Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 08.10.2012, Az.: 8 C 701/12

Bachelorstudiengang; fachliche Einschlägigkeit; Einschlägigkeit; konsekutiver Masterstudiengang; Masterstudiengang; universitäre Ordnung; Zugangsordnung; besondere Zugangsvoraussetzung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
08.10.2012
Aktenzeichen
8 C 701/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 44469
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Als besondere Zugangsvoraussetzung für die Zulassung zu einem konsekutiven Master-Studiengang (hier: "Finanzen, Rechnungswesen und Steuern") darf in einer universitären Ordnung die fachliche Einschlägigkeit des Bachelor-Abschlusses verlangt werden.

2. Bei maßgeblicher Ausrichtung des Masterstudiums auf die Vermittlung von hochwertiger Fach- bzw. Forschungskompetenz ist der Nachweis des Vorliegens eines fachwissenschaftlichen Mindestanteils in bestimmten methodischen Grundlagenfächern des vorher abgeschlossenen Studiums gerechtfertigt.

Gründe

Der I. geborene Antragsteller hat an der Hochschule für Wirtschaft und Recht D. den Bachelorstudiengang „Business Administration“ mit der Gesamtnote 1,4 abgeschlossen. Seine Bewerbung um einen Studienplatz im Masterstudiengang „Finanzen, Rechnungswesen und Steuern“ an der Georg-August-Universität G. zum Wintersemester 2012/2013 ist mangels Erfüllung der besonderen Zugangsvoraussetzungen (kein Abschlusserwerb in einer mit Betriebswirtschaftslehre fachlich eng verwandten Fachrichtung, kein Nachweis von Leistungen in Mathematik oder Statistik oder Ökonometrie im Umfang von zusammen wenigstens 12 Anrechnungspunkten) erfolglos geblieben (Ablehnungsbescheid der Antragsgegnerin vom 31.5.2012). Über die hiergegen am 2.7.2012 erhobene Klage (8 A 700/12) ist noch nicht entschieden.

Der am 11.7.2012 sinngemäß gestellte Antrag,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, den Antragsteller nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2012/2013 vorläufig zum Masterstudiengang „Finanzen, Rechnungswesen und Steuern“ an der Georg-August-Universität G. im 1. Fachsemester zuzulassen,

hat keinen Erfolg.

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Er hat keinen Zulassungsanspruch zum 1. Fachsemester in dem von ihm begehrten – zulassungsbeschränkten – Masterstudiengang „Finanzen, Rechnungswesen und Steuern“ innerhalb der festgesetzten Kapazität. Denn er erfüllt mit seinem an der Hochschule für Wirtschaft und Recht D. absolvierten Bachelorstudiengang „Business Administration“ nicht die besonderen Zugangsvoraussetzungen des § 2 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b) der Ordnung über die Zugangsvoraussetzungen und über die Zulassung für den konsekutiven Master-Studiengang „Finanzen, Rechnungswesen und Steuern“ der Georg-August-Universität G. in der am 11.3.2009 genehmigten Neufassung (Amtliche Mitteilungen der Georg-August-Universität G. vom 1.4.2009/Nr. 9 S. 718 ff.) – ZZO-FRS –, wonach für die fachliche Einschlägigkeit des Vorstudiums (Betriebswirtschaftslehre oder fachlich eng verwandte Fachrichtung) unter anderem Leistungen in Mathematik oder Statistik oder Ökonometrie im Umgang von zusammen wenigstens 12 Anrechnungspunkten nachzuweisen sind. Die Kammer unterscheidet in Verfahren der vorliegenden Art nach dem eigentlichen Zugangsverfahren, in dem die Zugangsberechtigung der Bewerber geklärt wird, und einem Auswahlverfahren, wenn die Anzahl der für diesen Studiengang zugangsberechtigten Bewerber die Anzahl der zur Verfügung stehenden Plätze übersteigt.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ZZO-FRS ist Voraussetzung für den Zugang zum begehrten Masterstudiengang an der Universität der Antragsgegnerin, dass die Bewerberin oder der Bewerber ein mindestens sechssemestriges Studium mit Bachelor-Abschluss im Umfang von mindestens 180 ECTS-Anrechnungspunkten oder mit einem gleichwertigen Abschluss in einem Studiengang an einer deutschen Hochschule oder an einer Hochschule, die einem der Bologna-Signatarstaaten angehört, im Studiengang Betriebswirtschaftslehre oder in einer fachlich eng verwandten Fachrichtung gemäß Absatz 3 abgeschlossen hat und für den mit einem forschungsorientierten Profil ausgestaltetem Studiengang Finanzen, Rechnungswesen und Steuern besonders geeignet gemäß Absatz 4 ist. Die Entscheidung, ob ein Vorstudium im Sinne des Absatzes 1 fachlich eng verwandt ist (fachliche Einschlägigkeit), trifft die Auswahlkommission (§ 2 Abs. 3 Satz 1 ZZO-FRS). Voraussetzung der fachlichen Einschlägigkeit des Vorstudiums ist nach Satz 2 der Nachweis wenigstens der folgenden Leistungen:
a) …
b) Leistungen in Mathematik oder Statistik oder Ökonometrie im Umfang von zusammen wenigstens 12 Anrechnungspunkten.
Die Feststellung der fachlichen Einschlägigkeit erfolgt nach Satz 3 anhand der mit der Bewerbung einzureichenden Unterlagen und insoweit anhand geeigneter Kriterien wie etwa den Lehrinhalten, der verwendeten Literatur, den Modulvoraussetzungen, der Prüfungs- und Studienordnung und den Studienverlaufsplänen des Studiengangs, in dem die Leistung erbracht wurde.

Gründe für eine Unwirksamkeit dieser Norm liegen nicht vor.

Die in § 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 ZZO-FRS der Universität der Antragsgegnerin geregelten besonderen Zugangsvoraussetzungen entsprechen den Vorgaben, die sich aus § 18 Abs. 8 des Niedersächsischen Hochschulgesetzes – NHG – ergeben. Nach dessen Satz 1 setzt die Zugangsberechtigung zu Masterstudiengängen einen Bachelorabschluss oder gleichwertigen Abschluss und eine besondere Eignung voraus. Vertieft der Masterstudiengang das vorherige Studium fachlich in derselben Richtung, so wird die besondere Eignung insbesondere auf der Grundlage des Ergebnisses der Bachelorprüfung festgestellt (Satz 2), wobei das Nähere eine Ordnung regelt (Satz 4). Zwar berechtigt der erfolgreiche Abschluss eines Hochschulstudiums grundsätzlich zur Aufnahme eines Studiums in allen Fachrichtungen (§ 18 Abs. 9 Satz 1 Halbs. 1 NHG). Die besonderen Zugangsvoraussetzungen nach Abs. 8 dieser Norm bleiben hiervon aber ausdrücklich unberührt (§ 18 Abs. 9 Satz 1 Halbs. 2 NHG).

Die besonderen Zugangsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 ZZO-FRS widersprechen nicht dem Recht auf freie Wahl des Berufs und der Ausbildungsstätte (Art. 12 Abs. 1 GG) i.V.m. dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip. Hieraus folgt ein nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes einschränkbares Recht des die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllenden („hochschulreifen“) Staatsbürgers auf Zulassung zum Hochschulstudium. § 18 Abs. 8 Satz 1 und 2 NHG sowie eine hierauf basierende Zugangsordnung sind subjektive Berufszulassungsvoraussetzungen, die den Zugang zum Masterstudium durch subjektive Eignungsregelungen beschränken, indem insbesondere auf erworbene und qualifizierte (die besondere Eignung indizierende) Abschlüsse abgestellt wird. Diese Beschränkung ist im Hinblick auf ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut, das gegenüber der Freiheit des Einzelnen vorrangig ist, gerechtfertigt. Dieses liegt in der Feststellung, ob der Studienbewerber den Anforderungen des Masterstudiums genügen wird und dient damit letztlich der internationalen Akzeptanz und Reputation der Masterabschlüsse (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 7.6.2010 – 2 NB 375/09 –, NdsVBl. 2010, 296/297; OVG NRW, Beschluss vom 18.4.2012 – 13 B 52/12 –, NWVBl. 2012, 352/353). Das Abstellen auf einen solchen Abschluss ist ein sachgerechtes und nachvollziehbares Kriterium, um den besonderen, in den ländergemeinsamen Strukturvorgaben über die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen in den Beschlüssen der Kultusministerkonferenz vom 10.10.2003, 10.12.2009 und 4.2.210 zum Ausdruck kommenden Anforderungen an das Masterstudium Rechnung zu tragen, und damit Ausdruck einer verhältnismäßigen Zugangsbeschränkung. Soweit bei einem konsekutiven Masterstudiengang nach § 18 Abs. 8 Satz 2 NHG und der auf dieser Grundlage ergangenen universitären Zugangsordnung ein vorangegangener qualifizierter Bachelorabschluss (oder gleichwertiger Abschluss) von der Hochschule gefordert werden darf, hat sich diese Anforderung unmittelbar auf diesen Abschluss zu beziehen. Dabei darf die Hochschule auch die fachliche Einschlägigkeit eines zuvor abgeschlossenen wissenschaftlichen Studiums für das gewünschte nachfolgende Masterstudium fordern. Ein entsprechendes Anforderungsprofil in Gestalt einer Mindestzahl von Leistungspunkten aus bestimmten Gebieten darf die Hochschule zur Gewährleistung der Qualität des Masterstudiengangs verlangen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4.7.2012 – 13 B 597/12 –, juris Rn. 5 f.; OVG Hamburg, Beschluss vom 7.2.2012 – 3 Bs 227/11 –, juris Rn. 28; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6.9.2010 – OVG 5 S 17.10 –, juris Rn. 4 und 8).

§ 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 ZZO-FRS der Universität der Antragsgegnerin setzt hinsichtlich der Qualifikation für die Aufnahme des konsekutiven Masterstudiengangs „Finanzen, Rechnungswesen und Steuern“ einen Hochschulabschluss in Betriebswirtschaftslehre oder in einem fachlich einschlägigen – d. h. in einem im Hinblick auf die vermittelten Kompetenzen gleichwertigen – Studiengang voraus. Aufgrund der Ausrichtung dieses Masterstudiengangs auf die Vermittlung von hochwertiger Fach- bzw. Forschungskompetenz (vgl. dazu die in § 2 der am 13.3.2012 genehmigten Prüfungs- und Studienordnung für diesen Studiengang aufgeführten Qualifikationsziele, veröffentlicht in den Amtlichen Mitteilungen der Georg-August-Universität G. I/10 vom 27.3.2012, S. 249) ist der Nachweis des Vorliegens eines fachwissenschaftlichen Mindestanteils in bestimmten wissenschaftlichen Grundlagenfächern des vorher abgeschlossenen Studiums gerechtfertigt. Die subjektive Zugangsvoraussetzung in Form des Nachweises von Leistungen von Mathematik oder Statistik oder Ökonometrie im Umfang von zusammen mindestens 12 Anrechnungspunkten ist geeignet, erforderlich und angemessen, um die Qualität des hier in Rede stehenden konsekutiven und forschungsorientiert ausgerichteten Masterstudiengangs, der die betriebswirtschaftlichen Teilgebiete Finanzen, Rechnungswesen und Steuern umfasst, zu gewährleisten. Ein außergewöhnlich hohes Maß an Fachwissen in den Bereichen Mathematik/Statistik/Ökonometrie ist zentraler und ersichtlich unerlässlicher Teil der im vorangegangenen Bachelorstudium zu erwerbenden Vorkenntnisse, da der Masterstudiengang „Finanzen, Rechnungswesen und Steuern“ stark quantitativ orientiert ist. Unzureichende fachwissenschaftliche Vorkenntnisse in den vorgenannten drei methodischen Grundlagenfächern gefährden ersichtlich den Erfolg dieses Studiengangs.

Die Leistungsübersicht des Antragstellers zu seinem Bachelorabschluss weist nur 10 – statt der erforderlichen 12 – Anrechnungspunkte in den Fächern Mathematik, Statistik bzw. Ökonometrie auf.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers können die im Rahmen des Wirtschaftsmathematischen Vorkurses, der allein der Vorbereitung an der Hochschule für Wirtschaft und Recht D. diente, erreichten 2,5 Credits nicht angerechnet werden, zumal die D. er Hochschule diese Credits selbst nicht in die Leistungsübersicht des Antragstellers aufgenommen hat. Auch die extern an der University of Delaware erworbenen Credits können nicht berücksichtigt werden, da diese denklogisch keinen Einfluss auf die Beurteilung der fachlichen Einschlägigkeit des Studiengangs „Business Administration“ an der Hochschule für Wirtschaft und Recht D. haben können.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers hat er im vorliegenden Fall nicht glaubhaft gemacht, dass ihm die Auswahlkommission im Ermessenswege nach § 2 Abs. 3 Satz 4 ZZO-FRS gestatten müsste, die zur Feststellung der fachlichen Einschlägigkeit des Vorstudiums fehlenden Leistungen innerhalb von zwei Semestern nachzuholen. Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin entspricht es ständiger Praxis der Auswahlkommission, solche Ermessensentscheidungen erst dann zu treffen, wenn die verfügbaren Studienplätze nicht vollständig mit geeigneten Bewerbern, die bereits sämtliche besonderen Zugangsvoraussetzungen erfüllen, besetzt werden können. Diese restriktive – im Hinblick auf Art. 3 GG einheitlich gehandhabte – Verwaltungspraxis ist bei summarischer Prüfung vom Wortlaut des § 2 Abs. 3 Satz 4 ZZO-FRS noch gedeckt. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, würde dies dem Antragsteller rechtlich nicht weiterhelfen. Denn jedenfalls hätte er nicht glaubhaft gemacht, dass das von der Auswahlkommission – seiner Ansicht nach zwingend – auszuübende Ermessen in seinem Fall dergestalt „auf Null“ reduziert wäre, dass jede andere Entscheidung als die, ihm die Nachholung der erforderlichen Leistungen zu gestatten, rechtswidrig wäre. Dafür, dass ihm die Nachholung aus Rechtsgründen hätte gestattet werden müssen, gibt es nach Auffassung der Kammer keinerlei greifbare Anhaltspunkte. Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin, an deren Richtigkeit zu zweifeln die Kammer keinen Anlass hat, haben bei einer Kapazität von 30 zu besetzenden Studienplätzen zum Wintersemester 2012/2013 150 Bewerbungen vorgelegen, die alle besonderen Zugangsvoraussetzungen nach der ZZO-FRS (auch mit Blick auf Mathematik etc.) vollständig erfüllt haben, während dies bei rund 100 weiteren Bewerbern, darunter auch dem Antragsteller, nicht der Fall gewesen ist.

Hiernach ist davon auszugehen, dass die Auswahlkommission für den Masterstudiengang nicht rechtsfehlerhaft geurteilt hat, als sie im Falle des Antragstellers die besondere Zugangsvoraussetzung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Buchst. b) ZZO-FRS als nicht erfüllt angesehen und demzufolge sein an der Hochschule für Wirtschaft und Recht D. absolviertes Bachelorstudium „Business Administration“ für den erstrebten konsekutiven Masterstudiengang an der Universität G. als nicht fachlich einschlägig eingestuft hat. Verfügt er aber nicht über die für die Zulassung zum Masterstudiengang „Finanzen, Rechnungswesen und Steuern“ erforderliche besondere Zugangsberechtigung, ist hier aus Rechtsgründen kein Raum dafür, die Antragsgegnerin zu einer vorläufigen Zulassung des Antragstellers für diesen Studiengang zu verpflichten.