Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 08.04.2009, Az.: 3 B 24/09
Rechtmäßigkeit des Verbots einer Versammlung bzw. der Abhängigmachung von bestimmten Auflagen
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 08.04.2009
- Aktenzeichen
- 3 B 24/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 35948
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2009:0408.3B24.09.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 8 GG
- § 15 Abs. 1 VersG
Verfahrensgegenstand
Versammlungsrecht (Auflagen)
...
hat das Verwaltungsgericht Lüneburg - 3. Kammer -
am 8. April 2009
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 7. April 2009 (Az.: 3 A 76/09) gegen die zeitliche Beschränkung (Ziff. I.) und gegen die Auflagen unter Ziff. II. Nr. 5. und 14. in der Verfügung der Antragsgegnerin vom 3. April 2009 wird mit der Maßgabe wieder hergestellt, dass die Versammlung um 13.00 Uhr beginnen kann und drei Stunden später beendet sein muss, und dass der Antragsgegnerin spätestens vier Stunden vor Beginn der Veranstaltung das amtliche Kennzeichen des eingesetzten Fahrzeugs per Fax unter der angegebenen Nummer mitzuteilen ist.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens haben der Antragsteller zu 1/3 und die Antragsgegnerin zu 2/3 zu tragen.
- 2.
Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Nach §80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Nach §80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung in den Fällen, in denen - wie hier - die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes im öffentlichen Interesse besonders angeordnet wird. Gemäß Abs. 5 Satz 1 und 2 der Bestimmung kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung jedoch wiederherstellen.
Im Rahmen des §80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat das Gericht im Hinblick auf den Sofortvollzug eine Entscheidung aufgrund der beiderseitigen Interessen zu treffen. Bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes oder einzelner Auflagen, überwiegt das Interesse des Rechtschutzsuchenden am Aufschub des Vollzuges. Ist der Verwaltungsakt oder sind seine Auflagen demgegenüber offensichtlich rechtmäßig und besteht ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse, ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen.
Danach hat der Antrag überwiegend Erfolg.
Nach §15 Abs. 1 VersG kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Durch diese Vorschrift wird das Grundrecht des Art. 8 GG, wonach alle Deutschen das Recht haben, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, beschränkt. Die Möglichkeit der Beschränkung der Versammlungsfreiheit ist in Art. 8 Abs. 2 GG ausdrücklich vorgesehen.
Die angefochtenen Beschränkungen bzw. Auflagen sind danach nur zum Teil gerechtfertigt.
a)
Die unter I. enthaltene beschränkende Verfügung beanstandet der Antragsteller lediglich insoweit, als der Beginn der Versammlung abweichend von der Anmeldung (für 13.00 Uhr) auf 16.00 Uhr festgelegt worden ist.
Eine Einigung im Hinblick auf die vorgeschlagene Verlegung des Beginns der Versammlung von 13.00 Uhr auf 16.00 Uhr hat ausweislich des Protokolls über das am 1. April 2009 geführte Kooperationsgespräch, an dem Mitarbeiter der Antragsgegnerin sowie der Antragsteller und sein Rechtsbeistand, Herr Worch, teilgenommen haben, nicht herbeigeführt werden können. Die Antragsgegnerin hat weder im Rahmen des Kooperationsgesprächs noch in der angefochtenen Verfügung dargelegt, aus welchen Gründen die Verlegung des Veranstaltungsbeginns auf 16.00 Uhr für erforderlich gehalten wird. Der pauschale Hinweis auf die Gefahr, dass polizeiliche Sicherungslinien usw. vor dem Hintergrund der besonderen örtlichen Verhältnisse umgangen oder durchbrochen würden, mit dem Ziel, die geplante Veranstaltung zu stören oder zu verhindern, lässt nicht erkennen, aus welchen Gründen der Veranstaltungsbeginn um drei Stunden verlegt werden muss. Welche Umstände eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der angemeldeten Veranstaltung bereits ab 13.00 Uhr begründen, ist nicht ansatzweise vorgetragen worden. Solche Gründe sind auch nicht ersichtlich.
Gegen die zeitliche Beschränkung der Dauer der Veranstaltung (mit Kundgebungen und Aufzug) auf insgesamt drei Stunden wendet der Antragsteller sich nicht. Insoweit ist ausweislich des von der Antragsgegnerin vorgelegten Protokolls über das am 1. April 2009 geführte Kooperationsgespräch auch Einvernehmen erzielt worden. Die diesbezüglichen Regelungen in dem Bescheid vom 3. April 2009 haben Bestand.
b)
Mit der Auflage, das amtliche Kennzeichen eines als Lautsprecherfahrzeug eingesetzten Fahrzeugs der Antragsgegnerin unter der angegebenen Fax-Nummer spätestens bis zum 8. April 2009, 18.00 Uhr, mitzuteilen, wird von dem Antragsteller ein bestimmtes Tun verlangt. Es handelt sich somit um eine den Antragsteller belastende Maßnahme, für die ein Rechtsschutzinteresse gegeben ist. Dass diese Maßnahme im Ergebnis auch dem Interesse des Antragstellers entspricht, weil sie die Durchfahrt des Fahrzeugs im Falle polizeilicher Kontrollen erleichtern kann, steht dem noch nicht entgegen.
Die Auflage, das Kennzeichen des Lautsprecherfahrzeugs vorab mitzuteilen, dient der Erkennbarkeit dieses Fahrzeugs bei Beginn der Veranstaltung und ermöglicht es den anwesenden Polizeikräften, andere Fahrzeuge aus dem Demonstrationszug fern zu halten und somit den Ablauf der Veranstaltung und auch die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu gewährleisten. Sie ist als solche nicht bereits unverhältnismäßig.
Die Mitteilung des Kennzeichens mehrere Tage vor Beginn der Versammlung ist jedoch weder erforderlich noch verhältnismäßig.
Die Antragsgegnerin hat nicht vorgetragen, aus welchen Gründen der von ihr vorgesehene Zeitraum von mehr als zwei Tagen erforderlich ist, um dem Zweck der Auflage Rechnung zu tragen.
Die Kammer hält einen Zeitraum von vier Stunden zur Weiterleitung der Angaben zum Kennzeichen des Fahrzeugs von der Antragsgegnerin an die Polizei für ausreichend und angemessen.
c)
Soweit der Antragsteller die Unklarheit der Bestimmung unter Ziff. II. Nr. 5. des Bescheides rügt, hat der Antrag keinen Erfolg.
Der Einwand des Antragstellers, dieser Verfügungspunkt sei unklar, greift nicht durch. Wie er selbst in der Antragsschrift ausführt, ermöglicht es ein "verständiges Lesen" den Inhalt dieses Regelungspunktes zu erfassen. Das ist ihm als Adressat der Verfügung gelungen. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Antragserwiderung darüber hinaus bestätigt, dass der Antragsteller diese Regelung richtig verstanden hat, so dass sich spätestens mit dieser Bestätigung das Begehren des Antragstellers erledigt hat und das Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte gerichtliche Entscheidung entfallen ist.
Der Bescheid der Antragsgegnerin im Übrigen ist nicht beanstandet worden und hat somit hinsichtlich der weiteren Regelungen Bestand.
Die Kostenentscheidung beruht auf §155 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§53 Abs. 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Gegen den Beschluss zu 1) ist die Beschwerde statthaft.
...
Rohr
Minnich