Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 21.12.2005, Az.: 3 B 2490/05

Versetzung auf einen Dienstposten ohne Statusveränderung; Rückgängigmachung einer Dienstpostenübertragung im Rahmen eines späteren "Beförderungsrechtsstreits"; Annahme eines Anordnungsgrundes in Fällen der sog. Dienstpostenkonkurrenz; Organisationsermessen und Personalermessen des Dienstherrn

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
21.12.2005
Aktenzeichen
3 B 2490/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 26347
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2005:1221.3B2490.05.0A

Verfahrensgegenstand

Beförderung (Stellenbesetzung / Konkurrenz)

Redaktioneller Leitsatz

Erfolgt eine Stellenausschreibung an Verwaltungskräfte unterschiedlicher Besoldungsgruppen, hat der Dienstherr seine "Organisationsgrundentscheidung" getroffen, Beamte unterschiedlicher Besoldungsgruppen für die Bewerbung auf die mit einer bestimmten Besoldungsgruppe bewertete Stelle anzusprechen. Dies geht mit einem Verzicht auf die Stellenbesetzung ausschließlich im Wege der Umsetzung einher und führt dazu, dass sich auch der Umsetzungsbewerber an den Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung messen lassen muss.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Stade - 3. Kammer -
am 21. Dezember 2005
beschlossen:

Tenor:

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die Planstelle der Besoldungsgruppe A 11, Fachbereich 5, Straße und Verkehr, mit dem Beigeladenen zu besetzen und diesen zum Abteilungsleiter zu ernennen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert wird auf 10.359,21 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg. Der Antragsteller, Stadtoberinspektor in den Diensten der Antragsgegnerin, hat glaubhaft gemacht, dass sein allein in Betracht kommender Anspruch auf eine verfahrens- und ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung verletzt ist und der Sicherung bedarf ( § 123 Abs. 1 S.1, Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO ).

2

Der erforderliche Anordnungsgrund liegt vor, denn im Falle der Beförderung eines ausgewählten Beamten erledigt sich das Begehren eines Antragstellers, den ausgeschriebenen Dienstposten und die damit verbundene Planstelle zu erhalten ( vgl. hierzu Nds. OVG, Be-schluss vom 02.06.1995, AZ 5 M 262/95 sowie BVerwG in DVBl.1989, 1150 ). Dies gilt auch, soweit sich der Antragsteller hier dagegen wendet, dass dem Beigeladenen der angestrebte Dienstposten des Abteilungsleiters im Fachbereich 5 - Straße und Verkehr - übertragen worden ist. Zwar ist mit dieser Übertragung eine Beförderung für den Beigeladenen ( Stadtamtmann in den Diensten der Antragsgegnerin ) nicht verbunden. Demgemäß wäre es denkbar, das Vorliegen eines Anordnungsgrundes zurzeit zu verneinen, weil die Dienstpostenübertragung im Rahmen eines späteren "Beförderungsrechtsstreits" rückgängig gemacht werden könnte, sofern ein anderer als der Stelleninhaber zu befördern ist (vgl. hier-zu OVG Koblenz, NVwZ-RR 1996, 51 ). Es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung der Kammer ( vgl. bereits Beschluss vom 16.09.1997, AZ 3 B 1356/97 ) in Übereinstimmung mit dem Nds. OVG, in Fällen der sog. Dienstpostenkonkurrenz einen Anordnungsgrund anzunehmen, weil sich diese Fallkonstellation durch die Besonderheit auszeichnet, dass der umgesetzte Bewerber die Möglichkeit erhält, sich auf dem Beförderungsdienst-posten zu bewähren. Dies führte zu einem nicht mehr rückgängig zu machenden Vorteil für das Auswahlverfahren im Rahmen einer späteren Beförderungsentscheidung. Daher ist das Vorliegen eines Anordnungsgrundes zu bejahen, was im Ergebnis zu einer Vorverlagerung der Rechtschutzgewährung führt.

3

Der Antragsteller konnte auch glaubhaft machen, dass die hier getroffene Entscheidung ihn in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt. Dabei kann sich der Antragsteller, und das ist die zwischen den Beteiligten im Kern streitige Frage, auf diesen Anspruch auch berufen. Die hier zu beurteilende Situation zeichnet sich, wie angedeutet, durch die Besonderheit aus, dass die Besetzung des Dienstpostens als Abteilungsleiter für den Antragsteller aufgrund einer Beförderung, für den Beigeladenen demgegenüber aufgrund einer Umset-zung erfolgen kann. Zu dieser Konstellation, in der Beförderungs- und Umsetzungsbewerber miteinander in Konkurrenz treten, hat das BVerwG in seiner vom Antragsteller erwähnten Entscheidung vom 25.11.2004 - 2 C 17/03 - ausgeführt:

"Zwar haben Interessenten für einen Dienstposten, auf den sie ohne Statusveränderung versetzt werden wollen, grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Auswahl nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Vielmehr hat der Dienstherr ein in seiner Organisationsfreiheit begründetes Wahlrecht zwischen Umsetzung, Versetzung und Beförderung, dessen Ausübung im pflichtgemäßen Ermessen der für den Dienstherrn handelnden Behörden steht (vgl. Beschlüsse vom 26. Januar 1994 - BVerwG 6 P 21.92 - BVerwGE 95, 73 <84>[BVerwG 26.01.1994 - 6 P 21/92] und vom 20. August 2003 - BVerwG 1 WB 23.03 - a.a.O. jeweils m.w.N.). Entschließt sich der Dienstherr im Rahmen seines Organisationsermessens jedoch für ein Auswahlverfahren, an dem sowohl Beförderungsbewerber als auch "reine" Umsetzungs- oder Versetzungsbewerber unterschiedslos teilnehmen, beschränkt er durch diese "Organisationsgrundentscheidung" (vgl. Beschluss vom 20. August 2003 - BVerwG 1 WB 23.03 - a.a.O.) seine Freiheit, die Stellen durch Versetzungen oder Umsetzungen zu besetzen, und ist aus Gründen der Gleichbehandlung gehalten, die sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden Auswahlkriterien nicht nur auf die Beförderungsbewerber, sondern auf sämtliche Bewerber anzuwenden. Ein unter den Bedingungen des Art. 33 Abs. 2 GG in Gang gesetztes Auswahlverfahren darf nachträglichen Einschränkungen nur aus Gründen unterworfen werden, die den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG gerecht werden."

4

Gemessen hieran kann sich der Antragsteller auf den Bewerbungsverfahrensanspruch beru-fen. Die Antragsgegnerin hat den begehrten Dienstposten in ihrem Mitteilungsblatt vom 02.06.2005 ausgeschrieben. Unter dem Stichwort "Anforderungen" heißt es:

"Die Ausschreibung richtet sich an Verwaltungskräfte der Laufbahn des gehobenen Diens-tes der Besoldungsgruppen A 10 und A 11...". Damit hat die Antragsgegnerin ihre "Orga-nisationsgrundentscheidung" getroffen, Beamte beider Besoldungsgruppen für die Bewer-bung auf die mit A 11 bewertete Stelle anzusprechen, was mit einem Verzicht auf die Stel-lenbesetzung ausschließlich im Wege der Umsetzung einhergeht und dazu führt, dass sich auch der Umsetzungsbewerber an den Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leis-tung messen lassen muss; umgekehrt bedeutet dies für den Beförderungsbewerber, dass er seinen Bewerbungsverfahrensanspruch behält und lediglich eine Entscheidung des Dienst-herrn auf der Grundlage der genannten bzw. diesen gleichrangigen Kriterien akzeptieren muss, er sich jedoch nicht das weite Organisations- und Personalermessen des Dienstherrn wie etwa im Falle einer ohne Ausschreibung und lediglich durch Umsetzung erfolgenden Stellenbesetzung entgegenhalten lassen muss. Aus diesen Zusammenhängen folgt zwar keine Bindung des Dienstherrn für die Grundentscheidung über das Procedere der Stellen-besetzung; maßgeblich ist jedoch, dass der Dienstherr seine Grundentscheidung "spätes-tens vor der Auswahlentscheidung" ( so BVerwG, Beschluss vom 20.08.2003, 1 WB 23/03 ) treffen muss und für diese Auswahlentscheidung an seine Grundentscheidung gebunden ist.

5

Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers ist auch verletzt. Die Antragsgeg-nerin hat, wie sie selbst darstellt, das Auswahlverfahren abgebrochen, um den Beigelade-nen unter Vermeidung eines Beförderungsfalles auf die ausgeschriebene Stelle umzuset-zen. Damit habe sie gleichzeitig den unbefriedigenden Zustand beenden können, einem Mitarbeiter ( zuvor persönlicher Mitarbeiter des ausgeschiedenen Oberbürgermeisters ) keine amtsangemessene Beschäftigung bieten zu können. Die bisherige ( Ermessens- ) Grundentscheidung ist damit "im Kern ausgewechselt" ( BVerwG, Beschluss vom 20.08.2003, 1 WB 23/03 ) worden, und zwar auf der Grundlage von Gesichtspunkten, die bereits zum Zeitpunkt der Ausschreibung vorgelegen haben und bereits aus diesem Grunde nicht geeignet sind, gleichrangig neben die Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG zu treten. In-haltlich kann dahinstehen, ob der Organisationshoheit der Antragsgegnerin und ihrem Inte-resse an sparsamem Personaleinsatz Verfassungsrang zukommt, denn gerade hinsichtlich dieser Kriterien hat die Antragsgegnerin durch ihre mit der Ausschreibung getroffene Or-ganisationsgrundentscheidung ihre Freiheit, diesen Gesichtspunkten Vorrang einzuräumen, selbst beschränkt. Weitere Erwägungen, die für den Abbruch des Auswahlverfahrens maß-geblich gewesen sein könnten, hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen.

6

Demgegenüber kann sich die Antragsgegnerin auch nicht, wie fernmündlich erfolgt, auf die von ihr in Bezug genommene Rechtsprechung berufen. Der Beschluss des BVerwG vom 20.08.2003, 1 WB 23/003, ist gleichsam eine "Vorgängerentscheidung" zum Urteil vom 25.11.2004 und trifft inhaltlich eine entsprechende Aussage. Die Entscheidungen des Nds. OVG vom 02.12.2002 - 2 ME 211/02 - und vom 04.11.2004 - 2 ME 1243/04 - stehen den obigen Erwägungen nicht entgegen, da sie zum einen vor der Entscheidung des BVerwG vom 25.11.2004 ergangen sind und im Übrigen eine hier nicht vorliegende recht-liche Situation betreffen, in der der Versetzungsbewerber die ergangene Besetzungsent-scheidung angreift.

7

Hiernach war antragsgemäß zu entscheiden. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 5 Nr. 2 GKG n.F. . Danach ist bei statusrechtlichen Streitigkeiten um ein besoldetes öffentlich-rechtliches Amts- oder Dienstverhältnis auf Lebenszeit wegen Verleihung eines anderen Amtes Streitwert die Hälfte des 13-fachen Betrages des Endgrundgehalts ( hier: A 11 BBe-sO ), also nach aktueller Besoldungstabelle 13 x 3.187,45 EUR = 41.436,85 EUR : 2 = 20.718,43 EUR. Dieser Betrag ist hier wegen der Vorläufigkeit der erstrebten Regelung um die Hälfte auf 10.359,21 EUR zu verringern. Die außergerichtlichen Kosten des Beige-ladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil er keinen förmlichen Antrag gestellt hat.

M. Schulz
Fahs
Lassalle