Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 15.05.1986, Az.: 12 UF 267/85
Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ; Inanspruchnahme eines Unterhaltsverpflichteten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 15.05.1986
- Aktenzeichen
- 12 UF 267/85
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1986, 18335
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1986:0515.12UF267.85.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Stadthagen - 06.11.1985 - AZ: 3 F 92/85
Rechtsgrundlagen
- § 1572 BGB
- § 1579 BGB
- § 32 EheG
- § 37 Abs. 2 EheG
Der 12. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle hat
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. C. und
die Richter am Oberlandesgericht Professor Dr. D. und B.
auf die mündliche Verhandlung vom 24. April 1986
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin und unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Stadthagen vom 6. November 1985 teilweise dahin geändert, daß laufender Unterhalt von monatlich 570 DM auch für die Monate Januar bis einschließlich Dezember 1988 zu zahlen ist und ein Anspruch der Klägerin auf nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab Januar 1989 entfällt.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die jetzt 28-jährige Klägerin und der jetzt 38-jährige Beklagte haben am 7.6.1979 geheiratet. Die Klägerin hatte als achtjähriges Kind einen Unfall, der zu einer bleibenden geistigen Behinderung führte. Sie besuchte anschließend die Sonderschule und war in der Zeit von Oktober 1975 bis Anfang Juli 1980 in einer Werkstatt für Behinderte beschäftigt. Als Behinderung ist ein Entwicklungsrückstand mit Minderbegabung und Verdacht auf Anfallsleiden mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80 v.H. festgestellt (Bescheid des Versorgungsamts H. vom 27.7.1979 i.V. mit dem Bescheid vom 11.3.1977). Die Klägerin hat keine Berufsausbildung und geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Sie befand und befindet sich in nervenärztlicher Behandlung des Dr. T. Nach dessen Beurteilung aufgrund einer neuropsychiatrischen Untersuchung vom 3.2.1986 kann gegenwärtig für die Dauer eines Jahres die Wiedereingliederung der Klägerin in eine beschützende Werkstatt für Behinderte nicht befürwortet werden.
Die Parteien leben seit dem 25.5.1981 voneinander getrennt. Damals zog die Klägerin wieder zu ihren Eltern. Der Beklagte beauftragte einen Rechtsanwalt mit der Erhebung einer Eheaufhebungsklage. Die von diesem beim Amtsgericht Stadthagen eingereichte Klagschrift vom 20.7.1981 wurde damals vom Beklagten persönlich zurückgenommen. Die von der Klägerin erhobene Ehescheidungsklage wurde dem Beklagten am 11.7.1983 zugestellt. Die kinderlos gebliebene Ehe der Parteien wurde durch Urteil des Amtsgerichts Stadthagen vom 5.6.1984, rechtskräftig seit dem 21.7.1984, geschieden.
Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt.
Der Beklagte ist als Schlachtergeselle beschäftigt. Bei ihm war im Rahmen seiner Verurteilung zur Zahlung von Trennungsunterhalt ein erzielbares Nettoeinkommen von monatlich 1.720 DM für das Jahr 1984 angenommen worden (vgl. Beschlüsse des 21. Zivilsenats des OLG Celle vom 24.9.1984 und 6.12.1984 in 21 UF 116/84).
Die Klägerin hat unter Berücksichtigung dieses Einkommens beim Beklagten und eines mit monatlich 200 DM zu bewertenden Wohnrechts auf ihrer Seite Unterhalt vom Beklagten verlangt.
Der Beklagte ist diesem Begehren nach Grund und Höhe entgegengetreten. Er hat die Auffassung vertreten, ein Unterhaltsanspruch der Klägerin sei wegen der Ehedauer und auch aus sonstigen schwerwiegenden Gründen ausgeschlossen. Der Beklagte hält sich im übrigen für nicht leistungsfähig.
Das Amtsgericht hat dem Unterhaltsbegehren der Klägerin für die Zeit ab 5.8.1984 (statt 1.8.1984) entsprochen, den Unterhaltsanspruch jedoch auf den Zeitraum bis Ende Dezember 1987 begrenzt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen diese Entscheidung richten sich die Berufungen beider Parteien.
Der Beklagte verfolgt die gänzliche Versagung nachehelichen Unterhalts und vertieft und erweitert dazu sein Vorbringen in erster Instanz. Insbesondere müsse die Ehe der Parteien als kurz angesehen werden, weil diese ihre Lebensdispositionen nach der Eheschließung nicht in einer Weise aufeinander eingestellt hatten, daß auf Seiten der Klägerin von ausgleichungspflichtigen ehebedingten Nachteilen gesprochen werden könne. Es sei auch ein schwerwiegender Grund, der einer Unterhaltsbelastung des Beklagten entgegenstehe, darin zu sehen, daß der Beklagte von der Klägerin und ihren Eltern über die Behinderung der Klägerin im Unklaren gelassen worden sei.
Die Klägerin macht geltend, ihr müsse ein zeitlich unbefristeter Unterhaltsanspruch zugebilligt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage unter Änderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen; ihr wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen,
unter Änderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin auch von Januar 1988 an monatlich weiterhin 570 DM Unterhalt zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Akten 3 F 66/82, 3 F 176/83 und 3 F 281/83, jeweils AG Stadthagen, lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Die Berufung der Klägerin führt zu einer Verlängerung der Unterhaltsverpflichtung des Beklagten um ein Jahr. Für die Folgezeit hält der Senat wie das Amtsgericht eine Unterhaltsverpflichtung des Beklagten für grob unbillig.
Auch die Berufung der Klägerin ist zulässig. Ihr ist wegen Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Sie war zur rechtzeitigen Einlegung der Berufung auf eigene Kosten wegen ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage. Die förmlichen Voraussetzungen der Wiedereinsetzung sind gewahrt (§§ 233, 236, 238 ZPO).
Der Klägerin steht gegen den Beklagten gemäß § 1572 BGB ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab 5.8.1984 bis zum Ablauf des Jahres 1988 in der vom Amtsgericht ausgeurteilten Höhe zu.
Die Klägerin war im Zeitpunkt der Scheidung wegen ihrer geistigen Behinderung und der sich daraus ergebenden Schwäche ihrer geistigen Kräfte nicht in der Lage, eine Erwerbstätigkeit auszuüben (§ 1572 Nr. 1 BGB). Sie war deshalb in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt unterhaltsbedürftig. An diesen Gegebenheiten hat sich bisher nichts geändert, eine Änderung ist insoweit auch für die Zukunft nicht zu erwarten. Auf die von der Klägerin bei der Eheschließung und im ersten Jahr der Ehe ausgeübte Tätigkeit in der Werkstatt für Behinderte kommt es dabei nicht an. Dabei handelte es sich nicht um eine Erwerbstätigkeit, sondern um den Versuch einer Vorbereitung auf eine Eingliederung in das Erwerbsleben. Das Amtsgericht hat deshalb die Voraussetzungen eines nach dieser Vorschrift gegebenen Unterhaltsanspruchs zutreffend bejaht. Darauf wird Bezug genommen.
Der Senat folgt auch den Ausführungen des Amtsgerichts zu den bei den Parteien jeweils anzusetzenden Einkünften und der daraus folgenden Höhe des Unterhaltsanspruchs. Das erzielbare Einkommen des Beklagten ist mit monatlich 1.720 DM anzunehmen, während das Wohnrecht auf Seiten der Klägerin mit monatlich 200 DM zu bewerten ist (vgl. auch die Senatsbeschlüsse vom 22.8.1985 und 3.3.1986). Die insoweit vom Beklagten erhobenen Angriffe greifen nicht durch. Auf sein tatsächlich geringeres Einkommen kann er sich aus den bereits mehrfach - auch in den Verfahren wegen des Trennungsunterhaltes - dargelegten Gründen nicht berufen. Ob die Klägerin im Falle der Wiederaufnahme einer Tätigkeit in der Werkstatt für Behinderte dort Einkünfte in Form einer Eingliederungsbeihilfe oder in anderer Weise in der vom Beklagten behaupteten Höhe erzielen könnte und ob derartige Leistungen als bedürftigkeitsmindernde Einkünfte anrechenbar wären, kann dahinstehen. Gegenwärtig ist die Klägerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes, wie er sich aus der Bescheinigung ihres behandelnden Arztes ergibt, auch zu einer solchen Tätigkeit nicht in der Lage.
Der Unterhaltsanspruch der Klägerin ist nicht gemäß § 1579 Nr. 1 BGB n.F. wegen kurzer Ehedauer ausgeschlossen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen. Denn die Ehe der Parteien war im Sinne dieser Vorschrift nicht von kurzer Dauer. Maßgeblich für die Ehedauer ist die Zeit zwischen Eheschließung und Zustellung des Scheidungsantrages, sie umfaßt hier den Zeitraum zwischen dem 7.6.1979 und dem 11.7.1983, d.h. einen Zeitraum von vier Jahren und etwa einem Monat. Der Senat bleibt wie das Amtsgericht bei seiner in den bereits erwähnten Senatsbeschlüssen niedergelegten Auffassung, daß im vorliegenden Fall die Ehedauer unter Berücksichtigung der besonderen Umstände aus dem Verlauf der Ehe der Parteien nicht als kurz angesehen werden kann. Regelmäßig ist eine Ehedauer von mehr als drei Jahren nicht mehr kurz. Die vom Beklagten unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Köln (FamRZ 1985, 1046 [OLG Köln 31.05.1985 - 4 UF 374/84]) vorgebrachten Gesichtspunkte rechtfertigen es nicht, im vorliegenden Fall ausnahmsweise die hier maßgebliche Ehedauer von etwas über vier Jahren noch als kurz anzusehen. Der Beklagte hebt zu Recht hervor, daß es bei der Beurteilung dieser Frage gerade bei Ehen, die länger als zwei Jahre gedauert haben, darauf ankommt, inwieweit die Eheleute ihre Lebensführung in der Ehe bereits aufeinander eingestellt und in wechselseitiger Abhängigkeit auf ein gemeinsames Lebensziel ausgerichtet haben (vgl. BGH FamRZ 1981, 140 [BGH 26.11.1980 - IVb ZR 542/80]; FamRZ 1982, 582 [BGH 31.03.1982 - IVb ZR 665/80]). Je länger im Einzel fall die Ehe über zwei Jahre hinaus gedauert hat, um so eher ist auf die gemeinsame Lebensführung unter wechselseitiger Abhängigkeit allein aus der Dauer der Ehe zu schließen, ohne daß es besonderer zusätzlicher Umstände bedarf. Dies gilt vor allem bei Ehen, die in vorgerücktem Alter geschlossen werden, oder bei Ehen wie im vorliegenden Fall, wenn der eine Teil, hier die Klägerin, weder vor noch während der Ehe berufstätig war, so daß sich in ihren wirtschaftlichen Umständen durch die Eheschließung nichts wesentliches geändert hat (vgl. BGH a.a.O.). Wie in der mündlichen Verhandlung verdeutlicht worden ist, ist während des Zusammenlebens der Parteien gegenüber dem Zustand bei der Eheschließung insofern eine Änderung eingetreten, als die Klägerin im Jahr 1980 die Tätigkeit in der Werkstatt für Behinderte aufgegeben hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dies auf Veranlassung des Beklagten oder der Eltern der Klägerin geschah. Jedenfalls führte diese Veränderung zu einer Verstärkung der wirtschaftlichen und persönlichen Abhängigkeit der Klägerin vom Beklagten und ihres Angewiesenseins auf ihn für die Zeit des weiteren Zusammenlebens von etwa einem Jahr. Dieser Zustand entsprach auch dem Wunsche des Beklagten, welcher das Scheitern der Ehe vor allen Dingen in dem ständigen Hineinwirken der Mutter der Klägerin in die ehelichen Beziehungen sieht.
Aus diesen Erwägungen kann im vorliegenden Fall die hier maßgebliche Ehedauer bis zur Zustellung des Scheidungsantrages nicht als kurz i.S. § 1579 Nr. 1 BGB angesehen werden. Es bedarf deshalb in diesem Zusammenhang nicht der zusätzlichen Prüfung, inwieweit die Inanspruchnahme des Beklagten auf nachehelichen Unterhalt grob unbillig wäre (vgl. BGH FamRZ 1982, 582 [BGH 31.03.1982 - IVb ZR 665/80]).
Der Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, der Anspruch der Klägerin auf nachehelichen Unterhalt sei wegen eines schwerwiegenden Fehlverhaltens der Klägerin gemäß § 1579 Nr. 6 BGB n.F. (früher § 1579 Abs. 1 Nr. 4) ausgeschlossen. Bei dem in diesem Zusammenhang vom Beklagten angesprochenen Verhalten der Klägerin und ihrer Eltern handelt es sich um Umstände aus der Zeit vor der Eheschließeung. Diese können regelmäßig nur im Rahmen einer Eheaufhebungsklage nach § 32 EheG geltend gemacht werden und nach rechtskräftiger Aufhebung der Ehe unter bestimmten weiteren Voraussetzungen Anlaß für eine Erklärung zum Ausschluß der vermögensrechtlichen Folgen für die Zukunft gemäß § 37 Abs. 2 EheG sein (vgl. BGH NJW 1983, 1428 [BGH 23.02.1983 - IVb ZR 363/81]; Palandt-Diederichsen BGB 45. Aufl. § 1579 Anm. 2 d). Demgemäß hat der Beklagte auch ein Eheaufhebungsverfahren eingeleitet, aber nicht durchgeführt. Nach seinen eigenen Erklärungen in der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, daß dieser von ihm behauptete Irrtum bei der Eheschließung jedenfalls während der Ehe nicht fortbestanden hat. Die in diesem Zusammenhang vom Beklagten angesprochenen Gesichtspunkte sind deshalb nicht geeignet, ein ehewidriges Fehlverhalten der Klägerin zu begründen.
Der Senat ist aber wie das Amtsgericht der Auffassung, daß der Unterhaltsanspruch der Klägerin unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles gemäß § 1579 Nr. 7 BGB n.F. bis zum Ablauf des Jahres 1988 zu begrenzen ist, weil eine darüber hinausgehende Inanspruchnahme des Beklagten diesen in unzumutbarer und darum grob unbilliger Weise belasten würde. Der Senat hält, abweichend von der Auffassung des Amtsgerichts, einen Rückgriff auf den allgemein in § 242 BGB geregelten Grundsatz von Treu und Glauben nicht für angängig, aber auch nicht für erforderlich, weil die Gründe, die zum Ausschluß, zur Herabsetzung oder zur zeitlichen Begrenzung eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs führen können, im Unterhaltsrecht selbst, hier §§ 1579 und 1586 BGB, abschließend geregelt sind, wie dies für das alte Eherecht in den §§ 66 und 67 EheG der Fall war, ohne daß darüber hinaus eine Anwendung allgemeiner Billigkeitserwägungen nach § 242 BGB in Betracht kam (vgl. BGH NJW 1980, 125 [BGH 26.09.1979 - IV ZR 87/79]). Die in diesem Zusammenhang vom Amtsgericht angestellten Erwägungen können zur Beurteilung der groben Unbilligkeit insoweit herangezogen werden, als sie sich mit der Auswirkung der fortdauernden Unterhaltszahlung auf das weitere Schicksal des Beklagten befassen (S. 8 unten und S. 9 der Entscheidungsgründe). Allerdings kann die grobe Unbilligkeit nicht auf Umstände gestützt werden, die an sich nach dem Regelungsbereich des § 1579 Nr. 1 BGB zu beurteilen sind und dort - wie im vorliegenden Fall - zur Begründung eines Unterhaltsausschlusses oder einer zeitlichen Begrenzung nicht ausreichen (vgl. BGH FamRZ 1982, 573 für den Trennungsunterhalt).
Nach Auffassung des Senats würde aber eine über das Jahresende 1988 hinausgehende Inanspruchnahme des Beklagten zu einer für diesen objektiv unzumutbaren Belastung führen. Darin liegt ein wichtiger Grund, der nach § 1579 Nr. 7 BGB zu einer dahingehenden zeitlichen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs berechtigt. Zwar befassen sich die Regelungstatbestände des § 1579 BGB in den Nummer 2 bis 6 mit schwerwiegenden Verhaltensweisen des Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten, wobei in den Nummern 4 bis 6 der Neuregelung des § 1579 BGB besondere Fallgestaltungen beschrieben sind, die schon zuvor in der Rechtsprechung unter § 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB a.F., jetzt gleichlautend mit § 1579 Nr. 7 BGB n.F., behandelt worden sind. Deshalb liegt es nahe, auch bei der Beurteilung eines anderen Grundes, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nummern 1 bis 6 angeführten Gründe, zunächst an vorwerfbare Verhaltensweisen des Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten zu denken. Damit ist der Regelungsbereich dieser Vorschrift jedoch nicht ausgeschöpft. Wie schon die Bezugnahme auf die Nummer 1 (Ehedauer) zeigt, können auch objektive Gesichtspunkte aus den ehelichen Verhältnissen und den Lebensumständen der Parteien als ebenso schwerwiegend i.S. dieser Vorschrift angesehen werden. Auch sonst ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß es aufgrund objektiver Gegebenheiten dazu kommen kann, daß eine weitere Inanspruchnahme des Unterhaltsverpflichteten grob unbillig wird, ohne daß das Verhalten des Unterhaltsberechtigten in vorwerfbarer Weise gegen den Unterhaltsverpflichteten gerichtet ist (vgl. BGH NJW 1983, 1548 [BGH 26.01.1983 - IVb ZR 344/81] und 2243 [BGH 29.06.1983 - IVb ZR 391/81]; NJW 1984, 2692 [BGH 11.07.1984 - IVb ZR 22/83] zur Auswirkung neuer fester, sozialer Bindungen).
In besonderen, engen Ausnahmefällen kann unter den Umständen, wie sie hier gegeben sind, - bei der Annahme gleichbleibender wirtschaftlicher Verhältnisse der Parteien - eine unbefristete Inanspruchnahme des Verpflichteten zu einer grob unbilligen Härte führen. Für den Senat sind dabei folgende Umstände von Gewicht. Grundsätzlich ist von der auch wirtschaftlichen Eigenverantwortlichkeit von geschiedenen Eheleuten auszugehen (§ 1569 BGB). Allerdings muß hier mit einer fortdauernden Hilfsbedürftigkeit und darum auch Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin gerechnet werden. Diese Belastung kann auch unter Berücksichtigung des Wesens der Ehe und der sich daraus auch ergebenden nachehelichen Solidarität nicht allein und jedenfalls nicht zeitlich unbegrenzt dem Beklagten auferlegt werden, weil ihn eine solche Belastung unter Berücksichtigung seiner gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage erdrücken würde. Nach den tatsächlichen in den letzten Jahren gegebenen Einkommensverhältnissen ist der Beklagte zur Aufbringung des ihm auferlegten Unterhalts für die Trennungszeit und für die Zeit nach der Ehescheidung ohne Beeinträchtigung seines notwendigen Selbstbehalts nicht in der Lage. Dies muß er aus den vom Senat bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit angeführten Gründen jedenfalls bis auf weiteres tragen. Der Beklagte muß schon zur Erfüllung dieser Verpflichtungen erhebliche Anstrengungen zur Steigerung seiner tatsächlichen Einkünfte unternehmen, die ihm nach seiner Ausbildung, seinen beruflichen Fähigkeiten und seiner Persönlichkeit insgesamt ohnehin nicht leicht fallen werden, nach der Beurteilung des Senats auch aufgrund des persönlichen Eindrucks vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung aber noch im Bereich des Zumutbaren liegen. Dem Beklagten würde aber jede Aussicht auf eine Normalisierung seiner eigenen wirtschaftlichen Lage genommen, wenn er unter den hier vorliegenden Umständen an einer dauernden Unterhaltsbelastung festgehalten würde.
Dabei ist in diesem Zusammenhang nicht zu seinem Nachteil, sondern positiv für ihn und seine Haltung gegenüber der Klägerin zu berücksichtigen, daß er nach der Trennung der Parteien zunächst noch versucht hat, die Ehe der Parteien aufrechtzuerhalten, auch eine Eheaufhebungsklage nicht durchführte und daß schließlich auch die Ehescheidung nicht von ihm, sondern von der Klägerin betrieben worden ist. Nach Auffassung des Senats kann eine ehefreundlich gesinnte Partei, wie im vorliegenden Fall der Beklagte, bei der Beurteilung seiner Unterhaltsverpflichtung aus der dann doch gescheiterten Ehe nicht schlechter gestellt werden als derjenige, der - anwaltlich gut beraten - sofort selbst die zur Herbeiführung ihm günstiger unterhaltsrechtlicher Regelungen erforderlichen Konsequenzen zieht, wie es hier entweder die Durchführung des Eheaufhebungsverfahrens oder das alsbaldige Stellen des Ehescheidungsantrags nach der Trennung der Parteien gewesen wäre.
Der Senat sieht dieses dem Beklagten zumutbare Maß unterhaltsrechtlicher Belastung als Folgewirkung aus der Ehe der Parteien mit Ablauf des Jahres 1988 als gegeben an. Die schicksalshafte weitere Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin, für welche nicht sie aber auch nicht der Beklagte verantwortlich ist, muß dann von ihrer Familie und der Allgemeinheit getragen werden, wie es auch jetzt schon überwiegend geschieht.
Der Gesichtspunkt, daß auch durch die gerade noch zumutbare unterhaltsrechtliche Belastung des Beklagten der Lebensbedarf der Klägerin nicht annähernd gedeckt werden kann, während andererseits dem Beklagten nach den tatsächlichen Verhältnissen weniger als sein notdürftiger Selbstbehalt verbleibt, spricht ebenfalls dafür, die Inanspruchnahme des Beklagten zeitlich zu begrenzen. Denn die für die Vergangenheit und für einen begrenzten Zeitraum auch in Zukunft vom Beklagten aufzubringenden Unterhaltsleistungen belasten ihn schwer, während sie zu einer nachhaltigen und vollständigen Sicherung der Lebensstellung der Klägerin nicht ausreichen.
Der Senat sieht keinen Grund, die Revision zuzulassen, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruht.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 708 Nr. 10, 713 ZPO.