Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 18.08.2021, Az.: 2 A 74/21

Abschiebungsandrohung; Abschiebungsverbot; Asylerstverfahren; Asylverfahren; Bindungswirkung; EU-Mitgliedstaat; Schutz, internationaler; Schutzgewährung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
18.08.2021
Aktenzeichen
2 A 74/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 70921
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Wird die Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, ein Asylantrag sei im Hinblick auf die Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen EU-Mitgliedstaat unzulässig, wegen einer dort bestehenden Gefährdung i.S.v. Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC aufgehoben, so hat das Bundesamt eine Vollprüfung in einem Asylerstverfahren durchzuführen.
2. In diesem Verfahren entfaltet die Gewährung internationalen Schutzes in dem anderen Mitgliedstaat hinsichtlich einer Schutzgewährung keine Bindungswirkung, sondern wirkt sich allenfalls auf die Abschiebungsandrohung aus (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG; hier offengelassen für subsidiären Schutz).
3. Die frühere Feststellung des Bundesamts, der Schutzsuchende dürfe im Hinblick auf die Schutzgewährung in dem anderen Mitgliedstaat nicht in sein Heimatland abgeschoben werden, ist kein bloßer Hinweis an die Ausländerbehörde, sondern eine den Schutzsuchenden begünstigende Regelung. Ist diese bestandskräftig geworden, unterliegt ihr Widerruf den Anforderungen des § 49 Abs. 2 VwVfG.

Tatbestand:

Der 1989 geborene, ledige Kläger ist pakistanischer Staatsangehöriger. Er reiste im Jahr 2014 nach Deutschland ein, wo er am 28.10.2014 einen Asylantrag stellte. Bei seiner Erstbefragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 28.10.2014 gab er an, er habe Pakistan am 20.07.2014 verlassen und sei über den Iran und die Türkei am 18.08.2014 nach Italien gelangt, wo er sich drei bis vier Tage lang aufgehalten habe. Einen Asylantrag habe er dort nicht gestellt. Am 25.08.2014 sei er auf dem Landweg in das Bundesgebiet eingereist. In einer weiteren Befragung am 28.10.2014 teilte der Kläger mit, er habe bis zur Ausreise mit seinen Eltern in einem Dorf bei Rawalakot (Kaschmir) gewohnt. Neben den Eltern lebten noch zwei Brüder, drei Schwestern und weitere Verwandte in Pakistan. Er habe an der Universität von Rawalakot studiert, aber keinen Abschluss erlangt. In Pakistan habe er einen Personalausweis besessen, den der Schleuser einbehalten habe.

Im Verlauf des Verfahrens wurde bekannt, dass dem Kläger in Italien am 05.11.2016 subsidiärer Schutz gewährt worden war.

Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 27.07.2017 gab der Kläger an, er habe Pakistan bereits am 30.07.2012 verlassen. Im Jahr 2014 habe er aus Italien ausreisen müssen, um nach der Ablehnung seines dort gestellten Asylantrags der Abschiebung zu entgehen. Er sei gegen die Ablehnung vorgegangen und 2016 anerkannt worden. In Pakistan sei er von 2008 bis 2012 Mitglied der „Jammu Kashmir Liberation Front“ (JKLF) gewesen. Am 13.07.2012 habe er an einer Versammlung von 150 Personen aus Anlass des Märtyrertags in Rawalakot teilgenommen. Als die Polizei mit Tränengas und Schlagstöcken gegen die Demonstranten vorgegangen sei, seien sie in alle Himmelsrichtungen geflohen. Er sei dann zu Bekannten in das Dorf Ali Sojal gegangen, wo er sich bis zu seiner Ausreise aufgehalten habe. Sei Anwalt habe ihm gesagt, dass ein Polizeibericht gegen ihn vorliege. Etwa 14 Tage später habe er erfahren, dass es einen Haftbefehl gebe.

Durch Bescheid vom 27.04.2020 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers als unzulässig ab (Ziffer 1), verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Ziffer 2), forderte den Kläger unter Androhung seiner Abschiebung nach Italien zur Ausreise aus dem Bundesgebiet auf (Ziffer 3 Sätze 1 und 2), stellte fest, dass er nicht nach Pakistan abgeschoben werden dürfe (Ziffer 3 Satz 4) und ordnete ein Einreise- und Aufenthaltsverbot an (Ziffer 4). Zur Begründung führte das Bundesamt aus, der Kläger habe schon in Italien internationalen Schutz erhalten, sodass sein Asylantrag unzulässig sei. Im hiergegen gerichteten Klageverfahren (VG B-Stadt, 2 A 89/20) legte der Kläger ärztliche Bescheinigungen vom 19.11.2019 und vom 11.01.2021 vor, wegen deren Inhalts auf Bl. 34 ff. der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens Bezug genommen wird. Durch (rechtskräftiges) Urteil vom 19.01.2021 hob der erkennende Einzelrichter den Bescheid vom 27.04.2020 mit Ausnahme der Feststellung auf, dass der Kläger nicht nach Pakistan abgeschoben werden dürfe.

Durch Bescheid vom 31.03.2021 lehnte das Bundesamt „unter Aufhebung des Bescheids vom 27.04.2020, Punkt 3 Satz 4“ den Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1), auf Asylanerkennung (Ziffer 2) und auf Gewährung subsidiären Schutzes (Ziffer 3) ab, verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Ziffer 4), forderte den Kläger unter Androhung seiner Abschiebung nach Pakistan zur Ausreise aus dem Bundesgebiet auf (Ziffer 5), ordnete ein Einreise- und Aufenthaltsverbot an und befristete dieses auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6). Zur Begründung führte es aus, das Vorbringen des Klägers genüge nicht den Anforderungen an einen glaubhaften Sachvortrag. Es sei in wesentlichen Kernbereichen oberflächlich, ungenau, in keiner Weise nachvollziehbar und widersprüchlich. Auf den Inhalt des Bescheids wird Bezug genommen.

Am 14.04.2021 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, er sei in Pakistan wegen seiner Mitgliedschaft in der Organisation JKLF und wegen seines Engagements für eine Unabhängigkeit Kaschmirs politisch verfolgt worden. Im Fall seiner Rückkehr hätte er wiederum mit Verfolgung bzw. dem Eintritt eines ernsthaften Schadens zu rechnen. Er leide unter einer seelischen Störung, die im Fall einer Rückkehr nach Pakistan dort nicht adäquat behandelt werden könnte. Die Beklagte sei an die Entscheidung der italienischen Behörden, ihm subsidiären Schutz zu gewähren, gebunden.

Durch gesonderten Bescheid vom 29.07.2021 hat die Beklagte erneut die in ihrem Bescheid vom 27.04.2020 (Nr. 3 Satz 4) getroffene Feststellung aufgehoben, der Kläger dürfe nicht nach Pakistan abgeschoben werden. Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

1. den Bescheid vom 29.07.2021 aufzuheben,

2. die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheids vom 31.03.2021 zu verpflichten,

ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,

hilfsweise, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im Bescheid vom 31.03.2021.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie den Inhalt der Gerichtsakte des Verfahrens 2 A 89/20, der Akten der Beklagten und der Ausländerakten des Landkreises Göttingen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur in geringem Umfang begründet. Der Einzelrichter legt gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 AsylG die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zugrunde.

Die Entscheidungen der Beklagten in Ziffern 1, 3 und 4 ihres Bescheids vom 31.03.2021 sind rechtmäßig.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG, Art. 9, 10 der Richtlinie 2011/95/EU, ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9, Qualifikationsrichtlinie - QRL -) bzw. subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG, Art. 15 QRL) oder auf Feststellung eines Abschiebungsverbots. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560; sog. Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Als Verfolgung gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG, Art. 9 Abs. 1 QRL Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist. Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG, Art. 6 QRL vom Staat, von Parteien oder von Organisationen ausgehen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten. Nach § 3e AsylG, Art. 8 QRL wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn eine inländische Fluchtalternative (sog. „interner Schutz“) besteht. Nach § 4 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot kann sich aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG ergeben.

Im Rahmen der Durchführung des Asylverfahrens ist es Sache des Schutzbegehrenden, die Gründe für seine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Hierzu gehört, dass er zu den in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung abgibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.10.1989 - 9 B 405/89 -, juris Rn. 8). In Anbetracht des Beweisnotstands, in dem sich ein Asylbewerber in der Regel befindet, ist es dazu notwendig, aber auch hinreichend, wenn er schlüssig und nachvollziehbar ein glaubhaftes Verfolgungsschicksal darlegt. Ungeachtet dessen muss das Gericht jedoch die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangt haben (BVerwG, Urteil vom 16.04.1985 - 9 C 109/84 -, juris Rn. 16). Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann dem Asylsuchenden nur bei einer überzeugenden Auflösung der Unstimmigkeiten geglaubt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.02.1988 - 9 C 32/87 -, juris Rn. 9; BVerfG, Beschluss vom 29.11.1990 - 2 BvR 1095/90 -, juris Rn. 14). An einem derart glaubhaften Vortrag fehlt es vorliegend. Der Kläger hat sich im Verlauf des Verfahrens bei der Schilderung des angeblichen Asylschicksals in erhebliche Widersprüche verstrickt, die er auch in der mündlichen Verhandlung nicht auflösen konnte.

So hat er bei der Erstbefragung durch das Bundesamt am 28.10.2014 behauptet, er habe Pakistan am 20.07.2014 verlassen und sei über den Iran und die Türkei am 18.08.2014 nach Italien gelangt, wo er sich drei bis vier Tage lang aufgehalten habe. Einen Asylantrag habe er dort nicht gestellt. Am 25.08.2014 sei er auf dem Landweg in das Bundesgebiet eingereist. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 27.07.2017 hat er sodann angegeben, er habe Pakistan bereits am 30.07.2012 verlassen. Im Jahr 2014 habe er aus Italien ausreisen müssen, um nach der Ablehnung seines Asylantrags der Abschiebung zu entgehen. Auf Vorhalt hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung behauptet, ein Dolmetscher habe ihm geraten, ein aktuelles Ausreisedatum zu nennen, um einer Abschiebung nach Italien zu entgehen. Seinen Aufenthalt in Italien habe er damals auf Anraten des Dolmetschers gar nicht erwähnt. Der Einzelrichter sieht sich nicht in der Lage zu beurteilen, wann der Kläger Pakistan tatsächlich verlassen hat. Eindeutig ist nur, dass der Kläger gegenüber dem Bundesamt jedenfalls einmal über das Datum seiner Ausreise aus Pakistan die Unwahrheit gesagt hat, was gegen seine Glaubwürdigkeit spricht. Soweit er in der mündlichen Verhandlung behauptet hat, er habe seinen Aufenthalt in Italien bei der Erstbefragung gar nicht erwähnt, steht dies in Widerspruch zum Inhalt des Befragungsprotokolls, das dem Kläger rückübersetzt und das von ihm unterschrieben worden ist.

Zweifel an den Angaben zu Reiseweg und -zeit weckt auch der Inhalt der Bescheinigung eines Arztes des Netzwerks für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen e. V. vom 19.11.2019. Dort soll der Kläger angegeben haben, er habe nach seinem Schulabschluss in Kaschmir ein Studium begonnen. Nach zwei Jahren habe er entschieden, dieses Studium in London weiterzuführen. Dort habe er eineinhalb Jahre weiterstudiert, bis der Studiengang abgeschafft worden sei. Er habe Großbritannien verlassen müssen und entschieden, nach Italien zu reisen. Das Studium in London hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Er hat jedoch behauptet, er sei schon 2009 nach London gegangen und nur etwa sechs Monate dortgeblieben. Danach sei er nicht nach Italien gegangen, sondern nach Pakistan zurückgekehrt. Dies ist nur schwerlich mit seinen Angaben beim Bundesamt am 28.10.2014 und am 27.02.2017 zu vereinbaren, wo er das Studium in London nicht erwähnt und behauptet hatte, er habe zwei Jahre lang in Rawalakot studiert (Erstbefragung) bzw. er habe bis 2012 in Pakistan studiert (Anhörung). Wäre dies richtig, hätte er von 2010 bis 2012, nicht jedoch vor seinem Studium in London (angeblich ab 2009) in Pakistan studiert. Auch die insoweit bestehenden Widersprüche blieben unaufgelöst. Nach seinen Angaben gegenüber dem Arzt besteht durchaus die Möglichkeit, dass der Kläger sich nach dem Verlassen Pakistans nicht mehr in seinem Heimatland aufgehalten hat.

Angesichts der aufgezeigten Unklarheiten kann das Gericht auch nicht beurteilen, ob der Kläger tatsächlich am 13.07.2012 an einer Demonstration teilgenommen hat, die durch die pakistanische Polizei aufgelöst worden ist. Im Übrigen ist der hiermit im Zusammenhang stehende Vortrag detailarm und wenig plausibel. Der Kläger hat nicht davon berichtet, persönlich mit Polizeikräften zusammengetroffen zu sein. Es ist daher nicht nachvollziehbar, wie diese seine Identität hätten ermitteln und ein Verfahren gegen ihn einleiten können. Soweit der Kläger hierzu Unterlagen vorgelegt hat, ist deren Beweiswert bereits deshalb unzureichend, weil es in Pakistan problemlos möglich ist, ein (Schein-)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z. B. „First Information Report“, FIR) dann formal echt sind (Auswärtiges Amt, Lagebericht Pakistan vom 29.09.2020, S. 26).

Widersprüchliche Angaben hat der Kläger auch zu seinen Aufenthaltsorten vor der Ausreise aus Pakistan gemacht. Bei der Erstbefragung hat er zunächst behauptet, sich bis zur Ausreise bei seinen Eltern im Dorf Dhamni bei Rawalakot aufgehalten zu haben. In der Anhörung hat er vorgetragen, er habe sich nach dem Vorfall am 13.07.2012 bis zur Ausreise am 30.07.2012 bei einem Freund aufgehalten, um kurz darauf mitzuteilen, bei diesem Freund habe er nur eine Nacht verbracht, um dann bis zur Ausreise bei Bekannten im Dorf Ali Sojal bei Rawalakot geblieben zu sein. In der mündlichen Verhandlung hat er sodann behauptet, die Organisation JKLF habe ihn in einem Dorf namens „Khaygelar“ (möglicherweise: Khai Gala, ein anderes Dorf östlich von Rawalakot) untergebracht.

Schließlich hat der Kläger auch über den Verbleib seines Personalausweises widersprüchliche Angaben gemacht. Im Rahmen der Erstbefragung hat er vorgetragen, ein Schlepper hätte den Ausweis einbehalten; auch insoweit wurde die Niederschrift der Anhörung rückübersetzt und von ihm unterschrieben. Während der Anhörung am 27.02.2017 hat er den Ausweis dann vorgelegt. Auf Vorhalt durch das Bundesamt hat er behauptet, bei der Erstbefragung von seinem Reisepass gesprochen zu haben. Dies ist jedoch mit dem Inhalt des Befragungsprotokolls nicht zu vereinbaren. In der mündlichen Verhandlung hat er sodann vorgetragen, er habe den Personalausweis schon bei seiner ersten Befragung vorgelegt, was dem Akteninhalt widerspricht.

Im Hinblick auf die aufgezeigten Ungereimtheiten und offensichtlichen Unwahrheiten glaubt das Gericht dem Kläger seine Fluchtgeschichte nicht und hält ihn insgesamt für unglaubwürdig. Abgesehen davon bieten die Großstädte Pakistans Flüchtigen nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer regelmäßig eine inländische Fluchtalternative. Gemäß § 3e Abs. 1 AsylG, der nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG im Rahmen der Prüfung subsidiären Schutzes entsprechend gilt, wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Insoweit hat die Kammer mit Urteil vom 19. Januar und 26. Mai 2016 (2 A 364/14) Folgendes ausgeführt:

„[Es] ist davon auszugehen, dass der Kläger in anderen Teilen Pakistans, insbesondere in den größeren Städten, eine interne Schutzmöglichkeit i.S.v. § 3e AsylVfG finden kann. In den Städten Pakistans - vor allem in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karachi, Peshawar oder Multan - leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, könnten in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben (vgl. Nr. II.3 des Lageberichts des Auswärtigen Amtes vom 23. Juli 2015, S. 21). Angesichts der hohen Bevölkerungszahl in Pakistan und mehrerer Millionenstädte ist nicht ersichtlich, dass der Vater des Klägers die Mittel hätte diesen in seiner ganzen Heimatprovinz und/oder gar landesweit ausfindig zu machen und zu verfolgen. Letztlich hat der Kläger selbst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren angegeben und belegt, dass das pakistanische Meldewesen überaus defizitär ist und keine Grundlage für Nachforschungen nach Personen bietet.

In den Großstädten und in anderen Landesteilen kann der Kläger als erwachsener junger Mann ohne eigene Kinder auch ein ausreichendes Einkommen finden (vgl. Wagner an VG Karlsruhe vom 9. November 2011; UNHCR vom 14. Mai 2012). Dies gilt zumal der Kläger gebildet und in der Lage ist, Auto zu fahren. Zwar ist das Leben in den Großstädten teuer, allerdings haben viele Menschen kleine Geschäfte oder Kleinstunternehmen. Es gibt aufgrund der großen Bevölkerung viele Möglichkeiten für Geschäfte auf kleiner Basis (vgl. zum Ganzen auch: VG Augsburg, U. v. 30.03.2015 - Au 3 K 14.30437 - juris Rn. 51-53; VG Regensburg, U. v. 9.1.2015 - RN 3 K 14.30674 - juris Rn. 23; U. v. 10.12.2013 - RN 3 K 13.30374 - juris Rn. 31 jeweils unter Bezugnahme auf die Auskunft des Bundesasylamts der Republik Österreich vom Juni 2013, Pakistan 2013, S. 76; VG Düsseldorf, U. v. 02.09.2015 - 14 K 6662/14.A -, V.n.b.). Es kann somit vom Kläger erwartet werden, dass er sich in einem dieser Landesteile niederlässt.“

Diese Entscheidung und die sie tragenden Erwägungen sind durch Beschluss des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 12.10.2016 (11 LA 137/16) bestätigt worden. Es spricht nichts dagegen, dass auch dem Kläger dieser Weg offensteht. Da er durch den pakistanischen Staat nicht verfolgt wird, wird es ihm möglich sein, unbehelligt wieder in sein Heimatland einzureisen und sich in eine der großen Städte zu begeben. Es ist auch nicht zu befürchten, dass er dort in eine existenzgefährdende Notlage geraten wird. Er ist noch relativ jung und arbeitsfähig und es ist daher anzunehmen, dass es ihm möglich sein wird, eine Beschäftigung zu finden, die seinen Lebensunterhalt gewährleistet. Hinzu kommt, dass zahlreiche Familienangehörige des Klägers weiterhin in Pakistan leben, sodass er auch von dieser Seite mit Unterstützung rechnen kann (vgl. Dr. Christian Wagner, Auskunft vom 09.11.2011 an das VG Karlsruhe, der auf die außergewöhnlich hohe soziale Bedeutung von Familien in Pakistan und die damit verbundenen Netzwerke hinweist).

Die Auffassung des Klägers, die Zuerkennung subsidiären Schutzes in Italien entfalte für die Beklagte hinsichtlich einer Schutzgewährung im hier geführten Asylverfahren Bindungswirkung, teilt der Einzelrichter nicht. Im Fall einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erfolgten Anerkennung eines Ausländers als Flüchtling oder als subsidiär Schutzberechtigter besteht weder unionsrechtlich (durch die Qualifikations- oder die Verfahrensrichtlinie) noch nationalrechtlich eine Bindung der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf die zuerkennende Entscheidung des anderen Staats (BVerwG, Urteil vom 17.06.2014 - 10 C 7/13 -, juris Rn. 29 m.w.N.; Funke-Kaiser in GK-AsylG, Stand: Mai 2021, § 29 Rn. 16; Marx, AsylG, 10. Aufl. 2019, § 29 Rn. 103, 105 m.w.N.). Wird - wie hier durch das Urteil des erkennenden Gerichts vom 19.01.2021 (2 A 89/20) - die in Bezug auf eine Schutzgewährung durch den anderen Mitgliedstaat getroffene Entscheidung, der in Deutschland gestellte Asylantrag sei unzulässig, im Hinblick auf eine im anerkennenden Staat bestehende Gefährdung des Betroffenen gemäß Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC aufgehoben, so hat das Bundesamt ein erneutes Asylerstverfahren durchzuführen (Funke-Kaiser, a.a.O.; Marx, a.a.O., Rn. 103, 105). Da es sich mangels erfolglosen Abschlusses eines Asylverfahrens in dem anderen Mitgliedstaat nicht um einen Zweitantrag (§ 71a Abs. 1 AsylG) handelt, kommt es auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht an und das Bundesamt führt - wie auch vorliegend - eine vollständige, vom Verfahren des anderen Mitgliedstaats unabhängige Prüfung des Asylbegehrens durch.

Angesichts der fehlenden Glaubwürdigkeit des Klägers führt sein Vortrag auch nicht zur Annahme eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Er hat des Weiteren nicht aufgrund seines Gesundheitszustands Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt dabei nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d. h. die drohende Rechtsgutsverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. „Erheblich“ ist die Gefahr, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. „Konkret“ ist sie, wenn die erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr in das Heimatland eintreten wird. Von einer abschiebungsschutzrelevanten Verschlimmerung bzw. Verschlechterung des Gesundheitszustands kann nicht gesprochen werden, wenn lediglich eine Heilung eines Krankheitszustands des Ausländers im Abschiebungszielland nicht zu erwarten ist. Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll dem Ausländer nämlich nicht eine Heilung seiner Krankheit unter Einsatz des sozialen und medizinischen Versorgungsnetzes der Bundesrepublik Deutschland sichern, sondern vor einer gravierenden Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter Leib und Leben bewahren. Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands ist dementsprechend nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustands anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden, also bei existenziellen Gesundheitsgefahren (vgl. zu Vorstehendem: Nds. OVG, Urteil vom 12.09.2007 - 8 LB 210/05 - juris Rn. 29; BayVGH, Beschluss vom 27.04.2016 - 10 CS 16.485 -, juris Rn. 20; VG Köln, Urteil vom 15.03.2017 - 26 K 10710/16.A -, juris Rn. 55; VG München, Urteil vom 20.10.2016 - M 17 K 16.30347 -, juris Rn. 32; jeweils m. w. N.).

Gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Soweit sich ein Ausländer entgegen dieser Vermutung darauf beruft, seiner Abschiebung stehe eine Erkrankung entgegen, muss er diese in entsprechender Anwendung von § 60a Abs. 2c Satz 2 durch Vorlage einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung glaubhaft machen (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbilds (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten (§ 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG). Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein (§ 60a Abs. 2c Satz 4 AufenthG).

Der Kläger hat ärztliche Bescheinigungen, die diesen Anforderungen entsprechen und zur Annahme eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots Anlass bieten könnten, nicht vorgelegt. Für die ärztliche Stellungnahme des Netzwerks für traumatisierte Flüchtlinge e. V. vom 19.11.2019 gilt dies bereits deshalb, weil sie im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung über zweieinhalb Jahre alt ist. Über den aktuellen Zustand des Klägers lässt sich aus ihr nichts herleiten. Die zweite ärztliche Stellungnahme des Netzwerks für traumatisierte Flüchtlinge vom 11.01.2021 ist zwar aktueller. Sie bezieht sich jedoch im Wesentlichen auf Untersuchungen, die im Jahr 2019 stattgefunden haben. Im Jahr 2020 wurden nur noch fünf Gespräche geführt, wobei es kaum zu persönlichen Kontakten gekommen ist. Die Stellungnahme befasst sich zudem ausschließlich mit den Folgen einer Rückführung des Klägers nach Italien; dies war auch der Grund, dass ihr im vorangegangenen gerichtlichen Verfahren (2 A 89/20) Bedeutung beigemessen wurde. Zur Notwendigkeit einer medikamentösen Behandlung trifft die Bescheinigung dagegen ebenso wenig eine Aussage wie zu den Auswirkungen einer Abschiebung nach Pakistan, wo der Kläger ein vertrautes Umfeld vorfinden wird. Angesichts des Mangels der vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen an Qualität und Aktualität war das Gericht nicht gehalten, zum Gesundheitszustand des Klägers und zu den Folgen einer Rückführung nach Pakistan Beweis zu erheben (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.09.2007 - 10 C 8/07 -, juris Rn. 15). Auch nach dem Erscheinungsbild des Klägers in der mündlichen Verhandlung drängte sich eine solche Beweiserhebung nicht auf.

Die Frage, ob im Hinblick auf die Gewährung subsidiären Schutzes in Italien von einer Abschiebung des Klägers nach Pakistan abzusehen ist (siehe dazu sogleich), spielt im Rahmen der Überprüfung der Entscheidung zum Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG, auf die das Bundesamt gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG beschränkt ist, keine Rolle und wirkt sich allenfalls auf die Abschiebungsandrohung aus (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 03.09.2020 - AN 17 K 18.50679 - juris Rn. 28).

Die Abschiebungsandrohung (Nr. 5 des angefochtenen Bescheids) ist aufzuheben. Dabei kann dahinstehen, ob von einer Abschiebung des Klägers bereits aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG abzusehen ist. Danach darf ein Ausländer, der außerhalb des Bundesgebiets als ausländischer Flüchtling nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt ist, nicht in den Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit nach dem Ergebnis der ausländischen Prüfung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG bedroht ist. Durch diese Regelung hat sich die Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Abschiebungsschutzes an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch einen anderen Staat gebunden (BVerwG, Urteil vom 17.06.2014 - 10 C 7/13 -, juris Rn. 29; Funke-Kaiser, a.a.O., § 29 Rn. 15; Marx, a.a.O., § 29 Rn. 105). Für die den subsidiären Schutz betreffende Regelung gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG gilt dies nach dem Wortlaut der Norm nicht, denn § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ordnet lediglich die entsprechende Geltung des Absatzes 1 Sätze 3 und 4, nicht jedoch des Satzes 2 an. Die Frage, ob § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG im Fall der Gewährung (lediglich) subsidiären Schutzes im Ausland entsprechend anwendbar ist (so Marx, a.a.O., § 29 Rn. 106; a. A. Funke-Kaiser, a.a.O., § 29 Rn. 16) muss vorliegend nicht geklärt werden, weil die Abschiebungsandrohung sich aus einem anderen Grund als rechtswidrig erweist.

Der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung steht entgegen, dass die Abschiebung des Klägers nach Pakistan im Bescheid des Bundesamts vom 27.04.2020 (Nr. 3 Satz 4) ausdrücklich ausgenommen worden ist. Die Auffassung der Beklagten, der Ausschluss der Abschiebung nach Pakistan habe nur eine Hinweisfunktion an die Ausländerbehörde gehabt, teilt der erkennende Einzelrichter nicht. Hiergegen spricht bereits die Aufnahme des Ausschlusses in die Entscheidungsformel des Bescheids. Wie der Einzelrichter bereits in seinem Urteil vom 19.01.2021 (2 A 89/20) ausgeführt hat, handelte es sich um eine den Kläger ausschließlich begünstigende Regelung, die vom damaligen Klagebegehren nicht umfasst war und bestandskräftig geworden ist. Gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Hier hat das Bundesamt einen Widerruf des rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts (§ 49 Abs. 2 VwVfG) nicht rechtswirksam ausgesprochen. Zwar hat es dem Tenor des Bescheids vom 31.03.2021 die Worte „unter Aufhebung des Bescheides vom 27.04.2020, Punkt 3 Satz 4“ vorangestellt und später den vom Kläger in das Verfahren einbezogenen Bescheid vom 29.07.2021 erlassen. Dabei hat es sich jedoch mit den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 VwVfG nicht auseinandergesetzt. Zudem erfüllen weder die bloße Formel im Bescheid vom 31.03.2021 noch die Begründung des Bescheids vom 29.07.2021 die Anforderungen an eine in § 49 Abs. 2 VwVfG vorgesehene ordnungsgemäße Ermessensausübung. Die Beklagte hat vielmehr Ermessen gar nicht ausgeübt und insbesondere nicht berücksichtigt, dass sie die Abschiebung des Klägers nach Pakistan seinerzeit im Hinblick darauf ausgeschlossen hat, dass dieser in Italien subsidiären Schutz erhalten hat. Es ist nicht bekannt, dass sich an diesem Status des Klägers bis heute etwas geändert hat. Es hätte daher im Widerruf zum Ausdruck gebracht werden müssen, warum nun bei insoweit unveränderter Sachlage die Abschiebung des Klägers in sein Heimatland für zulässig gehalten wird. Dabei hätte die Beklagte sich auch mit den einer Abschiebung entgegenstehenden Interessen des Klägers auseinandersetzen und diese gegen die berührten öffentlichen Interessen abwägen müssen. Nichts dergleichen hat sie getan, sodass ihre Widerrufsentscheidungen wegen Ermessensausfalls rechtswidrig sind und die Bestandskraft der weiter geltenden begünstigenden Regelung einer Abschiebung des Klägers entgegensteht.

Da die Abschiebungsandrohung aufgehoben wird, ist die Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots (Nr. 6 des Bescheids vom 31.03.2021) gegenstandslos und wird aus Gründen der Rechtsklarheit ebenfalls aufgehoben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, § 83b AsylG. Die nicht isoliert, sondern als Annex zu den sonstigen Regelungen des Bescheids angegriffene Abschiebungsandrohung wirkt sich ebenso wie das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf die Bestimmung des Gegenstandswerts nicht aus (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 30.03.2021 - 11 S 3421/20 -, juris Rn. 35, und vom 02.03.2021 - 11 S 120/21 -, juris Rn. 76) und stellt sich im Vergleich zu dem sonstigen Inhalt des Bescheids als unwesentlich dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.07.2000 - 9 C 3/00 -, juris).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.