Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.10.1964, Az.: P OVG L 3/64
Versetzung eines Polizeibeamten in den vorzeitigen Ruhestand; Anforderungen an die Dienstunfähigkeit eines Beamten; Beteiligung des Personarats bei der Entscheidung über die Fortführung des Zurruhesetzungsverfahrens; Anwendung der Generalklausel für die Zusammenarbeit von Dienststelle und Personalrat
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 20.10.1964
- Aktenzeichen
- P OVG L 3/64
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1964, 10844
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1964:1020.P.OVG.L3.64.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 27.04.1964 - AZ: P L 2/64
Rechtsgrundlagen
- § 56 Abs. 3 NBG
- § 65 Abs. 1 NdsPersVG
- § 70 Abs. 1 NdsPersVG
- § 77 Abs. 1 c NdsPersVG
Verfahrensgegenstand
Durchführung des Mitwirkungsrechts nach § 77 Abs. 1 Buchst. c des Nds. Personalvertretungsgesetzes
Redaktioneller Leitsatz
- I)
Die Zurruhrsetzung eines Beamten, der von seinem Dienstvorgesetzten als dienstunfähig angesehen wird, und der Versetzung in den Ruhestand nicht beantragt, wird im Wege eines förmlichen Verfahrens durchgeführt, das in zwei Teile, nämlich das sogenannte Erwägungsverfahrens - Bekanntgabe der beabsichtigten Versetzung in den Ruhestand - und das sogenannte Ermittelungsverfahren zerfällt, das der Feststellung der Dienstunfähigkeit des Beamten dient.
- II)
Für Fälle der vorzeitigen Zurruhesetzung von Beamten wegen Dienstunfähgikeit sieht das Gesetz die Mitwirkung des Personalrats, sofern der Beamte die Mitwirkung beantragt, ausdrücklich vor.
In der Personalvertretungssache
hat das Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein - Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen - in Lüneburg
in seiner Sitzung vom 20. Oktober 1964,
an der teilgenommen haben:
Senatspräsident Dr. Schrödter als Vorsitzender,
Oberverwaltungsgerichtsrat Dr. Lindenborn als Richter,
Oberverwaltungsgerichtsrat Lindner als Richter,
Kreisamtmann Triebsch als ehrenamtlicher Beisitzer,
Oberkreisdirektor Veitkamp als ehrenamtlicher Beisitzer,
nach mündlicher Verhandlung beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover - Fachkammer für Landes-Personalvertretungssachen - vom 27. April 1964 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Beschluß des Verwaltungsgerichts wie folgt neu gefaßt wird: Der antragstellende Hauptpersonalrat ist in den Fallen der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand spätestens vor der Entscheidung über die Einstellung oder Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 56 Abs. 3 NBG zu beteiligen, falls zu diesem Zeitpunkt ein Antrag des betroffenen Beamten auf Mitwirkung vorliegt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für beide Rechtszüge auf 3.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Im Bereich des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks ... war Polizeihauptkommissar ... bedienstet. Dieser war, seit Oktober 1961 krank und versah seitdem keinen Dienst mehr. Ihm wurde im Januar 1963 eröffnet, daß er für dienstunfähig gehalten werde. Daraufhin erklärte der Beamte mit Schreiben vom 15. Januar 1963, daß er seine Versetzung in den Ruhestand nicht beantrage, und bat um die Beteiligung der Personalvertretung. Nach Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens, in dem die Dienstunfähigkeit des Beamten bescheinigt wurde, eröffnete ihm der Präsident des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks Braunschweig, mit Verfügung vom 26. August 1963, daß er beabsichtige, ihn vorzeitig in den Ruhestand versetzen zu lassen. Dagegen erhob ... Einwendungen mit der Begründung, es sei eine wesentliche Besserung seines Gesundheitszustandes eingetreten; außerdem beantragte er nochmals die Beteiligung der Personalvertretung.
Mit Erlaß vom 24. Oktober 1963 ordnete der beteiligte Minister des Innern die Fortführung des Verfahrens und die Ermittlung des Sachverhalts an. Ein erneutes amtsärztliches Gutachten vom 9. Januar 1964 bestätigte das ursprüngliche Ergebnis: ... sei dienstunfähig, es bestehe auch keine Aussicht auf Besserung, seine Versetzung in den Ruhestand werde dringend empfohlen. Am 15. Januar 1964 wurde ... abschliessend vom Untersuchungsführer gehört. Er beantragte erneut die Mitwirkung des Personalrats und meinte, der Erlaß vom 24. Oktober 1963 sei fehlerhaft, da der Personalrat nicht vorher beteiligt worden sei.
Mit Erlaß vom 31. Januar 1964 teilte der Minister dem antragstellenden Hauptpersonalrat mit, daß er beabsichtige, ... mit Ablauf des Monats Januar 1964 in den Ruhestand zu versetzen, und bat um Stellungnahme. Der Personalrat erwiderte mit Schreiben vom 7. Februar 1964, er könne zu der vorzeitigen Pensionierung ... nicht Stellung nehmen, da der Beamte bereits mit Ende Januar 1964 in den Ruhestand versetzt werden solle. Eine rechtzeitige Erörterung der beabsichtigten Maßnahme sei nur gewährleistet, wenn der endgültigen Maßnahme durch die entscheidende Dienststelle nicht insoweit vorgegriffen werde, daß sie schon unwiderruflich festgelegt sei. Das sei aber der Fall, wenn mit dem Schreiben vom 31. Januar 1964 zum Ausdruck gebracht werde, daß mit Ablauf des Monats Januar in den Ruhestand versetzt werden solle, also zum gleichen Zeitpunkt, an dem die Personalvertretung eingeschaltet werde. ... für sein Zurruhesetzungsverfahren rechtzeitig und formgerecht die Mitwirkung des ... Personalrats beantragt. Die Beteiligung des Personalrats hätte spätestens im Stadium der Entscheidung durch die Dienststelle darüber, ob das eingeleitete Zurruhesetzungsverfahren fortgeführt oder eingestellt werden solle, erfolgen müssen. Nur dann hätte der Personalrat die Möglichkeit gehabt, die Zurruhesetzung rechtzeitig mit der Dienststelle zu erörtern.
Durch Erlaß des Ministers vom 13. März 1964 wurde Brunke mit Ablauf des 31. Januar 1964 in den Ruhestand versetzt.
Der Antragsteller hat den Verwaltungsrechtsweg beschritten mit dem Antrage,
festzustellen, daß er in den Fällen der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand (§ 77 Abs. 1 Buchst. c des Niedersächsischen Landespersonalvertretungsgesetzes) spätestens vor der Entscheidung über die Einstellung oder Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 56 Abs. 3 NBG zu beteiligen sei.
Der Antragsteller macht geltend, er sei von dem beteiligten Minister des Innern in dem vorliegenden Zwangspensionierungsverfahren nicht rechtzeitig beteiligt worden. Der Personalvertretung werde das ihr zustehende Mitwirkungsrecht vorenthalten, wenn sie von der Behörde erst in einem Zeitpunkt gehört werde, in dem die Versetzung des Beamten in den Ruhestand eine zwangsläufige Folge des vorangegangenen Verfahrens sei. In dem hier in Rede stehenden Falle sei für eine Mitwirkung der Personalvertretung kein Raum mehr verblieben, da die Wirkung der angeordneten Zurruhesetzung des Beamten bereits mit Ablauf des 31. Januar 1964, am Tage der Benachrichtigung des Personalrats, eingetreten sei.
Der beteiligte Minister hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen
und erwidert, der Personalrat habe im Zeitpunkt der Entscheidung über die Fortführung des Zurruhesetzungsverfahrens noch nicht beteiligt werden können, da vor der Bestellung des Untersuchungsführers noch ungewiss sei, ob der betroffene Beamte in den Ruhestand versetzt werde oder nicht. Infolgedessen könnten zu diesem Zeitpunkt Interessen des Beamten durch die Personalvertretung noch nicht wahrgenommen werden, Während des Ermittlungsverfahrens schwebe das Verfahren vor dem unabhängigen Untersuchungsführer, so daß die zuständige Dienstbehörde in das Verfahren nicht eingreifen könne. Der Untersuchungsführer sei auch nicht von sich aus gehalten, den Personalrat zu beteiligen. Daß der Antragsteller nach Vorliegen des Abschlussberichts des Untersuchungsführers über die Dienstunfähigkeit des Beamten praktisch keine Handlungsfreiheit mehr gehabt hätte, berechtigte nicht zu der Auffassung, er werde zu spät beteiligt. Wenn in dem Untersuchungsverfahren Dienstunfähigkeit festgestellt werde, müsse die Versetzung in den Ruhestand ausgesprochen werden; der Beamte sei spätestens mit Ablauf der drei Monate, die dem Monat der Bekanntgabe über die Fortführung des Zurruhesetzungsverfahren folgten, in den Ruhestand zu versetzen. In dem strittigen Fall habe der Beamte danach mit Ablauf des 31. Januar 1964 in den Ruhestand versetzt werden müssen, da ihm die Anordnung über die Fortführung des Verfahrens am 26. Oktober 1963 zugestellt worden sei. Die Versetzung in den Ruhestand sei erst mit Erlaß vom 13. März 1964 verfügt worden. Der Antragsteller sei aber vor diesem Zeitpunkt und damit rechtzeitig im Sinne des Personalvertretungsrechts eingeschaltet worden.
Das Verwaltungsgericht hat am 27. April 1964 nach Anhörung der Beteiligten folgendes beschlossen:
Der antragstellende Hauptpersonalrat ist in den Fällen der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand spätestens vor der Entscheidung über die Einstellung oder Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 56 Abs. 3 NBG zu beteiligen.
In den Gründen seines Beschlusses hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die das Zurruhesetzungsverfahren durchführende Dienststelle sei nach dem Gesetz verpflichtet, die von ihr durchzuführende Maßnahme, falls der betroffene Beamte die Beteiligung der Personalvertretung verlange, mit dieser, rechtzeitig vor der Durchführung zu erörtern. Infolgedessen dürfe die Personalvertretung nicht erst dann beteiligt werden, wenn die beabsichtigte Maßnahme unabänderlich feststehe und eine Erörterung über sie zu einer sinnlosen Formalität zwecks blosser Erfüllung des Gesetzesbefehls werde; die Beteiligung müsse vielmehr so frühzeitig erfolgen, daß die Personalvertretung die Möglichkeit habe, sich mit ihren Einwendungen und Vorschlägen in das Zurruhesetzungsverfahren einzuschalten. Stehe die Dienstunfähigkeit des betroffenen Beamten nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens fest, dann könne nicht mehr von einer beabsichtigten, sondern nur noch von einer zwangsläufig zu verfügenden Zurruhesetzung gesprochen werden; die Beteiligung der Personalvertretung erst zu diesem Zeitpunkt sei nicht mehr sinnvoll. Die Einschaltung des Personalrats in Fällen der vorliegenden Art könne nur dann bedeutsam sein, wenn ihre Einwendungen und Vorschläge von der Dienststelle geprüft werden könnten. Bei der Versetzung in den Ruhestand gegen den Willen des Beamten sei daher die Anhörung der Personalvertretung in einem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem die Dienstbehörde noch nicht gebunden sei. Spätestens im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde, ob das Zurruhesetzungsverfahren einzustellen oder fortzuführen sei, sei die Einschaltung der Personalvertretung erforderlich.
Gegen diesen am 13. Mai 1964 zugestellten Beschluss richtet sich die am 25. Mai 1964 bei Gericht, eingegangene Beschwerde des beteiligten Ministers. Dieser beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.
Unter Wiederholung seines bisherigen Sachvortrags trägt der Minister vor: Falls - wie hier - die Dienstunfähigkeit des betroffenen Beamten durch amtsärztliche Untersuchung festgestellt werden, sei die Behörde nach dem Gesetz gezwungen, den Beamten in den Ruhestand zu versetzen; anders als bei der Versetzung eines Beamten in ein anderes Amt stehe der Behörde in einem solchen Falle kein Ermessensspielraum zur Verfügung, vielmehr sei sie praktisch an das vorliegende amtsärztliche Gutachten gebunden und könne daher etwaige Einwendungen der Personalvertretung gar nicht berücksichtigen. Die Mitwirkung des Personalrats sei daher auch schon zu dem Zeitpunkt nur eine leere Form, in dem über die Einstellung oder Fortsetzung des Verfahrens entschieden werde. Auch hier sei die Behörde bereits insoweit gebunden, als sie die Fortführung des Verfahrens trotz einer entgegenstehenden Auffassung der mitwirkenden Personalvertretung anordnen müsse, wenn sich die Dienstunfähigkeit des Beamten aufgrund eines amtsärztlichen Zeugnisses ergeben habe. In einem solchen Falle bestehe die Mitwirkung des Personalrats nur der Form halber, während sie tatsächlich bedeutungslos sei. Wegen dieser Bedeutungslosigkeit der Mitwirkung könne aber für ihre Rechtzeitigkeit gar kein Zeitpunkt festgelegt werden. Daher würden Fälle der vorzeitigen Zurruhesetzung im allgemeinen auch ohne Einschaltung des Personalrats durchgeführt. Der Umstand, daß in Fällen der vorliegenden Art die Beteiligung der Personalvertretung einen Antrag des betroffenen Beamten voraussetze deute darauf hin, daß das Gesetz der Personalvertretung nur die Möglichkeit habe einräumen wollen, zum Schluss des Verfahrens noch eine Äußerung abzugeben.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend und betont, ihm gehe es mit seinem Antrage nicht darum, wie die Behörde im Fall ... verfahren habe, sondern um die grundsätzliche Klärung der Frage, zu welchem Zeitpunkt der Personalrat im Falle vorzeitiger Versetzung von Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit jedoch werden immer, und ob danach hier das Beteiligungsrecht der Personalvertretung besuchtet worden. Im Falle der Zurruhesetzung gegen den Willen des betroffenen Beamten müsse die Personalvertretung - falls der Beamte dies beantrage - spätestens zu dem Zeitpunkt eingeschaltet werden, in dem über die Einstellung oder Fortführung des Zurruhesetzungsverfahrens entschieden werde, da für die Behörde später keine Wahlmöglichkeit mehr gegeben sei. Wenn der Gesetzgeber bei der vorzeitigen Zurruhesetzung die Beteiligung der Personalvertretung vorgesehen habe, dann sei er davon ausgegangen, daß in solchem Falle für die Personal Vertretung eine echte Beteiligungsmöglichkeit bestehen soll. In der letzten Phase des Verfahrens, nämlich kurz vor der Entscheidung über die Zurruhesetzung, sei die Beteiligung der Personalvertretung nur eine leere Form. Darauf, ob das Beteiligungsrecht der Personalvertretung bedeutungslos sei oder nicht, komme es nicht an, aufgesucht sei vielmehr ob die Personalvertretung rechtzeitig beteiligt worden sei.
Wegen des sonstigen Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf ihre Schriftsätze verwiesen. Die Personalakten des Polizeihauptkommissars ... haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
II.
Die Beschwerde ist statthaft (§ 85 Abs. 2 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Niedersachsen - NdsPersVG - vom 4. März 1961. NdsGVBl 79, i.V.m. § 87 Abs. 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes - ArbGG -), sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt. Die Zulässigkeit des Antrages ist zu bejahen. Bei der zur Entscheidung gestellten Frage handelt es sich um die Abgrenzung der Zuständigkeit der Personalvertretung gemäß § 85 Abs. 1 lit. c NdsPersVG. Zwar kann die Klärung einer lediglich abstrakten Rechtsfrage grundsätzlich nicht zum Gegenstand eines Feststellungsbegehrens gemacht werden. Um eine solche handelt es sich indessen dann nicht, wenn - wie hier - zwischen den Beteiligten Streit über den Umfang der der Personalvertretung zustehenden Beteiligungsrechte besteht (vgl. OVG Lüneburg, Beschl, vom 7. Januar 1964 - P OVG L 5/63 - mit weiteren Hinweisen).
Soweit der beteiligte Minister die Beschwerde nach Ablauf der Beschwerdefrist zusätzlich noch durch einen weiteren Schriftsatz vom 24. Juni 1964 begründet hat, ist zwar richtig, daß die Begründung bereits in der Beschwerdeschrift selbst enthalten sein muß. Daß nur der Falle denn die frist- und formgerechte Beschwerdeschrift bringt bereits selbst eine ausreichende Begründung. Andererseits ist das Gericht bei dem das Beschlussverfahren beherrschenden Amtsprinzip nicht gehindert, auch andere Punkte als diejenigen zu überprüfen, die der Beschwerdeführer fristgerecht angegeben hat (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. Juni 1964 - P OVG L 2/64 -).
Die Zuständigkeit des antragstellenden Hauptpersonalrats ergibt sich aus § 82 Abs. 2 NdsPersVG. Nach der Gemeinsamen Bekanntmachung des Niedersächsischen Ministerpräsidenten und des Niedersächsischen. Ministers des Innern vom 23. Februar 1959 (NdsMBl 174) i.V.m. den Ersten Ausführungsbestimmungen zum Beschluss des Niedersächsischen Landesministeriums vom 27. Januar 1959 über die Ernennung und Entlassung der Richter und Beamten vom 4. März 1960 (NdsMBl 171) ist für die Entscheidung über die Versetzung des Polizeihauptkommissars ... in den Ruhestand der beteiligte Niedersächsische Minister des inneren zuständig (vgl. hierzu Ziff. I der durch Anlage II zu den vorbezeichneten Ausführungsbestimmungen getroffenen Sonderregelung personalrechtlicher Befugnisse im Bereich des Ministers des Inneren - Polizei -).
Der Antragsteller stützt sein Begehren auf § 77 Abs. 1 lit. c NdsPersVG, wonach der Personalrat in Personalangelegenheiten der Beamten bei vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand mitwirkt, soweit der betroffene Beamte im Einzelfalle die Mitwirkung beantragt. Nach § 65 Abs. 1 NdsPersVG sollen Dienststelle und Personalrat zur Erfüllung der dienstlichen Aufgaben zum Wohle der Bediensteten vertrauensvoll zusammenarbeiten und über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung verhandeln. Nach § 70 Abs. 1 NdsPersVG ist, soweit der Personalrat an Entscheidungen der Dienststelle mitwirkt, die beabsichtigte Maßnahme rechtzeitig vor der Durchführung mit ihm zu erörtern.
Äußert sich der Personalrat nicht innerhalb einer Woche oder hält er bei Erörterungen seine Einwendungen oder Vorschläge nicht aufrecht, so gilt die beabsichtigte Maßnahme als gebilligt. Diese Frist kann in dringenden Fällen bis auf drei Arbeitstage verkürzt werden. Sie rechnet vom Zugang der Mitteilung an den Vorsitzenden des Personalrats (vgl. § 70 Abs. 2 NdsPersVG).
Nach § 56 des Niedersächsischen Beamtengesetzes - NBG - idF vom 1. März 1963 (NdsGVBl 95) ist die Zurruhesetzung eines Beamten, der von seinem Dienstvorgesetzten als dienstunfähig angesehen wird, und der die Versetzung in den Ruhestand nicht beantragt, im Wege eines förmlichen Verfahrens durchzuführen, das in zwei Teile, nämlich das sogenannte Erwägungsverfahren - Bekanntgabe der beabsichtigten Versetzung in den Ruhestand- und das sogenannte Ermittlungsverfahren zerfällt, das der Feststellung der Dienstunfähigkeit des Beamten dient. Ein solches Ermittlungsverfahrens Vormund in Besuch der Beamte gegen die Eröffnung, daß seine Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit beabsichtigt sei, gemäß § 56 Abs. 2 NBG innerhalb eines Monats Einwendungen erhebt. In dieser Falle hat der Dienstherr die Einstellung oder Fahrführung des Verfahrens anzuordnen (§ 56 Abs. 3 Nbf.). Wird das Verfahren fortgeführt, so sind mit dem Ende der drei Monate, die auf den Monat der Bekanntgabe der Anordnung folgen, bis zur Entscheidung über die Versetzung in den Ruhestand die Dienstbezüge einzubehalten, die das Ruhegehalt übersteigen. Wird festgestellt, daß der Beamte dienstunfähig ist, so ist er in den Ruhestand zu versetzen, und zwar mit Ende des Monats, in dem ihm die Entscheidung hierüber mitgeteilt wird, spätestens jedoch mit Ablauf der vorbezeichneten Dreimonatsfrist (vgl. § 56 Abs. 4 und 5 NBG)
Der Senat teilt nicht die Auffassung des beteiligten Ministers, daß in Fällen, in denen die Dienstunfähigkeit des betroffenen Beamten feststehe, der von dem Beamten gewünschten Einschaltung des Personalrats in das Zurruhesetzungsverfahren keine Bedeutung mehr zukomme und es daher genüge, wenn der Personalrat erst vor Erlaß der abschliessenden Entscheidung über die Zurruhesetzung beteiligt werde. Wäre dem so, dann würde der Personalrat in Fällen der hier in Rede stehenden Art auf ein schmales und nicht ergiebiges Betätigungsfeld gedrängt werden die ihm obliegende Befugnis zu einer konstruktiven Mitarbeit, die sich für ihn aus der durch § 65 Abs. 1 NdsVpersVG normierten Generalklausel für die Zusammenarbeit von Dienststelle und Personalrat in ihrer gemeinsamen Tätigkeit, nämlich dem Gebot vertrauensvoller Zusammenarbeit ergibt, nicht ausreichend wahrnehmen können. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit verlangt, Anordnungen der Dienststelle welche die personellen Belange der Bediensteten betreffen mit dem Personalrat zu beraten, (OVG Münster, Beschl. vom 9. September 1957 - V B 614/57 -, DÖV 1957, 836 = ZBR 1957, 408). Für Fälle der vorzeitigen Zurruhesetzung von Beamten wegen Dienstunfähigkeit sieht das Gesetz die Mitwirkung des Personalrats, sofern der Beamte die Mitwirkung beantragt, ausdrücklich vor; nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes soll die Personalvertretung auch in den Fällen, in denen die Möglichkeit haben, ihre Auffassung darzulegen.
Der Personalrat Mitwirkungspflicht in Fällen der vorliegenden Art nur dann genügen können, wenn er - wie auch in § 70 Abs. 1 NdsPersVG vorgesehen - von der beabsichtigten Maßnahme rechtzeitig vor der Durchführung unterrichtet wird. Das muss umsomehr gelten, als das dem Personalrat gesetzlich zuerkannte Mitwirkungsrecht nicht auf bestimmte Einwendungen beschränkt ist, so daß der Personalrat Einwendungen gegen die beabsichtigte Maßnahme auf Gründe aller Art stützen kann. Ist aber - wie hier _ eine beabsichtigte Maßnahme rechtzeitig mit dem Personalrat zu erörtern, dann kann der Begriff der "beabsichtigten Maßnahme", von dem in. § 70 Abs. 1 NdsPersVG die Rede ist, nicht dahin gedeutet werden, daß er eine nachträgliche Mitwirkung des Personalrats ausschliesst (vgl. hierzu OVG Berlin, Urt. vom 10. Juli 1961 - OVG II B 101/60 -, Archiv für das Post- und Fernmeldewesen 1962, 56). Der Begriff "rechtzeitig" kann hier auch nicht die Bedeutung haben, daß dem Personalrat Gelegenheit zu geben ist, sich in einer ordnungsmäßig einberufenen Personalratssitzung mit der beabsichtigten Maßnahme in seiner Gesamtheit zu beschäftigen und eine solche Angelegenheit nicht im Umlaufverfahren behandelt werden kann. Für Fälle der vorliegenden Art wird dem Erfordernis der Rechtzeitigkeit, von dem § 70 Abs. 1 NdsPersVG spricht, auch dann nicht hinreichend Rechnung getragen, wenn die im Einzelfalle in Betracht kommende Angelegenheit der Personalvertretung so frühzeitig zugeleitet wird, daß die in § 70 Abs. 2 NdsPersVG für den Regelfall vorgesehene Wochenfrist zur Erhebung von Einwendungen eingehalten werden kann. Denn es ist zu beachten, daß die vorzeitige Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit gegen den Willen des betroffenen Beamten sich im Wege eines förmlichen Feststellungsverfahrens vollzieht, das in Etappen durchzuführen ist. Das Verfahren beginnt mit der amtlichen Eröffnung an den Beamten, daß seine Versetzung in den Ruhestand beabsichtigt sei. Diese Eröffnung bildet die Grundlage für das folgende Verfahren; bereits vor der Bekanntgabe an den Beamten hat der Dienstvorgesetzte das Zeugnis eines Amtsarztes über den Gesundheitszustand des Beamten herbeizuführen (vgl. Nr. 1 der Verwaltungsvorschriften - VV- zu § 56 NBG). Ist in dem Gutachten die Dienstunfähigkeit des Beamten festgestellt, dann wird der Bekanntgabe, daß die Zurruhesetzung beabsichtigt sei, in der Regel die Bedeutung einer Vorentscheidung des Dienstherrn zukommen mit dem Vorbehalt, daß anders entschieden werde, falls das nachfolgende Ermittlungsverfahren die Dienstfähigkeit des Beamten ergeben sollte. Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, daß die von dem Beamten beantragte Mitwirkung der Personalvertretung erfolgen müsse, bevor die Dienststelle dem Beamten die Mitteilung zukommen lassen könne, daß seine Versetzung in den Ruhestand beabsichtigt sei (so Grabendorff, Erl. 1 a (2) zu § 70 PersVG für Rheinland-Pfalz). Spätestens hat die von dem Beamten beantragte Beteiligung des Personalrats - wie der Antragsteller mit Recht hervorhebt - vor der Entscheidung der Dienststelle über die Einstellung oder Fortführung des Zurruhesetzungsverfahrens stattzufinden: Diese Entscheidung der Dienststelle ist als "beabsichtigte Maßnahme" im Sinne des § 70 Abs. 1 NdsPersVG anzusehen, weil über die nach § 77 Abs. 1 lit. c NdsPersVG mitwirkungsbedürftige vorzeitige Versetzung in den Ruhestand befunden wird. Zum andern hat diese der Dienst stelle sie sich für die Fortführung des Zurruhesetzungsverfahrens ausspricht, für den Beamten einschneidende Folgen: Während mit der Eröffnung, daß die Zurruhesetzung beabsichtigt sei, Nachteile für den Beamten nicht verbunden sind und seine Rechtsstellung unverändert bleibt, sind im Falle der Fortführung des Zurruhesetzungsverfahrens mit dem Ende der drei Monate, die dem Monat der Bekanntgabe der Anordnung folgen, bis zur Entscheidung über die Versetzung in den Ruhestand die Dienstbezüge einzubehalten, die das Ruhegehalt übersteigen; zu diesem Zeitpunkt ist die Versetzung in den Ruhestand auszusprechen, falls die Dienstunfähigkeit des Beamten erst nach Ablauf der vorbezeichneten Dreimonatsfrist festgestellt wird (vgl. § 56 Abs. 5 Satz 4 NBG und Nr. 4 VV zu § 56 NBG).
Entscheidung über die Einstellung oder Fortführung des Zurruhesetzungsverfahrens die Frage, ob der betroffene Beamte weiter zu verwenden ist oder in den Ruhestand zu treten hat, in der Hegel entschieden. Durch sie wird, falls das Verfahren fortgeführt wird, auch der Zeitpunkt der Zurruhesetzung des Beamten bestimmt. Diese Umstände erfordern es, daß der Personalrat spätestens vor Erlaß der Entscheidung der Dienststelle über die Einstellung oder Fortführung des Verfahrens (§ 56 Abs. 3 NBG) eingeschaltet wird. Denn nach Abschluss des im Falle der Fortführung durchzuführenden Ermittlungsverfahrens würde nur noch wenig Raum für eine sinnvolle Beteiligung des Personalrats verbleiben; in diesem Stadium des Verfahrens hätte die Dienststelle ihre Entscheidung über die beabsichtigte Maßnahme in ihren wesentlichen Teilen bereits selbständig getroffen, und der Personalrat wäre darauf beschränkt, den noch verbleibenden Rest, nämlich die abschliessende Entscheidung der Dienststelle über die Zurruhesetzung, gut zu heissen oder abzulehnen (vgl. hierzu Havers-Wenzel, Erl. 24 zu § 69 NWPersVG).
Es würde aber der gesetzlichen Forderung nach einer rechtzeitigen Erörterung nicht entsprechen, dem Personalrat erst bei der endgültigen Entscheidung Gelegenheit zu geben, seine Einwendungen gegen die Zurruhesetzung geltend zu machen.
Auch das Interesse des betroffenen Beamten verlangt es, daß dem Personalrat gegeben wird, etwaige Einwendungen bereite zu einem früherem Zeitpunkt, spätestens vor Beginn der zweiten Etappe des Zurruhesetzungsverfahrens, nämlich vor der Entscheidung der Dienststelle über die Einstellung oder Fortführung des Verfahrens vorzubringen, da diese Entscheidung für den Beamten schwerwiegende Folgen auslösen kann (vgl. hierzu auch BVerwG, Urt. vom 12. Januar 1962 - III PI. 60
Daher war wie geschehen zu beschliessen.
Für eine Kostenentscheidung ist in dem Beschlussverfahren kein Raum (vgl. BVerwG, Beschl. vom 2. Mai 1957 - II C 02.56 -, BVerwGE 4, 357 [359]).
Die Rechtssache ist von grundsätzlicher Bedeutung, woraus sich die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht ergibt (§ 85 Abs. 2 NdsPersVG i.V.m. § 91 Abs. 3 ArbGG).
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für beide Rechtszüge auf 3.000 DM festgesetzt.