Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 25.08.2010, Az.: L 3 U 239/08

Zulässigkeit von Satzungsregelungen zum Beitragsausgleichsverfahren in der gesetzlichen Unfallversicherung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
25.08.2010
Aktenzeichen
L 3 U 239/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 23961
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2010:0825.L3U239.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hildesheim - 20.10.2008 - AZ: S 21 U 192/04

Redaktioneller Leitsatz

Nach § 162 Abs. 1 S. 4 SB VII richtet sich die Höhe der Zuschläge und Nachlässe nach der Zahl, der Schwere oder den Aufwendungen für die Versicherungsfälle oder nach mehreren dieser Merkmale. § 162 SGB VII lässt den Berufsgenossenschaften einen weiten Spielraum zur Gestaltung ihrer Beitragsausgleichsverfahren, der auch die Entscheidung umfasst, auf welche Weise Zuschläge bzw. Nachlässe im Einzelnen berechnet werden (hier: Zulässigkeit von Satzungsregelungen, soweit sie die Berücksichtigung der Aufwendungen für einen Versicherungsfall in zwei aufeinander folgenden Jahren vorsehen). [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 20. Oktober 2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klägerin die Kosten beider Rechtszüge zu tragen hat. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 8.488,60 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Auferlegung eines Beitragszuschlages und begehrt stattdessen die Bewilligung eines Beitragsnachlasses für das Umlagejahr 2003.

2

Sie ist Inhaberin eines Unternehmens, das Formschläuche markiert und schneidet und Mitglied der Beklagten ist. In der Satzung der Beklagten ist ein Beitragsausgleichsverfahren vorgesehen, nach dem den Beitragspflichtigen nach Zahl und Schwere der im vorhergehenden Jahr (Umlagejahr) eingetretenen anzuzeigenden Versicherungsfälle Beitragszuschläge oder -nachlässe auferlegt bzw bewilligt werden. Die Schwere der Versicherungsfälle wird nach Messzahlen bewertet, die gestaffelt sind nach 0,01 Belastungseinheiten (BE) für jeden zu berücksichtigenden Versicherungsfall (Falltyp 1), weiteren 0,99 BE je Fall, für den die Beklagte Zahlungen (ohne Versichertenrente oder Gesamtvergütung) von mehr als 100 Euro geleistet hat (Falltyp 2), zuzüglich 20 BE je Fall, für den die Beklagte Versichertenrente oder Gesamtvergütung gezahlt hat (Falltyp 3) und schließlich zuzüglich 30 BE je Fall, in dessen Folge der Tod des Verletzten eingetreten ist (Falltyp 4). Ist ein Fall nach Falltyp Nr 1 oder 2 oder 3 berücksichtigt worden, wird der Betrag von 100 Euro jedoch erst später überschritten oder die Versichertenrente oder Gesamtvergütung erst später gezahlt oder tritt der Tod erst später ein, wird der Versicherungsfall danach nochmals berücksichtigt, wobei jedoch nur die jeweils einschlägigen zuzüglichen Belastungseinheiten in die Berechnung einbezogen werden. Je nachdem, ob die auf dieser Grundlage berechnete Belastung des Unternehmens (Eigenbelastung) die Durchschnittsbelastung aller Mitgliedsunternehmen der Beklagten über- oder unterschreitet, wird der Normalbeitrag für das Umlagejahr ermäßigt oder erhöht, und zwar um höchstens 30 vH.

3

Unter Zugrundelegung dieser Regelungen legte die Beklagte der Klägerin im Rahmen der Beitragsfestsetzung für das Umlagejahr 2002 einen Zuschlag von 30 vH auf. Dabei berücksichtigte sie insgesamt acht Versicherungsfälle, darunter auch die Arbeitsunfälle der Versicherten E., F., G. und H., die sich im Jahr 2002 ereignet, aber lediglich den Schweregrad des Falltyps 1 erreicht hatten.

4

Mit dem - hier strittigen - Beitragsbescheid für 2003 vom 15. April 2004 erhöhte die Beklagte den diesbezüglichen Normalbeitrag von 14.091,56 Euro erneut um einen Zuschlag von 30 vH (4.227,47 Euro). Auch hier waren die Unfälle der vorgenannten Versicherten aus dem Jahr 2002 berücksichtigt, nunmehr mit einer BE von 0,99. Außerdem wurde erstmals die am 18. Dezember 2002 verunfallte Versicherte I. mit einer BE von 1,00 und der im September 2003 verunfallte Versicherte J. - mit einer BE von 0,01 - berücksichtigt.

5

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 26. April 2004 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie darauf hinwies, dass sich fünf der für das Jahr 2003 in Rechnung gestellten Unfälle bereits im Jahr 2002 zugetragen hätten und deswegen auch im Nachlass-Zuschlag-Verfahren für dieses Jahr hätten berücksichtigt werden müssen. Bei dieser Handhabung hätte der Klägerin für 2003 aber ein Nachlass in Höhe von 30 vH gewährt werden müssen, der auch nicht durch einen höheren Zuschlag für 2002 ausgeglichen würde, weil dies durch die Kappung auf einen Höchstbetrag von 30 vH verhindert würde.

6

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2004 zurück. Die Satzungsregelung, wonach ein bereits im Vorjahr berücksichtigter Arbeitsunfall erneut in Rechnung gestellt werden könne, wenn es zu einer "Verschlimmerung" der Schwere des Falls (Wechsel des Falltyps) komme, sei sachgerecht. Insbesondere bei Versicherungsfällen, die erst im zweiten Halbjahr eines Jahres einträten, reiche ein erheblicher Teil der Leistungserbringer seine Rechnungen erst im neuen Jahr ein, so dass eine angemessene Beurteilung der Schwere des Falles nur möglich sei, wenn die zusätzlichen Kosten im folgenden Jahr berücksichtigt werden könnten. Diese Regelung bewege sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage (§ 162 Abs 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII)), wobei die Berufsgenossenschaften einen weiten Spielraums hinsichtlich der Gestaltung ihres Beitragsausgleichsverfahrens hätten. Daneben könne sich der Versicherungsfall der Frau I. nicht mehr auswirken, der der Beklagten nur deshalb nicht mehr im Jahr 2002 bekannt geworden sei, weil die Klägerin ihn nicht rechtzeitig gemeldet habe.

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Am 1. Dezember 2004 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben. Während des Klageverfahrens hat die Beklagte den geänderten Beitragsbescheid für 2003 vom 1. März 2006 erlassen, nachdem sich ergeben hatte, dass die Klägerin Entgelte in zu geringer Höhe nachgewiesen hatte. Die Höhe des Gesamtbeitrages ist hierdurch auf 21.442,21 Euro gestiegen, die des Zuschlags auf 4.244,30 Euro.

8

Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin im Wesentlichen ihre Auffassung dargestellt, die Satzung der Beklagten sei insoweit mit höherrangigem Recht unvereinbar, als sie bestimme, dass ein Versicherungsfall nicht nur im Jahr seines Eintritts, sondern danach nochmals bei der Durchführung des Beitragsausgleichsverfahrens in Rechnung gestellt werden könne. Eine derartige doppelte Berücksichtigung verletze dasÜbermaßverbot. Die entsprechende Satzungsregelung widerspreche außerdem § 152 Abs 1 SGB VII und dem dort niedergelegten Grundsatz der Periodizität der Beitragsbemessung sowie den Verhältnissen in anderen Rechtsgebieten, etwa im Einkommenssteuerrecht. Der Satzungsgeber hätte das Nachlass-Zuschlag-Verfahren so ausgestalten müssen, dass die Versicherungsfälle allein in dem Umlagejahr berücksichtigt würden, in dem sie auch tatsächlich aufgetreten seien. Nur dies entspreche auch dem mit dem Beitragsausgleichsverfahren verfolgten Präventionsgedanken. Weiterhin eröffne die vorliegende Satzungsgestaltung der Beklagten auch die Möglichkeit, Rechnungen, die zwischen dem Jahresanfang und dem Erlasszeitpunkt des Beitragsbescheids eingereicht worden seien, willkürlich entweder im vorangegangenen oder im aktuellen Jahr zu buchen. Richtigerweise dürften Arbeitsunfälle innerhalb des Nachlass-Zuschlag-Verfahrens nur im ersten Kalenderjahr erfasst werden, wobei eine Prognose vorzunehmen wäre, wie sich der Versicherungsfall voraussichtlich entwickeln werde. Schließlich habe sich der Arbeitsunfall der Versicherten I. bereits am 18. Dezember 2002 ereignet und hätte deshalb im Berechnungsverfahren zum Jahr 2002 Berücksichtigung finden müssen.

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Das SG hat die Klage mit Urteil vom 20. Oktober 2008 (berichtigt mit Beschluss vom 14. November 2008) abgewiesen und entschieden, dass Kosten nicht zu erstatten seien. Die von der Beklagten getroffene Satzungsregelung verstoße nicht gegen den vom Gesetzgeber in § 162 SGB VII vorgesehenen Zweck, zumal auch eine mehrfache Berücksichtigung von Versicherungsfällen abgestaffelt nach deren Schwere erfolge. Auch für einen Verstoß gegen das Übermaßverbot sei nichts ersichtlich. Der Umstand, dass die wiederholte Berücksichtigung von Versicherungsfällen auch zu wiederholten Zuschlägen führe, habe nicht automatisch die Rechtswidrigkeit der Satzung zur Folge. Denn die Beklagte habe auf die Verzögerung gemeldeter Versicherungsfälle oder vorgelegter Arztrechnungen und damit auf nachvollziehbare und vernünftige Gründe für das durchgeführte Berechnungsverfahren verwiesen. ImÜbrigen habe bereits das Bundessozialgericht (BSG) am 16. November 2005 (Az: B 2 U 15/04 R) die für das Beitragsausgleichsverfahren in der Satzung der Beklagten getroffenen Regelungen umfassend beurteilt und insgesamt für rechtmäßig gehalten.

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Gegen das am 4. November 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. November 2008 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Sie weist auch im Berufungsverfahren darauf hin, dass die maßgebliche Vorschrift in der Satzung der Beklagten gegen die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage des § 162 SGB VII und gegen das Übermaßverbot verstoße. Entgegen der Auffassung des SG habe das BSG auch die hier maßgeblichen Satzungsregelungen der Beklagten nicht abschließend beurteilt. Schließlich sei zu bezweifeln, dass beispielsweise Leistungen für den Versicherungsfall G. erst im Jahr 2003 die Belastungsgrenze von 100,00 Euro überschritten hätten.

11

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

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1. das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 20. Oktober 2008 aufzuheben,

13

2. den Bescheid der Beklagten vom 15. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2004 und des Änderungsbescheides vom 1. März 2006 aufzuheben,

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3. die Beklagte zu verurteilen, den Beitrag für das Jahr 2003 unter Berücksichtigung eines 30 %igen Nachlasses im Nachlass-Zuschlag-Verfahren neu festzusetzen sowie die gezahlte Beitragsdifferenz in Höhe von 8.488,60 Euro zu erstatten.

15

Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Entgegen der Auffassung der Klägerin seien Versicherungsfälle nicht doppelt berücksichtigt worden, weil der für 2002 festgesetzte Zuschlag nur auf den Arbeitsunfällen der Versicherten K. und L. beruhe. Nur durch die von der Klägerin angegriffene Satzungsregelung werde gewährleistet, dass gleich schwere Versicherungsfälle im Nachlass-Zuschlag-Verfahren gleich behandelt würden. Auch das BSG habe wiederholt Gestaltungen von Beitragsausgleichsverfahren akzeptiert, in denen Versicherungsfälleüber Jahre hinweg berücksichtigt worden seien. Die Regelung widerspreche auch nicht dem § 162 SGB VII zugrunde liegenden Zweck, die Unternehmer zu vermehrten Unfallverhütungsmaßnahmen zu motivieren; denn tatsächliche Anstrengungen zur Unfallverhütung hätten einen längerfristigen Effekt, der über das Folgejahr hinaus gehe.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung, über die der Senat gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, aber unbegründet. Zutreffend hat das SG Hildesheim die Klage abgewiesen.

21

Klagegegenstand (§ 95 SGG) ist zunächst der einen Beitragszuschlag von 30 vH festsetzende Beitragsbescheid 2003 vom 15. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2004 gewesen. Nachdem die Höhe des Beitragszuschlages im Klageverfahren durch den Bescheid vom 1. März 2006 geändert worden ist, ist auch dieser gemäß § 96 Abs 1 SGG Klagegegenstand geworden. Die hiergegen gerichtete Klage ist als Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 und Abs 4 SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

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Sie ist jedoch nicht begründet. Die Entscheidung der Beklagten, für das Beitragsjahr einen Beitragszuschlag in Höhe von (jetzt) 4.244,30 Euro festzusetzen, ist nicht zu beanstanden.

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Formale Bedenken hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen nicht. Dies gilt auch, sofern die Beklagte es unterlassen haben sollte, die Klägerin vor dem Erlass des neuen Bescheids vom 1. März 2006 zu der leichten Erhöhung des Beitrags gemäß § 24 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) anzuhören. Denn dies wäre dadurch geheilt, dass die Klägerin die Möglichkeit hatte, sich hierzu im Klage- oder Berufungsverfahren zuäußern, weil die Anhörung gemäß § 41 Abs 2 SGB X bis zur letzten Tatsacheninstanz des sozialgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann.

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Materiellrechtliche Grundlage für die getroffene Entscheidung ist § 30 der Satzung der Beklagten vom 21. November 1997 (hier anwendbar in der Fassung des 2. Nachtrags vom 23. November 2001). Danach werden jedem Beitragspflichtigen nach Maßgabe des Anhangs zu dieser Vorschrift für die einzelnen Unternehmen unter Berücksichtigung der Zahl, der Schwere oder der Kosten der anzuzeigenden Versicherungsfälle Zuschläge zum Beitrag auferlegt oder Nachlässe auf den Beitrag bewilligt. Nach Ziffer 1 des Anhangs ist Grundlage hierfür die Zahl und die Schwere der im Umlagejahr eingetretenen anzuzeigenden Versicherungsfälle. Zur Bemessung der Schwere werden gemäß Nr. 5 des Anhangs für jeden zu berücksichtigenden Versicherungsfall festgesetzt: - je zu berücksichtigendem Versicherungsfall 0,01 BE (Falltyp 1), - je Fall, für den die Berufsgenossenschaft Zahlungen (ohne Versichertenrente oder Gesamtvergütung) von mehr als 100,00 Euro geleistet hat, zzgl 0,99 BE (Falltyp 2), - je Fall, für den die Berufsgenossenschaft Versichertenrente oder Gesamtvergütung gezahlt hat, zzgl 20 BE (Falltyp 3) und - je Fall, in dessen Folge der Tod des Verletzten eingetreten ist, zzgl 30 BE (Falltyp 4). Ziffer 5 regelt aE weiterhin: "Ist ein Fall nach Falltyp Nr. 1 oder 2 oder 3 berücksichtigt worden, wird jedoch der Betrag von 100,00 Euro erst später überschritten oder die Versichertenrente oder Gesamtvergütung erst später gezahlt oder tritt der Tod erst später ein, wird der Versicherungsfall nochmals berücksichtigt, wobei jedoch nur die jeweils einschlägigen zuzüglichen Belastungseinheiten in die Berechung einbezogen werden". In Nr 6 des Anhangs ist schließlich der Rechenweg geregelt, der zur Bestimmung der Abweichung der Eigenbelastung des jeweiligen Unternehmens von der Durchschnittsbelastung aller Mitgliedsunternehmen der Beklagten einzuhalten ist. Je nach Grad der Abweichung führt diese zur Ermäßigung bzw zur Erhöhung in Höhe von 5 vH (Abweichung 10 bis 20 vH) bis 30 vH (Abweichung mehr als 75 vH).

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In Übereinstimmung mit diesen Vorschriften hat die Beklagte zunächst den im Umlagejahr 2003 eingetretenen Arbeitsunfall des Versicherten J. mit 0,01 BE in die Berechnung eingestellt, weil es sich hierbei um einen Bagatellfall (Falltyp 1) gehandelt hat. Sodann sind auch die Versicherungsfälle der Beschäftigten G., H., F. und E. aus den Monaten Februar, Juli bzw September 2002 berücksichtigt worden. Für deren Eintritt waren bereits im Umlagejahr 2002 jeweils 0,01 BE in Ansatz gebracht worden (Falltyp 1). Die nochmalige Berücksichtigung der Versicherungsfälle folgt aus Nr 5 aE des Anhangs, weil der Zahlungsbetrag von mehr als 100,00 Euro (laut Falltyp 2) erst im Umlagejahr 2003 überschritten worden ist. Dies hat die Beklagte im Verlauf des Widerspruchsverfahrens unter Angabe des jeweils entscheidenden Rechnungsdatums aus dem Jahr 2003 eingehend dargelegt (vgl zB für die Versicherte G. Rechnung des Arztes Dr. M. über 370,89 Euro vom 15. Januar 2003). Soweit die Klägerin entsprechende Angaben im Berufungsverfahren unsubstantiiert bestreitet, äußert sie damit bloße Vermutungen, die rechtlich unerheblich sind.

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Wenn die Beklagte den Unfall der Versicherten I. vom 18. Dezember 2002 im Umlagejahr 2003 mit 1,0 BE berechnet hat, hat sie den Vorgaben ihrer Satzung allerdings nur zum Teil entsprochen. Richtigerweise hätte sie den Versicherungsfall als solchen mit 0,01 BE schon für das Umlagejahr 2002 berücksichtigen müssen, sodass für 2003 nur 0,99 BE hätten angesetzt werden dürfen. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus Nr 4 des Anhangs zu § 30 ihrer Satzung. Danach werden im Umlagejahr eingetretene anzuzeigende Arbeitsunfälle, die der Berufsgenossenschaft bis zur Durchführung des Beitragsausgleichsverfahrens nicht bekannt geworden sind, erst bei der Beitragsumlage berücksichtigt, die nach Kenntniserlangung der Berufsgenossenschaft vom Unfall durchgeführt wird. Der Versicherungsfall I. ist der Bezirksverwaltung Hamburg der Beklagten - laut Schreiben der Beklagten an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 15. Juli 2004 - aber schon am 2. Januar 2003 und damit vor der Durchführung des Beitragsausgleichsverfahrens 2002 (im Frühjahr 2003) bekannt geworden und hätte deshalb beim Beitragsausgleichsverfahren für 2002 noch berücksichtigt werden können. Die Klägerin ist hierdurch jedoch nicht beschwert, weil sich die Differenz von 0,01 BE - wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid dargelegt hat - rechnerisch nicht zu ihren Ungunsten auswirkt.

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Die im Anhang zu § 30 ihrer Satzung von der Beklagten getroffenen Regelungen zum Beitragsausgleichsverfahren stehen mit höherrangigem Recht in Übereinstimmung. Dies hat das BSG mit Urteil vom 16. November 2005 (B 2 U 15/04 R - juris) mit eingehender und überzeugender Begründung entschieden. Das BSG hat insbesondere ausgeführt, dass die in der Satzung der Beklagten normierte Bildung von Falltypen und ihrer Abstufung nach der Schwere der Versicherungsfälle von§ 162 Abs 1 SGB VII als Ermächtigungsgrundlage gedeckt wird. Nach§ 162 Abs 1 S 3 SGB VII bestimmt die Satzung das Nähere über die Auferlegung von Zuschlägen oder die Bewilligung von Nachlässen. Nach§ 162 Abs 1 S 4 SB VII richtet sich die Höhe der Zuschläge und Nachlässe nach der Zahl, der Schwere oder den Aufwendungen für die Versicherungsfälle oder nach mehreren dieser Merkmale. In diesem Zusammenhang hat das BSG (aaO.) an seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl Urteil vom 11. November 2003 - B 2 U 55/02 R - juris) festgehalten, wonach § 162 SGB VII den Berufsgenossenschaften einen weiten Spielraum zur Gestaltung ihrer Beitragsausgleichsverfahren lässt, der auch die Entscheidung umfasst, auf welche Weise Zuschläge bzw Nachlässe im Einzelnen berechnet werden.

28

Das BSG hat aaO. auch keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass die Satzung der Beklagten gegen Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) verstößt oder das Übermaßverbot verletzt. Zu diesem Punkt hat das BSG betont, dass dem Übermaßverbot dadurch hinreichend Rechnung getragen werde, dass die Höhe des Zuschlags auf 30 vH des jeweiligen Normalbeitrags beschränkt bleibt.

29

Die im vorliegenden Fall als problematisch angesehene Regelung in Ziffer 5 (aE) des Anhangs, wonach ein Versicherungsfall nochmals berücksichtigt werden kann, wenn erst in einem späteren Jahr die Voraussetzungen für einen höheren Falltyp erfüllt sind, ist vom BSG zwar nicht geprüft worden. Auch diese Regelung steht aber inÜbereinstimmung mit höherrangigem Recht.

30

Sie entspricht insbesondere den rechtlichen Vorgaben des § 162 Abs 1 S 4 SGB VII - Orientierung der Zuschlagshöhe an Zahl, Schwere oder Aufwendungen für die Versicherungsfälle - und des § 152 Abs 1 SGB VII, wonach die Beiträge nach Ablauf jedes Kalenderjahres erhoben werden und dabei den Bedarf dieses Jahres decken müssen. Wie das BSG (Urteil vom 16. November 2005 aaO.) bereits dargelegt hat, hat sich die Beklagte in ihrer Satzung für eine - von ihrem Gestaltungsspielraum gedeckte - Kombination der Bemessungsfaktoren "Aufwendungen" und "Schwere" entschieden, wenn sie die Falltypen 1 und 2 an das Erreichen eines Zahlungsaufwandes von 100,00 Euro, die Fälle 3 und 4 dagegen an Rentenansprüche bzw Tod des Versicherten knüpft. Dabei bildet letztlich auch die "Schwere"-Kategorie der Falltypen 3 und 4 in stark pauschalierter Form den mit dem Eintritt eines Versicherungsfalls einhergehenden finanziellen Aufwand der Berufsgenossenschaft ab. Ist der finanzielle Aufwand für einen Versicherungsfall entscheidend für die Auferlegung von Zuschlägen, liegt es angesichts der Anknüpfung an den jährlich abzugeltenden Bedarf aber nahe, auch den Aufwand zu berücksichtigen, den ein Versicherungsfall in mehreren Jahren verursacht. Denn nur so werden der tatsächliche Aufwand und die wirkliche Schwere des Versicherungsfalls zutreffend und nicht nur ausschnittsweise erfasst. Die Rechtmäßigkeit von Regelungen, die einen Versicherungsfall in Hinblick hierauf wiederholt im Beitragsausgleichsverfahren ansetzen, ist demgemäß auch geklärt. Das BSG hat dies wiederholt nicht beanstandet (SozR 2200 § 725 Nr 7 und Nr 10). Auch im Schrifttum ist anerkannt, dass die berücksichtigten Aufwendungen auf einen bestimmten Zeitraum bezogen werden müssen und deshalb die wiederholte Inrechnungstellung eines Versicherungsfalles möglich ist (Platz in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Unfallversicherung, § 58 Rn 75; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand: Juli 2010, § 162 Anm 7.3; Burchardt in: Becker ua, SGB VII - Komm, Stand: Januar 2010, § 162 Rn 46; Höller in: Hauck, SGB VII, Stand: Mai 2010, § 162 Rn 15; Ricke in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand: April 2010, § 162 Rn 18).

31

Allerdings halten alle oa Stimmen im Schrifttum (vgl jeweils aaO.) eine Beschränkung des zeitlichen Bewertungsmaßstabes auf zwei Jahre für tunlich. Auch das BSG (Soz 2200 § 725 Nr 7) hat eine Beschränkung auf "zwei Jahre nach dem Unfalltag" für erwägenswert gehalten. Sachliche Rechtfertigung hierfür ist der Zweck des Zuschlag-Nachlass-Verfahrens, mit Mitteln des Beitragsrechts positive Anreize für eine verstärkte Unfallverhütung durch den Unternehmer in seinen Betrieben zu bewirken (BSG, Urteil vom 16. November 2005 - B 2 U 15/04 R - juris, mwN). Dieser Effekt wird aber nur eintreten, wenn sich eine verstärkte Prophylaxe auch in absehbarer Zeit positiv für den Unternehmer auswirkt, während der beabsichtigte Anreiz leer laufen würde, wenn trotz verstärkter Bemühungen um eine größere Arbeitssicherheit Versicherungsfälle aus der Vergangenheit zu erheblich später verhängten Beitragszuschlägen führen würden. Dieser Gesichtspunkt, auf den auch die Klägerin hinweist, hat zur Konsequenz, dass Nr 5 aE des Anhangs zu § 30 in der Satzung der Beklagten insoweit von § 162 Abs 1 SGB VII nicht gedeckt ist, soweit die Vorschrift zB ermöglicht, dass mehrere Jahre nach einem Arbeitsunfall oder dem Auftreten einer BK der als Spätfolge eintretende Tod des Versicherten noch zu einem Beitragszuschlag führt. Dies hat indes im vorliegenden Fall nicht die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide zur Folge, weil ersichtlich Unfälle nur für zwei aufeinander folgende Jahre in Rechnung gestellt worden sind.

32

Wenn die Klägerin daran festhält, dass ein Arbeitsunfall nur im Jahr des Unfallereignisses für die Berechnung von Zuschlägen oder Nachlässen herangezogen werden dürfe, verkennt sie die Regelung des § 162 Abs 1 S 4 SGB VII und den hieran anknüpfenden Gestaltungsspielraum der Beklagten als Satzungsgeberin. Denn sie misst im Ergebnis dem Bewertungspunkt "Zahl der Versicherungsfälle" eine vor allen anderen Punkten liegende Bedeutung zu, die ihm - wie dargelegt - nicht zukommt. Im Übrigen haben bereits die Beklagte und das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass eine nur einmalige Berücksichtigung des Versicherungsfalles im Jahr des Eintritts dazu führen würde, dass Aufwand bzw Schwere des Versicherungsfalles bei verspäteter Meldung bzw verzögert vorgelegten Rechnungen nicht berücksichtigt werden könnten. Die von der Klägerin demgegenüber favorisierte Prognose-Entscheidung im Jahr des Versicherungsfalles wäre dagegen mit dem Risiko erheblicher Fehleinschätzungen behaftet. In diesem Zusammenhang hat bereits das SG zu Recht ausgeführt, dass es nicht Aufgabe der Gerichte ist zu prüfen, ob es im Vergleich zur hier vorgenommenen Berechnungsweise noch eine gerechtere Lösung zugunsten der Klägerin geben könnte.

33

Schließlich verletzt Ziffer 5 aE auch nicht dasÜbermaßverbot (etwa im Zusammenhang mit Art 12 oder 14 GG), welches verlangt, dass ein Eingriff in angemessenem Verhältnis zu dem Gewicht und der Bedeutung der jeweiligen Grundrechts steht, in das eingegriffen wird (BSG, Urteil vom 16. November 2005 aaO. unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) BVerfGE 67, 157, 173). Zwar wäre es nur zu einem Beitragszuschlag im Jahr 2002 gekommen, wenn die Arbeitsunfälle der Versicherten G., H., F. und E. allein in diesem Umlagejahr berücksichtigt worden wären, während die Klägerin im Jahr 2003 von einem Beitragsnachlass hätte profitieren können. Es ist jedoch nicht ersichtlich und wird auch nicht näher dargelegt, warum die Belegung mit Beitragszuschlägen in zwei aufeinander folgenden Jahren mit unverhältnismäßigen Eingriffen in die Berufsausübungsfreiheit oder die Eigentumsrechte der Klägerin verbunden sein sollten, die durch den Zweck der Regelung nicht gerechtfertigt wären. Dies gilt umso mehr, als die Satzung die Höchstbelastung auf 30 vH des Normalbeitrags beschränkt hat. Hierzu hat das BSG (aaO.) ausgeführt, dass es im Ermessen der Vertreterversammlung der Berufsgenossenschaft liegt, entsprechende Grenzen nach oben bzw nach unten zu regeln, wobei sich diese nicht einheitlich fixieren ließen, weil sie wesentlich von den berufsgenossenschaftlichen Mitgliederstrukturen bestimmt seien.

34

Ist die Festsetzung des Beitragszuschlags in den angefochtenen Bescheiden nach alledem rechtmäßig, kann die Klägerin auch die beantragte Erstattung von 8.488,60 Euro nicht beanspruchen.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dabei war die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Urteils zu Lasten der Klägerin zu berichtigen, weil dort nur über die Erstattung von Kosten, nicht aberüber die Tragung von Gerichtskosten entschieden worden war. Das Verbot der Verböserung gilt im Bereich der Kostengrundentscheidung nicht (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 mwN).

36

Gründe:

37

Die Bemessung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 47 Abs 1, 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG).