Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 11.04.2017, Az.: 1 Ws 66/17

Erledigung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus; Entscheidung des Gerichts bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen der Unterbringung von Anfang an; Eintreten der Führungsaufsicht bei Fehleinweisung aus tatsächlichen Gründen

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
11.04.2017
Aktenzeichen
1 Ws 66/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 14596
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2017:0411.1WS66.17.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Göttingen - 20.01.2017 - AZ: 51 StVK 207/16

Fundstelle

  • R&P 2017, 190

Amtlicher Leitsatz

1. Die Vollstreckung einer Maßregel ist nach § 67d Abs. 6 Satz 1, 1. Fall StGB für erledigt zu erklären, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung feststellt, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen. Das ist dann der Fall, wenn der bei den Anlasstaten bestehende Defektzustand und/oder die daraus resultierende Gefährlichkeit weggefallen sind. Dafür ist die zweifelsfreie Feststellung erforderlich, dass die Voraussetzungen der Unterbringung entweder von vornherein nicht vorgelegen haben oder aber nachträglich weggefallen sind, da der Zweck der Unterbringung in beiden Fällen entweder bereits erreicht oder aber endgültig nicht mehr erreichbar ist.

2. Die Rechtskraft des Anlassurteils steht einer Erledigungserklärung dann nicht entgegen, wenn die Voraussetzungen einer Unterbringung von Anfang an aus tatsächlichen Gründen nicht vorgelegen haben. Dies betrifft die Fälle der Fehleinweisung aufgrund einer Simulation oder einer fehlerhaften Diagnose, bei denen sich im Vollstreckungsverfahren zweifelsfrei ergibt, dass der psychische Zustand des Untergebrachten im Strafverfahren und damit die Voraussetzungen der Unterbringung falsch eingeschätzt worden sind.

3. Hat eine Fehleinweisung ihre Ursache im Tatsächlichen und beruht darauf die Erledigung der Maßregel, tritt die gesetzliche Regelfolge der Führungsaufsicht nach § 67d Abs. 6 Satz 4 StGB nicht ein.

4. Ist in derartigen Fällen noch Freiheitsstrafe zu vollstrecken, hat die Vollstreckung regelmäßig im Strafvollzug zu erfolgen, da durch eine Weiterbehandlung im Maßregelvollzug eine Besserung nicht zu erreichen ist.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss der 51. großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen vom 20. Januar 2017 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer (nachfolgend: Untergebrachter) wurde durch Urteil des Landgerichts für Strafsachen Gr. - Schöffengericht - vom 23.05.2013 wegen Vergewaltigung, Freiheitsentziehung und Verleumdung nach §§ 201 Abs. 1, Abs. 2, 1. und 3. Fall, 89 Abs. 1, Abs. 2, 2. Fall und § 297 Abs. 1, 1. Fall des österreichischen Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Hierneben wurde er gemäß § 21 Abs. 2 des österreichischen Strafgesetzbuches in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Nach den Feststellungen des erkennenden Gerichts hatte der Untergebrachte im Internet eine Stelle für eine Schülerin oder Studentin als Babysitterin inseriert, wobei er beabsichtigte, auf diese Weise mit einem Mädchen in Kontakt zu treten, um es sexuell zu missbrauchen und besonders zu erniedrigen bzw. zu demütigen. Auf seine Anzeige hin meldete sich eine zum damaligen Zeitpunkt 15 Jahre alte Schülerin, die er bei einem verabredeten Treffen plangemäß in seine Gewalt brachte und im Folgenden über mehrere Stunden gegen ihren Willen in seinem Auto festhielt. Dabei hielt er ihr zwischenzeitlich eine täuschend echt wirkende Schreckschusspistole gegen Kehle und Brust, so dass die Schülerin in Todesangst geriet. In der Folgezeit zog er das sexuell völlig unerfahrene Mädchen aus, fasste es am ganzen Körper fest an und fügte ihm im Bereich der Brüste leichte Bisse zu. Dann zwang er die Schülerin, seinen Penis in den Mund zu nehmen, während er selbst ihren Kopf immer wieder auf und nieder drückte. Anschließend führte er einen oder mehrere Finger in ihren Anus ein. Nachdem er zum Samenerguss gekommen war, rieb er ihr das Ejakulat ins Gesicht und zwang sie, dieses auch von seiner Hand zu lecken, wodurch er sie besonders erniedrigen wollte. Danach berührte er sie im Bereich der Scheide und führte einen Finger teilweise auch in ihre Scheide ein, dabei steckte er ihr immer wieder seine Zunge in den Mund und küsste sie. Einige Zeit später berührte und küsste er sie noch im Bereich des Gesäßes, rieb direkt vor ihr an seinem Penis und spritzte schließlich sein Sperma in Richtung ihres Gesichtes. Anschließend kaufte er eine Flasche Wodka und veranlasste die Schülerin, die er nun bereits über sieben Stunden gefangen hielt, nahezu die gesamte Flasche auszutrinken. Dabei hatte er die Absicht, ihr auch durch übermäßigen Konsum von Alkohol, den sie nicht gewohnt war, besondere Qualen zu bereiten und genoss die Verunsicherung des Opfers, das immer wieder Angst hatte, dass er sie nun umbringen werde. Infolge des gesamten Geschehens erlitt das Mädchen eine Traumafolgestörung mit posttraumatischen Elementen.

Im Rahmen der Hauptverhandlung gab der Untergebrachte später an, dass ihn zwei Polizeibeamte zu einem wahrheitswidrigen Geständnis gezwungen hätten, indem sie angekündigt hätten, dass er sonst "eine aufs Maul bekommen" würde. Dabei wusste er, dass diese Anschuldigungen falsch sind und nahm billigend in Kauf, dass gegen die Beamten ein Verfahren wegen des Verdachts der Nötigung und Ausnutzung ihrer Amtsstellung eingeleitet werden würde.

Die sachverständig durch die Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. Ka. beratene Kammer ging bei dem Untergebrachten von einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen und dissozialen Anteilen aus. Die dissoziale Störung zeige sich in seiner Verantwortungslosigkeit, der Missachtung sozialer Regeln und der Unfähigkeit, aus Erfahrungen Konsequenzen zu ziehen und zu lernen sowie der Unfähigkeit zum Beibehalten längerer stabiler Beziehungen bedingt durch eine geringe Frustrationstoleranz und eine niedrige Schwelle zu aggressivem und übergriffigem Verhalten. Darüber hinaus sei er emotional instabil mit der Tendenz, impulsiv zu handeln und die Konsequenzen nicht ausreichend zu berücksichtigen. Er habe zudem eine schlechte Fähigkeit, sich in der eigenen Stimmung selbst zu stabilisieren und mit negativen Erlebnissen umzugehen. Beide Anteile lägen ausgeprägt vor, hinderten den Untergebrachten jedoch nicht daran, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden und entsprechend zu handeln, so dass seine Zurechnungsfähigkeit zu bejahen sei. Die Prognose sei äußerst ungünstig, denn es bestünde eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass er in den nächsten Jahren wieder Aggressions- oder Sexualdelikte begehen würde, um den Druck, den er durch negative Erlebnisse aufbaue, abbauen zu können. Seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher sei daher erforderlich.

Der Untergebrachte, der deutscher Staatsangehöriger ist, beantragte in der Folgezeit, zur weiteren Vollstreckung nach Deutschland überstellt zu werden. Mit Beschluss der kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts G. vom 19.08.2014 wurde die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe für zulässig erklärt, die erkannte Freiheitsstrafe in eine Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren sowie die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher in eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus umgewandelt. Der in Österreich bereits vollstreckte Zeitraum wurde angerechnet.

Bereits zuvor war der Untergebrachte in Deutschland strafrechtlich in Erscheinung getreten. So wurde er im Jahr 1983 wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Raub und versuchter sexueller Nötigung in zwei Fällen sowie wegen Diebstahls und fortgesetzten versuchten Diebstahls zu einem Jahr Jugendstrafe verurteilt. 1985 wurde gegen ihn wegen gemeinschaftlichen fortgesetzten Diebstahls in zwei Fällen sowie versuchten gemeinschaftlichen Diebstahls eine weitere Jugendstrafe von einem Jahr verhängt. 1986 - im Alter von 18 Jahren - wurde er wegen sexueller Nötigung, Beleidigung und Diebstahls in drei Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, gleichzeitig wurde die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Unterbringung wurde dann 22 Jahre lang bis 2008 vollzogen und schließlich aus Verhältnismäßigkeitsgründen für erledigt erklärt.

Die Unterbringung im hiesigen Verfahren wird seit Dezember 2014 im Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen in M. vollzogen.

Mit Stellungnahme vom 16.10.2015 führte das Maßregelvollzugszentrum aus, dass der Untergebrachte diagnostisch die Kriterien einer dissozialen Persönlichkeitsstörung erfülle, emotional-instabile Persönlichkeitsanteile während des jetzigen Behandlungszeitraumes indes nicht beobachtet worden wären. Die Behandlungsprognose sei angesichts der bereits erfolgten langjährigen Maßregelvollzugsbehandlung und der fehlenden Motivation des Untergebrachten, sich auf eine psychotherapeutische Behandlung einzulassen und einen Veränderungsprozess einzuleiten, äußerst ungünstig. Da die weitere Vollstreckung der Unterbringung so kaum sinnvoll erscheine, werde der Vorwegvollzug eines Teils der Freiheitsstrafe angeregt. Bezüglich der Legalprognose sei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Untergebrachte im Falle einer Entlassung erneut straffällig werden würde, wobei damit zu rechnen sei, dass zukünftige Straftaten sogar noch schwerwiegender werden würden, die Gefährlichkeit also eher ansteige.

Mit Beschluss vom 03.02.2016 ordnete die große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts G. die Fortdauer der Unterbringung und gleichzeitig die Einholung eines externen psychiatrischen Sachverständigengutachtens an, wobei Prof. Dr. Kr., Direktor des Instituts für Forensische Psychiatrie in B., zum Sachverständigen bestellt wurde (Bl. 80 ff. d. VH).

Der Sachverständige erstattete sein schriftliches Gutachten unter dem 29.07.2016 (SH Gutachten). Darin kommt er zu dem Schluss, dass der Untergebrachte weder an einer psychiatrischen Erkrankung leidet, noch bei ihm eine gravierende psychische Störung besteht. Es fänden sich zwar Hinweise auf eine emotionale Instabilität, vornehmlich in Trennungskrisen, sowie auf eine ausgeprägte dissoziale Persönlichkeitsprägung. Letztere sei mit einer kindlichen und jugendlichen Störung des Sozialverhaltens verbunden gewesen, im Erwachsenenalter dann aber zunehmend kompensiert worden und daher nicht in eine eigenständige Persönlichkeitsstörung übergegangen. Dazu legt der Sachverständige vereinzelt dar, dass die Lebensgeschichte des Untergebrachten durch die langjährige Beobachtung im Maßregelvollzug gut zu verfolgen sei und keine Hinweise darauf ergebe, dass er dauerhaft zu dysfunktionalen, sozial störenden Verhaltensweisen gerade deswegen neige, weil er besonders emotional instabil sei. Für eine solche Annahme fehle es insbesondere an anlasslosen, freischwebenden, unberechenbaren launenhaften Verstimmungen und Stimmungswechseln. Der Untergebrachte sei auch nicht ständig in Konflikte mit anderen Menschen verwickelt gewesen. Vielmehr habe die Beziehung zu seiner Pflegeschwester und Pflegemutter, später dann zu seiner Ehefrau gezeigt, dass er sehr wohl bindungsbedürftig und emotional ansprechbar sei. Auch in den Jahren nach der Entlassung aus dem Maßregelvollzug bis zum Indexdelikt habe er nicht als Mensch imponiert, der rigide und konstant dysfunktionale soziale Verhaltensweisen lebe, sondern habe sich unter schwierigen Startbedingungen einigermaßen mühsam mit einer schwierigen sozialen Realität arrangiert. Es sei in dieser Zeit auch zu keinen relevanten Straftaten gekommen, der Untergebrachte habe also nicht ständig soziale Regeln missachtet oder sich als grundsätzlich unfähig erwiesen, aus Erfahrungen Konsequenzen zu ziehen und längere Beziehungen beizubehalten. Eine niedrige Schwelle zu aggressivem und übergriffigem Verhalten sei ebenso wenig sichtbar geworden wie besonders impulsive Handlungen. Während sich in der Pubertät und in den ersten Jahren der Jugend noch eine besondere Intensität und Häufung von Verhaltensschwierigkeiten finden ließen, sei im Erwachsenenalter eine deutlich bessere Selbst- und Verhaltenskontrolle zu verzeichnen. Der Untergebrachte sei mittlerweile imstande, sich aktiv zu entscheiden, in einer bestimmten Situation entweder dissoziales oder aber sozial angepasstes, kooperatives Verhalten an den Tag zu legen. Es sei daher von einer starken dissozialen Prägung auszugehen, die er jedoch hinreichend kontrollieren könne, wenn er dies denn wolle. Hinsichtlich der Sexualdelikte sei sodann noch festzustellen, dass keine sexuelle Devianz vorliege, auch keine abnorme Triebstärke oder eine obsessive Beschäftigung mit Sexualität.

In der Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Dr. Ka. sei festzustellen, dass dies nicht schlüssig erkläre, wieso die von ihr festgestellte Persönlichkeitsstörung die Steuerungsfähigkeit des Untergebrachten hinsichtlich der Tatentscheidung und des Tatgeschehens erheblich beeinträchtigt haben sollte. Anhaltspunkte für eine Schuldminderung hätten sie und auch das erkennende Gericht nicht gesehen und an der Einsichtsfähigkeit keinerlei Zweifel gehabt. Es werde auch nicht deutlich, dass der Untergebrachte seinerzeit quasi unter Zwang gehandelt habe, sondern er habe offenbar die Entscheidung getroffen, sich ein sexuelles Machterlebnis zu verschaffen und sich wahrscheinlich auch an Frauen zu rächen, was zwar kein billigenswertes, wohl aber ein psychologisch nachvollziehbares und nicht-pathologisches Motiv darstelle.

Der Sachverständige fasst sein Gutachten letztlich dahingehend zusammen, dass der Untergebrachte weder bei seiner Begutachtung noch in den beschriebenen Verhaltensweisen der Klinik als eine Persönlichkeit imponiert habe, die durch eine schwere Persönlichkeitsstörung ständig dysfunktionale, rigide Verhaltensmuster an den Tag lege und ständig in soziale Konflikte mit der Umgebung verwickelt sei. Die letzten Jahre seien auch nicht durch eine habituelle emotionale Instabilität gekennzeichnet gewesen. Es gebe daher zwar persönlichkeitspsychologische Akzentuierungen, aber weder eine psychische Krankheit noch eine so schwerwiegende Persönlichkeitsstörung, dass von einer schweren anderen seelischen Abartigkeit oder einer krankhaften seelischen Störung gesprochen werden könne, zumal der Untergebrachte die dissozialen Prägungen, sofern er denn wolle, gut kontrollieren könne. Entsprechend hätten die Anlasstaten nicht aus einer schweren Persönlichkeitsstörung resultiert und die Schuldfähigkeit sei zum Tatzeitpunkt weder aufgehoben, noch erheblich vermindert gewesen. Es wäre wünschenswert und würde dem Untergebrachten gut tun, wenn er aus der Atmosphäre der ständigen Therapieerwartung des Maßregelvollzugs herausgelöst und der Normalität eines Strafvollzuges überantwortet werden würde.

In ihrer Stellungnahme vom 27.12.2016 teilte das Maßregelvollzugszentrum mit, dass der Untergebrachte sich selbständig versorge, an der Ergotherapie teilnehme und ansonsten ein zurückgezogenes Leben führe. Er habe sich mehrfach nach Therapiemöglichkeiten erkundigt, aber keine eigenen therapeutischen Ziele formulieren können. Prof. Dr. Kr. habe sehr gut herausgearbeitet, dass der Untergebrachte über die Jahrzehnte im Maßregelvollzug eine Entwicklung von einem schwierigen Jugendlichen mit großen Anteilen, die auf eine Persönlichkeitsstörung hingedeutet hättet, hin zu einem Erwachsenen mit ausgeprägter dissozialer Prägung vollzogen habe, der zwar persönlichkeitspsychologische Akzentuierungen aufweise, aber nicht psychisch krank sei. Die diagnostische Einschätzung des Sachverständigen werde daher vollumfänglich geteilt und dementsprechend die Erledigung der Maßregel empfohlen. Die Legalprognose sei weiterhin extrem schlecht (Bl. 169 ff. d. VH).

Bei der persönlichen Anhörung durch die Strafvollstreckungskammer erklärte der Verteidiger für den Untergebrachten, dass dieser nicht wolle, dass die Maßregel erledigt werde. Der Sachverständige Prof. Dr. Kr. bestätigte die in seinem schriftlichen Gutachten enthaltenen Einschätzungen, denen sich auch die behandelnde Ärztin des Maßregelvollzugszentrums (nochmals) anschloss (Bl. 176 ff. d. VH).

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 20.01.2017 hat die Strafvollstreckungskammer die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aus dem Urteil des Landgerichts Gr. vom 23.05.2013 i.V.m. dem Beschluss der kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts G. vom 19.08.2014 für erledigt erklärt. Die Zeit des Vollzuges der Maßregel wurde auf die Freiheitsstrafe von 15 Jahren angerechnet und es wurde angeordnet, dass die Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe im Strafvollzug fortgesetzt wird. Hierneben wurde der Nichteintritt der Führungsaufsicht angeordnet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschlussgründe Bl. 180 ff. d. VH in Bezug genommen.

Dieser Beschluss wurde dem Verteidiger des Untergebrachten am 06.02.2017 zugestellt. Mit Schreiben des Untergebrachten selbst vom 04.02.2017, eingegangen beim Landgericht G. am 10.02.2017, hat dieser sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er mit Schreiben vom 27.02.2017 ausgeführt, dass ihm etwa acht Vorgutachter eine kombinierte dissoziale Persönlichkeitsstörung und eine schwere seelische Abartigkeit attestiert hätten, ebenso das Maßregelvollzugszentrum anlässlich seiner früheren Unterbringung, weshalb er damals auch nur aus Gründen der Verhältnismäßigkeit entlassen worden sei. Das österreichische Gutachten sei ebenfalls zu dieser Diagnose gekommen, so dass ggf. die Einholung eines Obergutachtens angezeigt erscheine. Er selbst gehöre seiner Meinung nach in den Maßregelvollzug und sei für ein Leben außerhalb nicht geeignet, wobei nur einer von vielen Gründen dafür sei, dass er große Angst vor Gewalttaten im Justizvollzug habe. Er sei auch nicht mehr an einer etwaigen Entlassung interessiert, nachdem er beim letzten Mal so kläglich mit dem schweren Verbrechen gescheitert sei und würde gern den Rest seines Lebens im Maßregelvollzug verbringen. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 06.04.2017 lässt er ferner vortragen, dass sich der angegriffene Beschluss als unzulässige Revision der zugrundeliegenden Entscheidungen des Landgerichts Gr. und des Landgerichts G. erweise. Eine solche Entscheidung stünde der Strafvollstreckungskammer nicht zu (Bl. 229 ff. und 233 d. VH).

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt wie erkannt.

Der Untergebrachte befindet sich seit dem 22.02.2017 im Strafvollzug in der JVA R.. Der Halbstrafentermin ist auf den 21.08.2024, der Zweidritteltermin auf den 21.02.2027 und das reguläre Strafende auf den 21.02.2032 errechnet (Bl. 219 d. VH).

II.

Die gemäß §§ 463 Abs. 3 S. 1, Abs. 6 S. 1, 462 Abs. 3 S. 1, 454 Abs. 3 S. 1 StPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte (§§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO) sofortige Beschwerde des Untergebrachten ist zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel allerdings keinen Erfolg, weil das Landgericht die Erledigung der Maßregel gemäß § 67d Abs. 6 S. 1, 1. Alt. StGB zu Recht angeordnet hat.

1. Die Vollstreckung einer Maßregel ist nach § 67d Abs. 6 Satz 1, 1. Fall StGB für erledigt zu erklären, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung feststellt, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen. Das ist dann der Fall, wenn der bei den Anlasstaten bestehende Defektzustand und/oder die daraus resultierende Gefährlichkeit weggefallen sind (OLG Braunschweig, Beschluss vom 08.10.2012 - Ws 265/12 m.w.N. - unveröffentlicht; Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 67d, Rn. 23). Dafür ist die zweifelsfreie Feststellung erforderlich, dass die Voraussetzungen der Unterbringung entweder von vornherein nicht vorgelegen haben oder aber nachträglich weggefallen sind, da der Zweck der Unterbringung in beiden Fällen erreicht oder nicht mehr erreichbar ist (OLG Rostock, Beschluss vom 08.02.2007, 1 Ws 438/06, zitiert nach juris; Thüringer OLG, Beschluss vom 10.09.2010, 1 Ws 164/10, zitiert nach juris).

Zu unterscheiden ist hierbei zwischen Fehleinweisungen, die auf Rechtsfehlern des Tatgerichts beruhen und solchen, bei denen aus tatsächlichen Gründen die Voraussetzungen einer Unterbringung von Anfang an nicht vorgelegen haben. Erstere werden nicht von § 67 d Abs. 6 StGB erfasst, sondern müssen im Rechtsmittelverfahren behoben werden. Das Vollstreckungsgericht darf eine unveränderte Tatsachengrundlage also nicht neu bewerten und so zu der Annahme gelangen, dass ein Defektzustand i.S.d. §§ 20, 21 StGB nie bestand oder nicht die für eine Unterbringung nach § 63 StGB erforderliche Gefährlichkeit zur Folge hatte (Thüringer OLG, a.a.O., m.w.N.). Hingegen steht die Rechtskraft des Anlassurteils einer Erledigungserklärung dann nicht entgegen, wenn die Voraussetzungen einer Unterbringung von Anfang an aus tatsächlichen Gründen nicht vorgelegen haben (Thüringer OLG, a.a.O; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.10.2010, 3 Ws 970/10, zitiert nach juris). Dies betrifft die Fälle der Fehleinweisung aufgrund einer Simulation oder einer fehlerhaften Diagnose, bei denen sich im Vollstreckungsverfahren zweifelsfrei ergibt, dass der psychische Zustand des Untergebrachten im Strafverfahren falsch eingeschätzt worden ist (BGH, NStZ 2009, 323 (324); OLG München, Beschluss vom 30.03.2016, 1 Ws 160/16; Fischer, a.a.O.).

Hier ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der letztgenannte Fall vorliegt. Der auch dem Senat als zuverlässig und langjährig erfahren bekannte Sachverständige Prof. Dr. Kr. hat nachvollziehbar und detailliert hergeleitet, dass der Untergebrachte zwar aktuell noch und auch bereits im Tatzeitpunkt persönlichkeitspsychologische Akzentuierungen aufweist bzw. aufgewiesen hat, er aber weder an einer psychischen Krankheit noch einer so schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung leidet, dass diese als schwere andere seelische Abartigkeit oder krankhafte seelische Störung i.S.d. § 20 StGB einzustufen wären. Da diese Einschätzung des Sachverständigen auf einer umfangreichen Exploration des Untergebrachten sowie der sorgfältigen Auswertung zahlreicher psychiatrischer Vorgutachten und sonstiger, die Lebensgeschichte des Untergebrachten betreffenden Unterlagen, mithin auf einer Vielzahl an Erkenntnisquellen beruht, ist die Beurteilungsgrundlage als gut zu bewerten. Nicht zuletzt wird der Befund für den Senat aber auch ohne weiteres nachvollziehbar durch die vereinzelte Darlegung der Entwicklung des Untergebrachten in den letzten Jahren belegt. Das Maßregelvollzugszentrum, das die Persönlichkeit und die Verhaltensweisen des Untergebrachten bereits seit Dezember 2014 beobachten konnte, hat sich dieser Bewertung vollumfänglich angeschlossen. Der Senat hat an der Richtigkeit dieser übereinstimmenden Diagnose daher keinen Zweifel.

Infolgedessen bedarf es auch der Einholung eines weiteren Gutachtens nicht. Der Umstand, dass Vorgutachter noch zu anderen Einschätzungen gelangt waren, zwingt insoweit zu keiner anderen Bewertung. Denn Prof. Dr. Kr. hat sich mit sämtlichen dieser Gutachten - einschließlich des Gutachtens von Dr. Ka. im Ausgangsverfahren - sorgfältig und kritisch auseinandergesetzt und überzeugend begründet, weshalb seine Bewertung anders ausfällt. Da er dem Untergebrachten gerade im Erwachsenenalter nachvollziehbar eine deutlich bessere Selbst- und Verhaltenskontrolle bescheinigt, kann sehr frühen Gutachten ohnehin keine Aussagekraft für den gegenwärtigen Zustand mehr beigemessen werden.

2. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht bei dieser Sachlage den Nichteintritt der Führungsaufsicht in entsprechender Anwendung des § 67d Abs. 6 Satz 5 StGB festgestellt. Hat eine Fehleinweisung ihre Ursache im Tatsächlichen, tritt die gesetzliche Regelfolge der Führungsaufsicht nach § 67d Abs. 6 Satz 4 StGB nicht ein (OLG Dresden, Beschluss vom 07.02.2008, 2 Ws 18/08, zitiert nach juris; Thüringer OLG, Beschluss vom 19.03.2009, 1 Ws 87/09, zitiert nach juris; Fischer, a.a.O., Rn. 25). Denn eine fehlerhafte Einweisung kann schlechterdings nicht Rechtfertigung für eine zusätzliche Beschränkung der Grundrechte sein (OLG Rostock, Beschluss vom 16.01.2017, 20 Ws 173/16, zitiert nach juris). Nur vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass durch die jetzige Entscheidung, den Nichteintritt der Führungsaufsicht festzustellen, eine spätere Entscheidung, dies gem. §§ 68 f., 181b StGB anzuordnen, nicht ausgeschlossen wird.

3. Die tenorierte Anrechnung der Zeit des Maßregelvollzugs auf die Strafe ist mit Blick auf § 67 Abs. 4 StGB rein deklaratorischer Natur.

Da die im Maßregelvollzug verbrachte Zeit hier deutlich unterhalb von Zweidritteln der Strafe liegt, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die Anrechnung hierauf beschränkt ist oder die Dauer des Maßregelvollzuges sogar vollständig auf die verhängte Strafe anzurechnen wäre (vgl. zum Meinungsstand nur KG Berlin, Beschluss vom 21.01.2015, 2 Ws 3/15, zitiert nach juris und Fischer, a.a.O., § 67, Rn. 22).

Eine Entscheidung nach § 57 Abs. 1 StGB ist zutreffend nicht ergangen, weil ein aussetzungsfähiger Zeitpunkt bei weitem noch nicht erreicht ist.

4. Nichts zu erinnern ist schließlich gegen die Entscheidung des Landgerichts, dass die Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe im Strafvollzug zu erfolgen hat, weil dies aus Umständen, die in der Person des Untergebrachten liegen, angezeigt ist, § 67 Abs. 5 Satz 2, 2. Halbsatz StGB. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn durch eine Weiterbehandlung im Maßregelvollzug eine Besserung nicht zu erwarten, aber noch eine lange Freiheitsstrafe zu vollstrecken ist (Fischer, § 67, Rn. 27).

So liegt der Fall hier. Bei dem Untergebrachten ist noch eine ganz erhebliche Reststrafe zu vollstrecken, ohne dass eine im Maßregelvollzug behandlungsbedürftige Persönlichkeitsproblematik bestünde, weshalb auch der Sachverständige und die Maßregelvollzugseinrichtung übereinstimmend eine Verlegung in den Strafvollzug empfohlen haben.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.