Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 27.10.2015, Az.: 13 U 40/15

Rechtliche Einordnung des Ausgleichsanspruchs eines Kommissionsagenten

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
27.10.2015
Aktenzeichen
13 U 40/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 38883
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2015:1027.13U40.15.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BGH - 21.07.2016 - AZ: I ZR 229/15

Fundstellen

  • IHR 2016, 215-221
  • MDR 2016, 536
  • ZVertriebsR 2016, 182-187

Amtlicher Leitsatz

1. Zum Vorliegen eines Kommissionsagenturverhältnisses (§ 383 Abs. 1 HGB) in Abgrenzung zu einem Handelsvertreterverhältnis (§ 84 Abs. 1 HGB).

2. Auf das Vertragsverhältnis eines Kommissionsagenten sind regelmäßig die Vorschriften über den Ausgleichsanspruch von Handelsvertretern (§ 89b HGB) entsprechend anzuwenden.

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24. April 2015 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Osnabrück - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels der Klägerin und der Berufung der Beklagten - teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 189.346,46 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. November 2014, ferner Zinsen in Höhe von fünf Prozent auf 186.966,46 € für die Zeit vom 1. Juli bis 23. November 2014 und in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 2.380 € für die Zeit vom 23. August bis 23. November 2014, zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 40 % und die Beklagte 60 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen, soweit über den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Handelsvertreterausgleich entschieden worden ist.

Gründe

I.

Die Klägerin macht einen Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB geltend; ferner verlangt sie Zahlung restlicher Provision.

Die Beklagte betreibt bundesweit Sonderpostenmärkte unter der Bezeichnung "T....... P........". Die einzelnen Märkte werden nicht unmittelbar von der Beklagten, sondern von selbstständigen Marktleitern geführt. Die Klägerin war seit 2004 als Marktleiterin für die Beklagte tätig. Sie betrieb zunächst einen Sonderpostenmarkt in V......... das insoweit bestehende Vertragsverhältnis wurde zum 31. Januar 2013 durch eine von der Klägerin erklärte Kündigung beendet. Bereits zuvor - am 15. November 2012 - hatten die Parteien einen weiteren Vertrag abgeschlossen, auf dessen Grundlage die Klägerin ab dem 14. März 2013 einen Sonderpostenmarkt in Berlin betrieb. Dieses Vertragsverhältnis wurde durch ordentliche Kündigung der Beklagten zum 30. Juni 2014 beendet.

Die zwischen den Parteien geschlossene Vereinbarung vom 15. November 2012 (Anlage K 2 zur Klageschrift, GA I 40 ff.) lautet auszugsweise wie folgt:

"Präambel

P...... hat unter dem Namen "T....... P........" ein Konzept zum Betrieb einer Kette von Sonderposteneinzelhandelsmärkten einschließlich der dafür erforderlichen Infrastruktur entwickelt und zur Marktgeltung in der Bundesrepublik Deutschland gebracht. Das "T....... P........"-System ist ein umfassendes Marketing- und Vertriebssystem für den Sonderposten-Einzelhandel. ...

...

§ 1 Vertragsgegenstand

1. P...... gewährt dem Unternehmer das Recht, einen T....... P........-Markt in

..........

zu betreiben.

Dieses Recht wird dem Unternehmer persönlich gewährt. Es darf ohne vorherige schriftliche Zustimmung von P...... weder ganz noch teilweise, weder direkt noch indirekt, auf Dritte übertragen werden.

Der Unternehmer führt den Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr als selbständiger Kaufmann. Er ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung von P......, die für jeden Einzelfall erteilt werden muß, nicht berechtigt, Erklärungen mit Wirkung für und/oder gegen P...... abzugeben und/oder entgegenzunehmen.

...

4. Das Geschäftslokal und der Geschäftsbetrieb des Unternehmers werden unter der Firmenbezeichnung "T....... P........" geführt.

...

§ 5 Betrieb des Marktes - Pflichten des Unternehmers

...

3. Der Unternehmer ist verpflichtet, die ihm in diesem Vertrag eingeräumten Rechte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns persönlich unter Einsatz seiner gesamten Arbeitskraft in vollem Umfang auszuüben und zu nutzen, insbesondere die Förderung des Absatzes der Waren nach besten Kräften zu betreiben.

...

5. Damit die Einheitlichkeit der Geschäftsbetriebe im gesamten Bundesgebiet gewährleistet ist, legen die Vertragsparteien fest, daß ein von P...... zu bestimmendes Grundsortiment von Waren geführt wird. Der Unternehmer verpflichtet sich, seine Produkte ausschließlich bei P...... zu beziehen.

Bei vorheriger schriftlicher Einwilligung darf der Unternehmer Artikel anderer Firmen in seinem Betrieb verkaufen, insbesondere wenn sie nicht in dem Programmspektrum von P...... enthalten sind.

...

6. Der Unternehmer leitet seinen Markt in eigener Verantwortung in Beachtung des Grundsatzes der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns ist er in der Gestaltung seiner Tätigkeit und seiner Arbeitszeit für seinen Betrieb im wesentlichen frei. ...

...

§ 6 Allgemeine Verkaufsbedingungen und Provision

1. Preise

Da es zu dem Wesenskern eines T..........-P......-Marktes gehört, daß diese Märkte auch hinsichtlich der Preisgestaltung einheitlich gegenüber der Öffentlichkeit auftreten, erteilt P...... für die Verkaufspreise des Unternehmers - soweit es sich um Waren handelt, die von P...... geliefert werden - verbindliche Preisempfehlungen, von denen nur abgewichen werden kann, wenn dafür ein sachlicher Grund besteht.

...

2. Provision

Der Unternehmer erhält von P...... eine Verkaufsprovision von 9 % vom Netto-Umsatz.

Zusätzlich können bei außergewöhnlich guter Führung des Marktes Prämien von 0 - 2 % vom Netto-Umsatz gewährt werden.

...

Dem gesamten Provisionsbetrag wird die jeweils gültige Mehrwertsteuer hinzugesetzt. ...

Mit dieser Verkaufsprovision sind alle Aufwendungen des Unternehmers, die dieser durch den Betrieb des Marktes hat, abgegolten.

Insbesondere trägt der Unternehmer hiervon alle beweglichen und beeinflussbaren Kosten, wie z.B. Löhne, Kleinreparaturen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes, sämtliche Inventurkosten und die Betriebskosten des Marktes. ... Die Kosten für größere Reparaturen, notwendige Versicherungen, Zeitungswerbung und für die Miete trägt P.......

...

5. Der Unternehmer ist verpflichtet, über die Kasseneinnahmen täglich abzurechnen. ... Aus Sicherheitsgründen ist der Kassenbestand täglich nach Geschäftsschluß bei einer von P...... zu benennenden Bank einzuzahlen.

Forderungen gegen Kunden aus dem Verkauf von Waren gelten im Verhältnis zwischen P...... und dem Unternehmer oder dessen Gläubigern als Forderungen von P....... Der Unternehmer tritt bereits jetzt alle Forderungen aus dem Verkauf aller Waren in Höhe des Faktura-Endbetrages (einschließlich Mehrwertsteuer) an P...... ab. P...... nimmt die Abtretung an.

..."

In den letzten zwölf Monaten vor Beendigung des Vertragsverhältnisses erzielte die Klägerin Provisionen (einschließlich aller Zusatzprovisionen) in Höhe von insgesamt 283.395,87 € netto.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass das Vertragsverhältnis der Parteien als Handelsvertretervertrag einzuordnen sei. Sie hat einen Anspruch auf Handelsvertreterausgleich (§ 89b HGB) in Höhe von 311.694,45 € (brutto) geltend gemacht. Ferner hat sie Zahlung restlicher Provision in Höhe von 2.380 € (brutto) verlangt. Sie hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 314.074,45 € nebst Zinsen zu verurteilen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat gemeint, dass § 89b HGB weder unmittelbar noch entsprechend auf das Vertragsverhältnis der Parteien anzuwenden sei.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 50.365,90 € (Ausgleichsanspruch: 47.985,90 € + restliche Provision: 2.380 €) nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Wegen der Feststellungen und der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Dagegen wenden sich beide Parteien mit dem Rechtsmittel der Berufung. Sie verfolgen jeweils ihre erstinstanzlichen Anträge - unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens - in vollem Umfang weiter.

II.

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig. Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet, während dem Rechtsmittel der Beklagten der Erfolg in der Sache versagt bleibt.

I. Ausgleichsanspruch

Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß § 89b HGB Zahlung von 186.966,46 € verlangen.

1. Allerdings ist § 89b HGB entgegen der Auffassung der Klägerin nicht unmittelbar auf das Vertragsverhältnis der Parteien anzuwenden. Aufgrund der Erörterungen im Verhandlungstermin und des Inhalts der anschließend eingereichten nachgelassenen Schriftsätze hält der Senat nicht an seiner im Termin zunächst geäußerten Auffassung fest, dass es sich um einen Handelsvertretervertrag handele. Vielmehr liegt ein Kommissionsagenturverhältnis vor.

Als Kommissionsagent ist derjenige anzusehen, der vertraglich ständig damit betraut ist, Waren oder Wertpapiere für Rechnung eines anderen im eigenen Namen zu kaufen oder zu verkaufen (vgl. Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 383 Rn. 3 m.w.N.). Handelsvertreter ist demgegenüber derjenige, der ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen (§ 84 Abs. 1 Satz 1 HGB).

a) Der Bundesgerichtshof hat in mehreren Entscheidungen, die ebenfalls von der Beklagten oder einem Schwesterunternehmen verwendete, im Wesentlichen mit der vorliegenden Vereinbarung gleichlautende Verträge zum Gegenstand hatten, ein Kommissionsagenturverhältnis angenommen (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2003 - I ZR 225/00, NJW-RR 2003, 1056, zitiert nach , Rn. 55; Urteil vom 1. März 2007 - I ZR 79/04, NJW-RR 2007, 1177 [BGH 01.03.2007 - I ZR 79/04], Rn. 16). Allerdings ging es in keiner der genannten Entscheidungen um einen Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB.

b) Die Einordnung als Kommissionsagenturverhältnis ist angesichts der von den Parteien vorgetragenen Umstände auch im vorliegenden Fall zutreffend.

Die Klägerin war gemäß § 5 Nr. 3 und 4 der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung ständig damit betraut, für die Klägerin tätig zu sein. Angesichts der in § 6 Nr. 1, 2 und 5 getroffenen Regelungen besteht auch kein Zweifel daran, dass die wirtschaftlichen Folgen der von der Klägerin in dem Sonderpostenmarkt getätigten Warenverkäufe die Beklagte treffen sollten, die Klägerin insoweit also für Rechnung der Beklagten gehandelt hat (vgl. Füller in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 383 Rn. 8). Fraglich ist somit allein, ob die Klägerin bei den Warenverkäufen im eigenen Namen (Kommission gemäß § 383 Abs. 1 HGB) oder im Namen der Beklagten (Handelsvertretertätigkeit gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB) gehandelt hat. Die erste Möglichkeit trifft hier zu.

aa) Allerdings enthält die zwischen den Parteien geschlossene Vereinbarung keine ausdrückliche Regelung, dass der Verkauf der Ware in eigenen Namen der Klägerin erfolgen sollte. Ebenso fehlt eine ausdrückliche Bezeichnung des Vertragsverhältnisses als Kommission. Auch die mit der Klageschrift vorgelegte Werbebroschüre der Beklagten (Anlage K 5, GA I 57) führt, sollte sie im Verhältnis der Parteien von Relevanz sein, nicht weiter. Denn dort wird zwar unter der Überschrift "Kommissionär sein..." für die Tätigkeit als Marktleiter geworben, im Text der Broschüre ist aber die Rede davon, dass der Marktleiter die Ware "im Namen von T....... P........" verkaufe, was gerade nicht der Tätigkeit eines Kommissionärs entspricht.

Dagegen war die Klägerin gemäß § 1 Nr. 1 der Vereinbarung nicht berechtigt, ohne vorherige - für jeden Einzelfall zu erteilende - schriftliche Zustimmung der Beklagten Erklärungen mit Wirkung für und gegen diese abzugeben. Außerdem heißt es in § 6 Nr. 5 der Vereinbarung, dass Forderungen gegen Kunden aus dem Verkauf von Waren im Verhältnis zwischen den Parteien als Forderungen der Beklagten gelten und dass die Klägerin bereits jetzt alle Forderungen aus dem Verkauf aller Waren an die Beklagte abtritt. Solch eine Regelung wäre nicht erforderlich gewesen, wenn der Warenverkauf ohnehin im Namen der Beklagten erfolgen sollte. Das spricht wie auch die zitierte Regelung in § 1 Nr. 1 der Vereinbarung für die Annahme eines Handelns der Klägerin im eigenen Namen und damit gegen ein Handelsvertreterverhältnis.

bb) Diese Annahme steht entgegen der ursprünglichen Auffassung des Senats auch nicht im Widerspruch zu der von den Parteien tatsächlich "gelebten" Vertragswirklichkeit, sondern im Einklang damit.

In diesem Zusammenhang hat die Klägerin in erster Instanz einen Kassenbon vom 26. Juni 2014 vorgelegt (Anlage K 14, GA I 160), auf dem lediglich die Bezeichnung "T....... P........ Sonderposten" und die Adresse des bis zum 30. Juni 2014 von der Klägerin geführten Marktes sowie zwei Steuernummern aufgeführt sind. Weder der Name der Klägerin noch die genaue Firma der Beklagten (mit Rechtsform) werden genannt. Die auf dem Kassenbon genannten Steuernummern sind nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin (GA I 8) diejenigen der Beklagten. Ferner hat die Klägerin einen Verkaufsprospekt vorgelegt (gültig ab 23. Februar 2015; Anlage K 15, GA I 161 ff.), in dem auf der ersten Seite die volle Firma der Beklagten und die Anschrift von deren Hauptsitz in B.... genannt werden. Über derartige, in großer Zahl verteilte Prospekte betreibt die Beklagte unstreitig Werbung für die Sonderpostenmärkte, auch im Einzugsbereich des von der Klägerin betriebenen Markts.

Gleichwohl stellte sich die Situation für einkaufende Kunden nicht so dar, dass die Beklagte ihr Vertragspartner gewesen wäre. Denn nach den Erörterungen in Verhandlungstermin ist nunmehr unstreitig, dass an der Eingangstür des Marktes ein Schild hing, das auf die Klägerin als Inhaberin des Geschäfts hinwies (siehe dazu auch die von den Parteien mit den nachgelassenen Schriftsätzen vorgelegten Fotos, GA II 115; 168). Dieses Schild mag, wie die Klägerin im Verhandlungstermin und im nachgelassenen Schriftsatz vom 28. September 2015 ausgeführt hat, relativ klein und nicht besonders auffällig gewesen sein (es befand sich an der gläsernen Eingangstür, die sich automatisch öffnet). Gleichwohl reichte es nach Ansicht des Senats aus, um die Kunden über die Identität der Geschäftsinhaberin und damit ihrer Vertragspartnerin bei den getätigten Einkäufen zu informieren. Dass der Inhaber der Verkaufsstelle nicht unbedingt der Verkäufer der Ware sein muss, wie die Klägerin im Schriftsatz vom 28. September 2015 ausführt, trifft zwar zu. Hier gab es aber keine klaren Hinweise, dass der Verkauf nicht durch die Inhaberin erfolgt. Dieser Würdigung stehen weder die Angaben auf dem Kassenzettel noch die Gestaltung des Prospekts entgegen. Denn auf den Kassenzetteln wird keine konkrete (juristische oder natürliche) Person, sondern nur die Geschäftsbezeichnung "T....... P........ Sonderposten" genannt, unter der die Klägerin vertragsgemäß ihren Betrieb führte. Die Beklagte wäre allenfalls theoretisch über die dort genannten Steuernummern zu identifizieren gewesen. Hinsichtlich des Verkaufsprospekts gilt, dass der Herausgeber derartiger Prospekte nicht zwangsläufig Inhaber jedes einzelnen beworbenen Geschäftslokals sein muss. Der hinreichend deutliche Hinweis an der Eingangstür wird also nicht durch anderslautende Hinweise von vergleichbarer Deutlichkeit entwertet oder in Frage gestellt.

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Vertragsverhältnis der Parteien auch nicht gemäß den Leitlinien der Europäischen Kommission für vertikale Beschränkungen (ABl. Nr. C 130/1 vom 19. Mai 2010) als Handelsvertretervertrag einzuordnen. In Randnummer 12 dieser Leitlinien werden zwar auch Personen als Handelsvertreter definiert, die im Auftrag einer anderen Person Verträge im eigenen Namen schließen. Diese kartellrechtliche Leitlinie begründet jedoch angesichts des klaren Wortlauts der Regelungen in § 84 Abs. 1 HGB und Art. 1 Abs. 2 der Handelsvertreterrichtlinie (Richtlinie 86/653/EWG) keinen Zweifel daran, dass der Abschluss von Verträgen im eigenen Namen keine Handelsvertretertätigkeit im Sinne dieser - hier allein maßgeblichen - Vorschriften ist.

2. Auf das demnach zwischen den Parteien bestehende Kommissionsagenturverhältnis ist die Vorschrift des § 89b HGB indessen, anders die Beklagte meint, entsprechend anzuwenden.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann § 89b HGB auf andere im Vertrieb tätige Personen entsprechend anwendbar sein. Das gilt insbesondere für Vertragshändler. Auf diese ist § 89b HGB entsprechend anzuwenden, wenn sich das Rechtsverhältnis zwischen dem Vertragshändler und dem Lieferanten nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpft, sondern der Vertragshändler in der Weise in die Absatzorganisation des Lieferanten eingegliedert war, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hatte, und der Vertragshändler außerdem verpflichtet ist, dem Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann. Dabei muss sich die Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstamms nicht ausdrücklich und unmittelbar aus dem Händlervertrag ergeben; sie kann sich auch aus anderen, dem Vertragshändler auferlegten Pflichten ergeben. Bei anderen im Vertrieb tätigen Personen gilt grundsätzlich Entsprechendes (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 5. Februar 2015 - VII ZR 109/13, NJW 2015, 945, Rn. 14 m.w.N.).

b) Ob § 89b HGB auch auf das zwischen einem Kommissionsagenten und einem Kommittenten bestehende Rechtsverhältnis analog anzuwenden ist, hat der Bundesgerichtshof bisher offen gelassen (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2003 - VIII ZR 221/02, NJW-RR 2003, 894, zitiert nach , Rn. 12; siehe auch BGH, Urteil vom 1. Juni 1964 - VII ZR 235/62, BB 1964, 823). Der Senat bejaht diese Frage für das hier zu beurteilende Vertragsverhältnis. Das entspricht der im Schrifttum - soweit ersichtlich einhellig - vertretenen Auffassung zum Kommissionsagenten (vgl. Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl. [2006], § 16 Rn. 13 ff.; Emde, Vertriebsrecht, 2. Aufl., vor § 84 Rn. 428; Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 84 Rn. 19; Löwisch in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 84 Rn. 138; jeweils m.w.N.).

aa) Die Klägerin war gemäß § 5 Nr. 3 der von den Parteien geschlossenen Vereinbarung verpflichtet, ihre gesamte Arbeitskraft zur Förderung des Warenabsatzes der Beklagten einzusetzen. Darüber hinaus enthält die Vereinbarung zahlreiche Vorgaben, wie die Klägerin den Sonderpostenmarkt zu führen hat. Aufgrund dieser Pflichten war sie nicht anders als ein Handelsvertreter in die Absatzorganisation der Beklagten eingebunden.

bb) Eine ausdrückliche Pflicht zur Überlassung des Kundenstamms an die Beklagte enthält die von den Parteien geschlossene Vereinbarung nicht. Die Überlassung des Kundenstamms schuldet die Klägerin als Kommissionsagentin aber schon aufgrund der gesetzlichen Bestimmung des § 384 Abs. 2 HGB, nach der sie dem Kommittenten dasjenige herauszugeben hat, was sie aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 1964 - VII ZR 235/62, BB 1964, 823 [BGH 18.06.1964 - VII ZR 254/62]; Emde, aaO., Rn. 428 Fn. 2986; Canaris, aaO., Rn. 14). Das rechtfertigt nach Auffassung des Senats die analoge Anwendung des § 89b HGB. Der Senat teilt die in diesem Zusammenhang vertretene Ansicht, dass die analoge Anwendung des § 89b HGB beim Kommissionsagenten noch weit eher geboten ist als beim Vertragshändler (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 1964, aaO.; Hopt, aaO.; siehe auch Emde, aaO.).

Zu der aus § 384 Abs. 2 HGB folgenden Verpflichtung kam im Streitfall außerdem die nach dem unbestrittenen Klägervortrag (Schriftsatz vom 2. März 2015, GA I 144 f.) bestehende Pflicht der Klägerin hinzu, das vorinstallierte Kassensystem zu nutzen, durch das die Beklagte ständigen Zugriff auf sämtliche von den Kunden im Rahmen des Bezahlvorgangs mitgeteilten personenbezogenen Daten (Kartendaten, Namen, Unterschriften) hatte. Mit der Pflicht zur Benutzung des Kassensystems war damit zwangsläufig die fortlaufende Überlassung der aufgrund der Bezahlvorgänge vorliegenden Kundendaten verbunden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten sieht der Senat sich auch aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. Februar 2015 (VII ZR 109/13, aaO.) nicht zu einer anderen Sichtweise veranlasst. Der vorliegende Fall unterscheidet sich aufgrund der gemäß § 384 Abs. 2 HGB bestehenden Pflicht zur Übertragung des Kundenstamms von dem Fall, den der Bundesgerichtshof entschieden hat. Dort ging es um einen beendeten Franchise-Vertrag über Backshops, bei dem keine entsprechende Pflicht - weder vertraglich noch gesetzlich - bestand. Dass es hier wie dort um ein im Wesentlichen anonymes Massengeschäft geht, führt jedenfalls aufgrund der gemäß § 384 Abs. 2 HGB bestehenden Pflicht der Klägerin zur Überlassung des Kundenstamms ebenfalls nicht zu einem anderen Ergebnis.

Deshalb kann offen bleiben, ob sich ein weiterer Grund zur entsprechenden Anwendung des § 89b HGB daraus ergibt, dass aufgrund der Fortführung des Sonderpostenmarkts unter derselben Geschäftsbezeichnung in den von der Beklagten gemieteten Geschäftsräumen eine faktische Kontinuität des Kundenstamms vorliegt, die eine ausdrückliche Pflicht zur Übertragung des Kundenstamms entbehrlich erscheinen lässt. Darin könnte eine hinreichende Ähnlichkeit der Interessenlage mit derjenigen von Handelsvertretern gesehen werden, die teilweise ebenfalls - beispielsweise als Tankstellenverwalter - im anonymen Massengeschäft tätig sind (vom BGH allerdings für einen Franchise-Vertrag verneint, vgl. Urteil vom 5. Februar 2015, aaO., Rn. 20).

3. Der somit in entsprechender Anwendung des § 89b HGB bestehende Ausgleichsanspruch der Klägerin errechnet sich wie folgt:

a) Als Basisjahr für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist mit dem Landgericht das letzte Vertragsjahr (1. Juli 2013 bis 30. Juni 2014) zugrunde zu legen (vgl. Löwisch in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 89b Rn. 162 m.w.N.), in dem die Klägerin insgesamt Provisionen in Höhe von 283.395,87 € (netto) erzielt hat. Der Senat sieht keinen Anlass, auf die volle Laufzeit des zuletzt bestehenden Vertrages - also von März 2013 bis Juni 2014 - abzustellen, wie von der Beklagten in erster Instanz gefordert (GA I 114). Es ist schon nicht ersichtlich, dass sich daraus ein ins Gewicht fallender Unterschied ergäbe. Denn in der Zeit von März 2013 bis Juni 2014 hat die Klägerin unstreitig insgesamt Provisionseinnahmen in Höhe von 363.718,56 € erzielt; bezogen auf 12 Monate ergibt das einen Durchschnittsbetrag von (363.718,56 € : 16 x 12 =) 272.788,92 €, das sind nur rund 4 % weniger als die im letzten Vertragsjahr erzielten 283.395,87 €.

b) Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass alle in Höhe von insgesamt 283.395,87 € gezahlten Provisionen, also auch die Zusatzprovisionen, zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs heranzuziehen sind. Es besteht kein Anlass, die Zusatzprovisionen ganz oder teilweise nicht zu berücksichtigen, weil sie allein für verwaltende Tätigkeiten der Klägerin gezahlt worden wären.

Denn soweit die Zusatzprovisionen aufgrund guter Führung des Marktes (festgestellt durch Marktbewertungen, bezogen z. B. auf Sauberkeit und freundliches Auftreten des Personals) gezahlt wurden, steht dies in unmittelbarem Zusammenhang mit dem - werbenden - Auftritt des Marktes gegenüber den Kunden. Das gilt erst recht für die Zusatzprovision, die für verlängerte Öffnungszeiten gewährt wurde.

c) Für die Ausgleichsberechnung sind nur diejenigen Provisionen relevant, die aus dem mit Stammkunden erzielten Umsätzen resultieren, weil nur mit diesen Kunden eine Geschäftsverbindung im Sinne des § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB besteht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 11. November 2009 - VIII ZR 249/08, IHR 2010, 154, Rn. 21 m.w.N.).

Die Stammkundenumsatzquote ist - abweichend vom Landgericht - mit 60 % (nicht nur mit 50 %) vom Gesamtumsatz zu schätzen und somit gemäß § 287 Abs. 2 ZPO der der Ausgleichsberechnung zugrunde zu legende Betrag mit 60 % der letzten Jahresprovision zu bemessen (283.395,87 € x 60 % = 170.037,52 €). Der Senat stützt sich dabei - wie auch das Landgericht - auf den Inhalt des "3. Coaching-Briefs" der Beklagten (GA I 170). Daraus ergibt sich, dass die Märkte der Beklagten eine "beeindruckend hohe Zahl" von Stammkunden hätten - 54 % der Kunden besuchten die Märkte mehrmals im Monat, weitere 25 % einmal im Monat.

Der von der Klägerin vorgelegte Coaching-Brief, zu dem sich die Beklagte nicht geäußert hat, stellt eine ausreichende Schätzungsgrundlage (§ 287 Abs. 2 ZPO) dar, um den Stammkundenanteil und den Stammkundenumsatzanteil - wie von der Klägerin vorgetragen - auf 60 % zu veranschlagen. Denn zumindest Kunden, die die jeweiligen Märkte mindestens einmal im Monat aufsuchen, sind nach Auffassung des Senats als Stammkunden anzusehen. Entgegen der Auffassung der Beklagten findet § 287 Abs. 2 ZPO auch insoweit Anwendung (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 2009, aaO., Rn. 21 ff. m.w.N.).

Die Ansicht der Beklagten, der von der Klägerin betriebene Sonderpostenmarkt habe, da es sich um ein anonymes Massegeschäft handele, gar keine Stammkunden, kann der Senat nicht teilen. Sie steht auch im Widerspruch zum eigenen Vortrag der Beklagten zur Bedeutung ihrer Marke und des von ihr entwickelten Marketing- und Vertriebskonzepts (siehe dazu auch die Präambel der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung). Wozu sollen derartige Bemühungen dienen, wenn nicht dazu, Kunden langfristig zu binden und vom regelmäßigen Besuch der Sonderposten-Märkte der Beklagten zu überzeugen? Diese (einen Markt regelmäßig besuchenden) Kunden sind Stammkunden.

d) Bei der Ermittlung der Höhe des Ausgleichsanspruchs sind nur solche Provisionen zugrunde zu legen, die der Handelsvertreter für seine ("werbende") Vermittlungs- und Abschlusstätigkeit enthält, nicht dagegen Provisionen für vermittlungsfremde ("verwaltende") Tätigkeiten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 11. November 2009, aaO., Rn. 17 m.w.N.).

Da keine vertragliche Regelung darüber getroffen wurde, in welchem Umfang auch verwaltende Tätigkeiten von der gezahlten Provision erfasst sind, kommt es insoweit auf das tatsächliche Verhältnis zwischen werbender und verwaltender Tätigkeit an (BGH, aaO.). Dafür, dass hier die verwaltende Tätigkeit der Klägerin einen höheren Anteil als 10 % (wie von der Klägerin zugestanden) ausgemacht haben könnte, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Deshalb folgt der Senat insoweit der Klägerin und nimmt einen Abzug von 10 % (17.003,75 €) vor.

e) Soweit das Landgericht den auf die werbende Tätigkeit der Klägerin entfallenden Anteil nur auf ein Drittel geschätzt und zur Begründung auf die nach Beendigung von der Klägerin nicht mehr zu tragenden Betriebskosten verwiesen hat (LGU 8), handelt es sich nicht um eine Frage der Bereinigung der Provision um Anteile für vermittlungsfremde ("verwaltende") Tätigkeiten.

Grundsätzlich kommt der vom Landgericht im Hinblick auf ersparte Betriebskosten vorgenommene Abzug - auch unter Billigkeitsgesichtspunkten (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB) - nicht in Betracht. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für den Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB der Teil der Provision, der auf werbende Tätigkeit des Handelsvertreters entfällt und damit auch die für Lagerung, Auslieferung und Inkasso entstehenden Kosten abdeckt (z.B. Personalkosten), voll zu berücksichtigen. Es ist nicht nur der Vergütungsanteil einzubeziehen, der - nach Abzug der gesamten Betriebs- und Personalkosten - als Gewinn verbleibt. Nur ausnahmsweise können besonders hohe, den Verdienst schmälernde Betriebskosten, die der Handelsvertreter nach Vertragsbeendigung erspart, zu einer Kürzung seines Ausgleichsanspruchs unter Billigkeitsgesichtspunkten führen (BGH, Urteil vom 12. Februar 2003 - VIII ZR 130/01, NJW-RR 2003, 821, zitiert nach , Rn. 40 m.w.N.).

Der Senat berücksichtigt in diesem Zusammenhang, wie in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien erörtert, dass die Führung eines Sonderpostenmarktes mit der erforderlichen Lagerhaltung und Regalpflege sowie den aus dem Schreiben der Beklagten vom 19. März 2013 (Anlage K 3, GA I 55) ersichtlichen Öffnungszeiten (Montag bis Freitag: 9 bis 19 Uhr; Samstag: 9 - 16 Uhr) insbesondere einen beträchtlichen Personalaufwand mit entsprechenden, während der Laufzeit des Vertrages von der Klägerin zu tragenden Kosten erfordert hat. Der Wegfall dieser nicht unerheblichen Kosten nach Vertragsbeendigung rechtfertigt aus Sicht des Senats einen - ausnahmsweise vorzunehmenden - Billigkeitsabzug (§ 287 Abs. 2 ZPO). Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Geschäftsraummiete von der Beklagten getragen wurde und die Klägerin nur die Mietnebenkosten zu tragen hatte.

Den demnach - ausnahmsweise - vorzunehmenden Billigkeitsabzug veranschlagt der Senat unter Berücksichtigung aller Umstände auf 20 % (34.007,50 €) und damit etwa in der bereits in der mündlichen Verhandlung genannten Größenordnung. Ein höherer Abzug ist auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 24. September 2015 und der dazu als Anlagen BE 17 und 18 (GA II 132 ff.; 136 ff.) überreichten Betriebswirtschaftlichen Auswertungen der Klägerin nicht veranlasst. Nach diesen Auswertungen hatte die Klägerin im Jahr 2012 (damals noch in V..........) Betriebskosten in Höhe von insgesamt 189.710 €, davon 136.395 € Personalkosten. In den Monaten März bis September 2013 beliefen sich die Betriebskosten auf insgesamt 105.265,81 €, davon Personalkosten in Höhe von 64.286,07 €. Das bestätigt die bereits im Verhandlungstermin geäußerte Annahme des Senats, dass die Klägerin erhebliche Personalkosten zu tragen hatte, die einen wesentlichen Anteil der Gesamtbetriebskosten ausgemacht haben. Ein Grund zur Vornahme eines noch höheren Abzugs ergibt sich daraus nicht. Insbesondere sind nicht sämtliche (ersparten) Betriebskosten abzuziehen, wie die Beklagte offenbar meint. Vielmehr bleibt es bei dem Grundsatz, dass diese nicht abzugsfähig sind. Es geht allein um die Frage, ob ausnahmsweise wegen besonders hoher ersparter Betriebskosten aus Billigkeitsgründen ein Abzug vorzunehmen ist. Diesen hält der Senat mit 20 % für angemessen. Rechnerisch führt das aufgrund der unten (unter h - k) dargestellten Berechnungsmethode zu einem Gesamtergebnis, das auch erzielt würde, wenn man - anstelle des hier vorgenommenen prozentualen Billigkeitsabzugs - die im letzten Vertragsjahr erzielte Nettoprovision der Klägerin (283.395,87 €) von vornherein wegen ersparter Betriebskosten auf rund 200.000 € reduzierte. Dieser Vergleich macht deutlich, dass die von der Beklagten vorgetragenen (ersparten) Betriebskosten durch den Billigkeitsabzug von 20 % in erheblichem Umfang berücksichtigt werden.

Ein Grund zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, wie von der Beklagten in diesem Zusammenhang beantragt, besteht nicht. Insbesondere ist nicht verständlich, warum die Beklagte meint, die Klägerin sei nicht der ihr gemäß § 138 ZPO obliegenden sekundären Darlegungslast nachgekommen. Die Beklagte führt dazu aus, sie verfüge nicht über die erforderlichen Informationen zur Kostenstruktur des von der Klägerin geführten Marktes. Zugleich legt sie aber Betriebswirtschaftliche Auswertungen vor, aus denen sich eben diese Informationen in ausreichendem Umfang ergeben. Es gibt keinen Grund, von der Klägerin ergänzenden Vortrag dazu zu verlangen. Aus den jetzt vorliegenden Zahlen ergibt sich, dass die Klägerin erhebliche Betriebskosten hatte. Auf die genaue Kenntnis, wie sich diese Kosten in den letzten Vertragsmonaten von Oktober 2013 bis Juni 2014 noch weiter entwickelt haben, kommt es nicht entscheidend an. Denn es geht, wie bereits ausgeführt, nicht um den Abzug sämtlicher - konkret zu ermittelnder - Betriebskosten, sondern um einen Abzug aus Billigkeitsgründen.

f) Ein weiterer Abzug hat - wie von der Klägerin grundsätzlich zugestanden - unter dem Gesichtspunkt der "Sogwirkung" der von der Beklagten etablierten Marke "T....... P........" zu erfolgen. Der vom Landgericht vorgenommene Abzug von zwei Dritteln (LGU 7/8) erscheint indessen zu hoch. Soweit Abzüge unter diesem Gesichtspunkt in Betracht kommen, werden diese in der Praxis üblicherweise in einer Höhe zwischen 5 und 30 % vorgenommen (vgl. Emde, aaO., § 89b Rn. 166 [S. 1167]: "Sogwirkung" m.w.N.).

Soweit der Senat in diesem Zusammenhang erwogen hat, einen zusätzlichen Billigkeitsabzug wegen besonderer Werbemaßnahmen der Beklagten vorzunehmen (siehe den Hinweis in der Ladungsverfügung vom 22. Juli 2015, GA II 67), wird daran nicht festgehalten. Die Klägerin hat zu dem Hinweis Stellung genommen und zutreffend auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verwiesen, nach der regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass der Unternehmer die Provisionen seiner Handelsvertreter von vornherein auch nach Art und Umfang ihrer Tätigkeit bemisst und eine besondere Hilfe durch seine Werbung provisionsmindernd berücksichtigt, so dass im Allgemeinen für eine zusätzliche ausgleichsmindernde Berücksichtigung von Werbeaufwendungen des Unternehmers kein Raum ist (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1978 - I ZR 59/77, BGHZ 73, 99 = NJW 1979, 651, zitiert nach , Rn. 18; vgl. auch Emde, aaO., § 89b Rn. 166 [S. 1171]: "Werbemaßnahmen"). Hier sind keine Anhaltspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die ein Abweichen von diesem Grundsatz rechtfertigen würden. Auf die Frage, ob und in welchem Umfang tatsächlich besondere Werbemaßnahmen stattgefunden haben, kommt es damit nicht an. Unstreitig ist jedenfalls, dass die Beklagte generell in erheblichem Umfang durch die Verteilung von Verkaufsprospekten werbend tätig war und ist.

Unter Berücksichtigung aller Umstände und in Ausübung des tatrichterlichen Schätzungsermessens (§ 287 Abs. 2 ZPO) veranschlagt der Senat den Billigkeitsabzug für die "Sogwirkung der Marke" etwas höher als von der Klägerin zugestanden (10 %), nämlich mit 20 % (34.007,50 €). Für die Annahme eines Billigkeitsabzugs von 80 %, wie er von der Beklagten in diesem Zusammenhang gefordert wird, sieht der Senat keine Grundlage.

g) Der relativ kurze Zeitraum (März 2013 bis Juni 2014), in dem die Klägerin aufgrund der Vereinbarung vom 15. November 2012 als Leiterin des Sonderpostenmarktes in Berlin tätig war (vgl. zu dem Aspekt der Vertragsdauer allgemein: Emde, aaO., Rn. 166 [S. 1155]: "Dauer der Tätigkeit") stellt keinen Grund für einen weiteren Billigkeitsabzug dar. Das ergibt sich im Streitfall schon daraus, dass die Klägerin eine entsprechende Tätigkeit für die Beklagte schon vor März 2013 über einen längeren Zeitraum (seit Oktober 2004) in V.........ausgeübt hat; die seitens der Klägerin ausgesprochene Kündigung der Vereinbarung über diese Marktleiterstelle ist nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin (Schriftsatz vom 2. März 2015, S. 22 f. = 155 f.) auf Veranlassung der Beklagten im Hinblick auf die abzuschließende neue Vereinbarung über die Marktleiterstelle in Berlin erfolgt.

h) Den von der Klägerin angenommenen Prognosezeitraum von vier Jahren hält der Senat bei dem hier betriebenen Sonderpostenmarkt ebenso wie die von der Klägerin linear berechnete Abwanderungsquote von 20 % für angemessen (§ 287 Abs. 2 ZPO).

i) Die von der Klägerin im Rahmen ihrer Ausgleichsberechnung vorgenommene Barwertabzinsung mit einem Zinssatz von 2 % (Faktor 0,924 bei dem hier maßgeblichen Zeitraum von 4 Jahren) hält der Senat ebenfalls für sachgerecht. Es ist nicht ersichtlich, dass die von der Beklagten in erster Instanz geforderte Berechnungsmethode nach Gillardon (GA I 119) zu einem angemesseneren Ergebnis führen würde.

j) Da die Parteien vertraglich eine Nettoprovision vereinbart haben, der die gesetzliche Mehrwertsteuer hinzuzusetzen ist (§ 6 Nr. 2 Abs. 5 des Vertrages), hat die Beklagte auch, anders als sie in erster Instanz gemeint hat (GA I 114), auf die - netto berechnete - Ausgleichsforderung Mehrwertsteuer zu zahlen (vgl. Hopt, aaO., § 89b Rn. 32 m.w.N.).

k) Daraus ergibt sich folgende Berechnung:

Nettoprovision im Basisjahr

283.395,87 €

Stammkundenumsatzquote x 60 % =

170.037,52 €

abzgl. 10 % Verwaltungsanteil

- 17.003,75 €

abzgl. 20 % ersparter Aufwand

- 34.007,50 €

abzgl. 20 % Sogwirkung

34.007,50 €

Zwischenergebnis

= 85.018,76 €

Prognose für 4 Jahre (80% + 60% + 40 % + 20 %) =

170.037,52 €

Abzinsung x 0,924 =

157.114,67 €

19 % Mehrwertsteuer

29.851,79 €

Ausgleichsanspruch

= 186.966,46 €

Der so errechnete Ausgleichsanspruch in Höhe von 186.966,46 € überschreitet nicht die Höchstgrenze gemäß § 89b Abs. 2 HGB, denn die während der Vertragsdauer durchschnittlich erzielte Jahresprovision beträgt 272.788,92 € plus Mehrwertsteuer (siehe oben unter a).

II. Einbehaltene Restprovision (2.380 €)

Die von der Berufung der Beklagten ebenfalls angegriffene Verurteilung zur Zahlung des - wegen Mietnebenkosten - von der letzten Provision einbehaltenen Betrages von 2.380 € (LGU 10, unter II) ist nicht zu beanstanden.

Aus § 6 Nr. 2 Abs. 7 des Vertrages (GA I 46) ergibt sich, anders als die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung meint, keine Verpflichtung der Klägerin im Verhältnis zur Beklagten. Abgesehen davon hat die Beklagte bereits mit der Rechnung Nr. 60073070 vom 30. Juni 2014 (GA I 86) - wie auch in den Monaten zuvor - einen Betrag von 1.690 € netto als Nebenkostenvorauszahlung einbehalten. Ein Grund für den Einbehalt des weiteren - in der Rechnung Nr. 60073340 vom 30. Juni 2014 genannten - Betrages von 2.000 € netto (= 2.380 € brutto) ist damit nicht ersichtlich.

III. Zinsen

Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 352, 353 HGB, § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 2 (aF), § 291 BGB. Hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs können Verzugszinsen erst ab Rechtshängigkeit verlangt werden, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.

IV. Nebenentscheidungen

Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Der Senat hat im Hinblick auf die Frage, ob § 89b HGB auf das Vertragsverhältnis der Parteien anzuwenden ist, die Revision zugelassen, soweit er über den Anspruch auf Handelsvertreterausgleich entschieden hat. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vor.