Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 19.07.2017, Az.: 6 A 251/15

Arzneimittel; Arzneimittelgroßhandel; Großhandel; Versandapotheke; Vorratshaltung

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
19.07.2017
Aktenzeichen
6 A 251/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54101
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Inhaber einer Apotheke mit Versandhandelserlaubnis unterliegt auch hinsichtlich dieses Betriebsteils der Pflicht zur Vorratshaltung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Aufhebung einer arzneimittelrechtlichen Anordnung der Beklagten.

Der Kläger ist Inhaber der F. in A-Stadt, Landkreis Osnabrück. Neben der hierfür erforderlichen allgemeinen Apothekenbetriebserlaubnis wurde ihm von der Beklagten eine Erlaubnis zum Versand von Arzneimitteln erteilt. Der Versand dieser Arzneimittel erfolgt aus ausgelagerten Betriebsräumen heraus, die sich in G. Landkreis Osnabrück, befinden. Am 25.09.2014 führte die Beklagte eine Besichtigung dieser ausgelagerten Betriebsräume durch. Ihre hauptamtlichen Mitarbeiter stellten hierbei nach Einsicht in das vom Kläger geführte Warenwirtschaftssystem fest, dass zu drei Fertigarzneimitteln kein dem Wochenbedarf entsprechender Vorrat vorhanden war. Bei dieser Prüfung legte die Beklagte entsprechende Verkaufsstatistiken der Jahre 2012-2014 zu Grunde. Die wenigen vorhandenen Packungen waren nach eigenen Aussagen des verantwortlichen approbierten Mitarbeiters des Klägers für vorliegende Rezepte reserviert.

Mit Schreiben vom 28.11.2014 wandte sich die Beklagten an den Kläger und teilte mit, dass sie beabsichtige ihm gegenüber anzuordnen, dass er eine Vorratshaltung gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 der Apothekenbetriebsordnung zu betreiben habe. In seiner Stellungnahme vom 12.12.2014 teilte der Kläger mit, dass eine Vorratshaltung nur unter Berücksichtigung der Sonderregelung in § 11a Nr. 3 lit. a des Apothekengesetzes in Betracht komme. Die dort geregelte Frist zum Versand innerhalb von 2 Tagen halte er wegen einer Belieferung durch den Großhandel, die 10-12 Mal täglich stattfinde und durch 6 unterschiedliche Händler erfolge, ein. Er könne daher kurzfristig auf etwaige Bestellungen reagieren. Bei der Präsenzapotheke werde ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO nicht angenommen, wenn im täglichen Betrieb Verschreibungen nur ausnahmsweise nicht sofort aus dem Vorrat beliefert werden könnten und das nicht vorrätige Arzneimittel kurzfristig vom Großhandel bezogen werden könne. Diese Voraussetzungen erfülle er.

Mit Bescheid vom 10.06.2015, dem Kläger per Einschreiben mit Rückschein am 16.06.2015 zugestellt, ordnete die Beklagte sodann gegenüber dem Kläger an, dass dieser Arzneimittel und apothekenpflichtige Medizinprodukte, die zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung notwendig sind, in einer Menge vorrätig zu halten habe, die mindestens dem durchschnittlichen Bedarf für eine Woche entspreche. Sie führte im Tenor des Bescheides weiter aus, dass zur Ermittlung dieses Bedarfs ein repräsentativer Zeitraum in der Apotheke zu analysieren sei. Dieser Zeitraum müsse sich auf das Arzneimittel beziehen, saisonal oder auch bei Neueinführungen sinnvoll definiert werden.

Zur Begründung ihres Bescheids führte die Beklagte an, dass der Kläger auch für seinen ausgelagerten Betrieb einer sog. Versandapotheke der Vorratshaltung gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 der Apothekenbetriebsordnung unterliege. Die Einführung der Versandmöglichkeit durch den Gesetzgeber im Jahr 2004 rechtfertige insofern keine andere Beurteilung. Die Möglichkeit einer intensiven Belieferung durch den Großhandel führe ebenso wenig zu einer anderen Einschätzung. Anderenfalls wäre eine unterschiedliche Absicherung der Bevölkerung bei der Versorgung von Arzneimitteln zu befürchten. Ebenso folge aus der Arzneimittelpreisverordnung, dass auch die Versandapotheke der Vorratshaltung unterliege. Der hiernach zu erhebende 3 %-ige Zuschlag, der auch den Versandapotheken zugutekomme, diene u. a. zur Absicherung der durch die Vorratshaltung verursachten Kosten.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 15.07.2015 Klage erhoben. Zur Begründung führt er an: Es seien die Besonderheiten des Versands zu berücksichtigen. Sinn und Zweck der Vorratshaltung des § 15 Abs. 1 Satz 1 der Apothekenbetriebsordnung sei, dass der Kunde nicht „auf später“ vertröstet werden solle. Eine vergleichbare Konstellation sei bei der Versandapotheke jedoch nicht gegeben. Der Gesetzgeber habe insoweit eine speziellere Regelung durch § 11a Nr. 3 lit. a des Apothekengesetzes geschaffen, wonach der Inhaber einer solchen Versandapotheke lediglich sicherzustellen habe, dass innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Eingang der Bestellung das bestellte Arzneimittel versandt werde. Dieser Verpflichtung komme er zu jeder Zeit nach, da er mehrmals täglich von unterschiedlichen Großhändlern beliefert werde. Eine Belieferung durch den Großhandel sei wegen der Regelung in § 52b des Arzneimittelgesetzes gewährleistet, die einen Betreiber von Arzneimittelgroßhandlungen verpflichte, mindestens den durchschnittlichen Bedarf von zwei Wochen vorrätig zu halten. Im Übrigen sei im Rahmen der Auslegung der Vorschriften zu berücksichtigen, dass die erforderliche Kapitalbindung für die Lagerhaltung - erst recht bei einer Versandapotheke - beträchtlich sei. So mache er mit seiner Versandapotheke einen jährlichen Umsatz von ca. 96 Mio. €, mithin in der Woche ca. 1,84 Mio. €. Bei einem angenommenen Finanzierungsbedarf für das Warenlager von 5 % führe dies zu einer Belastung von 92.000 €. Damit werde ihm die wirtschaftliche Existenz entzogen. Die Lagerkosten für nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel seien höher als für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Da Versandapotheken nur einen geringen Anteil ihres Umsatzes mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erzielten, sei er mit der Vorratshaltung besonders belastet. Diesbezüglich könne die Beklagte auch nicht auf die Arzneimittelpreisverordnung verweisen, die in Bezug auf den Zuschlag lediglich verschreibungspflichtige Arzneimittel erfasse. Faktisch halte auch eine Vielzahl von Präsenzapotheken ein Warenlager nicht vor, ohne dass dies zu Beanstandungen durch die Beklagte führe. Ferner sei der Bescheid jedenfalls ab Satz 3 des Tenors rechtswidrig, weil die Beklagte im Detail festlege, wie die Ermittlung des Wochenbedarfs zu erfolgen habe, hierbei jedoch verkenne, dass dies allein in der Verantwortung des Apothekenleiters liege. Mit den Regelungen ab Satz 3 des Tenors habe es die Beklagte in der Hand, sich bei der nächsten Besichtigung die von ihr geforderte Analyse zur Ermittlung des durchschnittlichen Wochenbedarfs für einen repräsentativen Zeitraum vorlegen zu lassen. Dies sei ein unmittelbarer Eingriff in seine unternehmerische Entscheidung.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 10.06.2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihres Klagabweisungsantrags vertieft sie die Ausführungen ihres Bescheides. Der Kläger verkenne, dass es nach dem Gesetz die reine Versandapotheke nicht gebe, sondern insoweit eine öffentliche Apotheke voraussetze. Damit sei auch die sog. Versandapotheke zur Bevorratung verpflichtet. Neben der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung solle die Vorratshaltung auch „Warenlager auf der Straße“ verhindern. Sofern der Großhandel ebenso zur Bevorratung verpflichtet sei, flankiere diese Regelung nur die Vorratshaltung der Apotheken. Durch die Einführung der Versandapotheke habe der Gesetzgeber nur auf die räumliche Bindung zwischen dem Kunden und der Apotheke verzichtet, aber nicht auf die allgemeine Vorgabe zur Führung einer Apotheke. Die Regelungen ab Satz 3 des Tenors stellten dagegen nur eine Zusammenfassung der üblichen Verfahrensweise dar. Soweit der Kläger auf die erhebliche Kapitalbindung im Zuge der Kosten für das Warenlager verweise, treffe dies den Kläger ebenso wie Inhaber, die nur eine Präsenzapotheke betrieben. Ein Absehen von der Vorratshaltung würde damit gerade zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung des Klägers führen.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Das Gericht hat die Akten des Verfahrens 6 A 294/15 beigezogen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 10.06.2015 rechtmäßig und der Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der Bescheid beruht auf § 69 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) vom 12.12.2005 (BGBl. I S. 3394) in der zur Zeit der mündlichen Verhandlung geltenden Fassung. Hiernach trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Diese Ermächtigung erstreckt sich hierbei auch auf die Überwachung des ordnungsgemäßen Betriebs von Apotheken und ordnungsrechtliche Maßnahmen bei Verstößen gegen das Apothekenrecht (so st. Rspr. des BVerwG, vgl. nur U. v. 18.10.2012 - 3 C 25.11 - juris Rn. 8 m. w. N.).

Bedenken an der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen nicht. Die Beklagte ist gem. § 1 Nr. 2 lit. d der Verordnung zur Übertragung von staatlichen Aufgaben auf die Kammern für die Heilberufe vom 25.11.2004 (Nds. GVBl. S. 516) die zuständige Behörde für die Überwachung von Betrieben nach § 64 AMG, weil der Kläger als Inhaber einer öffentlichen Apotheke unter den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung - ApBetrO) vom 26.09.1995 (BGBl. I S. 1195) fällt. Die Zuständigkeitsregelung bezieht sich zwar ausdrücklich nur auf § 64 AMG, umfasst jedoch alle Maßnahmen, die im Zuge der Überwachung durchzuführen sind, mithin auch Anordnungen nach § 69 AMG (so auch Nds. OVG, B. v. 20.06.2008 - 13 ME 61/08 - juris Rn. 9). Die Beklagte hat ferner den Kläger im Vorfeld der Maßnahme gem. § 1 Abs. 1 NVwVfG i. V. m. § 28 Abs. 1 VwVfG angehört.

Die Anordnung ist daneben materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Es liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG vor, da der Kläger gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO verstoßen hat.

Die Beteiligten streiten zunächst über die Rechtsfrage, ob der Inhaber einer Erlaubnis nach § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG i. V. m. § 11a des Gesetzes über das Apothekenwesen (Apothekengesetz - ApoG) vom 15.10.1980 (BGBl. I S. 1993) zum Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln (im Folgenden Versandapotheke) auch insoweit der Pflicht zur Vorratshaltung gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO unterliegt. Dies ist zu bejahen.

Zunächst spricht der Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO für eine entsprechende Vorratshaltung des ausgelagerten Teils der Apotheke für den Versand von Arzneimitteln. So legt § 15 ApBetrO lediglich fest, dass der „Apothekenleiter“ die Arzneimittel und apothekenpflichtigen Medizinprodukte, die zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung notwendig sind, in einer Menge vorrätig zu halten hat, die mindestens dem durchschnittlichen Bedarf für eine Woche entspricht. Ferner werden in Satz 2 einzelne Arzneimittel genannt, die in jedem Fall in der „Apotheke“ vorrätig zu halten sind. Damit nimmt § 15 Abs. 1 ApBetrO auf den Begriff des Apothekenleiters gem. § 2 Abs. 1 ApBetrO bzw. den der öffentlichen Apotheke gem. § 1 Abs. 1 ApBetrO Bezug, wozu jedenfalls die inhabergeführte Apotheke des Klägers zählt. Die Beklagte weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass es die „Versandapotheke“ als eigenständige Apothekenform nicht gibt. Der Versand von Arzneimitteln und die hierfür erforderliche Erlaubnis nach § 11a ApoG knüpfen nämlich an eine Präsenzapotheke an, wenn gem. § 11a Nr.1 ApoG die Erlaubnis nur erteilt werden darf, wenn der Versand aus einer öffentlichen Apotheke zusätzlich zu dem üblichen Apothekenbetrieb erfolgt. Dass der Kläger diesen Teil seiner Apotheke an einem ausgelagerten Standort betreibt, ändert hieran nichts. Die Regelung in § 15 ApBetrO knüpft damit an die öffentliche Apotheke an, unabhängig davon, ob zusätzlich aus eben dieser noch ein Versand von Arzneimitteln erfolgt.

Auch aus der systematischen Betrachtung ergibt sich nichts anderes.

So legt der bereits benannte § 11a Nr. 1 ApoG ferner fest, dass die Versandapotheke nach den Vorgaben der öffentlichen Apotheke zu betreiben ist - also unter Einhaltung von § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO. Insoweit ermöglichte Sonderregelungen sind nicht erkennbar. Wenn der Kläger in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung erstmals darauf hingewiesen hat, dass es sich um ein offensichtliches Versehen des Verordnungsgebers gehandelt habe, bei der Änderung der ApBetrO keinen Ausnahmetatbestand für die Versandapotheke hinsichtlich der Vorratshaltung geschaffen zu haben, überzeugt dies nicht. Denn an anderer Stelle bestehen solche Sonderregelungen. So sieht bspw. § 17 Abs. 2a ApBetrO konkrete Anforderungen vor, die seitens des Apothekenleiters beim Versand von Arzneimitteln zu berücksichtigen sind. Eine Anpassung oder Berücksichtigung im Rahmen des § 15 ApBetrO hat der Verordnungsgeber dagegen nicht vorgenommen.

Der Kläger kann sich auch nicht mit dem Verweis auf § 11a Nr. 3 lit. a ApoG der Vorratshaltung entziehen. Diese Regelung sieht vor, dass bestellte Arzneimittel innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Eingang der Bestellung zu versenden sind, soweit das Arzneimittel in dieser Zeit zur Verfügung steht, es sei denn, es wurde eine andere Absprache mit der Person getroffen, die das Arzneimittel bestellt hat. Anders als der Kläger meint, ist damit keine spezielle Regelung für die Versandapotheke geschaffen, die die Bestimmung des § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO verdrängt. Schon ausweislich des Wortlautes will § 11a Nr. 3 lit. a ApoG den zügigen Versand der Arzneimittel gewährleistet wissen. Zu einer etwaigen Vorratshaltung sagt die Regelung hingegen nichts. Die Regelung stellt mit der 2-Tages-Frist damit lediglich Anforderungen an die Bearbeitung bzw. Organisation des Bestellablaufs sowie die Logistik. Eine entsprechende Vorratshaltung wird folglich vorausgesetzt. Hieran besteht trotz des Nebensatzes „soweit das Arzneimittel in dieser Zeit zur Verfügung steht“ kein Zweifel. Zwar mag man im ersten Zugriff hieraus herleiten mögen, dass die Bestimmung damit eine fehlende Vorratshaltung voraussetze. Eine solche Auslegung geht aber fehl. Die Regelung will den Apotheker lediglich von der Lieferfrist für den Fall befreien, dass ein Arzneimittel ausnahmsweise nicht vorrätig ist. Insoweit geht die Regelung in § 11a Nr. 3 lit. a ApoG nicht weiter als § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO, wonach ein Vorrat nicht für jedes Arzneimittel vorzuhalten ist, sondern für die zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung notwendigen Arzneimittel und in einem mindestens dem durchschnittlichen Wochenbedarf entsprechenden Umfange. Dies hat zur Folge, dass auch bei einer Präsenzapotheke ein Arzneimittel einmal „nicht zur Verfügung stehen“ kann. Aus dieser Formulierung eine Nichtgeltung der Vorratshaltung für die Versandapotheke insgesamt herzuleiten, geht daher zu weit.

Auch die Regelung des § 52b Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 AMG führt nicht dazu, dass der Kläger von der Einhaltung der Bestimmung des § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO zu befreien wäre. Dass auch die Großhändler einer Vorratshaltung - hier des durchschnittlichen Bedarfs von zwei Wochen - unterliegen, dient lediglich dazu, die Voraussetzungen für eine Vorratshaltung durch die Apotheke zu schaffen und damit weitere Ebenen in der Lieferkette von Arzneimitteln zur Erfüllung des Versorgungsauftrags miteinzubeziehen. (vgl. hierzu Cyran/Rotta, Kommentar zur ApBetrO, § 15, Rn. 3, Stand Sept. 2012). Hierdurch wird der Apothekenleiter aber nicht seiner eigenen Verpflichtung zur Vorratshaltung enthoben.

Der Hinweis der Beklagten auf die Arzneimittelpreisverordnung führt zur Auslegung des § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO dagegen nur bedingt weiter. Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass diese nur Regelungen bezüglich verschreibungspflichtiger Arzneimittel enthält. Unabhängig hiervon ist aus teleologischen Gründen eine Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO auf die Versandapotheke geboten. Nach § 1 Abs. 1 ApoG obliegt den Apotheken die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Ein wichtiger Faktor bei der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten ist eine umfangreiche Vorratshaltung von Fertigarzneimitteln sowie Nicht-Fertigarzneimitteln und Hilfsmitteln zur Arzneimittelherstellung und -abgabe sowie von apothekenpflichtigen Medizinprodukten (so Cyran/Rotta, a. a. O., § 15, Rn. 1-2). Die Vorschrift des § 15 ApBetrO will aber auch verhindern, dass einzelne Apotheken ihre Vorratshaltung ausschließlich oder überwiegend auf eine täglich oder gar mehrmals täglich erfolgende Belieferung durch den Großhandel abstellen („kein Warenlager auf der Straße“). Ein solche Handhabung wäre nämlich mit dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung nicht in Einklang zu bringen (so Pfeil/Pieck/Blume, Kommentar zur ApBetrO, § 15, Rn. 28, Stand 12. EL 2015). Vor diesem Hintergrund gibt es keine Veranlassung eine Anwendbarkeit des § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO in Bezug auf die Versandapotheke zu verneinen. Der Kläger mag noch zu Recht darauf verweisen, dass sich Patienten bei Notfällen nicht an die Versandapotheke wenden und sich eine Situation, bei der Kunden „auf später vertröstet“ werden müssten, nicht ergebe. Es ist aber festzuhalten, dass die Versandapotheke als Betriebsteil einer öffentlichen Apotheke dem Versorgungsauftrag ebenso unterliegt und daher einer Vorratshaltung bedarf. Dem kann der Kläger auch nicht entgegenhalten, dass er bislang aufgrund der täglich mehrfachen Belieferung durch den Großhandel alle Bestellungen bedienen konnte. Damit wird zum einen der mit § 15 ApBetrO ebenso verfolgte Zweck („kein Warenlager auf der Straße“) konterkariert und zum anderen kann der Umstand, dass der Kläger bislang eine Vorratshaltung unterlassen hat und dies folgenlos geblieben ist, nicht als Argument dienen, der Verpflichtung auch zukünftig nicht nachzukommen. Eine Nichtanwendbarkeit der Vorratshaltung auf Versandapotheken würde den Kläger ferner im Vergleich zu Inhabern, die nur eine Präsenzapotheke betreiben, ungerechtfertigt bevorzugen. Wie bereits ausgeführt ist die Versandapotheke nur Betriebsteil der Präsenzapotheke. Schon vor diesem Hintergrund verbietet sich eine Differenzierung. Darüber hinaus ist nicht erkennbar, warum nur dem Betriebsteil der Präsenzapotheke die durch die Vorratshaltung entstehenden Lagerhaltungskosten zugemutet werden sollen. Wenn der Kläger allgemein auf die hohen Kosten, die durch die Lagerhaltung entstehen, verweist, gilt dies sowohl für die Präsenz- als auch für die Versandapotheke in gleichem Maße. Sofern der Kläger weiter meint, dass die Lagerhaltungskosten für nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel höher seien als für verschreibungspflichtige und die Versandapotheke den Großteil ihres Umsatzes durch nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel erzeuge, kann dahinstehen, ob dies in der Sache zutrifft. Selbst wenn dies der Fall wäre, rechtfertigt dies eine Nichtanwendbarkeit von § 15 ApBetrO nicht. Denn auch Präsenzapotheken untereinander unterscheiden sich hinsichtlich des Umsatzes von nicht- oder verschreibungspflichtigen Arzneimitteln teilweise erheblich, je nachdem, ob es sich um eine Stadt- oder Landapotheke handelt, oder ob sie bspw. innerhalb eines Ärztehauses oder eines Einkaufszentrums angesiedelt sind, ohne dass dies zu einer Nichtanwendbarkeit des § 15 ApBetrO führen würde. Diese Unterschiede können dagegen - auch unter verantwortbarer Berücksichtigung der durch die Lagerhaltung verursachten Kapitalbindung - im Rahmen der einzelnen Ausgestaltung des Wochenvorrats berücksichtigt werden, die im Ermessen des Apothekenleiters liegt (so auch Cyran/Rotta, a. a. O., § 15 ApBetrO, Rn. 8; Pfeil/Pieck/Blume, a. a. O., § 15 ApBetrO, Rn. 28a).

Nach alledem unterliegt daher auch die Versandapotheke der Vorgabe des § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO.

Gegen diese Vorgabe hat der Kläger verstoßen, da bei der Besichtigung am 25.09.2014 festgestellt worden ist, dass er für drei einzeln benannte Arzneimittel überhaupt keine Vorratshaltung führte. Einem fehlenden Verstoß kann der Kläger nicht entgegenhalten, dass nach den einschlägigen Kommentierungen im Grundsatz vertreten wird, dass der Vorratshaltung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO Genüge getan sei, wenn beim täglichen Betrieb Verschreibungen nur ausnahmsweise nicht sofort aus dem Vorrat beliefert werden können (so Cyran/Rotta, a. a. O., § 15 ApBetrO, Rn. 8). Dies mag als Orientierungshilfe dienen, wenn in Streitfällen zu entscheiden ist, ob ein entsprechender Vorrat für ein einzelnes Medikament den Vorgaben des § 15 ApBetrO gemäß noch gegeben ist. Hier hat der Kläger aber nicht in Abrede gestellt, dass er für die drei betroffenen Arzneimittel (PZN 5387788, 8752490, 05387647, vgl. Bl. 4 BA-001 im Verfahren 6 A 294/15) überhaupt keinen Vorrat hält. Der Kläger kann insoweit auch nicht - wie in der mündlichen Verhandlung erstmals erfolgt - anführen, dass der zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung notwendige Vorrat bei einer Versandapotheke gen Null tendiere, wenn - wie bei ihm der Fall - die Versendung der Arzneimittel innerhalb der gesetzlich vorgesehenen zwei Arbeitstage erfolgt. Denn Ausgangspunkt der Bedarfsermittlung ist der Warenausgang (so Cyran/Rotta, a. a. O., § 15 ApBetrO, Rn. 5) und nicht die Frage, ob oder wie schnell Patienten das gewünschte Arzneimittel in der Regel erhalten. Ferner ist jedenfalls - und insoweit selbstständig tragend - ein künftiger Verstoß gegen § 15 ApBetrO anzunehmen, da der Kläger gegenüber der Beklagten die Ansicht vertritt, an die Vorgabe der Vorratshaltung nicht gebunden zu sein.

Bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG steht der Beklagten Ermessen i. S. d. §§ 1 Abs. 1 NVwVfG, 40 VwVfG zu. Da die Beklagte im vorliegenden Fall gegenüber dem Kläger lediglich in Form eines feststellenden Verwaltungsakts die bereits kraft Gesetzes geltende Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO im Einzelfall angeordnet hat, hat sie sich insoweit auf die denkbar mildeste Handlungsalternative beschränkt. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Weitere Anhaltspunkte für Ermessensfehler sind weder ersichtlich, noch vorgetragen.

Der Bescheid ist ferner nicht rechtswidrig, soweit der Kläger sich gegen die Ausführungen der Beklagten in Satz 3 ff. des Tenors wendet. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte hierdurch bereits regelnd eingegriffen oder insoweit lediglich bloße Hinweise erteilt hat. Eine etwaige Regelung wäre jedenfalls rechtlich nicht zu beanstanden, da sie - anders als der Kläger meint - den Ermessenspielraum des Klägers bei der Ausgestaltung des Wochenvorrats nicht unzulässig einschränkt. Ausweislich der vom Kläger beanstandeten Bestimmung des Bescheids hat der Kläger den durchschnittlichen Wochenbedarf anhand eines repräsentativen Zeitraums zu analysieren, wobei der Zeitraum auf ein Arzneimittel bezogen sein sowie sinnvoll, ggf. saisonal oder bei Neueinführungen, definiert werden muss. Es ist nicht erkennbar, inwieweit der Kläger mit diesen Ausführungen in seinem Ermessenspielraum unzulässig eingeschränkt ist. Es ist schon nicht denkbar, einen - wie auch immer gearteten - durchschnittlichen Wochenbedarf ohne Analyse eines vergangenen Zeitraums zu bestimmen. Ebenso ist es zwingend, das jeweilige Arzneimittel hierbei in den Blick zu nehmen. Da gerade die Ausgestaltung des Warenlagers die Besonderheiten der jeweiligen Apotheke (Lage, Kundenstamm etc.) zu berücksichtigen hat, bedarf es einer einzelfallbezogenen, vom Apothekenleiter durchzuführenden Analyse. Starre Warenlagervorgaben kommen nicht in Betracht (so auch Pfeil/Pieck/Blume, a. a. O., § 15 ApBetrO, Rn. 6, 28a; Cyran/Rotta, a. a. O., § 15 ApBetrO, Rn. 5). Nicht mehr fordert die Beklagte mit ihren Bestimmungen ab Satz 3 des Tenors. Sofern der Kläger in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass die Regelung ihn verpflichte, eine Vielzahl wirkstoffgleicher Arzneimittel von unterschiedlichen Herstellern zu bevorraten und ihn daher zu sehr belaste, dringt er hiermit ebenso wenig durch. Der Begriff des Arzneimittels im Bescheid der Beklagten ist wirkstoff-, nicht herstellerbezogen zu verstehen. Dies ergibt sich bereits aus der in Bezug genommenen gesetzlichen Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO. Auch dort ist der Begriff wirkstoffbezogen gemeint, was sich u. a. in der Auflistung der Arzneimittel in § 15 Abs. 1 Satz 2 ApBetrO zeigt (so im Übrigen auch Pfeil/Pieck/Blume, a. a. O., § 15 ApBetrO, Rn. 8).