Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 11.02.2014, Az.: 10 UF 311/13

Erhöhung des Regelwerts für eine Haushaltssache bei Gebotenheit unter Billigkeitsgesichtspunkten; Verzehnfachung des für den Verfahrenswert gesetzlich vorgesehenen Festwertes i.R.e. erhöhten Umfangs eines Verfahrens

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
11.02.2014
Aktenzeichen
10 UF 311/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 11012
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2014:0211.10UF311.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 22.11.2013 - AZ: 615 F 381/12

Fundstellen

  • AGS 2014, 279-281
  • FF 2014, 379
  • FamRB 2014, 220
  • FamRZ 2014, 1806
  • JurBüro 2014, 304
  • MDR 2014, 784-785

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Der Regelwert für eine Haushaltssache gemäß § 48 Abs. 1 und 2 FamGKG kann gemäß § 48 Abs. 3 FamGKG erhöht werden, wenn dies unter Billigkeitsgesichtspunkten geboten ist, namentlich etwa wegen eines besonderen Verfahrensumfangs, aufgrund konkret aufgeworfener tatsächlich oder rechtlich besonders schwieriger Fragestellungen, wegen der besonderen Bedeutung für die Beteiligten oder bei besonders guten wirtschaftlichen Verhältnissen. Allein die Höhe einer begehrten Ausgleichzahlung rechtfertigt dagegen eine Werterhöhung nicht.

  2. 2.

    Der im Vergleich zum Regelfall erhöhte Umfang eines Verfahrens rechtfertigt regelmäßig nicht eine Verzehnfachung des für den Verfahrenswert gesetzlich vorgesehenen Festwertes.

In der Familiensache
H. K.,
Antragsteller und Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigte:
Anwaltsbüro L. & C.,
gegen
A. K.,
Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Anwaltsbüro D. + v. H.,
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch die Richter am Oberlandesgericht H. und G. sowie die Richterin am Amtsgericht R. am 11. Februar 2014
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 22. November 2013 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Verfahrenswert für das erstinstanzliche Verfahren wird in amtswegiger Änderung der amtsgerichtlichen Festsetzung auf 4.000 EUR, derjenige für das zweitinstanzliche Verfahren auf 2.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten sind nach am ... 2000 erfolgter Eheschließung seit 2008 getrenntlebende Ehegatten; ihre Ehe hat das Amtsgericht - Familiengericht - Hannover durch einen - derzeit noch nicht rechtskräftigen - Beschluß vom ... 2013 geschieden. Im vorliegenden, im August 2011 von ihm persönlich eingeleiteten Verfahren hat der Ehemann eine Verteilung der Haushaltsgegenstände bei Getrenntleben gemäß § 1361a BGB begehrt. Grundlage seines dann nur im Umfang erfolgter VKH-Bewilligung rechtshängig gewordenen Antrages waren die sogenannten "Anlagen 1" bzw. "9". In einer "Anlage 1" hatte der Ehemann 81 fortlaufend numerierte Gegenstände aufgeführt, die bei Eheschließung in seinem Alleineigentum gestanden haben sollen, von denen er in neunzehn Fällen die Herausgabe begehrte. In einer "Anlage 9" sind auf 18 Seiten Gegenstände aufgelistet, die - ggf. aufgrund ihres Erwerbs während der Zeit des Zusammenlebens - gemeinsames Eigentum sein und sich im Zeitpunkt der Erstellung der Anlage in verschiedenen, jeweils benannten Räumen des vormals gemeinsamen und seit der Trennung allein von der Ehefrau und den gemeinsamen Kinder bewohnten Familienheims befunden haben sollen. Hinsichtlich sämtlicher Gegenstände der "Anlage 9" begehrte der Ehemann die Herausgabe.

In einem ersten Anhörungstermin vor dem Amtsgericht am 25. Januar 2013 ist die "Anlage 1" im einzelnen positionsweise erörtert worden. Dabei hat die Ehefrau teilweise erklärt, die fraglichen Haushaltsgegenstände nicht bzw. nicht mehr in Besitz zu haben; teilweise hat sie sich mit der Herausgabe an den Ehemann ausdrücklich einverstanden erklärt.

In der Folgezeit ist das vormalige Familienheim im Hinblick auf eine von beiden Eheleuten vorgenommene Veräußerung von der Ehefrau und den Kindern geräumt worden, wobei eine nicht unerheblicher Zahl der streitgegenständlichen Haushaltsgegenstände im Hause verblieb; der Ehemann hat davon einen Teil an sich genommen und an einem weiteren Teil nach eigenem Bekunden kein Interesse mehr gehabt. Das Haus ist sodann an den Käufer übergeben worden.

Im Rahmen eines danach erfolgten zweiten Anhörungstermins vor dem Amtsgericht am 11. Oktober 2013 erklärte der Ehemann gemäß der Sitzungsniederschrift auf die Frage, welche Gegenstände er nunmehr noch herausverlange:

"Meine Frau soll das ganze Gerümpel behalten und mir 12.000 EUR geben. ... Ich will die 12.000 EUR und das Gericht soll darüber entscheiden; sonst will ich:

den Flügel

das Seydlitzregal

einen Küppersbusch Herd und

einen bunten Deckenstrahler, der früher im Flur war."

Im weiteren Verlauf des Anhörungstermins hat der Ehemann noch Interesse an einer Stehlampe bekundet; später hat seine Verfahrensbevollmächtigte beantragt, die Ehefrau zur Zahlung eines Ausgleichsverpflichtung in Höhe von 12.000 EUR zu verpflichten, hilfsweise "sie zu verpflichten, die von ihm verlangten Gegenstände gemäß Anlage 1 und Anlage 9, soweit er sie noch nicht erhalten hat, herauszugeben".

Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 22. November 2013, auf den auch zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, dem Antragsteller das Bücherregal, den Deckenstrahler und die Stehlampe zur vorläufigen Nutzung zugewiesen und die Antragsgegnerin zur Herausgabe dieser Gegenstände verpflichtet. Es hat zugleich der Antragsgegnerin einen von ihr begehrten Tisch zur vorläufigen Nutzung zugewiesen und dem Antragsteller dessen Herausgabe aufgegeben sowie die wechselseitig gestellten Anträge im übrigen zurückgewiesen.

Gegen diesen, ihm am 26. November 2013 zugestellten Beschluß richtet sich die am 2. Dezember 2013 beim Amtsgericht eingelegte und innerhalb diesbezüglich gesetzter und verlängerter Frist beim Senat begründete Beschwerde des Antragsgegners. Dieser erstrebt im Beschwerdeverfahren vorrangig die Zuerkennung einer Ausgleichsverpflichtung von "mindestens 12.000 EUR", hilfsweise Herausgabe der "vom Beschwerdeführer herausverlangten Gegenstände gemäß Anlage 1 und Anlage 9" sowie Auskunftserteilung der Antragsgegnerin hinsichtlich der "während des Zusammenlebens der Parteien" unter Verwendung von Kundenkarten von Kaufhof, Ikea und Karstadt gekauften Gegenstände.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, kann aber in der Sache keinen Erfolg haben.

Dabei kann der Senat - da es sich nicht um eine Familienstreitsache handelt - gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG bereits unmittelbar in der Sache entscheiden. Nach dem erstinstanzlich ordnungsgemäß geführten Verfahren und der wiederholten Anhörung der Beteiligten dort ist auch im Lichte des Beschwerdevorbringens weder eine weitere Sachaufklärung geboten, noch ist von einer Wiederholung von Verfahrenshandlungen, namentlich einer erneuten Anhörung, ein entscheidungserheblicher weiterer Erkenntnisgewinn zu erwarten.

1. Der Antragsteller hat im vorliegenden Verfahren die Verteilung der Haushaltsgegenstände bei Getrenntleben gemäß § 1361a BGB begehrt, nicht eine solche anläßlich der Scheidung gemäß § 1568b BGB. Eine Verteilung gemäß § 1568b BGB wäre im übrigen zwingend im parallel anhängigen Scheidungsverbundverfahren zu führen gewesen. Insofern kann - wie in § 1361a Abs. 4 BGB eigens hervorgehoben - eine Regelung von Eigentumsverhältnissen allenfalls durch - im Streitfall nicht erfolgte - Vereinbarung der Ehegatten erfolgen.

a. Im Rahmen der Verteilung nach § 1361a BGB kann ein Ehegatten gemäß Abs. 1 der Norm die Herausgabe ihm allein gehörender Haushaltsgegenstände verlangen, soweit diese nicht ausnahmsweise aus Billigkeit dem anderen Ehegatten zum vorübergehenden Gebrauch während der Trennungszeit zu überlassen sind.

Selbst wenn man davon ausgeht, daß der Ehemann Alleineigentümer der von ihm in "Anlage 1" aufgeführten Gegenstände sei, kommt eine Herausgabeverpflichtung der Ehefrau nur insoweit in Betracht, als diese sich im Besitz der jeweiligen Gegenstände befindet, da es sich sonst bereits nicht um Haushaltsgegenstände im Sinne der Vorschrift handelte (vgl. Staudinger2007-Voppel, BGB § 1361a Rz. 16a m.w.N.). Soweit die Ehefrau - namentlich im ersten Anhörungstermin ihren Besitz an Gegenständen der "Anlage 1" bestritten hat, fehlt es - auch im Beschwerdeverfahren - an jeglichem substantiierten gegenteiligen Vortrag (und erst recht an erforderlichen Beweisangeboten) zu einem aktuellen Besitz der Ehefrau. Entsprechendes gilt, soweit der Ehemann in der Folgezeit weitere Gegenstände erhalten hat oder diese nach dem Auszug der Ehefrau aus dem gemeinsamen Haus dort verblieben sind. Substantiierte Angaben dazu hat der Ehemann bereits erstinstanzlich nicht gemacht - bezeichnend ist insofern vielmehr die Einschränkung bei der Antragstellung auf die Gegenstände der Anlagen "soweit er sie noch nicht erhalten hat".

b. Hinsichtlich derjenigen Haushaltsgegenstände, die - ggf. auch aufgrund der Vermutung entsprechend § 1568b BGB - im gemeinsamen Eigentum beider Ehegatten stehen, kommt im Rahmen der Verteilung nach § 1361a BGB lediglich eine vorläufige Zuweisung zur Nutzung während der Trennungszeit nach Billigkeitsgesichtspunkten in Betracht. Dabei ist im Rahmen einer derartigen Billigkeitsabwägung der Nutzungsüberlassung jedenfalls ganz wesentlich mit zu berücksichtigen, ob der jeweilige Ehegatte an einer weiteren Nutzung überhaupt (noch) ein ernsthaftes Interesse zeigt. Angesichts der insofern völlig unmißverständlichen Äußerungen des Ehemannes im zweiten amtsgerichtlichen Anhörungstermin kann von einem derartigen Interesse allein hinsichtlich der dort von ihm benannten Gegenstände ausgegangen werden. Dies betrifft über die bereits erfolgte Nutzungszuweisung durch das Amtsgericht hinaus lediglich den Flügel und einen Herd. Zu beiden Gegenständen hat das Amtsgericht mit zutreffenden und vom Senat geteilten Erwägungen eine Nutzungszuweisung an den Ehemann abgelehnt. Die alleinige Beschwerde des Ehemannes gibt insofern auch keine Veranlassung, nunmehr die sich daraus eigentlich ergebende Notwendigkeit einer entsprechenden Nutzungszuweisung an die Ehefrau auszusprechen.

c. Eine - vom Ehemann bereits in erster Instanz vorrangig erstrebte - Ausgleichszahlung käme im Rahmen der Verteilung nach § 1361a BGB einzig insofern in Betracht, als der Alleineigentümer aus Billigkeitsgesichtspunkten zu einer vorübergehenden Nutzung durch den anderen Ehegatten verpflichtet würde oder aus Billigkeitsgesichtspunkten für die vorübergehend erfolgte Gebrauchsüberlassung von Gegenständen im gemeinsamem Eigentum selbst. Da vorliegend bereits von der Möglichkeit nach § 1361a Abs. 1 Satz 2 BGB kein Gebrauch gemacht worden ist und der Ehemann nach eigenem Bekunden alsbald zu Neuanschaffungen in der Lage war, besteht unter den Umständen des Streitfalles weder Anlaß noch Möglichkeit für die Anordnung einer Ausgleichszahlung.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

3. Die - teilweise in amtswegiger Änderung der amtsgerichtlichen Entscheidung gemäß § 55 Abs. 3 Nr. 2. FamGKG erfolgende - Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf folgenden Erwägungen:

Der Verfahrenswert in Haushaltssachen während der Trennung nach § 200 Abs. 2 Nr. 1 FamFG i.V. mit § 1361a BGB, wie vorliegend gegeben, beträgt gemäß § 48 Abs. 2 1. Alt FamGKG 2.000 EUR. § 48 Abs. 3 FamGKG eröffnet die Möglichkeit, von diesem Festwert abzuweichen, wenn er nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist. Eine Erhöhung des Verfahrenswertes kommt dabei vor allem dann in Betracht, wenn es sich konkret um ein besonders umfangreiches Verfahren oder eines mit tatsächlich oder rechtlich besonders schwierigen Fragestellungen gehandelt hat. Als Ermessensgesichtspunkte können daneben etwa auch berücksichtigt werden eine besonders hohe Bedeutung der Sache für die Beteiligten oder deren besonders gute wirtschaftliche Verhältnisse. Dagegen kommt es (allein) auf die Höhe einer etwa begehrten Ausgleichszahlung nicht entscheidend an, auch wenn dies wiederum im Rahmen des Ermessens mitberücksichtigt werden kann (vgl. Scheider/Volpert/Fölsch2-Türck-Brocker, FamGKG § 48 Rz. 28).

Zutreffend ist das Amtsgericht - wenn auch ohne jegliche über die Mitzitierung von § 48 Abs. 3 FamFG hinausgehende Begründung - vorliegend zwar davon ausgegangen, daß es sich um ein besonders umfangreiches Verfahren gehandelt hat, das mittlerweile - wenn auch nicht zuletzt aufgrund wiederholter Einreichung identischer Schreiben und Unterlagen - über 660 Seiten umfaßt und in dem erstinstanzlich zwei Anhörungstermine erforderlich waren. Dies rechtfertigt insbesondere auch auf der Grundlage der diesbezüglichen Senatsrechtsprechung (vgl. etwa Beschlüsse vom 11. Februar 2011 - 10 WF 399/10 - NJW 2011, 1373 f. = NdsRpfl 2011, 126 f. = AGS 2011, 200 f. [OLG Celle 11.02.2011 - 10 WF 399/10] = JurBüro 2011, 257 = [...] = FamRZ 2011, 993 [Ls] im Verfahren über die elterliche Sorge; vom 7. November 2011 - 10 WF 338/12 - FamRZ 2012, 1747 im Umgangsverfahren) durchaus eine Erhöhung des Verfahrenswertes nach § 48 Abs. 3 FamFG. Weitere Gesichtspunkte, die ebenfalls eine Erhöhung des Verfahrenswertes geboten erscheinen ließen, liegen dagegen im Streitfall nicht vor; namentlich kommt der Höhe der begehrten Ausgleichszahlung vorliegend kein selbständiges Gewicht zu.

Danach kommt allerdings eine - wie vom Amtsgericht im Streitfall vorgenommene - Erhöhung des Verfahrenswertes auf das Zehnfache des gesetzlich vorgeschriebenen Festwertes jedenfalls unter den vorliegenden Umständen in keinem Fall in Betracht. Der Senat hat bereits an anderer Stelle darauf hingewiesen, daß im Fall der Unbilligkeit des vorgesehenen Festwertes regelmäßig nur Anlaß für dessen angemessen Erhöhung besteht (vgl. Beschluß vom 22. Juli 2013 - 10 WF 188/13 - NdsRpfl 2013, 329 f. = [...] = BeckRS 2013, 13092 für den Fall der Bestimmung des Kindergeldberechtigten). Auch in der veröffentlichten obergerichtlichen Rechtsprechung zur Billigkeits-Erhöhung von Festwerten in FG-Familiensachen orientieren sich die Entscheidungen soweit ersichtlich etwa an einer Verdoppelung des Festwertes (vgl. etwa die Nachweise bei Scheider/Volpert/Fölsch2-Türck-Brocker, FamGKG § 45 Rz. 28 ff.; so auch der Senat in den bereits genannten Entscheidungen vom 11. Februar 2011 und vom 7. November 2011 - jeweils in Kindschaftssachen).

Dementsprechend sieht der Senat auch im Streitfall keine Veranlassung, den erstinstanzlichen Verfahrenswert angesichts der bereits angesprochenen konkreten Umstände auf mehr als 4.000 EUR festzusetzen.

Für das Beschwerdeverfahren dagegen liegen Gesichtspunkte, die eine Abweichung vom Festwert des § 48 Abs. 2 1. Alt FamGKG tragen könnten, nicht vor, so daß es bei dem gesetzlichen Festwert zu verbleiben hat.