Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 04.12.1979, Az.: 19 UF 37/79
Umwandlung einer Berufung in eine Beschwerde; Zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des 1587 b Abs. 3 BGB ; Beitragsentrichtung für eine unverfallbare Rentenanwartschaft im Sinne des § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 BGB ; Gefahr der Benachteiligung des Berechtigten beim Versorgungsausgleich; Rechtfertigender Grund einer übermäßigen Altersvorsorge für eine schwerwiegende wirtschaftliche Folge ; Berücksichtigung der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichstellung der Ehegatten beim Versorgungsausgleich
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 04.12.1979
- Aktenzeichen
- 19 UF 37/79
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1979, 11664
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1979:1204.19UF37.79.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - AZ: 212 F 199/77
Rechtsgrundlagen
- § 629a Abs. 2 ZPO
- § 621e ZPO
- § 1587b Abs. 1 BGB
- Art. 100 GG
- Art. 6 Abs. 1 GG
Verfahrensgegenstand
Versorgungsausgleich
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Vorschrift des § 1587 b Abs. 3 BGBüber den Versorgungsausgleich verstößt gegen Art. 6 Abs. 1 GG, weil sie in zahlreichen Fällen den ausgleichspflichtigen Ehegatten ohne zwingenden Grund in unverhältnismäßiger Weise finanziell belastet.
- 2.
Die in § 1587 b Abs. 3 BGB vorgesehene Regelung verstößt auch gegen das sich aus Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG ergebende Gebot der Gleichberechtigung der Ehegatten. Denn in zahlreichen Fällen kann diese Regelung aus wirtschaftlichen Gründen nicht durchgeführt werden, was eine ungerechtfertigte Benachteiligung des Ausgleichsberechtigten, in der Regel der Ehefrau, zur Folge hat.
Der 19. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle hat
auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 1979
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht W.,
des Richters am Oberlandesgericht H. sowie
des Richters am Amtsgericht S.
am 4. Dezember 1979
beschlossen:
Tenor:
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Die Sache wird gemäß Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, weil nach Auffassung des Senats § 1587 b Abs. 3 BGB gegen Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG verstößt, soweit er Versorgungsrenten der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder in die Regelung einbezieht.
Gründe
I.
Die Antragstellerin (geboren am 23. Oktober 1919) und der Antragsgegner (geboren am 15. Juni 1929), beide deutsche Staatsangehörige, haben am 18. November 1960 die Ehe geschlossen. Aus dieser Ehe ist eine inzwischen volljährige Tochter hervorgegangen, die jedoch noch eine höhere Schule besucht und vom Antragsgegner unterhalten wird.
Die Parteien leben seit Anfang Mai 1977 voneinander getrennt. Zu dieser Zeit hat die Antragstellerin die eheliche Wohnung verlassen. Die damals noch minderjährige Tochter blieb beim Antragsgegner.
Die Antragstellerin war während der Ehezeit berufstätig. Sie hat bei der Landesversicherungsanstalt (künftig: LVA) Hannover während der Ehezeit Anwartschaften auf eine monatliche Rente von 139,80 DM erworben. Daneben war sie bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (künftig: VBL) versichert. Sie hat dort - bezogen auf die Ehezeit - Anwartschaften auf eine Versicherungsrente in Höhe von monatlich 21,20 DM erworben. Diese Rente würde den wirtschaftlichen Verhältnissen nicht angepasst.
Der Antragsgegner ist Schulhausmeister und verdient monatlich rund 1.700 DM, wovon er 119,10 DM Miete zu zahlen hat. Er hat während der Ehezeit bei der LVA Hannover Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 572,60 DM erworben. Auch er ist bei der VBL versichert. Seine dort erworbene Rente beträgt monatlich 162,40 DM. Nach Auskunft der VBL ist die satzungsgemäße Wartezeit für die Unverfallbarkeit der Versorgungszusage erfüllt. Die Ansprüche auf Versorgungsrente werden, ebenso wie die Bezüge der Versorgungsempfänger des Bundes, den Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse angepasst. Der Wert der Anwartschaften und Ansprüche auf Versorgungsrente steigt - so ebenfalls die Auskunft der VBL - in nahezu gleicher Weise wie die in § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB genannten Anwartschaften.
Das Familiengericht hat durch Urteil vom 14. Februar 1979 die Ehe der Parteien geschieden. Zugleich hat es vom Konto des Antragsgegners bei der LVA Hannover Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 216,40 DM auf das (ebenfalls bei dieser LVA bestehende) Konto der Antragstellerin übertragen. Ferner hat das Gericht den Antragsgegner verpflichtet, zur Begründung von Anwartschaften auf eine Rente von monatlich 76,30 DM zugunsten der Antragstellerin an die LVA Hannover 13.594,35 DM - bezogen auf den 30. November 1977 - zu zahlen.
Gegen dieses ihm am 20. Februar 1979 zugestellte Urteil hat der Antragsgegner am 19. März 1979 Berufung eingelegt und diese am 17. April als Beschwerde, mit der er die Entscheidung über den Versorgungsausgleich angreift, begründet.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 629 a Abs. 2, 621 Abs. 1 Nr. 6, 621 e Abs. 1 und 3 ZPO). Daran ändert nichts, dass der Antragsgegner Berufung eingelegt, in seiner Begründung jedoch nur die Entscheidung über den Versorgungsausgleich angegriffen hat. Sein Rechtsmittel ist in diesem Fall als Beschwerde nach §§ 629 a Abs. 2, 621 e ZPO zu behandeln. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob sich die Berufung "kraft Gesetzes in eine Beschwerde umgewandelt hat" (so Beschluß des OLG Celle vom 3. Januar 1978 (17 UF 34/77) oder ob die Berufung in eine Beschwerde umzudeuten ist (so OLG Celle, NJW 1978, 1333 ff. [OLG Celle 19.04.1978 - 10 UF 200/77]). Jedenfalls ist von einer zulässig erhobenen Beschwerde auszugehen.
Somit hatte der Senat zu prüfen, ob die Beschwerde sachlich begründet ist. Diese Prüfung führte zu dem Ergebnis, dass der Antragsgegner mit seinem Hauptantrag grundsätzlich keinen Erfolg haben kann. Es besteht keine Veranlassung, den Versorgungsausgleich insgesamt auszuschließen. Denn gegen die vom Familiengericht nach § 1587 b Abs. 1 BGB vorgenommene Übertragung von Rentenanwartschaften bestehen verfassungsrechtlich keine Bedenken. Dies hat der Senat in seinem Beschluß vom 11. Juli 1979 (19 UF 52/79) - unter Hinweis auch auf die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 21. März 1979 (FamRZ 1979, 477 ff. und 490 ff.) - im einzelnen begründet. Gesichtspunkte, die eine Aufgabe dieser bislang vertretenen Rechtsauffassung zwingend gebieten, sind nicht erkennbar.
Doch ist der Hilfsantrag des Antragsgegners, mit dem er sich gegen die Beitragsentrichtung (13.594,35 DM) wendet, erfolgversprechend. Denn nach Auffassung des Senats ist die Vorschrift des 1587 b Abs. 3 BGB verfassungswidrig (ebenso AG Oberhausen, FamRZ 1979, 53; AG Bonn, NJW 1979, 318 [AG Bonn 24.10.1978 - 24 F 204/78]; unter gewissen Einschränkungen auch AG Mannheim, Beschluß vom 24. Oktober 1979 (5 F 69/77). Das gilt jedenfalls, soweit sie VBL-Renten in ihre Regelung einbezieht.
III.
Das Verfahren muß deshalb nach Art. 100 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt werden.
Zur Begründung dieses Vorlagebeschlusses ist folgendes auszuführen:
1.
Die Vorschrift des § 1587 b Abs. 3 BGB verstößt gegen Art. 6 Abs. 1 GG, weil sie in zahlreichen Fällen den ausgleichspflichtigen Ehegatten ohne zwingenden Grund in unverhältnismäßiger Weise finanziell belastet.
a)
Dabei geht der Senat davon aus, dass der Antragsgegner die Beitragsentrichtung für eine unverfallbare Rentenanwartschaft im Sinne des § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 BGB auf eine Versorgungsrente (§§ 37 Abs. 1 Buchst. A, 40 bis 43 der VBL-Satzung) vorzunehmen hat. Diese Auffassung ist allerdings umstritten. Teilweise wird in der Rechtsprechung die Ansicht vertreten, es könne nur die (nicht dynamische) Versicherungsrente im Sinne der §§ 37 Abs. 1 Buchst. B, 44 VBL-Satzung für die Berechnung der Beitragsentrichtung herangezogen werden, weil der ausgleichspflichtige Ehegatte jederzeit bis zum Eintritt des Versicherungsfalls noch aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden könne und ihm dann nur Anwartschaften auf die Versicherungsrente (§ 44 VBL-Satzung) verblieben; insoweit seien im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags die Rentenanwartschaften in Bezug auf die Versorgungsrente (§§ 40 bis 43 VBL-Satzung) noch nicht unverfallbar (so OLG Celle, Beschluß vom 22. Oktober 1979 (12 UF 30/79); OLG Celle, Beschluß vom 29. Oktober 1979 (18 UF 112/79); AG Charlottenburg, NJW 1979, 1554). Dieser Auffassung vermag der erkennende Senat indes nicht zu folgen. Die Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit sind in § 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19. Dezember 1974 (BGBl. I, 3610 f-künftig: BetrAVG) bezeichnet. Danach behält ein Arbeitnehmer - unter den dort näher abgegebenen Voraussetzungen - seine Anwartschaft, wenn sein Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versicherungsfalls endet. Welche Rente später aufgrund der Anwartschaft gezahlt wird, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Denn in § 18 BetrAVG ist nicht der Begriff der "Unverfallbarkeit" modifiziert worden, sondern lediglich die Abwicklung der Rentengewährung geregelt (so BAG, Urteil vom 1. Juli 1976 (3 AZR 520/74)). Diese Betrachtungsweise ist für das BetrAVG zweifelsfrei. Dann jedoch wäre es nicht folgerichtig, den Begriff der Unverfallbarkeit für die VBL-Rente anders sehen zu wollen (so zutreffend: AG Mannheim, a.a.O.). Sind deshalb die Voraussetzungen des § 1 BetrAVG im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags erfüllt, so hat die Berechnung der Höhe der Anwartschaft, für die der Beitrag zu entrichten ist, nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 BGB zu erfolgen. Es ist also die in die Ehezeit fallende Betriebszugehörigkeit ins Verhältnis zu setzen zu der Zeit, die vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zu der in der Versorgungsregelung vorgesehenen festen Altersgrenze läuft. Zu dem letztgenannten (fiktiven) Zeitpunkt hat der Versicherte jedoch Anspruch auf eine (dynamische) Versorgungsrente (§ 40 VBL-Satzung). Deshalb ist grundsätzlich von der Versorgungs- und nicht von der Versicherungsrente auszugehen (so Maier in Münchener Kommentar, Ergänzungsband, § 1587 a Rdn. 206-209; Strehhuber, FamRZ 1979, 764 (767); vgl. ferner den Regierungsentwurf zur Barwert-VO, der davon ausgeht, dass die Anwartschaften der öffentlichen Zusatzversorgungen generell als voll dynamische Versorgungsanwartschaften bewertet werden (BRDrucks. 191/77, S. 13). Daß allein die hier vertretene Auffassung mit dem gesetzgeberischen Willen im Einklang steht, ergibt sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Frage der Bundestagsabgeordneten Dr. Lepsius (SPD), die sich auf die hier dargelegte Problematik bezog (vgl. Recht, Informationen des Bundesministers der Justiz vom 27. September 1979, S. 120, 121). Dort heißt es u.a.:
"Der Bundesregierung ist bekannt, dass einzelne erstinstanzliche Entscheidungen von Familiengerichten vorliegen, wonach Anwartschaften auf eine Versorgungsrente aus der Zusatzversorgung der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes (einer betrieblichen Altersversorgung) nicht nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 1, sondern - weil sie nicht "unverfallbar" im Sinne des Satzes 3 dieser Vorschrift seien - schuldrechtlich auszugleichen seien, Jedenfalls soweit sie über die sogenannte Garantieversorgungsrente (vgl. z.B. § 40 Abs. 3 der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder) hinausgehen. ... Die Bundesregierung ist im Gesetzgebungsverfahren davon ausgegangen, dass auch die Anwartschaften auf eine Zusatzversorgungsrente aus der Zusatzversorgung der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes in den öffentlich-rechtlichen Ausgleich nach Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 dieser Vorschrift einzubeziehen sind - ebenso wie entsprechende Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung des privatwirtschaftlichen Bereichs - und dass hier im Rahmen der Ausnahmevorschrift des Satzes 3 kein anderer Unverfallbarkeitsbegriff gilt als sonst. Denn § 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) gilt völlig unbestritten auch für diese Anwartschaften; lediglich ihre Abwicklung ist in § 18 BetrAVG besonders geregelt. ... Das Gesetz hat es im Interesse der Ausgleichsberechtigten in Kauf genommen, dass sich beim Ausgleich von Anwartschaften auf höhere und dynamische Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unter Umständen hohe Beitrags Verpflichtungen zu Lasten des Verpflichteten ergeben..."
Es ist nicht zu verkennen, dass die hier vertretene Auffassung zu einer Benachteiligung des Ausgleichspflichtigen führen kann, wenn er vor Eintritt des Versorgungsfalls aus dem öffentlichen Dienst ausscheidet. Folgt man aber der Gegenmeinung, so lässt sich die Gefahr der Benachteiligung des Berechtigten nicht leugnen. Denn er muss sich teilweise auf den (für ihn ungünstigeren) schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verweisen lassen, auch wenn der Ausgleichspflichtige sein Arbeitsverhältnis bis zum Eintritt des Versorgungsfalls fortsetzt. Müssen daher in jedem Fall Fehlermöglichkeiten hingenommen werden, dann ist es nach Auffassung des Senats geboten, die Fehlermöglichkeit in Kauf zu nehmen, deren Eintritt weniger wahrscheinlich ist. Das ist aber (schon wegen der Unkündbarkeit nach bestimmtem Zeitablauf) das Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst vor Eintritt des Versicherungsfalls. Sollte der Ausgleichspflichtige sein Arbeitsverhältnis gleichwohl vorzeitig kündigen, so wird das in der Regel nur deshalb geschehen, weil er sich anderweit finanziell verbessern kann. In diesen Fällen wäre es unbillig, den Ausgleichspflichtigen deshalb zu benachteiligen, weil der Ausgleichsverpflichtete eine sich ihm bietende günstige Gelegenheit genutzt und seine wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verbessert hat.
b).
Hat der Ausgleichspflichtige mithin gemäß § 1587 b Abs. 3 BGB den entsprechenden Beitrag in Bezug auf eine dynamische Versorgungsrente zu leisten, so verstößt diese Verpflichtung gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Danach stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz des Staates. Um diesen Verfassungsauftrag zu erfüllen, hat der Gesetzgeber ein sachgerechtes Ehe- und Familienrecht und ein rechtlich und wirtschaftlich ausgewogenes Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht zu schaffen. Ein die Ehegatten in unzumutbarer und vermeidbarer Weise belastendes Scheidungsfolgenrecht bringt das Rechtsinstitut der Ehe in Mißkredit (so zutreffend: AG Mannheim a.a.O.) und birgt die Gefahr, Heiratswillige von der Heirat abzuhalten. Diesem Gesichtspunkt muß in der heutigen Zeit umso größere Bedeutung beigemessen werden, weil nach der Auffassung eines nicht geringen Teils der Bevölkerung, insbesondere der jüngeren Leute, die Ehe ohnehin "antiquiert" ist. Deshalb muß es das Ziel der Gesetzgebung sein, dieses Rechtsinstitut zeitgemäß, ausgewogen und möglichst vorteilhaft auszugestalten, um ihm neues Ansehen zu verschaffen. Dieses Ziel kann Jedoch nicht erreicht werden, wenn im Fall der Scheidung der Ehe den ausgleichspflichtigen Ehegatten in zahlreichen Fällen aus nicht zwingenden Gründen unzumutbare und unverhältnismäßige wirtschaftliche Belastungen aufgezwungen werden.
Das jedoch trifft im Hinblick auf § 1587 b Abs. 3 BGB zu. Denn um Rentenanwartschaften von monatlich 100 DM in der gesetzlichen Rentenversicherung zu begründen, muß der Ausgleichspflichtige - bezogen auf das Jahr 1979 - 17.049,93 DM aufwenden. Bei längeren Ehen müssen häufig noch wesentlich höhere Rentenanwartschaften begründet werden. Andererseits stehen dem Verpflichteten die in der Zusatzversicherung erworbenen Anwartschaften nicht zur freien Verfügung. Er kann sie in absehbarer Zeit nicht zur Beschaffung eines Kredits einsetzen. (Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu einer privaten Rentenversicherung im Sinne des § 1587 a Abs. 2 Nr. 5 BGB, die der Verpflichtete notfalls beleihen oder auf andere Weise "in Geld umsetzen" kann).
Hinzu kommen die steigenden Kosten für die doppelte Haushaltsführung der zu scheidenden oder geschiedenen Eheleute. Häufig sind die Ehefrauen nicht arbeitspflichtig, weil sie minderjährige Kinder zu versorgen haben (§ 1570 BGB), weil sie bei fortgeschrittenem Alter nicht mehr arbeitsvermittlungsfähig oder aber dauernd arbeitsunfähig krank sind (§§ 1571 ff. BGB). Kommen dann zu dem Ehegattenunterhalt noch die Unterhaltsansprüche der Kinder und unter Umständen erhebliche Zugewinnausgleichsverpflichtungen hinzu sowie die in der Regel beträchtlichen Kosten des Scheidungsverfahrens, bedenkt man ferner die steuerliche Mehrbelastung, so reichen bei einem Ehegatten mit durchschnittlichem Einkommen - und das ist die Mehrzahl der Fälle - die Geldmittel nicht aus, um diese Verpflichtungen sämtlich erfüllen zu können. Wird ihm nunmehr zusätzlich noch die Verpflichtung auferlegt, für die Beitragsentrichtung im Sinne des § 1587 b Abs. 3 BGB eine Geldsumme aufzubringen, die nicht selten zwischen 10.000 und 30.000 DM liegt, aber auch noch höher sein kann, dann bedeutet dies in zahlreichen Fällen eine Verschuldung auf Jahrzehnte, wenn nicht gar auf Lebenszeit (so zutreffend: AG Bonn, a.a.O.).
Für eine solche schwerwiegende wirtschaftliche Folge besteht kein rechtfertigender Grund. Denn die Regelung der letztgenannten Bestimmung läuft im Ergebnis auf eine übermäßige Altersvorsorge hinaus. Während der ausgleichspflichtige Ehegatte - jedenfalls bei einer Hausfrauenehe - vor der Scheidung eine Altersversorgung aufgebaut hat, die für beide Ehegatten bestimmt war, wird er nunmehr gezwungen, für die Dauer der Ehezeit 1 1/2 Versorgungen zu schaffen. Der Gesetzgeber ist hier, "indem er in der Ausgleichsform des Ehegesamtzeit-Beitrages eine Neuschöpfung von Unterhaltswerten vom Familienrichter anordnen lässt, ohne hinreichend gewichtige Gründe von einer selbst statuierten Sachgesetzlichkeit eines zivilrechtlichen Umverteilungssystems, nämlich Beschränkung desselben auf die Teilungsmasse der vorhandenen Alterssicherungswerte, abgewichen" (Bogs, FamRZ 1978, 81 (89)). Hierfür besteht insbesondere deshalb kein zwingender Grund, weil durch eine weniger belastende gesetzliche Regelung den berechtigten Interessen beider Ehegatten besser und sicherer hätte Rechnung getragen werden können, wie unten noch näher darzulegen sein wird.
Durch die Vorschrift des § 1587 d BGB wird die Verpflichtung zur Beitragsentrichtung nicht hinreichend gemildert. Zwar kann das Gericht nach dieser Vorschrift das Ruhen der Verpflichtung anordnen oder Ratenzahlungen gewähren. Doch empfiehlt es sich, von dieser Bestimmung nur sehr eingeschränkt Gebrauch zu machen. Denn die Nachteile einer solchen Regelung treffen in erster Linie den Ausgleichsberechtigten, in der Regel also die Ehefrau. Wird das Ruhen der Beitragsentrichtung angeordnet und bessern sich die Einkommensverhältnisse des Ausgleichspflichtigen bis zum Eintritt des Versorgungsfalls nicht, dann ist der Ausgleichsberechtigte auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich angewiesen. Hierdurch wird er jedoch in nicht zu vertretender Weise benachteiligt, wie unten noch näher auszuführen sein wird.
Gewährt das Gericht dagegen Ratenzahlung, so müssen die Raten die Jährliche Verteuerung des zu entrichtenden Beitrags deutlich übersteigen. Solche Raten - neben den anderen Verpflichtungen - aufzubringen, ist erfahrungsgemäß in einer Vielzahl der Fälle nicht möglich. Dann aber ist die Gewährung von Raten nicht sinnvoll, weil sie den Verpflichteten belastet, ohne dem Berechtigten Vorteile einzubringen. Andererseits kann in diesem Fall die Beitragsschuld des Verpflichteten im Laufe der Jahre eine Höhe erreichen, die außer jedem Verhältnis zu seinen Einkommens- und Lebensverhältnissen steht. Diese Ausführungen zeigen, dass die Vorschrift des § 1587 d BGB nicht selten nur scheinbar Erleichterungen bietet. Die in § 1587 b Abs. 3 BGB vorgesehene Regelung ist als unverhältnismäßig anzusehen, weil - wie bereits erwähnt - andere, weniger einschneidende Regelungen den mit dem Versorgungsausgleich verfolgten Zweck ebenso erreichen können.
Dabei ist in erster Linie an ein Splitting der Anwartschaften auf die VBL-Rente (entsprechend § 1587 b Abs. 1 BGB) zu denken. Hierdurch erhielte der Ausgleichsberechtigte, in der Regel die Ehefrau, sichere Anwartschaften auf eine Versorgungsrente, wobei allerdings das unterschiedliche Versicherungsrisiko, das sich im vorliegenden Verfahren u.a. aus dem wesentlichen Altersunterschied der Parteien ergibt, aus versicherungsmathematischen Gründen wahrscheinlich berücksichtigt werden müsste. Für den Ausgleichspflichtigen hätte diese Lösung den Vorteil, keinen weiteren finanziellen Belastungen ausgesetzt zu sein.
Denkbar ist ferner eine Regelung im Sinne des Quasi-Splittings (entsprechend § 1587 b Abs. 2 BGB). Dabei könnte hier die Begründung der Anwartschaft für den Ausgleichsberechtigten durch den - in der Regel - wirtschaftlich leistungsfähigeren Arbeitgeber vorgenommen werden. Die Anwartschaften des Ausgleichsverpflichteten wären um den auszugleichenden Wert zu kürzen. Auch durch diese Regelung würde den berechtigten Interessen beider Ehegatten besser als bisher Rechnung getragen.
Wenn gegen diese Lösungen eingewandt worden ist, der Gesetzgeber habe mit der Regelung des Splittings und des Quasi-Splittings nicht in die Privatautonomie eingreifen können, so vermag dieses Argument für die VBL-Rente nicht zu überzeugen. Denn die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 1 VBL-Satzung), deren Beteiligte die Bundesrepublik Deutschland, die Bundesländer, die Gemeinden und sonstige Gebietskörperschaften sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts sind (§ 19 VBL-Satzung)- In §§ 26 ff. VBL-Satzung sind dann die Voraussetzungen für die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst aufgestellt. So gesehen handelt es sich bei Anwartschaften auf eine VBL-Rente nicht um rein privatrechtliche Beziehungen. Im übrigen stellt die Bundesregierung inzwischen selbst Erwägungen im Sinne der hier vorgeschlagenen Lösungen, insbesondere des Realsplittings, an. Das folgt aus ihrer Antwort auf eine weitere Antrage der Bundestagsabgeordneten Dr. Lepsius (SPD) (vgl. Recht, a.a.O., S. 121). Eine durch das Splitting verursachte Mehrbelastung der VBL kann schon deshalb kein entscheidender Gesichtspunkt sein, weil die anderen Versicherungsträger eine entsprechende Mehrbelastung auch hinnehmen müssen.
2.
Die in § 1587 b Abs. 3 BGB vorgesehene Regelung verstößt nach Auffassung des Senats auch gegen das sich aus Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG ergebende Gebot der Gleichberechtigung der Ehegatten. Denn in zahlreichen Fällen kann diese Regelung aus wirtschaftlichen Gründen nicht durchgeführt werden, was eine ungerechtfertigte Benachteiligung des Ausgleichsberechtigten, in der Regel der Ehefrau, zur Folge hat.
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die verfassungsrechtlich gebotene Gleichstellung der Ehegatten nicht nur eine formelle Gleichberechtigung bedeutet, also das Verbot, an den Unterschied des Geschlechts rechtliche Vor- oder Nachteile zu knüpfen. Sie ist vielmehr als materielle Gleichberechtigung zu verstehen, d.h. vor allem, die Lebensarbeit der Ehegatten ist gleich zu bewerten (so BVerfG, FamRZ 1978, 871 (873); BVerfGE 37, 217 (251); BVerfGE 26, 265 (273) [BVerfG 02.07.1969 - 1 BvR 669/64]. Die sich aus der ehelichen Aufgabenteilung - insbesondere bei der Hausfrauenehe - ergebende unterschiedliche wirtschaftliche Situation der Ehegatten ist Unterhalts- und versorgungsrechtlich auszugleichen (BVerfGE 47, 85 (100); BVerfGE 42, 64 (77) [BVerfG 24.03.1976 - 2 BvR 804/75]; BVerfGE 22, 93 (96) [BVerfG 07.06.1967 - 1 BvR 76/62]. Diese jetzt Gesetz gewordene Forderung wurde schon seit der Weimarer Republik erhoben, wie das Amtsgericht Mannheim (a.a.O., S. 17, 18) im einzelnen nachgewiesen hat. Diesem Erfordernis der materiellen Gleichstellung wird der § 1587 b Abs. 3 BGB nicht gerecht, und zwar aus folgenden Gründen:
a).
Häufig verfügt der Ausgleichspflichtige nur über ein solches Einkommen, das zum Bestreiten seiner eigenen Lebenshaltungskosten und zur Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinen Kindern und seiner ausgleichsberechtigten Ehefrau ausreicht. Hat er dann gleichwohl noch Raten auf seine Beitragspflicht zu leisten, so muß auch der Unterhaltsanspruch der Ehefrau entsprechend gekürzt werden (§ 1581 BGB). Das jedoch bedeutet im Ergebnis, dass die Ehefrau die Begründung ihres Versorgungsanspruchs teilweise mitfinanziert. Insofern wird sie eindeutig benachteiligt.
b).
In den zu Ziffer 2 a geschilderten Fällen wird es dem Ausgleichspflichtigen in der Regel jedoch nicht möglich sein, seiner Beitragspflicht auch nur ratenweise nachzukommen. Dadurch wird die Ehefrau letztlich auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen (§§ 1587 ff. BGB). Dieser schuldrechtliche Versorgungsausgleich ist jedoch gegenüber der VBL-Rente keine gleichwertige Alterssicherung. Denn der Ausgleichsanspruch besteht erst, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte Versicherungsleistungen erhält (§ 1587 g Abs. 1 BGB). Es kommt also nicht darauf an, wann bei dem ausgleichsberechtigten Ehegatten der Versorgungsfall eintritt. Damit hätte im vorliegenden Verfahren die Antragstellerin ein Risiko in doppelter Hinsicht zu tragen: zum einen, dass der Antragsgegner den Versicherungsfall (vgl. hierzu: Maier in Münchener Kommentar, Ergänzungsband, § 1587 k, Rdn. 8, m.w.Nachw.), und zum anderen, dass sie selbst diesen Zeitpunkt noch erlebt, was schon wegen ihres deutlich höheren Alters als ungewiß bezeichnet werden muß.
c).
Dem Grundsatz der materiellen Gleichstellung ist nur dann genügt, wenn der Ausgleichsberechtigte in dem Zeitpunkt, in dem bei ihm der Versicherungsfall eintritt, auch einen Anspruch auf Versorgungsrente hat. Dieses Ziel kann durch § 1587 b Abs. 3 BGB nur erreicht werden, sofern der Ausgleichspflichtige in der Lage ist, die häufig sehr hohen Geldsummen für die Beitragsentrichtung aufzubringen. Dies wird jedoch in einer Vielzahl von Fällen, in denen die Ausgleichspflichtigen nur über ein durchschnittliches Einkommen von etwa 1.700 DM bis 1.900 DM netto (ohne sonstiges Vermögen) verfügen und mehrere Unterhaltsverpflichtungen zu erfüllen haben, auch nicht ratenweise möglich sein. Unter diesen Umständen verletzt der Gesetzgeber "aber nicht weniger die ihm durch Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG auferlegte Pflicht, als wenn er von vornherein nur einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorgesehen hätte" (so zutreffend: AG Mannheim, a.a.O., S. 20).
Aus diesen Gründen hält der Senat die Vorschrift des § 1587 b Abs. 3 BGB für verfassungswidrig, soweit sie Anwartschaften auf VBL-Renten in ihre Regelung einbezieht. Ob daneben noch Art. 2 GG (so Bogs, a.a.O.) oder Art. 14 GG (so AG Bonn, a.a.O.; (320)) verletzt sind, bedurfte deshalb keiner Prüfung mehr.
Allerdings hielt es der Senat nicht für gerechtfertigt, die Verfassungswidrigkeit der hier in Rede stehenden Vorschrift nur unter den Einschränkungen zu bejahen, die das AG Mannheim (a.a.O.) in seinem Vorlagebeschluß aufgezählt hat. Die Annahme, die vorerwähnte Bestimmung sei nur verfassungswidrig, wenn die Beitragspflicht eines Ausgleichspflichtigen (mit durchschnittlichem Einkommen) die Summe von 5.000 DM übersteigt, erscheint willkürlich und wird in der Entscheidung auch nicht näher begründet. Es ist nicht Aufgabe der Zivilgerichte, Voraussetzungen aufzustellen, unter denen eine grundsätzlich für verfassungswidrig gehaltene Vorschrift (noch) verfassungsgemäß sein könnte. Denn dies würde letztlich zur Folge haben, dass die Zivilgerichte einen Teil der Prüfung, die allein dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten ist, selbst vornehmen.