelskammern wendeten hierbei die fachlichen Bestellungsvoraussetzungen des w an. Sie lasse sich gemäß § 4 Satz 2 der Sachverständigenordnung zur Überprüfung der besonderen Sachkunde vom Antragsteller zu erstattende Gutachten vorlegen. Die Anforderungen an die Themen der Gutachten richteten sich in diesem Fall nach Ziffer 1.3 der fachlichen Bestellungsvoraussetzung für das Sachgebiet "Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken". Sie habe die vom Kläger vorgelegten Gutachten wie folgt beurteilt:

" Zum Verkehrswertgutachten 1 (Anlage B1):

Der Kläger befasst sich mit der Ermittlung des Verkehrswertes einer Eigentumswohnung. Der Schwierigkeitsgrad ist einfach. Die Quellenangaben zu Vorgaben wurden gemacht, der Aufbau ist systematisch, die Gliederung übersichtlich. Insgesamt macht das Gutachten einen guten Eindruck. Aufgrund seiner Einfachheit ist es jedoch zum Nachweis der besonderen Sachkunde nur eingeschränkt geeignet.

Zum Verkehrswertgutachten 2 (Anlage B2):

Der Kläger befasst sich mit der Ermittlung des Verkehrswertes eines Einfamilienhauses mit Nebengebäude. Auch hier ist der Schwierigkeitsgrad einfach. Wie im vorangegangenen Gutachten ist der Aufbau stringent und logisch. Allerdings geht aus dem Gutachten nicht hervor, dass der Kläger die zugrunde gelegten Flächen auch überprüft hat.

Zum Verkehrswertgutachten 3 (Anlage B3):

Der Kläger befasst sich mit der Ermittlung des Verkehrswertes eines ehemaligen Schulungszentrums. Der Schwierigkeitsgrad ist hoch. Äußerlich macht es einen ebenso guten Eindruck. Inhaltlich bestehen jedoch zum Teil erhebliche Mängel. So werden zwei verschiedene Verkehrswerte zugrunde gelegt, die Bruttogrundfläche wird offensichtlich ungeprüft den Angaben des Eigentümers entnommen. Zudem wird das Liquidationswertverfahren zwar erwähnt aber nicht rechnerisch dargestellt.

Zum Verkehrswertgutachten 4 (Anlage B4):

Der Kläger befasst sich mit der Ermittlung des Verkehrswertes eines Denkmalgeschützten bewohnten Gebäudes, das auch gewerblich genutzt wird. Der Schwierigkeitsgrad ist hoch. Die Bewirtschaftungskosten werden pauschal und ohne Begründung mit 30 % angesetzt. Ohne nachvollziehbaren Grund weicht das Gutachten im Folgenden von dieser Zahl ab. Auch bei diesem Gutachten wird die Bruttogrundfläche offensichtlich nicht überprüft. Es wird zudem nicht hinreichend deutlich, warum bei der Bodenwertermittlung ein Abschlag i.H.v. 10 % erfolgt.

Zum Verkehrswertgutachten 5 (Anlage B5):

Der Kläger befasst sich mit der Ermittlung des Verkehrswertes eines Mehrfamilienhauses. Die Materie weist einen mittleren Schwierigkeitsgrad auf. Quellenangaben zu Vorgaben sind in Ordnung, die notwendigen Personen wurden zu Ortsterminen zitiert, der Aufbau ist systematisch und übersichtlich gegliedert. Leider weist auch dieses Gutachten Schwächen im Hinblick auf die Überprüfung der Bruttogrundfläche auf. Es erfolgt zudem eine zu pauschale Anrechnung der Bodenrichtwertkarte. Bis auf ein paar weitere kleine Mängel ist das Gutachten im Übrigen in Ordnung.

Zum Verkehrswertgutachten 6 (Anlage B6):

Der Kläger befasst sich mit der Entwicklung des Mietwerts eines Büros. Der Schwierigkeitsgrad entspricht mittleren Anforderungen. Aufbautechnisch und systematisch wirkt das Gutachten ebenso ansprechend wie die zuvor erwähnten. Allerdings wird die Gewerbemiete nicht aus Marktmieten ermittelt, sondern aus Neu- und Bestandsmieten für Wohnungen. Im Übrigen ist das Gutachten in Ordnung.

Zum Verkehrswertgutachten 7 (Anlage B7):

Der Kläger befasst sich mit der Ermittlung des Mietwertes einer Wohnung. Der Schwierigkeitsgrad entspricht etwa dem des Gutachtens 6. Die ortsübliche Vergleichsmiete wird leider nicht unter Neuvermietungsgesichtspunkten berücksichtigt. "

32

Drei Mitglieder ihres Sachverständigenausschusses seien nach Beurteilung der eingereichten Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger überdurchschnittliche Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem beantragten Sachgebiet nicht nachgewiesen habe. Nur ein Mitglied ihres Sachverständigenausschusses habe die Gutachten des Klägers mit gut benotet. Ausschlaggebend bei der Gesamtbeurteilung sei das Votum des Prüfers gewesen, der auf dem hier maßgebenden Sachgebiet selbst als öffentlich bestellter Sachverständiger tätig sei und auf diesem Sachgebiet an einer Hochschule lehre. Der Kläger habe demnach den Nachweis dafür, dass er über ein fachliches Niveau verfügt, das weit über jenes von nicht öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen liegt, nicht angetreten. Dieser Nachweis sei erforderlich, weil sich Gerichte regelmäßig der Hilfe öffentlicher bestellter und vereidigter Sachverständige bedienten, deren Fachwissen für den Ausgang des Verfahrens von entscheidender Bedeutung sei. Der Kläger habe zwar inhaltlich nicht zu beanstandende Gutachten vorgelegt. Der Schwierigkeitsgrad dieser Gutachten sei allerdings eher einfach. Der Einwand des Klägers, es habe an einer objektiven Überprüfung und nachvollziehbaren Auseinandersetzung mit seiner Sachkunde gemangelt, treffe nicht zu. Der Antrag des Klägers sei Gegenstand ausführlicher Besprechungen in den Sachverständigenausschusssitzungen am 16. März 2005, am 10. November 2005 sowie zuletzt am 9. Oktober 2006 gewesen. Sie habe dem Kläger die Möglichkeit eingeräumt, sich in der Sitzung am 10. November 2005 persönlich vorzustellen und im Rahmen eines Fachgesprächs seine überdurchschnittliche Qualifikation und seine Berufserfahrung zu beweisen. Dies sei dem Kläger nicht gelungen.

33

Es sei indes zutreffend, dass eine Auseinandersetzung mit den eingereichten Gutachten des Klägers in dem Ausgangsbescheid vom 27. Februar 2006 und im Widerspruchsbescheid vom 3. August 2006 "nicht hinreichend deutlich wurde". Ferner sei dem Kläger nicht bewusst, dass eine öffentliche Bestellung und Vereidigung auf einem bestimmten Sachgebiet erst nach erfolgreicher Ablegung einer schriftlichen und ggf. mündlichen Prüfung bei einem Fachgremium i.S.d. § 4 S. 2 der Sachverständigenordnung erfolgen könne. Zu dieser werde der Kläger erst zugelassen, wenn sie nach Abstimmung mit Ihrem Sachverständigenausschuss zu der Auffassung gelangt sei, dass er durch Vorlage seiner Gutachten hinreichende Aussicht auf das Bestehen der Prüfung habe. Auf die Frage der Vorbildung des Klägers gemäß Ziffer 1 der fachlichen Bestellungsvoraussetzungen komme es nicht entscheidend an. Sie halte an ihrer Auffassung fest, dass das von dem Kläger absolvierte Studium bei der X kein Studium i.S.d. Ziffer 1.1 darstelle. Allerdings hätten sich im Hinblick auf den hierzu alternativen Weg über die praktischen Tätigkeiten i.S.v. Ziffer 1.2 der Bestellungsvoraussetzungen Änderungen ergeben, die sie mit Wohlwollen zugunsten des Klägers auslegen möchte. Nach der neuen Fassung ihrer Bestellungsvoraussetungen sei für eine Anrechnung einer praktische Tätigkeit nunmehr eine achtjährige immobilienbezogene praktische Tätigkeit ausreichend, von der allerdings 5 Jahre in der Immobilienbewertung absolviert worden sein müssten. Der Kläger habe in den Jahren 1993 bis 1995 eine Berufsausbildung zum Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft absolviert. Dabei könne dahinstehen, ob man für die praktische Tätigkeit bereits die Aufnahme der Tätigkeit des Klägers als Sachbearbeiter im Jahre 1995 als ausreichend ansieht oder erst die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit als Immobilienmakler seit dem 1. Oktober 1998. Auch nach letzterer Maßgabe hätte der Kläger bis zum jetzigen Zeitpunkt eine mindestens achtjährige, immobilienbezogene Tätigkeit ausgeübt, so dass sie seine Vorbildung als erfüllt ansehe.

34

Der Kläger repliziert:

35

Es sei zutreffend, dass er sich bei dem Verkehrswertgutachten (1) mit der Ermittlung des Verkehrswerts einer Eigentumswohnung beschäftigt habe. Die nicht begründete Einschätzung der Beklagten, dass der Schwierigkeitsgrad dieses Gutachtens als einfach gering einzustufen sei, könne ihm nicht entgegengehalten werden. Die so genannte "Grundstücksbewertung" des Instituts für Sachverständigenwesen e.V. (Ziffer 1.3, S. 3) verlange die Bewertung eines derartigen Objekts. Auch sei bei diesem Gutachten das Vergleichswertverfahren anzuwenden. Die zu bewertende Wohnung sei vom Eigentümer genutzt und nicht vermietet worden, so dass eine Ertragswertermittlung in diesem Fall weder üblich und noch erforderlich gewesen sei. Zudem habe er die Flächen anhand einiger Stichproben überprüft und im Ergebnis eine Übereinstimmung mit den Plänen festgestellt. Aus diesem Grund habe er die stichprobenartige Überprüfung der Flächengrößen im Gutachten nicht erwähnt. Im Übrigen habe die Beklagte den Gesamteindruck und die Beurteilung des Verkehrswertgutachtens (1) mit "gut" beschrieben.

36

Bei der Anfertigung des Verkehrswertgutachtens (2) hätten ihm exakte Bauzeichnungen vorgelegen. Zudem habe die Beklagte selbst festgestellt, dass das Gutachten im Aufbau stringent und logisch ist. Die Beklagte habe den Gesamteindruck und die Beurteilung dieses Gutachtens - ebenfalls - als "gut" eingestuft.

37

Bei der Anfertigung des Verkehrswertgutachtens (3) habe er ein ehemaliges Schulzentrum bewertet. Dabei habe er nicht zwei verschiedene Verkehrswerte zugrunde gelegt, sondern die Verkehrswerte vielmehr ermittelt. Die Ermittlung eines Verkehrswertes zu einem zeitnahen Wertermittlungsstichtag und zu einem Stichtag in einigen Jahren (hier 5 Jahre) sei durchaus üblich und entspreche den Anforderungen des § 20 WertV. Bezüglich der so genannten Bruttogrundfläche hätten ihm aktuelle Vermessungsprotokolle der Stadt R. vorgelegen. Die Gebäude und Räume seien mit der neuesten (Laser-)Technik vermessen und in die Datenbanken/Zeichnungen eingetragen worden. Laut Gutachterauftrag sei keine erneute Prüfung durch den Sachverständigen vorgesehen gewesen. Eine Bewertung habe mit den vorhandenen Zahlen erfolgen sollen. Auch habe er eine stichprobenartige Prüfung vorgenommen, bei der er Abweichungen nicht festgestellt habe. Er habe aufgrund des Zustands der Gebäude und der dadurch ersichtlichen Unvermietbarkeit im Einvernehmen mit dem Auftraggeber einen negativen Reinertrag vorausgesetzt. Die Darstellung des Verfahrens sei in Anlehnung an das "Schema" für die Ermittlung des Verkehrswertes von Grundstücken mit wirtschaftlich verbrauchter Bausubstanz" erfolgt (vgl. hierzu M, in M, N, O, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 4. Auflage 2002, S. 1715 ff., Anlage K 15, b.b.). Der Erstbeurteiler der Beklagten habe den Schwierigkeitsgrad des vorliegenden Gutachtens als hoch eingestuft und hinsichtlich des Gesamteindruckes und der Beurteilung des Gutachtens die Note "sehr gut" vergeben. Vor diesem Hintergrund sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Zweitgutachter der Beklagten das Gutachten als "völlig unbrauchbar" beurteilt habe.

38

Entgegen der Darstellung der Beklagten sei bei dem Verkehrswertgutachten (4) ein denkmalgeschütztes O. und ein denkmalgeschütztes Wohngebäude zu bewerten gewesen. Es handele sich daher nicht, wie von der Beklagten vorgetragen, um ein denkmalgeschütztes bewohntes Gebäude mit gewerblicher Nutzung. Beide Gebäude hätten sich auf einem Grundstück befunden. Nach dem Gutachterauftrag sei die Bewertung der Gebäude getrennt voneinander durchzuführen gewesen. Er habe den Ansatz der Bewirtschaftungskosten mit 28 % auf Seite 30 seines Gutachtens begründet und den weiteren Berechnungen zu Grunde gelegt. Bei der Berechnung auf Seite 32 habe er im kleingedruckten Teil die Zahl 30 einmalig falsch angegeben. Dabei handele es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler. Aus der nächsten Zeile ergebe sich eindeutig, dass er 28 % Bewirtschaftungskosten gemeint habe. Er habe beide Gebäude getrennt bewertet und berechnet. Die vom Zweitgutachter der Beklagten gerügten Bewirtschaftungskosten mit 26 % habe er in seinem Gutachten an keiner Stelle erwähnt. Hinsichtlich der Erläuterungen zu der Bruttogrundfläche (BGF) verweise er auf die Ausführungen zum Verkehrswertgutachten (3). Die Minderung des Bodenwertes seien eindeutig erläutert worden (Seite 20 des Gutachtens). Eine weitere Erläuterung sei nicht erforderlich gewesen. Bei der Minderung des Bodenwertes habe er einen Abschlag in Höhe von 10 % aufgrund des Grundstücksmarktberichts 2002 - Erscheinungsjahr 2003 - des Gutachterausschusses R. vorgenommen. Danach seien die in der Bodenrichtwertkarte R. 2002 (Stand: 01.01.2002) ausgewiesenen Richtwerte für Wohnbauland (W.) durch den Anwender um 10 % zu reduzieren. Die Beurteiler der Beklagten hätten den Schwierigkeitsgrad des Gutachtens mit "höher" angegeben. Gesamteindruck und Beurteilung seien mit gut bewertet worden.

39

Die Erläuterungen der Bruttogrundfläche gälten auch für das Verkehrswertgutachten (5). Er habe den Bodenrichtwert in seinem Gutachten auf Seite 16 begründet. Er könne mangels Begründung nicht nachvollziehen, weshalb die Beklagte den Schwierigkeitsgrad dieses Gutachtens mit normal eingestuft habe. Sein Gutachten sei nach Gesamteindruck und Beurteilung - wieder - mit "gut" bewertet worden.

40

Zu dem Gutachten (6) müsse er grundsätzliche Ausführungen zum Verständnis machen. Die Miete sei aus Bestandsmieten für Gewerbe ermittelt worden. Von Wohnungsmieten sei im gesamten Gutachten nicht die Rede gewesen. Die Ausführungen in der Klageerwiderung vom 25. Oktober 2006 und die Bewertung durch die Gutachter seien widersprüchlich. Grundsätzlich gelte Folgendes:

"Für R. gibt es keinen qualifizierten Mietspiegel für Wohnraum. Grundsätzlich gibt es keinen Mietpreisspiegel für gewerblich genutzte Räume. Im Grundstücksmarktbericht des Gutachterausschusses R werden keine Gewerbemieten genannt. Markterhebungen und Richtwert werden nur von zwei großen Bremer Unternehmen durchgeführt. Dies sind P-Partner - Q. und y in Zusammenarbeit mit S."

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Gewerbemietpreisspannen von 7,00 € bis 12,00 € für Neumieten und stadtteilbezogene Mieten seien nicht genannt worden. Gleiches gelte für den T-Gewerbe-Preisspiegel. In den letzten 3 bis 4 Jahren sei das Gewerberaumniveau relativ konstant gewesen. Aus diesem Grund seien die als Vergleichsmieten genommenen Bestandsmieten Neumieten der Jahre 2003/2004 aus real abgeschlossenen Verträgen als bestmögliche Grundlage zur Herleitung von Marktmieten anzunehmen. Aus welchem Grund der Schwierigkeitsgrad des Gutachtens mit normal eingestuft worden sei, habe die Beklagte nicht erläutert. Gesamteindruck und Beurteilung sei - auch hier - "gut" gewesen. Die Aussage der Beklagten in der Klageerwiderung vom 25. Oktober 2006 "Allerdings wird die Gewerbemiete nicht aus Marktmieten ermittelt, sondern aus Neu- und Bestandsmieten für Wohnungen" sei unklar und in der Sache unrichtig sei.

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Bei dem Gutachten (7) habe er eine vermietete Wohnung bewerten müssen. Eine Neuvermietung habe nicht stattfinden sollen. Daher sei die Berücksichtigung von Bestandsmieten zutreffend. Gesamteindruck und Beurteilung seien mit gut bewertet worden. Lediglich der Zweitgutachter der Beklagten habe das Wort "eingeschränkt" hinzugefügt.

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Im Ergebnis habe er durch seine erworbene Reputation - was die Beklagte mit Klageerwiderung vom 25. Oktober 2006 anerkannt habe - und durch die vorgelegten Gutachten seine besondere Sachkunde hinreichend nachgewiesen.

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Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat Erfolg.

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Der Kläger hat Anspruch auf öffentliche Bestellung und Vereidigung als Sachverständiger für das Fachgebiet "Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, für Mieten und Pachten" gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 GewO i.V.m. § 3 Nr. 2 und § 4 Satz 1 und 2 der Sachverständigenordnung der Beklagten vom 5. November 2001.

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Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 GewO sind Personen, die als Sachverständige auf den Gebieten der Wirtschaft einschließlich des Bergwesens, der Hochsee- und Küstenfischerei sowie der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaues tätig sind oder tätig werden wollen, auf Antrag durch die von den Landesregierung bestimmten oder nach Landesrecht zuständigen Stellen für bestimmte Sachgebiete öffentlich zu bestellen, sofern für diese Sachgebiete ein Bedarf an Sachverständigenleistungen besteht, sie hierfür besondere Sachkunde nachweisen und keine Bedenken gegen ihre Eignung bestehen.

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Gemäß § 36 Abs. 3 GewO können die Landesregierung durch Rechtsverordnung die zur Durchführung der Abs. 1 und 2 erforderlichen Vorschriften über die Voraussetzungen für die Bestellung sowie über die Befugnisse und Verpflichtungen der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit erlassen, insbesondere über

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1. die persönlichen Voraussetzungen einschließlich altersmäßiger Anforderungen, den Beginn und das Ende der Bestellung,

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2. die in Betracht kommenden Sachgebiete einschließlich der Bestellungsvoraussetzungen,

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3....

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und hierbei auch die Stellung des hauptberuflich tätigen Sachverständigen regeln.

53

Gemäß § 36 Abs. 4 GewO können Körperschaften des öffentlichen Rechts, die - wie die Industrie- und Handelskammern in Niedersachsen (vgl. § 6 des Nds. Ausführungsgesetzes zum Bundesrecht zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern) - für die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen zuständig sind, durch Satzung die in Abs. 3 genannten Vorschriften erlassen, soweit die Landesregierung - wie hier der Fall - weder von ihrer Ermächtigung nach Abs. 3 noch nach § 155 Abs. 3 Gebrauch gemacht hat. Die Beklagte hat von dieser Möglichkeit durch Erlass einer Sachverständigenordnung vom 5. November 2001 Gebrauch gemacht.

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Gemäß § 1 dieser Sachverständigenordnung bestellt die Industrie- und Handelskammer gemäß § 36 GewO auf Antrag Sachverständige für bestimmte Sachgebiete nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen.

55

Gemäß § 2 Nr. 1 der Sachverständigenordnung der Beklagten hat die öffentliche Bestellung den Zweck, Gerichten, Behörden und der Öffentlichkeit besonders sachkundige und persönlich geeignete Sachverständige zur Verfügung zu stellen, deren Aussagen besonders glaubhaft sind.

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Nach Nr. 2 dieser Vorschrift umfasst die öffentliche Bestellung die Erstattung von Gutachten und andere Sachverständigenleistungen wie Beratungen, Überwachungen, Prüfungen, Erteilung von Bescheinigungen sowie schiedsgutachterliche und schiedsrichterliche Tätigkeiten.

57

Gemäß § 3 Nr. 4 der Sachverständigenordnung der Beklagten (Bestellungsvoraussetzungen) kann ein Sachverständiger nur öffentlich bestellt werden, wenn er überdurchschnittliche Fähigkeiten, praktische Erfahrungen und die Fähigkeit, sowohl Gutachten zu erstatten als auch die in § 2 Abs. 2 genannten Leistungen zu erbringen, nachweist.

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Gemäß § 4 Satz 1 und 2 ihrer Sachverständigenordnung entscheidet die Beklagte über die öffentliche Bestellung nach Anhörung der dafür bestehenden Ausschüsse und Gremien. Zur Überprüfung der besonderen Sachkunde kann sie Referenzen einholen, sich vom Bewerber erstattete Gutachten vorlegen lassen, Stellungnahmen fachkundiger Dritter abfragen, die Einschaltung eines Fachgremiums veranlassen und weitere Erkenntnisquellen nutzen.

59

Die Beklagte bestimmt gemäß § 3 Nr. 1 der Sachverständigenordnung die Sachgebiete und die Bestellungsvoraussetzungen für das einzelne Sachgebiet.

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Ein Bedarf an Sachverständigenleistungen für das Sachgebiet besteht. Bedenken gegen die Eignung des Klägers bestehen nicht. Der Kläger hat auch die besondere Sachkunde zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen.

61

Nach der Rechtsprechung ist der Nachweis besonderer Sachkunde im Sinne des § 36 Abs. 1 Satz 1 GewO erbracht, wenn der Antragsteller über dem Durchschnitt liegende Kenntnisse und Fähigkeiten nachweist. Ohne diesen Nachweis wäre es nicht gerechtfertigt, eine Person durch die öffentliche Bestellung aus dem Kreis ihrer Berufskollegen herauszuheben ( BVerwGE 45, 235 [BVerwG 27.06.1974 - BVerwG I C 10.73]<238> ) . Dabei unterliegt die Bewertung der Leistungen des Klägers durch den Fachausschuss und die darauf beruhende negative Entscheidung der Beklagten nicht einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle ( BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 - 1 C 10/88 -).

62

Dem erkennenden Gericht obliegt demnach eine umfassende Würdigung der Entscheidung des Fachausschusses bzw. der Beklagten. Es hat darüber zu befinden, ob für den Zeitpunkt seiner Entscheidung die von der Beklagten bestrittene besondere Sachkunde nachgewiesen ist oder nicht ( BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 - 1 C 10/88 -).

63

Nach den fachlichen Bestellungsvoraussetzungen für das Sachgebiet "Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken" von April 1975 - in der hier maßgebenden Fassung - hat der Antragsteller nach Ziffer 1.4 den einzureichenden Antragsunterlagen mindestens 7 selbstverfasste Gutachten aus dort näher bestimmten Bereichen beizufügen.

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Die vom Kläger vorgelegten sieben selbstverfassten Gutachten entsprechen - unstreitig - diesen formalen Anforderungen.

65

Auch hat der Kläger durch Vorlage dieser Gutachten seine besondere Sachkunde auf dem Fachgebiet "Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, für Mieten und Pachten" nachgewiesen.

66

Die Kammer teilt die Beurteilung des von der Beklagten mit der (Erst-)Prüfung betrauten, öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Kraftfahrzeugtechnik, Kraftfahrzeugschäden und -bewertung sowie Straßenverkehrsunfälle Herrn Pl.-Ing. Alberg. Herr Pl.-Ing. Alberg hat in seiner Stellungnahme vom 16. März 2005 festgestellt, dass die vom Kläger vorgelegten (Verkehrswert-)Gutachten über eine Eigentumswohnung in R. (1), über ein Einfamilienhaus mit Nebengebäude in S. (2), über ein ehemaliges Schulzentrum in R. (3), über ein O. und ein Wohngebäude in R. (4), über ein Mehrfamilienhaus mit 18 Wohnungen in R. (5), über die ortsübliche Vergleichsmiete für Büroflächen in einem Gebäude in R. (6) und über die ortsübliche Vergleichsmiete nach § 558 BGB für eine Wohnung in R. (7) alle erforderlichen Sachgebiete abdecken und teilweise überdurchschnittlichen Anforderungen genügen. Die Gutachten seien übersichtlich gestaltet, mit Inhaltsangabe und Quellennachweis. Das Bewertungsobjekt sei ausführlich beschrieben. Lagepläne und Stadtplanausschnitte sowie Lichtbilder erleichterten die Orientierung. Die Ausarbeitungen seien systematisch aufgebaut und übersichtlich gegliedert. Die sprachliche Ausdrucksweise sei einwandfrei.

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Auf dieser Grundlage hat Pl.-Ing. Alberg der Beklagten abschließend ausdrücklich empfohlen, den Kläger für das beantragte Sachgebiet öffentlich zu bestellen.

68

Pl.-Ing. Alberg hat die Gesamtbeurteilung der vom Kläger vorgelegten Gutachten unter Würdigung der einzelnen Gutachten und Bewertungsverfahren nachvollziehbar begründet.

69

Seine Einschätzung steht im Einklang mit den "Stellungnahmen zu den vorgelegten Gutachten" des Erstbeurteilers. Der Erstbeurteiler hat die Gutachten (1), (2) und (4) bis (7) des Klägers in der Kategorie "Gesamteindruck und die Beurteilung" mit "gut" benotet. Das Gutachten (3) ist sogar mit der Note "sehr gut" beurteilt worden.

70

Die stichwortartigen Anmerkungen des Zweitbeurteilers auf den "Stellungnahmen zu den vorgelegten Gutachten" des Erstbeurteilers, die insbesondere in der Kategorie "Gesamteindruck und die Beurteilung" - in einem Fall sogar erheblich (Gutachten (3)) - von denen des Erstbeurteilers abweichen, und dessen Randbemerkungen in den Gutachten sind schwer lesbar und mangels Begründung wenig nachvollziehbar.

71

Die von der Beklagten erst mit Klageerwiderung vom 25. Oktober 2006 im Einzelnen vorgebrachten Beanstandungen der sieben vom Kläger vorgelegten Gutachten vermögen ernsthafte Zweifel an der besonderen Sachkunde des Klägers nicht zu begründen. Der Kläger ist den Kritikpunkten der Beklagten mit Replik vom 22. November 2006 ausführlich entgegengetreten. Er hat einzelne Beanstandungen der Beklagten entkräftet und seine Vorgehensweise und die angewandten Wertermittlungsmethoden bei der Gutachtenerstellung detailliert begründet und verteidigt. Die Beklagte ist darauf nicht (mehr) eingegangen.

72

Die Kammer brauchte sich von Amts wegen keiner weiteren Erkenntnisquellen bedienen.

73

Die nach Bekunden des Terminsvertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung wegen Vertraulichkeit dem Gericht vorenthaltenen Protokolle der Sachverständigenausschusssitzungen bzw. die dem Gericht vorenthaltenen schriftlichen Ausführungen zur Beurteilung der Gutachten seien in die Klageerwiderung vom 25. Oktober 2006 eingeflossen. Darüber hinausgehende Erkenntnisquellen besitze die Beklagte nicht.

74

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

75

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

76

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf

15 000,00 Euro

(§ 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 14.1 und 54.1 des Streitwertkatalogs 2004 vom 7./ 8. Juli 2004)

festgesetzt.

Gärtner
Fahs
Dr. Luth