Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.05.2019, Az.: 2 Ss 59/19
Selbständige Prüfungspflicht bei gewerbsmäßigem Betrug
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 17.05.2019
- Aktenzeichen
- 2 Ss 59/19
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2019, 44551
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - 07.01.2019 - AZ: 39 Ns 81/18
Rechtsgrundlage
- § 349 Abs. 2 StPO
Fundstellen
- StRR 2019, 3
- StV 2020, 852
- StraFo 2019, 512-513
Amtlicher Leitsatz
Im Fall der wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch erwachsen die erstinstanzlichen Feststellungen zur Erfüllung eines gesetzlichen Regelbeispiels (hier: Gewerbsmäßigkeit) nicht in Rechtskraft. Das Berufungsgericht muss aufgrund der insoweit fehlenden Bindungswirkung des erstinstanzlichen Urteils hierzu eigene Vorstellungen treffen.
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 7. Januar 2019 im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Lüneburg zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht - Schöffengericht - Celle hat den Angeklagten mit Urteil vom 06.09.2018 wegen Betruges in 8 Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 09.05.2017 sowie unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 17.08.2017 und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe sowie unter Aufrechterhaltung der Einziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten verurteilt und die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 23.645 € angeordnet.
Die gegen das amtsgerichtliche Urteil gerichtete, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten verwarf die 9. kleine Strafkammer des Landgerichts Lüneburg mit dem angefochtenen Urteil vom 07.01.2019.
Zur Person des 48-jährigen Angeklagten hat das Landgericht festgestellt, dass dieser Vater dreier Söhne ist, die nicht in seinem Haushalt leben, 2-fach geschieden ist und mit ca. 40.000 EUR verschuldet ist.
Das Landgericht hat nach der Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch seiner Entscheidung die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen zugrunde gelegt. Hiernach gab der Angeklagte im Zeitraum von September 2016 bis Januar 2017 gegenüber dem späteren Geschädigten an, günstig Einbauküchen, Betten, Türen und andere Einrichtungsgegenstände liefern zu können, weil er bei verschiedenen Unternehmen, insbesondere den Poco-Einrichtungsmärkten, hohe Rabatte auf diese Waren erhalte. Tatsächlich hatte er solche Rabattzusagen jedoch nicht. Er nahm von den Geschädigten den Kaufpreis oder jedenfalls eine Anzahlung für die bestellten Waren entgegen, lieferte aber die Küchen, Türen und sonstige beauftragte Einrichtungsgegenstände nicht. Das Geld verwendete er zur Tilgung seiner Schulden in Höhe von 20.000 - 25.000 EUR.
Das Amtsgericht hat weiter festgestellt, der Angeklagte habe beabsichtigt, aus der wiederholten Begehung vergleichbarer Taten eine nicht nur kurzfristige Einkommensquelle von einigem Gewicht zu schaffen.
Rechtlich hat das Landgericht diese Taten als gewerbsmäßigen Betrug gem. §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB, 53 StGB gewertet.
Bei der Strafzumessung hat das Landgericht den Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB zur Anwendung gebracht und auf dieselben Einzelstrafen und dieselbe Gesamtfreiheitsstrafe erkannt wie bereits das Amtsgericht.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat mit der allgemeinen Sachrüge - zumindest vorläufig - Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und im Umfange der Aufhebung zur Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung.
1. Der mit dem erstinstanzlichen Urteil des Amtsgerichts Celle vom 06.09.2018 erfolgte Schuldspruch ist bereits durch die Berufungsbeschränkung des Angeklagten in Rechtskraft erwachsen. Die Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung ist durch das Revisionsgericht insoweit von Amts wegen und ohne Bindung an die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zu prüfen (vgl. BGHSt 27, 70; Senat, Beschluss vom 09.11.2016 - 2 Ss 126/16 -). Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist, dass die Feststellungen des angefochtenen Urteils so umfassend sind, dass sie den Schuldspruch tragen und eine hinreichende Grundlage für die Beurteilung der Rechtsfolgen bilden (vgl. BGHSt 39, 208; 29, 359, Senat a. a. O).
Gemessen an diesen Anforderungen hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hinsichtlich des Schuldspruchs keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
2. Das Urteil konnte allerdings im Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben. Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraumes liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen, in Zweifelsfällen muss die Strafzumessung des Tatrichters hingenommen werden (vgl. BGHSt 34, 345; 29, 319; StraFo 2006, 383). Dies setzt allerdings voraus, dass der Tatrichter seiner Strafzumessung den richtigen Strafrahmen zugrunde gelegt hat und das Revisionsgericht bei mehreren zur Verfügung stehenden Strafrahmen die vorgenommene Auswahl des letztlich zugrunde gelegten Strafrahmens nachvollziehen und auf mögliche Rechtsfehler hin überprüfen kann (vgl. BGH Urteil vom 06.09.1989 - 2 StR 353/89 -; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 25.05.1992 - 1 Ss 85/92 -; BGH NJW 1978, 174 [BGH 14.09.1977 - 3 StR 220/77 (S)]; wistra 1982, 225; Senat, Beschluss vom 31.08.2016 - 2 Ss 93/16 -).
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht hat bei seiner Strafzumessung den für besonders schwere Fälle des Betruges vorgesehenen Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB zugrunde gelegt, ohne ausreichende Feststellungen zu der Frage der angenommenen Gewerbsmäßigkeit (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB) getroffen zu haben.
Von eigenen Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung war die Strafkammer trotz der wirksamen Beschränkung der Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Celle vom 06.09.2018 nicht befreit. Bei § 263 Abs. 3 StGB handelt es sich um keinen selbständigen Straftatbestand, sondern um eine gesetzliche Strafzumessungsregel. Ist die Gewerbsmäßigkeit der Tat wie nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB als Regelbeispiel für einen Straferschwerungsgrund ausgestaltet, so ist sie allein für die Strafzumessung relevant. Bei den tatrichterlichen Feststellungen zum gewerbsmäßigen Vorgehen handelt es sich in der Regel nicht um doppelrelevante Tatsachen, die sowohl den Schuld- als auch den Strafausspruch berühren. Im Falle einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch entfalten daher die erstinstanzlichen Feststellungen zum gewerbsmäßigen Handeln in der Regel keine Bindungswirkung für das Berufungsgericht, so dass dieses insoweit eigene Feststellungen zu treffen hat (vgl. BGH Beschluss vom 20.06.2017 - 1 StR 458/16 -; OLG Hamm, Beschluss vom 24.07.2018 - III 4 RVS 84/18 - KG Berlin Beschluss vom 11.12.2017- (5) 161 Ss 161/17 (77/17) -.
So liegt der Fall hier, denn Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend die die gewerbsmäßige Begehung begründenden Umstände nicht hinzu oder hinweg gedacht werden könnten, ohne dass der für den Schuldspruch tragende Geschehensablauf hiervon berührt würde, liegen nicht vor.
Das Landgericht hätte hiernach bei seiner Rechtsfolgenentscheidung eigene tatsächliche Feststellungen treffen müssen, die geeignet sind, die Bewertung der Taten als gewerbsmäßige Begehungsweise zu tragen. Dieser Mangel führt zur Aufhebung des Urteiles im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache in diesem Umfang.