Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 04.01.2007, Az.: 15 W 51/06
Bemessung der Schmerzensgeldhöhe hinsichtlich der Folgen eines Faustschlags in das Gesicht; Verminderung der Sehfähigkeit des linken Auges
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 04.01.2007
- Aktenzeichen
- 15 W 51/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 10078
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2007:0104.15W51.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 27.11.2006 - AZ: 16 O 2416/06
Fundstellen
- MDR 2007, 886-887 (Volltext mit red. LS)
- NJW 2007, X Heft 13 (Kurzinformation)
- NJW-RR 2007, 602-603 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2007, 245-246
- VersR 2008, 653 (Volltext mit red. LS)
Amtlicher Leitsatz
Bei Verlust der Sehfähigkeit eines Auges um 80 % mit möglicher weiterer Verschlechterung aufgrund eines unprovozierten Faustschlages ist das dem u. a. seelisch erheblich beeinträchtigten Tatopfer zustehende Schmerzensgeld auf 25.000 EURO zu bemessen.
In der Beschwerdesache
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
am 4. Januar 2007
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Oldenburg vom 27. November 2006, durch den sein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe teilweise abgelehnt worden ist, wird als unbegründet zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die nicht ermäßigte Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren zu tragen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung entspricht der Sach- und Rechtslage.
Insbesondere ist der Schmerzensgeldbetrag von 25.000 EUR, für den das Landgericht eine Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage angenommen hat, nicht zu beanstanden.
Die außergewöhnlich starke körperliche Beeinträchtigung und ihre Folgen einschließlich der seelischen Belastung des Antragstellers, die der Antragsgegner durch seinen vorsätzlichen Faustschlag in das Auge des Antragstellers verursachte, hat das Landgericht seiner Entscheidung zutreffend zu Grunde gelegt, ebenso die Funktion des Schmerzensgeldes im Rahmen des vom Antragsgegner geschuldeten Schadensersatzes.
Das Landgericht ist zu Recht von folgenden wesentlichen Verletzungsfolgen ausgegangen: der Antragsteller leidet nach dem Faustschlag - ohne Aussicht auf eine Besserung - an einer Verminderung der Sehfähigkeit des linken Auges auf 20 %. In seiner angestrebten beruflichen Zukunft als Wirtschaftsinformatiker dürfte er, der auf Arbeiten am PC angewiesen sein wird, aufgrund dessen erhebliche Einschränkungen hinnehmen müssen. Nach seinem Vortrag kann als Folge der Verletzung jederzeit eine Gefäßwucherung sowie - nach vielen Jahren - die Entwicklung einer Netzhautablösung eintreten, was zur völligen Erblindung des Klägers auf dem linken Auge führen könnte.
Das Landgericht hat auf dieser Grundlage und bei Berücksichtigung der sonst maßgeblichen Fallumstände die Schmerzensgeldhöhe zutreffend festgesetzt. Leid und Schmerzen sind an sich ohnehin nicht in Geld zu bemessen. Für die Bemessung von Schmerzensgeld gibt es auch keinen objektiven Kriterien in dem Sinne, dass aus einer bestimmten Verletzung zwangsläufig ein bestimmter Schmerzensgeldbetrag folge. Was - in der Sprache des Gesetzes - als billige, also gerechte, Entschädigung des Nichtvermögensschadens anzusehen ist, kann nur aufgrund einer wertenden Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände des Falles vor dem Hintergrund der Funktion des Schmerzensgeldes bestimmt werden.
Dabei stellt die einschlägige Rechtsprechung einen wesentlichen Orientierungsrahmen dar. Im Interesse der Gerechtigkeit und der Gleichbehandlung der Fälle ist es angezeigt, diesen Rahmen einzuhalten, freilich stets unter angemessener Berücksichtigung der besonderen Umstände des zu entscheidenden Falles.
In der Rechtsprechung finden sich zahlreiche Entscheidungen die eine gewisse - selbstverständlich keine völlige - Vergleichbarkeit zu dem vorliegenden Fall aufweisen. Eine Durchsicht dieser Entscheidungen ergibt, dass das hier für die Prozesskostenhilfe zuerkannte Schmerzensgeld von 25.000 EUR sich in die maßgebliche Rechtsprechung gut einfügt. Das ergibt sich insbesondere aus den nachfolgend aufgeführten obergerichtlichen Entscheidungen:
OLG Karlsruhe VersR 2000, 229 [OLG Karlsruhe 11.03.1998 - 7 U 214/96] (Erblindung des rechten Auges und Verminderung der Sehkraft des linken Auges auf etwa 60%: 60.000 EUR)
OLG München VersR 1989, 1203 (völliger Erblindung und schwere weitere Verletzungen: 50.000 EUR)
OLG Schleswig vom 3.1.1991, Aktz.: 7 U 233/88 (Verlust der Sehkraft des rechten Auges bei 20%igem Mitverschulden: 22.500 EUR)
OLG Hamm NJW/RR 2000, 1193 (Nahezu vollständige Erblindung des rechten Auges: 25.000 EUR)
OLG Düsseldorf VersR 1998, 721 (Totalverlust des rechten Auges: 20.000 EUR)
OLG Stuttgart VersR 2000, 1545 [OLG Stuttgart 27.07.1999 - 14 U 3/99] (Verlust des rechten Auges: 25.000 EUR)
OLG Nürnberg VersR 2002, 499 (Verminderung des Sehvermögens auf dem linken Auge auf 10% bei 15Jährigem: 35.000 EUR)
OLG Zweibrücken VRS 84, 177 (Verlust des rechten Auges und erheblicher Minderung der Sehkraft des linken Auges bei 25% Mitverschulden: 25.000 EUR)
OLG Zweibrücken VersR 2000, 608 (Verlust des Auges durch Tätlichkeit eines Alkoholisierten: 30.000 EUR)
OLG Hamm OLGR Hamm 2001, 42 (Verlust des rechten Auges durch Stoß eines Glases ins Gesicht: 25.000 EUR)
OLG München DAR 1988, 55 (Augenverletzung mit bleibender Sehfähigkeit von 20%: 20.000 EUR)
OLG Düsseldorf VersR 2001, 374 (Sehschärfe von nur noch 20%: 20.000 EUR)
Diese Entscheidungen weisen zahlreiche fallbezogene Besonderheiten auf und können deshalb naturgemäß jeweils nur eingeschränkt eine Vergleichsgrundlage bilden. In ihrer Gesamtheit lassen sie aber den Rahmen des hier angezeigten Schmerzensgeldes durchaus erkennen. Diesen Rahmen hat das Landgericht eingehalten und die Schmerzensgeldhöhe - unter angemessener Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles - zutreffend bemessen.
Die Kostenentscheidung entspricht §§ 97 Abs. 1, 127 Abs. 4 ZPO i. V. m. Nr. 1811 KV zum GKG.