Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 26.04.1995, Az.: 1 VAS 5/95
Voraussetzungen einer Strafvollstreckungszurückstellung; Vorschaltverfahren bei Ablehnung der Strafvollstreckungszurückstellung; Beschaffungsdiebstähle wegen Betäubungsmittelabhängigkeit; Abbruch einer ambulanten Therapie bei erforderlicher psychosozialer Begleitung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 26.04.1995
- Aktenzeichen
- 1 VAS 5/95
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1995, 28904
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1995:0426.1VAS5.95.0A
Rechtsgrundlagen
- § 35 BtMG
- § 21 StrVollstrO
- § 24 II EG GVG
Fundstellen
- NStZ-RR 1996, 49-50 (Volltext mit amtl. LS)
- StV 1995, 427-428
Amtlicher Leitsatz
Kein Vorschaltverfahren nach § 24 II EG GVG; § 21 StrVollstrO bei Ablehnung Strafvollstreckungszurückstellung nach § 35 I, II BtMG durch Ge richt und StA für den Antr.des Ver. auf gerichtl. Ent. §§ 23, 26 EG GVG.
Gründe
...
Das Schöffengericht Oldenburg hatte den Beschwerdeführer durch Urteil vom 28.März 1990 wegen Raubes in einem minder schweren Fall im Zustand verminderter Schuldfähigkeit auf Grund von Betäubungsmittelabhängigkeit zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährung wurde später zunächst verlängert und so dann widerrufen wegen mehrfacher vom Beschwerdeführer auf Grund von Betäubungsmittelabhängigkeit im Herbst 1992 und im Herbst 1993 begangener Diebstahlstaten, deretwegen er zu Freiheitsstrafen mit Bewährung verurteilt worden ist.
Der Beschwerdeführer verbüßt seit Februar 1995 die Strafe aus dem Urteil des Schöffengerichts Oldenburg. Er hat beantragt, die Vollstreckung der Strafe nach §§·35; 36 BtMG zurückzustellen. Er werde mit Polamidon/Methadon durch einen Arzt substituiert.
Das Amtsgericht Oldenburg hat durch Beschluss vom 21.Februar 1995 die Zustimmung hierzu verweigert. Die vom Beschwerdeführer lediglich vorgelegte Fotokopie seines Substitutionstherapieausweises beweise nicht hinreichend, dass er wirklich regelmäßig an einer Therapie teilnehme.
Durch Bescheid vom 6.März 1995 hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg aus den gleichen Erwägungen die Zurückstellung der Vollstreckung nach §·35 BtMG abgelehnt. Sie hat den Beschwerdeführer darauf hingewiesen, er könne hiergegen gemäß §·35 Abs.2 Satz·2 BtMG; §·26 Abs.1 EGGVG binnen eines Monats die gerichtliche Entscheidung des Oberlandesgerichts beantragen.
Das hat der Beschwerdeführer fristgerecht getan. Auf sein Schreiben vom 30.März 1995 und das beigefügteärztliche Attest vom 29.März 1995 wird Bezug genommen. Die Generalstaatsanwaltschaft hält den Antrag für nicht Erfolg versprechend; ein Rehabilitationserfolg sei nicht erkennbar.
II.
a)
Der Antrag des Verurteilten ist zulässig.
Insbesondere steht nicht entgegen, dass es an einer Beschwerdeentscheidung der Generalstaatsanwaltschaft nach §·21 StrVollstrO i.V.m. §·24 Abs.2 EGGVG fehlt. Eine solche war allerdings im Rahmen des so genannten Vorschaltverfahrens für ablehnende Entscheidungen der Staatsanwaltschaft unter Geltung des §·35 a.F. BtMG erforderlich (vgl. Senat NStZ·1991, 512; weitere Nachweise bei Körner, BtMG, 4.Aufl., §·35, Rn.139). Nach der Neufassung des §·35 BtMG ist sie es jedoch nicht mehr (a.A. wohl OLG München NStZ·1993, 455; OLG Stuttgart MDR·1994, 297; Körner a.a.O. Rn.139 144).
Die Neufassung des §·35 Abs.2 BtMG spricht dafür, dass damit auch eine Änderung "in der Sache" getroffen werden sollte. Der Wortlaut des §·35 Abs.2 Satz·2, 3 BtMG unterstreicht dies. Der Hinweis auf die§§·23 30 EGGVG in Satz·2 einerseits und die im unmittelbaren Anschluss zitierte Entscheidungszuständigkeit des Oberlandesgerichts in Satz·3 auch über die Ablehnung der Zurückstellung durch die Vollstreckungsbehörde andererseits sprechen dafür, dass das Oberlandesgericht unmittelbar anzurufen und damit zu einer unmittelbaren Entscheidung berufen ist·ohne ein Vorschaltverfahren nach §·21 StrVollstrO. Dass§·24 Abs.2 EGGVG von der Verweisung auf die §§·23 30 EGGVG nicht ausgenommen wurde, erfordert keine andere Beurteilung. Diese Bestimmung ist schon nach ihrem Wortlaut in Fällen wie hier nicht maßgeblich. Denn vorliegend haben Staatsanwaltschaft und Gericht einer Zurückstellung der Strafvollstreckung widersprochen, wie das in der Mehrheit der Ablehnungen der Fall sein dürfte. Die verweigerte Zustimmung des Amtsgerichts aber ist keine Maßnahme der Justiz oder Vollstreckungsbehörde i.S.d. §·24 Abs.2 EGGVG. Die Generalstaatsanwaltschaft kann nach §·21 StrVollstrO nur über eine Entscheidung oder Anordnung der Vollstreckungsbehörde, nicht aberüber eine Zustimmungsverweigerung des Gerichts entscheiden. Im Übrigen sprechen auch die von den Oberlandesgerichten München und Stuttgart a.a.O.
genannten Motive des Gesetzgebers für die Änderung des §·35 BtMG, nämlich das Interesse an einer schnellen gerichtlichen Überprüfung, gegen das Erfordernis einer eigenständigen Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft in einem Vorschaltverfahren. Dies auch deswegen, weil eine Beschwerde nach §·21 StrVollstrO unbefristet ist, der Antrag nach §·23 EGGVG jedoch binnen Monatsfrist (§·26 Abs.1 EGGVG) gestellt werden muss. Wäre also die Gegenmeinung, eine Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft im Vorschaltverfahren sei erforderlich, richtig, so würde dies der er wünschten Beschleunigung widerstreiten, wenn gewissermaßen nach einander zunächst die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft und sodann erst die des Oberlandesgerichts herbeizuführen wäre.
Wollte man jedoch im Beschleunigungsinteresse einem zeitlichen Nebeneinander der Rechtsmittel des Verurteilten ·nämlich der Beschwerde gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach §·21 StrVollstrO zur Generalstaatsanwaltschaft und des gerichtlichen Antrags nach §·23 EGGVG gegen die Verweigerung der gerichtlichen Zustimmung ·das Wort reden, so stünde dies dem klaren Wortlaut des §·35 Abs.2 Satz·2 und 3 BtMG entgegen. Danach kann der Verurteilte die Zustimmungsverweigerung durch das Gericht und die Zurückstellungsablehnung durch die Staatsanwaltschaft nur zusammen anfechten und hat das Oberlandesgericht auch über die Ablehnung der Zurückstellung durch die Staatsanwaltschaft (neben der Verweigerung der Zustimmung durch das Gericht) zu entscheiden. Ein Vorschaltverfahren mit einem Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft würde mithin in Fällen wie hier zu nicht sachgerechten Ergebnissen führen. Der Einwand, dieser Verfahrensablauf diene der Entlastung des Strafsenats (vgl. Körner a.a.O., Rn.141), muss daher zurücktreten.
b)
Der Antrag des Verurteilten ist in der Sache nicht begründet.
Die Ablehnung der Zurückstellung der Strafvollstreckung durch die Staatsanwaltschaft und die Versagung der Zustimmung durch das Amtsgericht sind nicht zu beanstanden. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, dass die bloße Vorlage eines Substitutionstherapieausweises nicht als Nachweis einer der Rehabilitation dienenden Behandlung i.S.d. §·35 Abs.1 Satz·1 BtMG angesehen worden ist.
Auch das jetzt vorgelegte ärztliche Attest vom 29.·März 1995 mit dem Wortlaut ·"Der oben genannte Pat. befindet sich seit August 1992 in meiner ärztlichen Behandlung. Seit Februar 1993 wird er mit Methadon substituiert."· ist nicht zum Beleg dafür geeignet, dass sich der Verurteilte wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befindet. Auf die Ausführungen im Senatsbeschluss vom 22.Dezember 1993 (NStZ·1994, 347) und die Ausführungen bei Körner a.a.O. Rn.85 betreffend die an eine solche Behandlung zu stellenden Anforderungen wird verwiesen. Zudem kann vorliegend auch nicht unbeachtet bleiben, dass der Verurteilte zwischenzeitlich mehrfach auf Grund von fortbestehender Betäubungsmittelabhängigkeit wegen einschlägiger Beschaffungsdiebstähle verurteilt worden ist. Dies lässt, auch wenn die Voraussetzungen nach §·35 Abs.6 BtMG nicht vorliegen, einen Abbruch der bei einer ambulanten Therapie auch erforderlichen psychosozialen Begleitung bzw. deren Fehlen und eine Abkehr von einer Therapie durch den Verurteilten in die Kriminalität erkennen (vgl. Körner, a.a.O., Rn.180 a.E.).