Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 26.02.1980, Az.: 4 Wx 4/80
Vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zur Eintragung einer Auflassungsvormerkung ; Dingliche Wirkung einer Vormerkung; Einseitiges Rechtsgeschäft in Grundbuchsachen ; Bewilligung einer Auflassungsvormerkung nach Einreichung beim Grundbuchamt
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 26.02.1980
- Aktenzeichen
- 4 Wx 4/80
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1980, 12153
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1980:0226.4WX4.80.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - AZ: 4 T 11/80
Fundstelle
- DNotZ 1980, 554-556
Verfahrensgegenstand
im Grundbuch von ...... Band ... Blatt ... verzeichnete Grundstück,
Sonstige Beteiligte
1. Frau ...
ihren Pfleger, ...
2. die ungeteilte Erbengemeinschaft bestehend aus:
a) der ...
b) der am ... geborenen ...,
c) dem am ... geborenen ...,
d) der am ... geborenen ...,
e) der am ... geborenen ...,
f) dem am ... geborenen ...,
g) dem am ... geborenen ...,
3. ...
4. ... beide wohnhaft ...
In der Grundbuchsache
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die weitere Beschwerde der Antragsteller vom 1. Februar 1980
gegen den Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 28, Januar 1980
durch seine Mitglieder ... und ...
in der Sitzung vom 26. Februar 1980 beschlossen:
Tenor:
Auf die weitere Beschwerde der Antragsteller vom 1. Februar 1980 wird das Grundbuchamt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses angewiesen, nach Maßgabe der folgenden Gründe von der weiteren Aufrechterhaltung der Verfügung vom 22. Februar 1979 Abstand zu nehmen.
Gründe
I.
Am 29. September 1979 verkauften die Antragsteller zu 1) und 2) das vorgenannte Grundstück an die Antragsteller zu 3) und 4) zum Kaufpreis von 150.000,00 DM und bewilligten die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten der Erwerber (Urk.Rolle Nr. 907/79 des Notars ... in Winsen/Luhe).
Durch Verfügung vom 22. November 1979 hat das Grundbuchamt den Antragstellern unter Bestimmung einer 6-Wochen-Frist aufgegeben, eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung für die Eintragung der Auflassungsvormerkung einzureichen (Bl. 28 d.A.).
Durch Beschluß vom 13. Dezember 1979 des Amtsgerichts Winsen/Luhe - 5 X 152/79 - hat das Vormundschaftsgericht die Erklärungen genehmigt, die die Antragstellerin zu 2) a) als gesetzliche Vertreterin der Antragsteller zu 2) b) bis g) in der notariellen Verhandlung vom 29. September 1979 abgegeben hat.
Gleichwohl hat der Grundbuchrichter unter dem 3. Januar 1980 erklärt, daß er der Erinnerung der Antragsteller vom 28. November 1979 gegen die Zwischenverfügung vom 22. November 1979 nicht abhelfe (Bl. 30, 32 d.A.).
Die daraufhin vom Landgericht als Beschwerde behandelte Erinnerung ist durch den angefochtenen Beschluß vom 28. Januar 1980 mit der Begründung zurückgewiesen worden, daß für die Eintragung der Auflassungsvormerkung eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung notwendig sei.
Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde vom 1. Februar 1980 mit der ausgeführt wird, daß mit der Bewilligung einer Auflassungsvormerkung keine Verfügung über ein Recht an dem Grundstück getroffen worden sei.
II.
Die gemäß § 78 GBO zulässige Beschwerde ist begründet.
Zwar ist dem Landgericht darin beizupflichten, daß zur Eintragung der Auflassungsvormerkung für die Antragsteller zu 3) und 4) die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Bewilligungserklärung der Antragsteller in zu 2) a) erforderlich war. Eine Vormerkung stellt selbst zwar kein dingliches Recht am Grundstück dar. Die Auflassungsvormerkung sichert jedoch den schuldrechtlichen Anspruch des Berechtigten auf Übertragung des Eigentums am Grundstück mit dinglicher Wirkung in der Weise, daß dem Erwerber gegenüber jede weitere Verfügung über das Grundstück unwirksam ist, die seinen Anspruch auf Eigentumsübertragung beeinträchtigen würde (§ 883 Abs. 2 BGB; vgl. BGH NJW 1957, 1229; und 1958, 2013). Mit der Eintragung der Auflassungsvormerkung tritt wegen dieser dinglichen Wirkung praktisch eine Grundbuchsperre ein, die einer anderweitigen Übereignung oder auch nur einer Grundstücksbelastung entgegensteht. Dem Schutzzweck des Genehmigungserfordernisses gemäß §§ 1643 Abs. 1, 1821 Abs. 1 Ziff. 1 BGB wäre nicht Genüge getan, wollte man in der Bewilligung der Eintragung einer Auflassungsvormerkung nicht eine Verfügung über ein Recht am Grundstück in diesem Sinne sehen. Denn eine Maßnahme, die die freie Verfügungsmöglichkeit des Grundstückseigentümers mit dinglicher Wirkung weitestgehend einschränkt, stellt eine erhebliche Einschränkung der mit der Eigentümerposition grundsätzlich verbundenen rechtlichen Verfügungsmöglichkeit dar (§ 903 BGB). Die Auflassungsvormerkung ist in ihrer Auswirkung sogar einer Verfügung über das Grundstück gleichzuachten, weil sie unmittelbar zur Unwirksamkeit einer anderweitigen Verfügung führen kann (vgl. hier RGRK 10./II. Aufl. Anm. 5 zu § 1831 BGB; Erman/Hefermehl, 5. Aufl. Rdn. 7 zu § 1821; Staudinger/Seufert, 11. Aufl. Rdn. 40 zu § 882 BGB; Soergel/Germer, 10. Aufl. Anm. 4 zu § 1821 BGB; Palandt/Diederichsen, 38. Aufl. Anm. 2 a zu § 1821 BGB). Der hiervon abweichenden Auffassung des Landgerichts Stade (MDR 1975, 933) vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Denn auch wenn der durch die Vormerkung zu sichernde schuldrechtliche Anspruch mangels vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung des Vertrages fehlt, worauf das Landgericht Stade es vor allem abstellt, kann schon die Tatsache, daß eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen ist, für den Eigentümer erhebliche Nachteile zur Folge haben, wie etwa Erschwernisse bei einer Beleihung oder Entgehen einer günstigen Veräußerungsmöglichkeit. Denn die Durchsetzung der Löschung der Auflassungsvormerkung läßt sich nicht immer kurzfristig erreichen. Sie wird sich in der Regel dann verzögern, wenn gegen die Versagung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung des schuldrechtlichen Vertrages ein Rechtsmittel eingelegt worden war.
Das Landgericht hat jedoch übersehen, daß die Antragsteller der Zwischenverfügung des Rechtspflegers vom 22. November 1979 insofern Genüge getan haben, als der Vormundschaftsrichter durch Beschluß vom 13. Dezember 1979 sämtliche Erklärungen der Antragstellerin zu 2) a) genehmigt hat, die diese im Kaufvertrag vom 29. September 1979 namens ihrer minderjährigen Kinder abgegeben hatte. Zu diesen Erklärungen gehörte aber auch die gemäß § 19 GBO erforderliche Bewilligung der Eintragung einer Auflassungsvormerkung für die Antragsteller zu 3) und 4). Hierbei wird noch zu prüfen sein, ob die Genehmigung der Antragstellerin zu 2) a) erteilt und von dieser den Antragsgegnern mitgeteilt worden ist (§§ 1828, 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Allerdings handelt es sich bei der Eintragungsbewilligung für die Auflassungsvormerkung um ein einseitiges Rechtsgeschäft, nämlich um eine für das Grundbuchamt bestimmte rechtsgeschäftliche Willenserklärung, die mit dem dortigen Zugang Wirksamkeit erlangen sollte (vgl. §§ 19, 29 GBO; § 19 VO über die geschäftliche Behandlung von Grundbuchsachen vom 25. Februar 1936).
Müßte das einseitige Rechtsgeschäft schon mit dem Eingang des Antrages vom 19. Oktober 1979 als vorgenommen angesehen werden, dann entfiele allerdings die Möglichkeit seiner Genehmigung, denn als einseitige, genehmigungspflichtige Erklärung der gesetzlichen Vertreterin wäre sie dann schlechthin unwirksam und damit auch nicht mehr genehmigungsfähig (§ 1831 BGB).
Das Grundbuchrecht wird jedoch vom Eintragungsgrundsatz beherrscht, demzufolge die Begründung und Änderung von Rechten an einem Grundstück im Prinzip von der Eintragung im Grundbuch abhängig ist (§ 873 Abs. 1 BGB). Der Gesetzgeber hat damit auch die Wirksamkeit eines einseitigen Rechtsgeschäftes in bezug auf die Rechtslage eines Grundstücks von der Tätigkeit des Grundbuchamtes abhängig gemacht, das von Amts wegen zu prüfen hat, ob die ihm eingereichten Anträge noch irgendwelcher behördlicher Genehmigungen bedürfen. Daneben obliegt dem Grundbuchamt in jedem Falle auch die Prüfung, ob die Bewilligungsbefugnis nach der Grundbuchlage gegeben ist und ob die formellen Erfordernisse erfüllt sind (vgl. §§ 19, 29 GBO). Der durch ein einseitiges Rechtsgeschäft in Grundbuchsachen Betroffene muß also in jedem Falle den Schwebezustand zwischen der materiellen Vornahme und der Grundbucheintragung in Kauf nehmen. Damit entfällt jedoch in bezug auf solche Rechtsgeschäfte der gesetzgeberische Zweck des § 1831, demzufolge bei einseitigen Rechtsgeschäften der Betroffene nicht mit der Ungewißheit einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung belastet werden soll (vgl. KG in JW 1936, 2745; Motive I, 133). Auch das Oberlandesgericht Oldenburg hat in seinem Beschluß vom 03.12.1969 - DNotZ 1971, 484 - den Standpunkt vertreten, daß die Bewilligung einer Auflassungsvormerkung selbst nach Einreichung beim Grundbuchamt noch wirksam erteilt werden kann. Vor der Eintragung im Grundbuch kann unter diesen Umständen das einseitige Rechtsgeschäft der Eintragungsbewilligung nicht als "vorgenommen" im Sinne von § 1831 BGB angesehen werden, so daß bis dahin auch noch seine Genehmigung möglich ist (vgl. auch Soergel/Germer, 10. Aufl., Anm. 5 zu § 1831).
Streitwertbeschluss:
Der Beschluß des Senats vom 26. Februar 1980 wird wie folgt ergänzt:
Die für das Grundbuchamt bindenden Rechtsausführungen des Senats zur Notwendigkeit und Möglichkeit vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung der Bewilligung der Auflassungsvormerkung beziehen sich auch auf die Erklärungen, die der Landwirt ... als Pfleger der Miteigentümerin ... in der notariellen Verhandlung vom 29. September 1979 abgegeben hat.
Gründe
Die Antragsteller haben mit Schriftsatz vom 17. März 1980 ergänzend vorgetragen, sie hätten unter dem 8. Oktober 1979 beim Amtsgericht Winsen/Luhe zum Aktenzeichen 5 VIII K 1212 beantragt, die Erklärungen des Pflegers ... für die Miteigentümerin ... vormundschaftsgerichtlich zu genehmigen.
Insoweit ist die Rechtslage keine andere, als sie für die Erklärungen der Beteiligten zu 2) a) besteht, die als gesetzliche Vertreterin ihrer minderjährigen Kinder in der notariellen Verhandlung vom 29. September 1979 u. a. auch die Eintragung einer Auflassungsvormerkung für die Käufer bewilligt hat (§§ 1915 Abs. 1, 1821 Abs. 1 Ziff. 1, 1831 BGB, 19 GBO).