Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 19.03.2009, Az.: 2 A 288/08
Voraussetzungen einer Drittanfechtung der Baugenehmigung für die Holzachterbahn Colossos im Freizeitpark Heidepark Soltau; Rechtliche Ausgestaltung der Begründetheitsprüfung der Anfechtung einer Baugenehmigung durch den Nachbarn im Bauordnungsrecht; Lärmimmissionen im Lichte nachbarschützender Vorschriften
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 19.03.2009
- Aktenzeichen
- 2 A 288/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 13194
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2009:0319.2A288.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 30 Abs.1 BauGB
- § 22 BImSchG
- § 23 Abs. 1 BImSchG
Verfahrensgegenstand
Anfechtung einer Baugenehmigung für die Holzachterbahn Colossos durch den Nachbarn
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Lüneburg - 2. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 19. März 2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. Beyer,
den Richter am Verwaltungsgericht Müller,
den Richter am Verwaltungsgericht Pump sowie
die ehrenamtlichen Richter Spill und Wildemann
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine der Beigeladenen für die Holzachterbahn "K." im L. H. erteilte Baugenehmigung.
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks M. 6 im Ortsteil N. der Stadt Soltau, der durch Bebauungsplan als reines Wohngebiet ausgewiesen ist.
Der L. H. liegt im örtlichen Geltungsbereich der Bebauungspläne O. Nr. 5 "P." und Q. Nr. 10 "Freizeitpark".
Die Beigeladene beantragte beim Beklagten am 2. Mai 2000 die Baugenehmigung für den Neubau einer Holz-Achterbahn (Wood Coaster). Nach der bei den Bauakten befindlichen Bau- und Betriebsbeschreibung handelt es sich um eine reine Holzkonstruktion mit einer Höhe von - am höchsten Punkt - ca. 51 m. Die Strecke sei mit möglichst vielen Berg- und Talfahrten ausgestattet, in denen der Fahrgast "gewichtslos" werde und das "Wechselbad" von Schwerkraft und Gewichtslosigkeit erlebe. Die Streckenlänge der Holz- Achterbahn betrage 1.800 m, die maximale Geschwindigkeit 120 km/h. Die Bahn bekomme ein maximales Gefälle von 61 Grad bei einer Schlussfahrt sowie eine Querneigung von bis zu 67 Grad. Zwei Züge mit je fünf Wagen können zusammen 60 Personen transportieren; in der Stunde 1.500 Personen.
Der Beklagte erteilte am 12. Juli 2000 sowie am 30. August 2000 Teilbaugenehmigungen sowie am 8. September 2000 eine (endgültige) Baugenehmigung, gegen die der Kläger Widerspruch einlegte.
Mit Beschluss vom 31. Oktober 2000 (2 B 75/00) hat die Kammer einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Klägers gegen die Baugenehmigung vom 8. September 2000 im Hinblick auf die Bindungswirkung der ersten Teilbaugenehmigung sowie die voraussichtliche Einhaltung der maßgeblichen Immissionsrichtwerte abgelehnt.
Der Rat der Stadt Soltau beschloss in seiner Sitzung am 31. Mai 2007 die erste Änderung der Bebauungspläne Q. Nr. 10 "R." und O. Nr. 5 "P.", die nach einem Vermerk des Bürgermeisters vom 12. Juni 2007 in der Böhme-Zeitung öffentlich bekannt gemacht wurden.
Nach dieser Änderung werden im Bereich des Bebauungsplanes Q. Nr. 10 drei Sondergebiete (statt bisher einem) I bis III und im Bereich des Bebauungsplanes O. Nr. 5 ebenfalls drei Sondergebiete (1-3) festgesetzt, denen jeweils ein immissionswirksamer flächenbezogener Schalleistungspegel zugeordnet wird. Die bislang festgesetzten flächenbezogenen Schallleistungspegel werden aufgehoben.
Am 23. April 2007 beantragte die Beigeladene eine Baugenehmigung für den Neubau des Fahrgeschäftes Holzachterbahn K., die der Beklagte mit Bescheid vom 22. Mai 2007 erteilte. Damit ersetzte er zugleich die am 8. September 2000 erteilte Baugenehmigung. Die Baugenehmigung sieht unter "3. Immissionsschutz" folgende Regelungen vor:
"3.1
Die Schallimmissionen des gesamten Heideparks sind nach der Freizeitlärm- Richtlinie zu beurteilen. Der Ruhezeitenzuschlag von 6 dB(A) nach Nr. 6.5 TA Lärm gilt hierbei auch im Kern-, Dorf- und Mischgebiet an Sonn- und Feiertagen.Reines Wohngebiet
tagsüber (06:00 bis 22:00 Uhr) 50 dB(A)
nachts (22:00 bis 06:00 Uhr) 35 dB(A)
.....
3.2
Innerhalb der nächsten Saison (2008) ist eine Immissions-Messung durch eine nach § 26 BImSchG bekannt gegebene Mess-Stelle am nächstgelegenen Wohnort N. am Immissionspunkt IAP 3 (siehe schalltechnische Beurteilung des AIR Ingenieurbüros S. vom 26.3. 2007) durchzuführen."
Bestandteil der Baugenehmigung ist u.a. die Schalltechnische Beurteilung der Immissionsbelastung durch die Fahrgeschäfte "K." und "T." im P. H. auf Basis der geänderten Bebauungspläne des AIR Ingenieurbüros vom 26. März 2007. Diese geht von einem Zweizugbetrieb in Zügen mit je 5 Wagen a 6 Personen, maximal 40 Durchfahrten pro Stunde mit jeweils 98 s Dauer und pro Stunde von maximal 1200 Personen aus (S. 6). Sodann unterteilt sie die Achterbahnstrecke in zehn Abschnitte, die jeweils den in den beiden Bebauungsplänen festgesetzten Sondergebieten zugeordnet werden. Weiterhin errechnet die Beurteilung anhand der in den Sondergebieten vorhandenen relevanten Emissionsquellen die jeweiligen Gesamtschallleistungspegel, die 3 - 5 dB(A) über den im Gutachten zum Bebauungsplan zugrund gelegten Werten liegen. In einem weiteren Schritt werden die Teil-Beurteilungspegel am maßgeblichen Immissionsort IAP 3 (N.) unter Berücksichtigung der Schallpegelminderung auf dem Ausbreitungsweg errechnet. Dabei ergibt sich für die Emissionen aus dem Sondergebiet Freizeitpark Nr. 1 (B-Plan O. Nr. 5) ein gegenüber dem Gutachten zum Bebauungsplan um 7 dB(A) niedrigerer Beurteilungspegel, für die Emissionen aus dem Sondergebiet Freizeitpark 2 (B-Plan O. Nr. 5) ein um 7 dB(A) höherer und für die Emissionen aus dem Sondergebiet Freizeitpark III (B-Plan Q. Nr. 10) ein um 3 dB(A) niedrigerer Beurteilungspegel.
Gegen diese Baugenehmigung, die 9 Anwohnern des Ortsteils N. zugestellt wurde, legte der Kläger am 12. Juni 2007 Widerspruch ein und erklärte zugleich seinen bislang nicht beschiedenen Widerspruch gegen die alte Baugenehmigung vom 8. September 2000 für erledigt. Ferner beantragte er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs mit verschiedenen Maßgaben.
Zur Begründung führte er u.a. aus, die neue Baugenehmigung sehe keine Einschränkung hinsichtlich der Betriebszeiten vor und vermindere seinen Schutz. Die Mitteilung der Immissionsrichtwerte sei unverbindlich und die Nachmessung erfolge zu spät.
Mit Verfügung vom 25. Juni 2007 lehnte der Beklagte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ab.
Am 17. Juli 2007 hat sich der Kläger mit einem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes an das Gericht gewandt, den die Kammer mit Beschluss vom 6. September 2007 (2 B 45/07) abgelehnt hat.
Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das nds. Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 28. November 2007 (1 ME 296/07) zurück.
Mit Schreiben vom 24. Januar 2008 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass das Widerspruchsverfahren fortgesetzt werden solle, und legte als ergänzende Begründung eine "fachliche Stellungnahme" vor, die sich im einzelnen mit den vorliegenden Gutachten auseinandersetzt, aber keinen Autor erkennen lässt.
Nach Anhörung der Beigeladenen wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2008 zurück.
Am 1. April 2008 hat der Kläger Klage erhoben.
Er trägt vor: Die Stadt Soltau habe ein Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans Q. Nr. 13 "R." eingeleitet, mit dem die Bebauungspläne Q. Nr. 10 und O. Nr. 5, jeweils in der Fassung der 1. Änderung, aufgehoben werden sollten. Auf der Grundlage beider Pläne sei die streitige Genehmigung erfolgt. Gegen Mitglieder des Gemeinderates der Stadt Soltau seien strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorteilsnahme anhängig, weil diese z.T. über Jahre hinweg kostenlose Jahresfreikarten von der Beigeladenen erhalten hätten. Ein weiteres Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der "Kartensteuer" sei gegen eine Geldauflage eingestellt worden. Diese Umstände wiesen darauf hin, dass auch die bauplanerischen Entscheidungen der Stadt Soltau "gekauft" gewesen seien, u.a. die Satzungsbeschlüsse zu den jeweils 1. Änderungen der Bebauungspläne Q. Nr. 10 und O. Nr. 5.
Gegen beide Bebauungspläne seien derzeit noch Normenkontrollanträge beim nds. Oberverwaltungsgericht (1 KN 218/07) anhängig.
Weiterhin werde die Stellungnahme der Fa. U. vom 5. Mai 2008 zum Gegenstand der Klagebegründung gemacht. Danach bestünden gegenüber den schalltechnischen Gutachten zum Gesamt-Emissionsmodell für den L. H. und zur Vorbereitung der jeweils 1. Änderung der beiden Bebauungspläne und denjenigen zur Ermittlung der Immissionsbelastung durch die Fahrgeschäfte "K." und "T." auf der Basis der geänderten Bebauungspläne erhebliche Bedenken.
Im Hinblick auf die Holzachterbahn sei es versäumt worden, das Prognosemodell insgesamt und besonders für die schreienden Fahrgäste durch Kontrollmessungen an der Achterbahn hinreichend zu verifizieren und zu kalibrieren. Stattdessen sei nur auf simulierte Ersatzmessungen und allgemeine, nicht den Betriebsbedingungen entsprechende Annahmen zurückgegriffen worden. Es sei unabdingbar, beim Betrieb der Holzachterbahn selbst entsprechende Messungen durchzuführen.
Die Messungen für das Gutachten vom 2. Oktober 2008 seien an Tagen mit untypisch geringer Besucherzahl erfolgt, die in der wärmeren Jahreszeit deutlich höher sei. Bei Sonderveranstaltungen sei nicht gemessen worden. Die angegebene Windrichtung stimme nicht mit den Feststellungen des DWD überein, so dass die Messergebnis verfälscht seien. Bei Gegenwind habe nicht gemessen werden dürfen.
Der Kläger beantragt,
die Baugenehmigung des Beklagten vom 22. Mai 2007 für den Betrieb der Holzachterbahn "K." im L. H. in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, das schalltechnische Überwachungsgutachten vom 2. Oktober 2008 (Beiakte H) bestätige die bisherigen Prognosegutachten. An den Messtagen (25.5., 1.7. und 30.8.2008) seien am maßgeblichen Immissionsort in N. nur die Geräusche des "K." wahrnehmbar und messbar gewesen; die dafür ermittelten Teilbeurteilungspegel von (im Mittel) 39,1 dB(A) bzw. 40,4 dB(A) (Anhang C des Gutachtens) bestätigten die für die Holzachterbahn im "Aktualisierten Gutachten zum Gesamtemissions- modell des L. H., Stand Juni 2006" prognostizierten Werte (Anhang D, S. 1 : 39,9 dB(A)). Zuzüglich aller Fremd- und Verkehrsgeräusche sei eine Gesamtgeräuschbelastung von 49 dB(A) festgestellt worden, so dass der Beurteilungspegel durch den gesamten Heidepark zumindest unter dieser Gesamtbelastung liege.
An den Messtagen seien mehr als die durchschnittliche Besucherzahl von 6008 Personen pro Tag gezählt worden, nämlich am 25. Mai 7.377 Personen, am 1. Juli 9062 Personen und am 30. August 13.196 Personen. Es hätten auch Mitwindbedingungen geherrscht.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, nach den durchgeführten Immissionsmessungen sei eine Richtwertüberschreitung durch ihren Betrieb sicher auszuschließen. Ferner verweise sie auf das ergänzende Gutachten des Sachverständigen Dr. V. vom August 2008. Die im Gesamt- Emissionsmodell berücksichtigten Einwirkzeiten seien auf Basis der im Betrieb festgestellten tatsächlichen Schreihäufigkeit und -dauer angenommen worden. Die Kalibrierung sei bei "K." wie bei allen anderen Fahrgeschäften auf der Basis von Messungen am Referenzorten im Nahbereich der Bahn und am nördlichen Rand von Friedrichseck erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die angefochtene Baugenehmigung für den Betrieb der Holzachterbahn "K." verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Bei der Überprüfung der vom Kläger angefochtenen Baugenehmigung ist das Gericht auf die Prüfung nachbarschützender Vorschriften beschränkt. Für eine erfolgreiche Nachbarklage genügt nicht eine erkannte Rechtswidrigkeit der erteilten Baugenehmigung, sondern es muss hinzukommen, dass die getroffene Entscheidung eine Vorschrift verletzt, die dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht verleiht (vgl. dazu Löhr in Battis/ Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007., § 31 BauGB Rdnr. 56 m.w.N.). Daran fehlt es hier.
Maßgeblich für die bauplanungsrechtliche Beurteilung des Bauvorhabens der Beigeladenen ist § 30 Abs.1 BauGB i.V.m. mit den Festsetzungen der Bebauungspläne Q. Nr. 10 und O. Nr. 5 der Stadt H. jeweils in der Fassung der 1. Änderungssatzung. Weitere Bebauungspläne, insbesondere der vom Kläger angesprochene Bebauungsplan O. Nr. 13, bestanden zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides nicht. Künftige Planungen der Stadt H. sind insoweit nicht entscheidungserheblich.
Ob das Bauvorhaben alle Bestimmungen des Bebauungsplans einhält und ob der Bebauungsplan rechtmäßig zustande gekommen ist und in allen Punkten dem materiellen Baurecht entspricht - was von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers insbes. in einem Normenkontrollverfahren gerügt worden ist - , kann vorliegend offen bleiben. Denn aufgrund eines von einem Nachbarn eingelegten Rechtsmittels ist die dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung nicht umfassend auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern lediglich darauf, ob gerade eine Verletzung des Nachbarn in eigenen, auch ihn persönliche schützenden Rechten festzustellen ist. Das ist nicht der Fall.
Die Bebauungspläne Q. Nr. 10 und O. Nr. 5 enthalten weder in der Fassung der 1. Änderungssatzung, die der Kläger mit seinem Vortrag zu einer möglichen Vorteilsannahme durch die Annahme von Freikarten sowie durch ein laufendes Normenkontrollverfahren angreift, noch in der ursprünglichen Fassung nachbarschützende Regelungen. Zu der ursprünglichen Fassung hat das niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 16. April 2007 (- 1 ME 90/07 -, betr. "Desert Ride") ausgeführt, dass nach der Begründung des Bebauungsplanes kein Raum sei für die Annahme, den Bewohnern benachbarter Wohngebiete habe ein höheres Schutzniveau als das der TA Lärm garantiert werden sollen.
Auch die gemeinsame Begründung der 1. Änderungssatzung zu beiden Bebauungsplänen lässt erkennen, dass kein gesteigerter Nachbarschutz mit der Neuregelung beabsichtigt ist. So heißt es etwa auf S. 14 der Begründung: "Die Neuregelung ändert an dieser Zielsetzung nichts: Die Summe aller Belastungen, die vom P. ausgehen dürfen, wird weiterhin dem Schutzanspruch der Siedlung N. für Reines Wohngebiet gerecht." Zu der vorigen Regelung wird auf S. 4 der Begründung ausgeführt: " Ziel der damaligen Festsetzung war es daher, Festsetzungen über die zulässigen Emissionen aus dem Freizeitpark zu treffen, die das bau- und immisssionsschutzrechtliche Rücksichtnahmegebot umsetzten. Den benachbarten schutzwürdigen Nutzungen sollten Schutzansprüche gesichert werden, die sich aus den Richtwerten der TA Lärm ergeben: Ihnen soll also nicht mehr Lärm aus dem Freizeitpark zugemutet werden, als es die einschlägigen lärmtechnischen Vorschriften erlauben, aber auch nicht weniger. Einschränkungen, die über die Umsetzung des bau- und immissionsschutzrechtlichen Rücksichtnahmegebotes hinausgingen, waren nicht beabsichtigt."
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass weder die ursprüngliche Fassung der beiden Bebauungspläne mit der Festsetzung von flächenbezogenen Schallleistungspegeln noch die Fassung der 1. Änderungsatzung mit der Festsetzung immissionswirksamer flächenbezogener Schallleistungspegel (vgl. zu diesem Begriff Beschluss der Kammer vom 6.9.2007 - 2 B 45/07) für die Anwohner benachbarter Wohngebiete eine über die Richtwerte der TA Lärm hinausgehenden Schutz vermitteln. Für die Rechte des Klägers ist es daher ohne Belang, ob sein Normenkontrollantrag hinsichtlich der 1. Änderungssatzung Erfolg hat und die 1. Änderungssatzung nichtig ist. In jedem Fall - auch bei einer Unwirksamkeit aller den Heidepark betreffenden Bebauungspläne - verbleibt es für den Kläger bei dem Schutzanspruch aus §§ 22, 23 Abs. 1 BImSchG i.V.m. der TA Lärm auf Einhaltung der Immissionsrichtwerte für reine Wohngebiete.
Dieser Schutzanspruch des Klägers wird nicht verletzt, denn ausweislich der "schalltechnische Beurteilung der Immissionsbelastung durch die Fahrgeschäfte "K." und "T." im P. H. auf Basis der geänderten Bebauungspläne" des AIR Ingenieurbüros vom 26. März 2007 (Prognosegutachten) wie auch nach dem Bericht zur Schallimmissionsmessung vom 25.5.2008, 1.7.2008 und 30.8. 2008 der AMT Ingenieurgesellschaft vom 2. Oktober 2008 (Beiakte H) werden die Immissionsrichtwerte, die durch die Nebenbestimmung 3.1 der Baugenehmigung verbindlich festgelegt sind, eingehalten.
Mit den Einwendungen des Klägers zum Prognosegutachten hat sich die Kammer bereits im Beschluss vom 6. September 2007 (2 B 45/07) ebenso wie das niedersächsische Oberverwaltungsgericht im Beschluss vom 28. November 2007 (1 ME 296/08) befasst.
Die vom Kläger erhobenen Rügen zur Bestimmtheit der Baugenehmigung, zum Erfordernis einer Sonderfallprüfung nach Ziffer 3.2.2 der TA Lärm, zu den Zuschlägen für Tonhaltigkeit sowie zum tatsächlichen Betrieb der Bahn sind in diesen Entscheidungen hinreichend gewürdigt worden; mangels neuerer Erkenntnisse kommt die Kammer auch im Hauptsacheverfahren weder zu einer anderen Beurteilung noch zum Erfordernis eines weiteren Gutachtens.
So hat das niedersächsische Oberverwaltungsgericht zum Erfordernis einer Sonderfallprüfung ausgeführt, es sei zunächst darauf hinzuweisen, " dass das maßgebliche Gutachten zum Gesamt-Emissionsmodell des W. H. die Eigenarten des Achterbahnbetriebs durchaus erkannt und bewertet hat. Grundlage waren Messungen, die an der schon bestehenden Achterbahn vorgenommen worden sind; dabei ist auch für jeden von den 19 Streckenabschnitten vermerkt worden, wo Informationshaltigkeitszuschläge erforderlich sind (Gutachten Bl. 12). Das "laute Rattern" der Züge in den Kuppen und die Schreie der Fahrgäste sind dabei betrachtet worden. Um die Charakteristik dieser Schreie festhalten zu können, wurden "die extrem lauten Schreie von vier jungen Mädchen in einer Entfernung von 2 m über einer reflektierenden Ebene (Gehwegplatten) frequenzselektiv gemessen". Mit einem Berechnungsprogramm wurde für das gleichzeitige Schreien von 10 jungen Mädchen ein Summenschallleistungspegel von immerhin 120,1 dB(A) ermittelt (Gutachten Bl. 15). Im Ergebnis berücksichtigt das Gutachten für ratternde Geräusche einen Impulshaltigkeitszuschlag von 3 Dezibel und für die Schreie einen Informationshaltigkeitszuschlag von 6 Dezibel (siehe auch Gutachten Anhang G). Dieses Vorgehen - die Bewertung mit Zuschlägen - entspricht dem von der TA Lärm vorgegebenen Umgang mit objektivierbaren Lästigkeitsfaktoren (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.8.2007 - 4 C 2.07 - ; [...]; Feldhaus, BImSchG, B 3.6 Rdnr. 51 zur TA Lärm)."
Nach Nr. 6.8 TA Lärm erfolgt die Ermittlung der Geräuschimmissionen nach den Vorschriften des Anhangs. Nach Nr. A.3.3.5 ist bei Messungen ein Zuschlag für Ton- und Informationshaltigkeit zu berücksichtigen, nach Nr. A.3.3.6 ein Zuschlag für Impulshaltigkeit. Die genannten Regelungen der TA Lärm erlauben nicht die Vergabe eines allgemeinen Lästigkeitszuschlags. Das macht auch ein Vergleich zur Vorgängerregelung deutlich, in der nicht differenziert und ein Zuschlag für "auffällige" Pegeländerungen gewährt wurde (Nr. 2.422.2 TA Lärm 1968). Der Zuschlag für Impulshaltigkeit trägt dem Umstand Rechnung, dass in ihrer Lautstärke kurzzeitig stark zu- und wieder abnehmende Geräusche als deutlich störender empfunden werden, als Geräusche mit weitgehend gleich bleibender Lautstärke. Auslegungsmaßstab ist somit der im Hinblick auf die besonders hohe Pegeländerung außergewöhnliche Grad an Störung, der von den Geräuschen ausgeht. Eine enge Auslegung des Begriffs der Impulshaltigkeit würde diesem Ziel nicht gerecht. Somit ist eine Impulshaltigkeit nicht lediglich in den häufig erwähnten extremen Fällen eines Hammerschlags, Peitschenknalls oder Pistolenschusses anzunehmen (vgl. BVerwG v. 29.8.2007 - 4 C 2/07 - in BVerwGE 129, 209).
Die Zumutbarkeit von Geräuscheinwirkungen kann im Regelfall (Nr. 3.2.1) in einem standardisierten Verfahren auf Grund eines Vergleichs mit den Immissionsrichtwerten nach Nr. 6 ausreichend beurteilt werden. Objektivierbare Lästigkeitsfaktoren, wie hervortretende Einzeltöne, Impulshaltigkeit , besonders störende Frequenzanteile sowie lärmsensible Einwirkungszeiten, werden pauschal durch Zuschläge (Nr. 2.10),seltene oder nur kurzzeitige Einwirkungen durch Abzüge infolge zeitlicher Bewertung oder durch besondere Immissionsrichtwerte (Nr. 6.3) berücksichtigt. Die Zumutbarkeit kann im Einzelfall über diese objektivierbaren Faktoren hinaus von weiteren, in Besonderheit der örtlichen oder be- trieblichen Situation oder in der Person der Betroffenen begründeten individuellen Faktoren abhängen, die einer standardisierten Beurteilung nicht zugänglich sind und auch nicht von den Ausnahmeregelungen nach Nr. 3.2.1 Abs. 2 bis 5 erfasst werden. In diesem Fall muss eine Sonderfallprüfung nach Nr. 3.2.2 durchgeführt werden (vgl.Feldhaus/Tegeder , BImSchG B 3.6 Rdnr. 51).
Soweit der Kläger die Erforderlichkeit einer ergänzenden Sonderfallprüfung auf die in Nr. 3.2.2 Satz 2 Buchst. a) bis d) der TA Lärm genannten Umstände stützen will, scheint er bereits zu verkennen, dass dort nur Umstände genannt werden, die trotz einer aus Sicht des Anlagenbetreibers negativen Regelfallprüfung zur Genehmigungsfähigkeit der Anlage führen können. Dass Letzteres insbesondere bei der Beurteilung von Umständen, die sich (positiv) auf die Akzeptanz einer Geräuschimmission (vgl. Nr. 3.2.2 Satz 2 Buchst. b) der TA Lärm) oder bei der Beurteilung von herkömmlichen und sozial-adäquaten (vgl. Nr. 3.2.2 Satz 2 Buchst. d) der TA Lärm) , mithin anerkannten und allgemein positiv bewerteten Geräuschimmissionen der Fall sein kann, drängt sich auf (vgl. dazu OVG NRW, Beschl. v. 8.1.2008 - 7 B 1741/07- in [...]) . Auch wenn ausdrücklich keine abschließende Aufzählung der Gründe für die Prüfung im Sonderfall erfolgt ist, so dass auch Umstände Berücksichtigung finden können, die sich im Ergebnis zu Lasten des Anlagenbetreibers auswirken (vgl. Beckert/Chotjewitz, TA Lärm, 2000 , Zu Nr. 3.2.2), drängt sich bei dem hier zu beurteilenden Freizeitlärm keine so besondere negative Qualität auf, dass eine Sonderfallprüfung geboten wäre. Die vom Kläger vorgelegte Stellungnahme von Dr.med.A. X. vom 15. Mai 2007 beschreibt in weiten Teilen die negativen Auswirkungen von Lärm im Allgemeinen und vermag damit eine Sondersituation nicht zu begründen. Soweit auf den negativ besetzten Inhalt ("Angstschreie") abgestellt wird, ist dies im oben beschriebenen Verfahren durch Zuschläge für die Informationshaltigkeit hinreichend berücksichtigt worden. Im Übrigen hält die Kammer es angesichts des langjährigen Betriebs des Heideparks, zu dem wie bei anderen Freizeitparks, Jahrmärkten und Volksfesten schon seit langem der Betrieb von solchen Fahrgeschäften gehört, die das Publikum zum Schreien verleiten, für nahe liegend, dass auch gegenüber den Schreien ein Gewöhnungseffekt eintritt und eine gewisse Sozialadäquanz gegeben ist.
Abschließend ist noch festzustellen, dass - wie die Kammer schon im Beschluss vom 6. September 2007 (2 B 45/07) ausgeführt hat - die Belastung sowohl nach dem Gutachten zum Gesamtemissionsmodell als auch nach den mittlerweile erfolgten Kontrollmessungen aus dem Jahr 2008 so deutlich unter dem Immissionsrichtwert von tagsüber 50 dB(A) liegt, dass auch eine Sonderfallprüfung nicht zur Unzulässigkeit des Vorhabens führen könnte.
Tatsächlich werden die festgelegten Immissionsrichtwerte ausweislich des Berichts zur Schallimmissionsmessung vom 25.5.2008, 1.7.2008 und 30.8. 2008 der AMT Ingenieurgesellschaft vom 2. Oktober 2008 (Beiakte H) deutlich unterschritten; der Beurteilungspegel durch den gesamten Heidepark kann danach abgeschätzt werden mit mindestens 6 dB unter der festgestellten Gesamtgeräuschbelastung von 49 dB(A).
Den gegen diese Messungen erhobenen Einwendungen, es sei bewusst an drei untypischen Tagen mit unterdurchschnittlichen Besucherzahlen und untypischen Witterungsverhältnissen gemessen worden, vermag die Kammer nicht zu folgen. Nach dem Messbericht herrschte an allen drei Messtagen die Windrichtung Nordost und damit für die Schallbelastung des südlich des Heideparks gelegenen Ortsteils N. der ungünstigste Fall. Das Gericht hat auch keine ernsthaften Zweifel daran, dass bei den Messungen die Windrichtung zutreffend ermittelt wurde. Soweit der Kläger andere Daten der Wetterstation Soltau vorgelegt und einen Zeugen für eine andere Windrichtung bei Windkrafträdern, deren Standort dem Gericht nicht bekannt ist, benannt hat, vermag dies die Einschätzung der Windrichtung vor Ort nicht zu erschüttern. An zwei von drei Messtagen war es sonnig und der Besucherandrang lag bei 7.377 Besuchern am 25.5., 9062 Besucher am 1.7. und 13.196 Besuchern am 30.8.; die von der Beigeladenen angegebene durchschnittliche Besucherzahl von 6.000 pro Tag erscheint jedenfalls bei den für die Jahre 2005 und 2006 veröffentlichten Besucherzahlen von etwa 1.200 000 (Quelle: wikipedia) durchaus realistisch. Angesichts der festgestellten deutlichen Unterschreitung der Immissionsrichtwerte sind mögliche geringfügige Abweichungen auch nicht relevant. Die Kontrollmessungen geben jedenfalls keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Vorgaben der Baugenehmigung nicht eingehalten werden könnten.
Mit den weiteren Einwendungen des Klägers, soweit sie entscheidungserheblich sind, hat sich die Kammer bereits im Beschluss vom 6. September 2007 (2 B 45/07) eingehend befasst. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf diesen Beschluss und den Beschluss des niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. November 2007 (1 ME 296/07) Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000 EUR festgesetzt.
Müller
Pump