Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 08.08.2017, Az.: 5 B 212/17

Auslegung des Unionsrechts; Bleibeinteresse; Elfenbeinküste; Integrationsprogramm; Interessenabwägung; Italien; Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte; Suspensivinteresse; systemische Schwachstellen; unzumutbar; Vollzugsinteresse; Vorlagefrage; Überstellungsinteresse

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
08.08.2017
Aktenzeichen
5 B 212/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 54106
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Es fehlt an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Schwachstellen i. S. v. Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Verordnung 604/2013 (Dublin III-VO) aufweisen.
2. Die Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte in Italien verstoßen nicht gegen Art. 4 der GRC.
3. Allein ein Verstoß gegen Art. 20 ff. der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) steht einer Ablehnung des Asylantrages als unzulässig nicht entgegen.

Gründe

Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben ivorischer Staatsangehöriger und reiste am 24.01.2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seinen am 31.01.2017 gestellten Asylantrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 08.06.2017 als unzulässig ab (Ziffer 1) und stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen (Ziffer 2). Zudem ordnete sie gem. § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylG die Abschiebung des Antragstellers nach Italien an (Ziffer 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4). Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner am 19.06.2017 erhobenen Klage (– 5 A 679/17 –) und dem vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.

Der gem. § 80 Abs. 5 VwGO gestellte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.

Der zulässige, insbesondere innerhalb der Wochenfrist des § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylG gestellte, Antrag ist nicht begründet.

Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nimmt das Gericht eine eigene Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Aufschubinteressen der Beteiligten vor. Dem Charakter des Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprechend kann das Gericht seine vorläufige Entscheidung im Regelfall nur auf Grundlage einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als wesentliches Element der Interessensabwägung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angeordneten Sofortvollzugs treffen. Dabei ist für die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich, das über jenes hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.10.2009 – 1 BvR 2395/09 –, juris, Rn. 7 und vom 12.09.1995 – 2 BvR 1179.95 – juris, Rn. 42 ff.). Kann – wegen der besonderen Dringlichkeit oder der Komplexität der Rechtsfragen – keine Abschätzung über die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs i.S. einer Evidenzkontrolle getroffen werden, sind allein die einander gegenüber stehenden Interessen zu gewichten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.03.2010 – 7 VR 1.10 –, juris, Rn. 13).

Im vorliegenden Fall überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das private Interesse des Antragstellers an seinem Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland, weil die Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des angegriffenen Bescheides vom 08.06.2017 nach summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die vorzunehmende weitere Interessenabwägung – unter Einbeziehung des Umstandes, dass die Erfolgsaussichten der Klage von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes über eine ihm vorzulegende Frage der Auslegung des Unionsrechts abhängen – zu Lasten des Antragstellers ausgeht.

1. Nach der vorläufigen rechtlichen Einschätzung des Gerichtes ist die auf § 34 a Abs. 1 AsylG beruhende Abschiebungsanordnung unter Ziffer 3 des angegriffenen Bescheides vom 08.06.2017 rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Gemäß § 34a Abs. 1 AsylG ordnet das Bundesamt, sofern ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.

a) Der in der Abschiebungsanordnung bezeichnete Zielstaat Italien ist für die Durchführung des Asylverfahrens gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zuständig.

aa) Die Zuständigkeit zur Bearbeitung des Asylbegehrens bestimmt sich nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), sog. Dublin-III-VO. Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO legt fest, dass der Asylantrag eines Drittstaatsangehörigen im Grundsatz nur in dem für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedsstaat geprüft wird. Daraus wird abgeleitet, dass der Ausländer keinen Anspruch auf Prüfung seines Asylantrags in einem Mitgliedsstaat seiner Wahl hat. Die Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates bestimmt sich nach den Kriterien des Kapitel III (Art. 7 - 15) der Dublin-III-VO. Der Mitgliedsstaat muss diese Kriterien nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung in der in diesem Kapitel aufgeführten Rangordnung anwenden (Urt. des EuGH v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris, vom 10.12.2013 –, C-394/12 – und vom 14.11.2013 – C-4/11 –, alle bei juris).

Hier ist aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union Italien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Die Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO, da Italien auf das Aufnahmegesuch vom 15.03.2017 nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen gem. Art. 25 Abs.1 Dublin III-VO geantwortet hat.

bb) Die Bundesrepublik Deutschland ist auch nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO zuständig geworden. Nach dieser Vorschrift setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU–Grundrechtecharta mit sich bringen, so. Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR, Urt. v. 21.01.2011 – 30696/09 –, juris) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ("systemic failure") abgestellt (EGMR, B. v. vom 02.04.2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; v. 04.04.2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10.09.2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

Zum Prüfungsmaßstab der Verwaltungsgerichte hat das Bundesverwaltungsgericht (B. v. 19.03.2014 – 10 B 6/14 -, a.a.O., Rn 9) ausgeführt:

„Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus.“

Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben kann nicht von systemischen Schwachstellen im Asylverfahren bzw. den Aufnahmebedingungen in Italien ausgegangen werden.

Zwar hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in der Rechtssache Hussein gegen die Niederlande und Italien (Entscheidung vom 02.04.2013 – Nr. 27725/10 – http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx) für die Beschwerdeführer, eine somalische Mutter und ihre beiden 2009 und 2011 geborenen 4 und 2 Jahre alten Kinder zunächst eine Aussetzung der Überstellung nach Italien erwirkt. Ausweislich der Pressemitteilung vom 18.04.2013 hat das Gericht jedoch einstimmig die Aussetzung der Rückführung aufgehoben, weil die künftigen Aussichten für die Beschwerdeführer im Falle einer Rückführung nach Italien kein hinreichend reelles und unmittelbares Risiko einer Notlage nahelegten, welche den notwendigen Schweregrad aufweise, um in den Anwendungsbereich von Art 3 EMRK zu fallen. Zudem wiese die allgemeine Situation von Asylbewerbern in Italien keine systemischen Mängel auf.

An dieser Einschätzung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung vom 18.06.2013, Nr. 53852/11, Hamili gegen Österreich und Italien (ZAR 2013, 338 f.) auch im Falle eines Asylbewerbers, der an einer posttraumatischen Belastungsstörung litt, festgehalten.

Dementsprechend gehen auch das Nds. Oberverwaltungsgericht (u.a. Beschlüsse vom 23.01.2014 – 5 A 212/11 – und vom 30.01.2014 – 4 LA 167/13 –), das OVG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 07.03.2014 – 1 A 21/12.A –, vom 07.07.2016 – 13 A 2302/15.A –, vom 18.07.2016 – 13 A 1859/14.A – und vom 16.02.2017– 13 A 316/17.A –, alle bei juris), das OVG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 21.02.2014 – 10 A 10656/13.OVG –, juris) und das OVG Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 14.11.2013 – 4 L 44/13 –; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 – 10 B 6/14 ) davon aus, dass nach Auswertung der vorliegenden Gutachten, Auskünfte und Berichte dies in Italien nicht der Fall sei. Zwar ist danach das italienische Asylsystem insbesondere mit den hohen Antragszahlen in den Jahren 2008 und 2011 überfordert gewesen und leidet noch immer an Mängeln. Dabei handelt es sich aber nicht um systemische Mängel im dargestellten Sinne. Zum einen bemühe sich Italien, den mangelhaften Zuständen abzuhelfen, so dass sich die Situation in bestimmten Bereichen verbessert habe. Zum anderen bestünden die Mängel nicht flächendeckend, sondern nur punktuell. Es könne daher nicht davon gesprochen werden, das Asyl- und Aufnahmesystem sei faktisch außer Kraft gesetzt.

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht in der Entscheidung Tarakhel/Schweiz, Urteil vom 04.11.2014 – 29217/12 – (NVwZ 2015, S. 127 ff) davon aus, dass Art. 3 EMRK nicht so ausgelegt werden könne, dass er die Konventionsstaaten verpflichte, allen ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen das Recht auf eine Wohnung zu gewähren. Dieser Vorschrift könne danach auch keine allgemeine Pflicht entnommen werden, Flüchtlinge finanziell zu unterstützen, damit sie einen gewissen Lebensstandard aufrechterhalten können (Rn. 95). Es sei aber zu berücksichtigen, dass Asylbewerber einer besonders schützenswerten Bevölkerungsgruppe angehörten (Rn. 97), und dass bei Minderjährigen im Auge behalten werden müsse, dass ihre besonders verwundbare Lage entscheidend sei und schwerer wiege als die Tatsache, dass sie Ausländer mit unrechtmäßigem Aufenthalt seien (Rn. 99). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellt in dieser Entscheidung weiterhin fest, dass die derzeitige Lage in Italien keinesfalls mit der in Griechenland zur Zeit des Urteils. M.S.S./Bulgarien und Griechenland verglichen werden könne, in dem der Gerichtshof insbesondere festgestellt habe, dass die Aufnahmeeinrichtungen bei zehntausenden Asylanträgen nur über 1000 Plätze verfügten und dass die von den (damaligen) Beschwerdeführern beschriebene absolute Notlage ein weit verbreitetes Phänomen gewesen sei. Das Ergebnis könne deswegen im vorliegenden Fall nicht dasselbe sein wie im Fall M.S.S./Bulgarien und Griechenland (Rn. 131). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung, in der es um die Behandlung einer afghanischen Familie mit 6 Kindern ging, vielmehr tragend darauf abgestellt, dass der besondere Schutz für Asylbewerber umso wichtiger sei, wenn die Betroffenen Kinder seien, weil sie besondere Bedürfnisse hätten und extrem verwundbar seien. Dies gelte auch, wenn die Kinder als Asylbewerber von ihren Eltern begleitet werden würden (Rn. 119). Deshalb seien Zusicherungen zu verlangen, dass die Beschwerdeführer bei Ankunft in Italien in Einrichtungen und unter Bedingungen untergebracht würden, die dem Alter der Kinder entsprächen und dass die Familieneinheit erhalten bliebe (Rn. 120).

Auch in seiner Entscheidung vom 05.02.2015 – 51428/10 – (A.M.E. gegen Niederlande) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass die Aufnahmebedingungen in Italien für einen alleinstehenden jungen Mann nicht grundsätzlich die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK begründeten, da die Situation nicht mit der einer Familie mit sechs minderjährigen Kindern, wie im Fall Tarakhel, vergleichbar sei. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in dieser Entscheidung auch ausdrücklich darauf verwiesen, dass die allgemeinen Aufnahmebedingungen in Italien nicht mit den Bedingungen in Griechenland zum Zeitpunkt der Entscheidung M.S.S. v. Belgien und Griechenland vergleichbar seien und daher nicht alle Überstellungen nach Italien zu unterbleiben hätten.

Dies zeigt gerade, dass auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nicht generell von einer unmenschlichen Behandlung bei der Durchführung von Asylverfahren in Italien ausgeht. Lediglich im Einzelfall kann danach eine Verletzung des Art. 3 EMRK unter Würdigung des individuellen Vorbringens des Asylbewerbers in Betracht gezogen werden (so auch Nds. Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 25.06.2015 – 11 LB 248/14 –, juris).

Dass der Antragsteller, ein lediger junger Mann, zu dem Kreis von besonders schutzbedürftigen Personen im Sinne der Rechtsprechung des Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gehört, ist nicht ersichtlich.

cc) Ob eine Überstellung an den an sich für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat auch dann entsprechend Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO ausscheidet, wenn die Ausgestaltung des internationalen Schutzes, namentlich die Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte in dem Zielstaat gegen Art. 4 der GRC verstoßen (vgl. Vorlagefrage 3 des Beschlusses des VGH Baden-Württemberg vom 15.03.2017, – A 11 S 2151/16 –, juris) bedarf hier keiner Entscheidung, da kein entsprechender Verstoß vorliegt.

Dabei stehen dem Gericht ausreichende Erkenntnismittel als Grundlage für diese Bewertung im Eilverfahren zur Verfügung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.05.2017– 2 BvR 157/17 –, juris, Rn. 14 ff. zu den Anforderungen an die gerichtliche Aufklärungspflicht im Eilverfahren). Im Übrigen ist die Situation insoweit nicht mit derjenigen in Griechenland vergleichbar, weil der Grundsatz gegenseitigen Vertrauens in Italien nicht, wie – aufgrund des noch in jüngster Vergangenheit von der Bundesregierung und der EU-Kommission bejahenden Verstoßes der Aufnahmebedingungen – in Griechenland, erschüttert ist.

Die Situation von als international schutzberechtigt Anerkannten in Italien bewertet das Gericht als schwierig. Die Schwelle einer Verletzung von Art. 4 GRC bzw. 3 EMRK erreichen die dortigen Lebensbedingungen für den vorgenannten Personenkreises indes noch nicht.

Art. 3 EMRK verpflichtet die Vertragsstaaten, wie bereits dargelegt, nicht, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 21.01.2011 – 30696/09 – M.S.S. –, EUGRZ 2011, 243, Rn. 249, m. w. N., und Beschluss vom 02.04.2013 – 27725/10 – Mohammed Hussein –, ZAR 2013, 336 f., Rn. 70; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.08.2016 – 13 A 63/16.A –, juris und vom 07.03.2014 – 1 A 21/12.A –, juris, Rn. 119). Die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat, reicht ebenfalls nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten. Jedoch ist bei der Bewertung auch die besondere Verletzlichkeit von international Schutzberechtigten mit speziellem Schutzbedürfnis zu berücksichtigen (vgl. Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 21.01.2011 – 30696/09 – M.S.S. –, a.a.O. zu dem Personenkreis der Asylbewerber) sowie der Umstand, dass sich das italienische Sozialhilfesystem stark auf die Unterstützung durch die Familie stützt und es international Schutzberechtigten – zumindest in der ersten Zeit – oftmals an einem tragfähigen familiären Netzwerk fehlt (vgl. dazu Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, Stand: August 2016, S. 49). Ob diese Situation dazu führt, dass als international schutzberechtigt Anerkannten zur Erreichung einer – nicht nur rechtlichen, sondern auch – tatsächlichen Gleichbehandlung mit Inländern erforderliche Leistungen zu gewähren sind (so Hessischer VGH, Urteil vom 04.11.2016 – 3 A 1292/16.A –, juris, Rn. 25; bislang offen gelassen vom VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.03.2017 – A 11 S 2151/16 – a.a.O., Rn. 26; vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 – 30696/09 –, a.a.O. nicht entschieden), kann hier offen bleiben, da die tatsächlichen, nichtfamiliären Leistungsangebote für diesen Personenkreis gegenüber Inländern – zwar in einem begrenzten, aber eine Verletzung von Art. 3 EMRK ausschließenden Umfang – weiter gehen. So bestehen für international Schutzberechtigte ein gegenüber Inländern weitergehendes staatliches Leistungssystem sowie spezielle Förderprogramme von Nichtregierungsorganisationen.

Nach den vorliegenden Erkenntnissen sind Ausländer in Italien, die dort als international Schutzberechtigte anerkannt worden sind, italienischen Staatsangehörigen zwar gleichgestellt, d. h., es wird grundsätzlich von ihnen erwartet, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen. Die zurückkehrenden Flüchtlinge sind aber nach der Erkenntnislage nicht gänzlich sich selbst überlassen. Es bestehen – in begrenztem Umfang – weitergehende staatliche sowie nichtstaatliche Leistungen, aufgrund derer nicht von Art. 3 EMRK verletzenden Lebensbedingungen von als international schutzberechtigt Anerkannten in Italien auszugehen ist.

Kehren anerkannte Flüchtlinge aus dem Ausland zurück, können sie sich etwa am Flughafen in Rom von Nichtregierungsorganisationen beraten lassen (vgl. Auskunft des Auswärtiges Amtes an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.02.2016, S. 5). Dort erfahren sie auch, welche Questura für sie zuständig ist. Diese wird informiert und der Schutzberechtigte erhält ein Bahnticket, um dorthin zu gelangen. Dort kann ein Antrag auf Unterkunft gestellt werden (vgl. Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.04.2016, S. 5; Auskunft des Auswärtiges Amtes an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.02.2016, S. 5).

Zwar ist es für Schutzberechtigte, die nach Italien zurückgeschickt werden, weiterhin schwierig, eine Unterkunft zu finden, da das italienische System davon ausgeht, dass eine Person spätestens ab Gewährung des Schutzstatus arbeiten darf, dadurch aber auch selber für sich sorgen muss (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, Stand: August 2016, S. 35). Dennoch bestehen unterschiedliche Möglichkeiten, eine Unterkunft zu erhalten. Italien hat in der Vergangenheit erhebliche Bemühungen unternommen, den Zugang zu Obdach zu verbessern und beabsichtigt, die Kapazitäten weiter auszubauen (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.02.2016, S. 5). Die Versorgung von Flüchtlingen mit Wohnraum war und ist von Ort zu Ort unterschiedlich. Zudem bestehen verschiedene Unterbringungsmöglichkeiten.

So bietet das Zweitaufnahmesystem in Italien mit der Bezeichnung SPRAR auch Zugang für Schutzberechtigte, soweit sie die maximale Aufenthaltsdauer von sechs Monaten nach Anerkennung zuvor noch nicht ausgeschöpft haben und ein Platz frei ist (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, Stand: August 2016, S. 39). Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Plätze genügt zwar nicht, alle Schutzberechtigten aufzunehmen, hat sich in der Vergangenheit aber signifikant von 4.800 Plätzen Anfang Juni 2013 auf 22.000 Plätze im August 2016 erhöht und soll nochmals um 10.000 Plätze erhöht werden. Dadurch ist es manchmal möglich, relativ schnell einen Platz zu finden. Die Unterbringung ist hingegen deutlich schwieriger, wenn die Anzahl an Eingliederungsanfragen hoch ist. Manchmal gibt es keine freien Plätze (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, Stand: August 2016, S. 36 f.). Nach einem positiven Asylentscheid kann eine Person nach den internen Anweisungen im Regelfall noch sechs Monate in der SPRAR-Unterkunft bleiben, in gewissen speziellen Fällen ein Jahr. Dabei umfassen die SPRAR-Projekte nicht nur eine Wohnmöglichkeit, sondern auch Integrationsprojekte im Sinne von Sprachkursen sowie Unterstützung bezüglich der Suche einer Stelle auf dem Arbeitsmarkt und weiteren Belangen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, Stand: August 2016, S. 35 f.). Daneben gibt es noch Gemeindeunterkünfte sowie durch Kirchen und andere Nichtregierungsorganisationen betriebene Notschlafstellen (vgl. zur Situation in Rom und Mailand Schweizerische Flüchtlingshilfe, Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, Stand: August 2016, S. 41 ff.). Gerade in Rom gibt es zudem eine Vielzahl besetzter Häuser, wie z. B. den Selam Palace, in denen die Lebensbedingungen äußerst schwierig sind, die schutzberechtigten Personen aber nicht völlig auf sich allein gestellt sind. So wird die Unterkunft regelmäßig von einer Nichtregierungsorganisation besucht, die Beratung und medizinische Unterstützung anbietet (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, Stand: August 2016, S. 44 ff.).

Zwar gibt es in Italien keine dem deutschen Recht vergleichbare Sozialleistungen. Ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK begründet dies nach Auffassung des erkennenden Gerichtes aber nicht. Dabei ist zu beachten, dass es zwar keine regelmäßigen, monatlichen, das Existenzminimum sichernde Sozialhilfeleistungen gibt, aber auch in Italien in abgeschwächter Form soziale Unterstützung vorhanden ist. So erhalten in SPRAR-Zentren die dort untergebrachten Personen eine Art Taschengeld, welches je nach Projekt zwischen 1,50 und 2,50 Euro pro Tag variiert. Darüber hinaus gibt es für eine gewisse Zeit einen Beitrag, wenn eine Person ihre (legale) Arbeit verloren hat. Ebenfalls ist es möglich, sich für einen finanziellen Beitrag zu bewerben, wenn eine Person kein oder ein sehr geringes Einkommen hat. Die Summe variiert, in Rom sind es (bis zu) 500 Euro im Jahr. In der Gemeinde Mailand kann theoretisch Sozialhilfe beantragt werden, die aus einem Geldbeitrag von 250 Euro pro Monat besteht und für sechs Monate ausbezahlt wird. Die Gewährung ist aber nicht garantiert und hängt von der Anzahl der Anfragen und dem verfügbaren Budget ab (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, Stand: August 2016, S. 50). Darüber hinaus bestehen öffentliche Fürsorgeleistungen für gemeldete Flüchtlinge, wenn sie bereit sind, an Maßnahmen zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage, z. B. speziellen beruflichen Lehrgängen, teilzunehmen (vgl. Deutsche Botschaft Rom, Sozialpolitische Informationen Italien, Januar 2012, 4.6.). Soweit solche Leistungen nicht greifen oder ausreichen, können Flüchtlinge, wenn sie – wie viele Italiener auch – arbeitslos sind, auf Spenden caritativer Organisationen zurückgreifen (vgl. borderline europe e.V., Gutachten zum Beweisbeschluss des VG Braunschweig vom 28.09.2012, Dezember 2012, 9.2, 10.2.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.02.2016, S. 5 und an das VG Potsdam vom 26.02.2015, S. 5).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist für als international schutzberechtigt anerkannte Personen aufgrund der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Italien und der oftmals wenig qualifizierten Berufsbildung zwar schwierig, aber nicht aussichtslos. Viele Flüchtlinge, insbesondere junge Männer, die mit gleichaltrigen italienischen Arbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren, kommen häufig nur als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft unter. Daneben suchen viele Personen Arbeit auf dem Schwarzmarkt, da dort die Chancen etwas günstiger sind, Arbeit zu finden (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, Stand: August 2016, S. 52).

Bei der Gesundheitsversorgung werden Flüchtlinge in Italien wie italienische Bürger behandelt. Der kostenlose Zugang zur Notfallversorgung steht ihnen immer zur Verfügung (vgl. Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe an OVG Nordrhein-Westfalen vom 18.05.2016, S. 4).

In begrenztem Umfang bestehen auch staatliche sowie nichtstaatliche Integrationsangebote. Italien hat inzwischen die Qualifikationsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt (vgl. Consiglio Italiano per i Rifugiati (CIR), Asylum Information Database (AIDA), Dezember 2015, S. 9.) Es ist deshalb grundsätzlich davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge in Italien in den Genuss der in den Art. 20 - 35 Qualifikationsrichtlinie genannten Rechte kommen. In der Praxis scheint es jedoch Probleme bei der Umsetzung des durch Art. 34 Qualifikationsrichtlinie gewährleisteten Anspruchs auf Zugang zu Integrationsmaßnahmen zu geben. So sind laut UNHCR keine spezifischen Maßnahmen zur Integration von Personen mit internationalem Schutz vorhanden. Es ist aber vorgesehen, dass der Tavolo Nazionale di Coordinamento alle zwei Jahre einen nationalen Integrationsplan publiziert, ein solcher existierte, zumindest bis August 2016, noch nicht (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, Stand: August 2016, S. 53). Jedoch unterhalten lokale Behörden, Stiftungen, Gewerkschaften und Hilfsorganisationen Integrationsprogramme und arbeiten dabei teilweise zusammen (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013, 7.3.). Im Zweitaufnahmesystem SPRAR gibt es Italienisch-Kurse, allerdings oftmals ohne genügend Personal, so dass eine Lehrperson auf ca. 200 Lernende kommt. Die meisten Italienisch-Schulen werden von Nichtregierungsorganisationen und nicht vom Staat geführt. In Rom gibt es ca. zwölf staatliche Schulen, die Italienisch-Kurse anbieten, was nach Angabe der Nichtregierungsorganisation Cittadini del Mondo nicht ausreicht, um den Bedarf an Sprachlernprogrammen zu decken. Cittadini del Mondo verfügt über eine Bibliothek mit 20.000 Büchern in mehr als 25 Sprachen. Dort werden unter anderem auch Aktivitäten zur Sensibilisierung der Thematik Flucht und Migration durchgeführt. Zudem werden mehrmals pro Woche Italienisch-Kurse angeboten. Es kommt vor, dass Verantwortliche von SPRAR-Zentren Cittadini del Mondo kontaktieren, um Zentrumsbewohner und -bewohnerinnen für Sprachkurse anzumelden. Cittadini del Mondo betreibt in den Räumlichkeiten der Bibliothek auch einen Sportello sociale, wo soziale und rechtliche Beratung angeboten wird. Damit bestehen in gewissem Umfang sowohl bei Zugang zum italienischen Unterbringungssystem, als auch dann, wenn dieser wegfällt, Integrationsangebote, wenn es auch in der letztgenannten Situation nicht leicht sein dürfte, kontinuierlich an einem Sprachkurs oder anderen integrationsfördernden Maßnahmen teilzunehmen, da der Alltag oft durch die Notwendigkeit, elementare Bedürfnisse wie Schlafen und Essen abzudecken, geprägt ist (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, Stand: August 2016, S. 53). Selbst wenn Italien damit seinen Verpflichtungen aus Art. 32 Qualifikationsrichtlinie nicht in vollem Umfang nachkommen sollte, führt dieser mögliche Verstoß nach Auffassung des Gerichtes in der Gesamtschau noch nicht zur Annahme einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Insbesondere führt – wovon offensichtlich auch das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Vorlagefrage 1 des Beschlusses vom 27.06.2017, a.a.O.) ausgeht – nicht jeder Verstoß gegen die Regelungen der Art. 20 ff. Qualifikationsrichtlinie zur Annahme eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK.

dd) Ob die Ausgestaltung des internationalen Schutzes, insbesondere der Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte, in Italien rechtlich und tatsächlich den Anforderungen der Art. 20 ff. der Qualifikationsrichtlinie genügt, bedarf hier keiner Entscheidung. Dies wäre nur dann relevant, wenn die zu erwartenden Lebensumstände im Falle einer künftigen Zuerkennung internationalen Schutzes im Zielstaat bereits im Verfahren nach der Dublin III-VO zu berücksichtigen wären (vgl. Vorlagefrage 3 des Beschlusses des VGH Baden-Württemberg vom 15.03.2017 – A 11 S 2151/16–, a.a.O.) und bereits ein Verstoß gegen Art. 20 ff. der Qualifikationsrichtlinie einer Überstellung entgegenstünde (vgl. Vorlagefrage 3 b), 2. Spiegelstrich des Beschlusses des BVerwG vom 23.03.2017 – 1 C 20/16 –, juris). Nach Auffassung der Kammer steht allein ein Verstoß gegen Art. 20 ff. der Qualifikationsrichtlinie – unabhängig von der Frage, ob die Lebensbedingungen nach Zuerkennung internationalen Schutzes überhaupt im Verfahren nach der Dublin III-VO zu berücksichtigen sind – einer Ablehnung des Asylantrages als unzulässig nicht entgegen.

Zwar handelt es sich bei dieser Bewertung um eine Frage der Auslegung der unionsrechtlichen Regelungen. Eine Pflicht zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof besteht im Eilverfahren indes nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.01.2017 – 2 BvR 2013/16 –, juris, Rn. 14 ff.).

Bei der Bewertung hat das Gericht berücksichtigt, dass auch im Dublin-Verfahren nach der – in der Dublin III-VO kodifizierten – Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur systemische Schwachstellen relevant sind, „die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen“ (vgl. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO). Eine weitere Absenkung dieser Schwelle würde das Gemeinsame Europäische Asylsystem und das ihm zugrunde liegende gegenseitige Vertrauen unterlaufen. Darüber hinaus gewähren die Regelungen der Qualifikationsrichtlinie international Schutzberechtigten existenzsichernde Leistungen allenfalls in demselben Umfang, wie sie eigene Staatsangehörige erhalten (vgl. Art. 27, 29 Abs. 1 und 2, Art. 30 und 32 Qualifikationsrichtlinie). Daraus folgt, dass es unionsrechtlich allenfalls dann geboten sein kann, einen Antrag auf Zuerkennung internationalen Schutzes entgegen der im nationalen Recht angeordneten Unzulässigkeit derartiger Anträge zu prüfen, wenn – was hier aufgrund der vorgenannten Erwägungen nicht der Fall ist – die Lebensbedingungen in dem Mitgliedstaat, der dem Antragsteller internationalen Schutz gewährt hat, Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK verletzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.03.2017,a.a.O., Rn. 35).

b) Der Abschiebungsanordnung gem. § 34a Abs. 1 S. 1 AsylG steht ebenfalls nicht entgegen, dass das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) nur dann anordnen darf, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Abschiebung in den zuständigen Staat nicht erfolgt, sobald sie – wenn auch nur vorübergehend – aus anderen Gründen rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich ist (vgl. dazu Nds. OVG, B. v. vom 02.05.2012 – 13 MC 22/12 – juris, Rn. 27). Für eine solche Annahme liegen hier aber – auch aufgrund der vorgenannten Erwägungen – keine Anhaltspunkte vor.

2. Die vorzunehmende weitere Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus.

Dabei hat das Gericht auch berücksichtigt, dass die Erfolgsaussichten der Klage gegen die Abschiebungsanordnung von der Beantwortung der aktuellen Vorlagefragen des VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 15.03.2017 – A 11 S 2151/16 –, a.a.O., Rn. 25) – ob bereits im Verfahren nach der Dublin III-VO die zu erwartenden Lebensumstände im Fall der Zuerkennung internationalen Schutzes zu berücksichtigen sind – und des BVerwG (Vorlagefragen 3 b), 2. Spiegelstrich des Beschlusses vom 23.03.2017 – 1 C 20.16 –, a.a.O.) – ob bereits eine Verletzung gegen Art. 20 ff. der Qualifikationsrichtlinie bei fehlender Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK einer Ablehnung des Asylantrages als unzulässig entgegensteht – abhängen. In einer solchen Konstellation lassen sich, da im Hauptsacheverfahren voraussichtlich eine Vorlage des dann letztinstanzlich entscheidenden Gerichts an den Europäischen Gerichtshof zur Klärung dieser Frage erforderlich ist, weder – ohne Weiteres – ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit verneinen, noch kann die offensichtliche Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bejaht werden. In diesen Fällen wird eine Antragsablehnung mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nur dann Bestand haben können, wenn dieser Umstand - über die notwendig nur vorläufige rechtliche Einschätzung des Gerichts hinausgehend - in die Abwägung des Bleibeinteresses des Antragstellers mit dem öffentlichen Vollzugsinteresse einbezogen wird. Im Anwendungsbereich der Dublin-III-VO ist dabei die Wertung des europäischen Rechts zu beachten, dass grundsätzlich in jedem Mitgliedstaat angemessene, durch das Unionsrecht vereinheitlichte Aufnahmebedingungen herrschen, die Mindeststandards festlegen (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Juni 2016 - C-63/15 - Ghezelbash -, juris, Rn. 60). Ein Überwiegen des Suspensivinteresses wird bei einer unionsrechtlich nicht geklärten Rechtsfrage, die das Verwaltungsgericht im Eilverfahren vorläufig zu Lasten des Asylbewerbers entscheidet, deshalb nur dann zu bejahen sein, wenn besondere, in der Person des Asylbewerbers liegende Gründe die Rücküberstellung in einen anderen Mitgliedstaat mit der Folge, dass das Hauptsacheverfahren in Deutschland von dort aus betrieben werden muss, unzumutbar erscheinen lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.01.2017 – 2 BvR 2013/16 –, juris, Rn. 18 f.).

Unter Berücksichtigung dieser Maßgabe überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das private Suspensivinteresse des Antragstellers. Es liegen keine besonderen, in der Person des Asylbewerbers liegende Gründe vor, die eine Rücküberstellung nach Italien als unzumutbar erscheinen ließen. Bei der Bewertung hat das Gericht berücksichtigt, dass – wie soeben dargelegt – das italienische Asylsystem keine systemischen Mängel aufweist und die Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte in Italien zwar schwierig sind, aber noch nicht die Schwelle einer Verletzung von Art. 3 EMRK überschreiten. Darüber hinaus geht es nicht um einen dauerhaften, sondern zunächst nur vorübergehenden Aufenthalt in Italien bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache. Hinzu kommt, dass eine Rückkehr aus Italien in die Bundesrepublik Deutschland im Falle einer Aufhebung der Abschiebungsanordnung im Hauptsacheverfahren – wie dem Gericht aus anderen Gerichtsverfahren, in denen die Kläger nach einer Überstellung bereits während des laufenden Gerichtsverfahrens zurückkehrten, bekannt ist – keine unüberwindbare Hürde wäre. Besondere in der Person des Antragstellers liegende Gründe, die ihn als besonders verletzlich erscheinen ließen, sind nicht geltend gemacht worden. Vor diesem Hintergrund ist es dem Antragstellern zuzumuten, dass Hauptsacheverfahren von Italien aus zu führen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war gem. § 166 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus o. g. Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).

Dieser Beschluss ist gem. § 80 AsylG unanfechtbar.