Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.07.1996, Az.: XI 431/92

Versagung des Abzugs von Betriebsausgaben wegen fehlender Benennung des Empfängers; Risikotragungspflicht für die Richtigkeit von Angaben, die dem Steuerpflichtigen durch den Empfänger der Leistung unrichtig gemacht wurden; Anforderungen an die Überprüfung von Lieferantendaten bei einer Vielzahl von Kleinlieferanten und Kleinstlieferanten des Steuerpflichtigen und einer Anzahl von 50 Liefervorgängen am Tag; Sinn und Zweck des § 160 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) im Hinblick auf die Identitätskontrolle von Lieferanten

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
30.07.1996
Aktenzeichen
XI 431/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 18900
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:0730.XI431.92.0A

Verfahrensgegenstand

Einkommensteuer 1987

Amtlicher Leitsatz

Zu den Anforderungen, die bei einem Schrotthändler mit einer Vielzahl von Kleinanlieferern an die Benennung der Zahlungsempfänger zu stellen sind.

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Für § 160 Abs. 1 Satz 1 AO ist die Forderung nach einer systematischen Identitätskontrolle der Anlieferer durch den Steuerpflichtigen nicht geboten. Die Vorschrift soll mögliche Steuerausfälle verhindern, die dadurch eintreten können, daß der Empfänger geltend gemachter Betriebsausgaben die Einnahmen bei sich nicht steuererhöhend erfaßt.

  2. 2.

    Das der Finanzbehörde eingeräumte Ermessen bei der Berücksichtigung von Betriebsausgaben, deren Empfänger trotz Aufforderung durch das Finanzamt nicht genannt wurden, vollzieht sich auf zwei Stufen: Erstens nach dem Benennungsverlangen, zweitens Entscheidung über die aus seiner evtl. Erfolglosigkeit zu ziehenden Konsequenzen. Die Ermessensentscheidung hinsichtliche des Benennungsverlangens ist im Besonderen unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit zu beurteilen. Das Verlangen darf nicht unverhältnismäßig sein und die für den Steuerpflichtigen zu befürchtenden Nacheile (z.B. wirtschaftliche Existenzgefährdung) dürfen nicht außer Verhältnis zum beabsichtigten Aufklärungserfolg bestehen. Die Verhältnismäßigkeit ist nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Zahlung zu beurteilen.

  3. 3.

    Von einem Steuerpflichtigen kann nicht verlangt werden, dass er sich den Personalausweis eines jeden Lieferanten vorlegen läßt, wenn er seinen Geschäftsbetrieb der Identitätsfeststellung unterordnen müßte. Eine solche Unterordnung ist der Fall, wenn 50 Lieferungen von Klein- und Kleinstlieferanten pro Tag anfallen und jeweils ein Warenwert von weniger als 100 DM pro Anlieferung anzusetzen ist.

Der XI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 30. Juli 1996,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richterin am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1987 vom 20. März 1991 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheides vom 20. Oktober 1992 wird die Einkommensteuer auf den Betrag herabgesetzt, der sich unter Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben von 38.863,79 DM bei entsprechender Anpassung der Gewerbesteuerrückstellung ergibt. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an die Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Abzug von Betriebsausgaben wegen fehlender Benennung des Empfängers zu versagen ist.

2

Die Kläger (Kl.) sind Eheleute, die für das Streitjahr 1987 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Ehemann erzielt aus dem Betrieb eines Schrotthandels Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Streitjahr rechnete er mit seinen Anlieferern im Gutschriftverfahren ab. Im Rahmen einer Außenprüfung (Ap), die - mit Unterbrechungen - in der Zeit zwischen dem 9. Okt. 1989 und dem 26. Sept. 1990 stattfand und sich auf die Veranlagungszeiträume 1978 bis 1987 erstreckte, stellte der Prüfer fest, daß die in der Buchführung verzeichneten Lieferanten unter den angegebenen Namen und Anschriften z.T. nicht zu ermitteln waren. Da der Kl. der Aufforderung, die Zahlungsempfänger zu benennen, nur teilweise nachkam, schloß der Prüfer für 1987 die folgenden Gutschriften vom Betriebsausgabenabzug aus:

3

Gutschriften mit USt-Ausweis

Ustnettobrutto
DMDMDM
1.KG280,712.005,102.285,81
2.GmbH:414,552.961,123.375,67
3.179,11--
4.KG235,591.682,851.918,44
5.GmbH:322,572.304,102.626,67
6.365,402.610,-2.975.40
13.181,99
4

Gutschriften ohne USt-Ausweis

7.2.757,50
8.1.620,-
9.-
10.1.725,60
11.19.578,70
38.863,79.
5

Durch Bescheid vom 20. März 1991 änderte der Beklagte (das Finanzamt -FA -) die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Einkommensteuerfestsetzung 1987 gem. den Prüfungsfeststellungen (- über die Einsprüche gegen die entsprechenden Änderungsbescheide für die Vorjahre ist noch nicht entschieden -).

6

Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage. Die Kl. sind der Ansicht, daß das Benennungsverlangen des FA ermessensfehlerhaft gewesen sei und die beanstandeten Gutschriften zu Unrecht vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen worden seien.

7

Die Entscheidung über ein Benennungsverlangen nach § 160 der Abgabenordnung (AO) stehe im Ermessen der Finanzbehörde. Im Rahmen dieser Ermessensausübung habe das FA insbesondere zu prüfen, ob das Benennungsverlangen für den Steuerpflichtigen zumutbar sei. Dies sei im Streitfall zu verneinen. Nachdem der Kl. unter dem Eindruck der Ap. die Erfassung der Anlieferer den von dem FA gestellten Anforderungen angepaßt habe, seien Umsatz und Gewinn drastisch zurückgegangen. Im einzelnen hätten sich die Umsatz- und Gewinnzahlen in den Jahren 1987 bis 1992 wie folgt entwickelt:

Gewinn
1988:DM 154.000
1989:DM 183,000
1990:DM 39.000(Durchführung der Ap.)
1991:DM 61.000
Umsatz
1988:DM 2.500.000
1989:DM 2.800.000
1990:DM 2.300.000(Jahr der Ap.)
1991:DM 1.800.000
1992:ca.DM 1.300.000
8

Die damit verbundenen Nachteile ständen in einem offensichtlichen Mißverhältnis zu dem von dem verschärften Erfassungssystem zu erwartenden Aufklärungserfolg. Im Rahmen der Ap. seien für die Jahre 1978 bis 1987 insgesamt 80 Namen oder Adressen beanstandet worden. Dies ergebe eine durchschnittliche Zahl von 8 Fällen pro Jahr, die angesichts der Vielzahl von Lieferanten, mit denen der Kl. zusammenarbeite, nicht ins Gewicht falle. Eine zu 100% richtige Erfassung sämtlicher Lieferanten verursache nicht nur einen unverhältnismäßig großen Aufwand, sondern sei aus tatsächlichen Gründen praktisch ausgeschlossen. Auch die Einsichtnahme in Ausweispapiere, die das FA von dem Kl. erwarte, könne diesem keine endgültige Gewißheit über die Anschrift des Lieferanten vermitteln. In Reisepässen sei überhaupt keine Heimatanschrift angegeben. Die Anschrift, die in Führerscheinen ausgewiesen sei, entspreche der im Zeitpunkt der Ausstellung und sei daher in der Regel veraltet. Auch bei Personalausweisen bestehe keine Gewähr, daß der Anlieferer Änderungen seiner Anschrift darin habe vermerken lassen. Bei Ausländern, deren Pässe z.T. in kyrillischer Schrift oder fernöstlichen Schriften abgefaßt seien, seien die Probleme praktisch unüberwindbar.

9

Im übrigen zeige ein direkter Vergleich zwischen den bei der Anwendung unterschiedlicher Erfassungssysteme gesammelten Erfahrungen, daß deren Zuverlässigkeit letztlich zufallsabhängig sei. Nachdem der Kl. im Jahr 1993 unter dem Eindruck des existenzbedrohenden Umsatz- und Gewinnrückgangs zu dem ursprünglichen Erfassungssystem zurückgekehrt sei, seien Umsatz und Gewinn wieder stark gestiegen (1994: 1,7 Mio. DM Umsatz/242.000 DM Gewinn). Die Zuverlässigkeit der Lieferantenerfassung habe darunter aber nicht gelitten. Im Rahmen einer Anschlußprüfung für die Jahre 1988 bis 1992 habe es auch für den Zeitraum, in dem der Kl. bereits wieder das alte System praktiziert habe, keine Beanstandungen gegeben.

10

Auch unabhängig von der Frage der Zumutbarkeit des Benennungsverlangens sei zweifelhaft, ob die Voraussetzungen für die Ablehnung eines Betriebsausgabenabzugs nach § 160 AO vorlägen. Der Steuerpflichtige sei lediglich verpflichtet, die Anschrift des Zahlungsempfängers im Zeitpunkt der Zahlung festzuhalten. Das Risiko späterer Änderungen trage er nicht. Im Streitfall habe der Prüfer die von dem Kl. aufgezeichneten Adressen jeweils dadurch überprüft, daß er bei den zuständigen Einwohnermeldeämtern Rückfrage gehalten habe. Diese Methode könne nur dann zum Erfolg führen, wenn die betreffenden Personen sich ordnungsgemäß an- und abmeldeten. Davon könne jedoch nicht ohne weiteres ausgegangen werden.

11

Schließlich sei zu beanstanden, daß das FA nicht auf die von dem Kl. vorgenommene Nachbenennung von Lieferanten eingegangen sei. So tauche in der Zusammenstellung der beanstandeten Gutschriften auch eine solche an die GmbH auf, deren aktuelle Anschrift der Kl. dem FA nachträglich mitgeteilt habe.

12

Die Kl. beantragen,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1987 vom 20. März 1991 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 20. Okt. 1992 weitere Betriebsausgaben in Höhe von 38.863,79 DM zu berücksichtigen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.

13

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

14

Er ist der Ansicht, daß die streitigen Betriebsausgaben zu Recht vom Abzug ausgeschlossen worden seien. Entgegen der mit der Klage vertretenen Ansicht sei das Benennungsverlangen des FA nicht unzumutbar gewesen. Auch besondere Umstände eines bestimmten Wirtschaftszweiges könnten die dort tätigen Personen nicht von der Verpflichtung entbinden, sich nach den Gepflogenheiten eines ordnungsgemäßen Geschäftsverkehrs der Identität ihrer Geschäftspartner zu vergewissern, so daß sie in der Lage seien, die Empfänger von Zahlungen genau zu bezeichnen. Ein Ausnahmefall, in dem die Suche nach dem Empfänger auf nicht oder kaum zu bewältigende tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten stoße und damit eine Benennung des Empfängers billigerweise nicht zuzumuten sei, liege im Streitfall nicht vor. Die Forderung, sich von den jeweiligen Anlieferern Personalpapiere vorlegen zu Lassen, um deren Identität festzustellen, könne nicht als unzumutbar angesehen werden.

15

Eine Existenzgefährdung des von dem Kl. betriebenen Unternehmens habe sich aus der Anwendung der von dem FA geforderten Vorkehrungen nicht ergeben. Der Umstand, daß Umsatz und Gewinn des von ihm betriebenen Unternehmens in den Jahren 1990 bis 1992 stark rückläufig gewesen seien, habe seine Ursache wahrscheinlich in stark schwankenden Rohstoffpreisen gehabt. In diesem Zusammenhang nimmt das FA auf eine Aufstellung über die von dem Kl. in den Jahren 1984 bis 1994 erzielten Umsatzerlöse und Reingewinne Bezug. Wegen des Inhalts im einzelnen wird auf die Anlage 1 zum Schriftsatz des, FA vom 1. April 1996 (Bl. 40 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

16

Der Ausschluß des Betriebsausgabenabzugs nach § 160 AO setze nicht voraus, daß der Steuerpflichtige in der Absicht oder in dem Bewußtsein gehandelt habe, dem Empfänger bei einer Steuerverkürzung behilflich zu sein. Ebenso unerheblich sei, ob das FA von der Verausgabung der geltend gemachten Aufwendungen überzeugt sei oder nicht. Zweck des § 160 AO sei allein, Steuerausfälle als Folge unlauteren Geschäftsgebarens des Zahlungsempfängers zu vermeiden.

17

Den von dem Kl. vorgenommenen Nachbenennungen von Empfängern habe das FA Rechnung getragen. Die an ... bzw. ... geleisteten Zahlungen seien in die Ermittlung des vom Betriebsausgabenabzugs ausgeschlossenen Betrages nicht eingeflossen. Im Fall der Fa. ... GmbH könne den Angaben des Kl. nicht gefolgt werden. Nach Mitteilung der Stadt ... sei weder eine Fa. dieses Namens beim Gewerbeamt bekannt noch gebe es die als Anschrift angegebene Straßenbezeichnung "..."in der Stadt ... Auch beim FA ... werde eine ... GmbH nicht geführt.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist begründet. Die streitigen Aufwendungen in Höhe von 38.863,79 DM sind bei der Ermittlung des Gewinns als Betriebsausgaben abzuziehen.

19

Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, daß diese Aufwendungen materiell Betriebsausgaben darstellen, weil sie durch den Betrieb des Kl. veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes -EStG -).

20

Entgegen der Auffassung des FA sind sie auch nicht nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO vom Betriebsausgabenabzug auszuschließen. Nach dieser Vorschrift sind Betriebsausgaben regelmäßig nicht zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt, die Empfänger genau zu benennen. Das der Finanzbehörde hierdurch eingeräumte Ermessen vollzieht sich auf zwei Stufen: Auf der ersten ist über das Benennungsverlangen selbst, auf der zweiten über die aus seiner evtl. Erfolglosigkeit zu ziehenden Konsequenzen zu entscheiden. Die Ermessensentscheidung auf der ersten Stufe steht in besonderem Maße unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit (vgl. insbesondere BFH-Urteile vom 2. März 1967 IV 309/64, BStBl III 1967, 396; vom 22. Mai 1968 I 59/65, BStBl II 1968, 77, und vom 17. Dez. 1980 I R 148/76, BStBl II 1981, 33, jeweils mit weiteren Nachweisen), Dies bedeutet insbesondere, daß das Verlangen nicht unverhältnismäßig sein darf und die für den Steuerpflichtigen zu befürchtenden Nacheile (z.B. wirtschaftliche Existenzgefährdung) nicht außer Verhältnis zum beabsichtigten Aufklärungserfolg bestehen dürfen (BFH-Urteil vom 25. November 1986 VIII R 350/82, - BStBl II 1987, 26). Die Verhältnismäßigkeit ist nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Zahlung zu beurteilen.

21

Nach Ansicht des erkennenden Senats hat der Kl., indem er sich von sämtlichen Anlieferern Name und Anschrift nennen ließ, das ihm Mögliche und Zumutbare zur Feststellung der Identität der Zahlungsempfänger getan. Das Risiko, daß sich die ihm gemachten Angaben im nachhinein als unzutreffend herausstellen, kann ihm nicht angelastet werden (vgl. in diesem Sinn bereits Nieders. Finanzgericht, Urteil vom 8. Juni 1989 VI 320/88, EFG 1990, 48). Die Tätigkeit des Kl. ist dadurch geprägt, daß er seine Handelsware aus den unterschiedlichsten Quellen bezieht und diese zu einem großen Teil von Klein- und Kleinstanlieferern erwirbt. Nach den Angaben, die er in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, liegen dem Wareneingang des Prüfungszeitraums etwa 125.000 Anlieferungsfälle zugrunde. Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Zahl von etwa 50 pro Werktag. Der durchschnittliche Warenwert pro Anlieferung beläuft sich ausgehend von dem aus den Jahresabschlüssen für den Prüfungszeitraum ersichtlichen Wareneinsatz auf weniger als 100 DM pro Anlieferung. Bei dieser Sachlage kann von dem Kl. nicht erwartet werden, daß er in jedem einzelnen Fall eine Identitätsprüfung anhand der Ausweispapiere der Anlieferer vornimmt. Dies gilt um so mehr, als auch in diesem Falle nicht gewährleistet ist, daß die ihm genannte Anschrift zutreffend ist. Diesbezügliche Feststellungen könnte der Kl. allenfalls anhand gültiger Personalausweise treffen. Demgegenüber enthalten inländische Reisepässe keine genauen Angaben zur Wohnanschrift und Führerscheine lediglich die Anschrift im Zeitpunkt der Ausstellung. Der Kl. wäre daher gezwungen, jeden Anlieferer zurückzuweisen, der nicht in der Lage oder nicht willens ist, ihm einen gültigen inländischen Personalausweis vorzulegen. Dies liefe darauf hinaus, daß der Kl. seinen gesamten Geschäftsbetrieb dem Zweck der Identitätsfeststellung seiner Lieferanten unterordnen müßte. Dies kann wegen der damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile von ihm vernünftigerweise nicht erwartet werden.

22

Auch im Hinblick auf den Zweck des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO erscheint die Forderung nach einer systematischen Identitätskontrolle der Anlieferer nicht geboten. Die Vorschrift soll mögliche Steuerausfälle verhindern, die dadurch eintreten können, daß der Empfänger geltend gemachter Betriebsausgaben die Einnahmen bei sich nicht steuererhöhend erfaßt (BFH-Urteil vom 30. März 1983 I R 228/78, BStBl II 1983, 654, 655). Im Fall von Klein- und Kleinstanlieferern dürfte das von dem Kl. gezahlte Entgelt aber nur ausnahmsweise zu steuerpflichtigen Einkünften führen. Aus diesem Grund und wegen der geringen durchschnittlichen Höhe der pro Anlieferungsfall geleisteten Zahlungen ist eine systematische Auswertung der von dem Kl, geführten Aufzeichnungen durch die Finanzbehörde ohnehin ausgeschlossen. Der damit verbundene Aufwand würde in keinem Verhältnis zu dem möglichen Erfolg stehen. Bezeichnenderweise hat es der Prüfer, obwohl sich die Zahlungen in den von ihm aufgegriffenen Fällen zum Teil auf fünfstellige Beträge summierten, abgelehnt, Ermittlungen anzustellen, die über eine Antrage beim Einwohnermeldeamt hinausgingen, ob die Zahlungsempfänger (noch) unter der dem Kl. genannten Anschrift gemeldet waren.

23

Hiernach kann die Versagung des Betriebsausgabenabzugs nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO keinen Bestand haben. Die Einkommensteuer ist auf den Betrag herabzusetzen, der sich - bei gleichzeitiger Anpassung der Gewerbesteuerrückstellung - unter Berücksichtigung der streitigen Betriebsausgaben von 38.863,79 DM ergibt (§ 100 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO -). Die Berechnung der Steuer konnte dem Beklagten übertragen werden (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

24

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Die sonstigen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10 und 711 der Zivilprozeßordnung i.V.m. § 151 Abs. 1 und 3 FGO.