Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 21.08.2007, Az.: 2 A 95/06
Anmeldung; Autoradio; Betrieb; Fahrzeug; Geschäft; Landwirt; Landwirtschaft; Nutzung; Pkw; Radio; Rundfunkgebühr; Rundfunkgebührenstaatsvertrag; Umfang; Zweck; Zweitgerät
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 21.08.2007
- Aktenzeichen
- 2 A 95/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 71929
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs 2 RdFunkGebVtr
- § 5 Abs 1 RdFunkGebVtr
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Für das Radio im Pkw eines Landwirts besteht eine Rundfunkgebührenpflicht nur, wenn das Fahrzeug in nennenswertem Umfang für Zwecke des landwirtschaftlichen Betriebes genutzt wird.
Tatbestand:
Der Kläger greift einen Rundfunkgebührenbescheid des Beklagten (nur noch zum Teil) an.
Der am … geborene Kläger ist seit 1994 selbständiger Landwirt in G. -H.. Er betreibt Ackerbau und bewirtschaftet einen Hof mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von ca. 65 Hektar; die Grundstücke befinden sich in der Gemarkung H. und angrenzend daran in der Gemarkung I., wobei die größte Entfernung zwischen einem Grundstück und dem Hof ungefähr 2,5 Km beträgt. Der Kläger ist Halter eines Traktors mit dem amtlichen Kennzeichen J. und (seit 1996) eines Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen F..
Anlässlich des Besuches der Gebührenbeauftragten K. L. meldete der Kläger zusätzlich zu in seinem Haushalt vorhandenen Geräten am 13.06.2005 folgende zum Empfang bereitgehaltene gebührenpflichtige Rundfunkgeräte an: ein Radio in dem Traktor J. seit April 2001 und ein Radio in dem Pkw F. seit Juli 1994. Nachdem die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) dem Kläger die Anmeldung bestätigt hatte, wandte der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom07.09.2005 Verjährung ein und veranlasste die Rücklastschrift der bereits eingezogenen Gebühren. Mit weiterem Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 25.10.2005 teilte der Kläger der GEZ mit, er habe weder seit Juli 1994 noch seit April 2001 Rundfunkgeräte zum Empfang bereit gehalten, dies seien lediglich Anschaffungsdaten von landwirtschaftlichen Fahrzeugen gewesen, die nicht mit einem Rundfunkgerät ausgestattet gewesen seien. Mit Bescheid vom 03.02.2006 setzte der Beklagte Rundfunkgebühren für den Zeitraum Juli 1994 bis Januar 2006 bzw. April 2001 bis Januar 2006 in Höhe von 998,89 € (einschließlich Rücklastschriftkosten für Juli 1994 bis Juli 2005 in Höhe von 3,40 €) fest.
Der Kläger hat am 16.02.2006 Klage erhoben. Er trägt vor: er habe den landwirtschaftlichen Betrieb im Jahr 1994 von seinen Eltern übernommen; seinen (einzigen) Pkw benutze er praktisch nicht für den landwirtschaftlichen Betrieb, dieser sei auch nicht steuerlich als Betriebsfahrzeug anerkannt; bei dem Besuch der Gebührenbeauftragten L. sei er überrascht und eingeschüchtert gewesen; das Gespräch habe nur wenige Minuten gedauert, zumal er wenig Zeit gehabt habe, weil gleichzeitig eine Außenprüfung des Finanzamtes G. stattgefunden habe; er habe dann wie gebeten das Anmeldeformular unterschrieben, ohne genau zu wissen, was darauf gestanden habe; Frau L. habe praktisch nur gefragt, wann er den Hof übernommen habe und wann die Fahrzeuge zugelassen worden seien, nicht jedoch, ob der Pkw auch für Zwecke des landwirtschaftlichen Betriebes genutzt werde.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Klage zurückgenommen, soweit damit Rundfunkgebühren für das Radio in dem Traktor mit dem amtlichen Kennzeichen J. festgesetzt worden sind.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 03.02.2006 insoweit aufzuheben, als damit Rundfunkgebühren für das Rundfunkempfangsgerät in dem Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen F. festgesetzt worden sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage, soweit sie nicht zurückgenommen worden ist, abzuweisen.
Er trägt vor: der Kläger sei aus dem Grundsatz von Treu und Glauben heraus an seine Unterschrift unter das Anmeldeformular gebunden; er habe während des Gesprächs mit der Gebührenbeauftragten, das ca. 1/2 Stunde gedauert habe, mehrere persönliche Angaben gemacht; das Gespräch sei in angenehmer Atmosphäre verlaufen; eine Anfechtung der Anmeldeerklärung komme nicht in Betracht; die Verjährung von Rundfunkgebühren habe nicht vor der Erfüllung der Anzeigepflicht zu laufen begonnen; im übrigen würde die Berufung des Klägers auf die Verjährung eine unzulässige Rechtsausübung darstellen.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben darüber, wie das Gespräch zwischen dem Kläger und der Gebührenbeauftragten des Beklagten K. L. am 13.06.2005 verlaufen ist, durch Vernehmung der Frau K. L. als Zeugin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Verhandlungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO einzustellen. Die Rücknahme betrifft eine Gebührenforderung des Beklagten in Höhe von 277,41 € (Monate April 2001 bis Juli 2005) sowie von 33,12 € (Monate August 2005 bis Januar 2006) sowie Rücklastschriftkosten in Höhe von 3,40 €, die der Kläger gemäß § 5 Abs. 3 der D. -Satzung zu entrichten hat, weil er die Einziehung der Gebühren entgegen seiner ursprünglich erteilten Ermächtigung hat stornieren lassen.
Hinsichtlich der Rundfunkgebühren für das Radio in dem Pkw des Klägers ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Da der Kläger bereits Rundfunkgebühren für Geräte zahlt, die in seinem Haushalt zum Empfang bereit gehalten werden, handelt es sich bei dem Radio in seinem Pkw um ein Zweitgerät. Gemäß § 5 Abs. 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages vom 31.08.1991 (NdsGVBl Seite 311, 332) in der jeweils gültigen Fassung ist eine Rundfunkgebühr nicht zu leisten für weitere Rundfunkempfangsgeräte (Zweitgeräte), die von einer natürlichen Person oder ihrem Ehegatten in ihrer Wohnung oder ihrem Kraftfahrzeug zum Empfang bereit gehalten werden, ... Nach § 5 Abs. 2 Rundfunkgebührenstaatsvertrag gilt die Gebührenfreiheit nach Abs. 1 S. 1 nicht für Zweitgeräte in solchen Räumen oder Kraftfahrzeugen, die zu gewerblichen Zwecken oder zu einer anderen selbständigen Erwerbstätigkeit des Rundfunkteilnehmers oder eines Dritten genutzt werden, wobei es auf den Umfang der Nutzung der Rundfunkempfangsgeräte, der Räume oder der Kraftfahrzeuge zu den in Satz 1 genannten Zwecken nicht ankommt. Das Gericht ist der Überzeugung, dass der Kläger seinen (einzigen) Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen F. in dem streitbefangenen Zeitraum nicht zu gewerblichen Zwecken (seines landwirtschaftlichen Betriebes) genutzt hat.
Das Gesetz stellt zwar ausdrücklich klar, dass es auf den Umfang der gewerblichen Nutzung nicht ankommt; diese darf jedoch nach Auffassung des Gerichts nicht so gering sein, das sie praktisch zu vernachlässigen ist und damit bei lebensnaher Betrachtung die private Nutzung des Pkws nicht in Frage stellt (ebenso OVG Lüneburg, Beschluss vom 26.06.2007 - 4 LA 73/07 -). Die Rundfunkgebührenpflicht für Empfangsgeräte in geschäftlich genutzten Fahrzeugen trägt ersichtlich dem Umstand Rechnung, dass der geschäftliche Gewinn mit Hilfe des Fahrzeugs vermehrt wird. Deswegen darf die geschäftliche Nutzung eines Pkw ohne weiteres unterstellt werden, wenn die jeweiligen Geschäfte typischerweise - auch - mit dem Pkw erledigt werden (so auch VGH Mannheim, Urteil vom 14.04.1994 - 2 S 252/93 -, NVwZ-RR 1994, S. 611 [VGH Baden-Württemberg 14.04.1994 - 2 S 521/93]). Bei einem Landwirt, der über weitere Fahrzeuge verfügt, ist das jedoch nicht so. Er setzt beispielsweise seinen Pkw für die Zwecke des Betriebes ein, wenn er mit ihm landwirtschaftliche Helfer zu seinen Feldern befördert, wenn er damit landwirtschaftliche Erzeugnisse, Futtermittel, Düngemittel etc. transportiert oder wenn er mit ihm zu einem abgelegenen Feld fährt, um den Reifegrad der Feldfrüchte festzustellen. Dieses alles müsste in einem nennenswerten Umfang erfolgen. Fahrten zur Post, um Briefmarken zu kaufen oder Briefe in einen Briefkasten einzuwerfen, Fahrten zur Bank, um Geldgeschäfte zu tätigen oder Kontoauszüge zu holen, Fahrten zu Gerichtsterminen etc. sind bei dieser Betrachtung von vorneherein zu vernachlässigen, weil sich geschäftliche und private Nutzung des Pkw hierbei nicht trennen lassen und weil es sich um Fahrten handelt, die nur sporadisch vorkommen und deshalb von vornherein außer Betracht zu bleiben haben. Das Gericht ist unter Berücksichtigung des Akteninhalts und des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger seinen Pkw im streitbefangenen Zeitraum lediglich in unbedeutendem und damit zu vernachlässigendem Umfang für geschäftliche Zwecke benutzt hat.
Für die gegenteilige Auffassung des Beklagten streitet nicht der Umstand, dass der Kläger - auch - dieses Rundfunkgerät bei dem Besuch der Zeugin L. am 13.06.2005 (rückwirkend ab Juli 1994) angemeldet hat. Zwar hat nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Gerichts (vgl. etwa Urteil vom 27.10.2005 - 2 A 145/05 -) die Anmeldung eine gewisse Indizwirkung, weil im Regelfall davon ausgegangen werden kann, dass derjenige, der sie schriftlich abgibt, weiß was er tut; trägt er jedoch schlüssig vor, dass und worüber er sich bei der Abgabe der Erklärung geirrt hat und dass sie nicht dem wirklichen Sachverhalt entspricht, hat das Gericht festzustellen, ob der Gebührentatbestand tatsächlich vorliegt. Hier ist offensichtlich, dass der Kläger - der als Landwirt mit dem rundfunkgebührenrechtlichen Einzelheiten nicht vertraut ist - bei Abgabe der Anmeldung nicht gewusst hat, dass eine Rundfunkgebührenpflicht für das in seinem Pkw bereit gehaltene Zweitgerät nur dann besteht, wenn er den Pkw in nennenswertem Umfang für Zwecke seines landwirtschaftlichen Betriebes nutzt. Die Zeugin L. hat dazu erklärt, sie habe den Kläger darüber nicht aufgeklärt, weil sie davon ausgegangen sei, dass jeder Selbständige alle Fahrzeuge, die in seinem Besitz sind und in denen sich ein Radio befindet, anzumelden hat; dies habe sie bei einer Schulung erfahren, die ihrer Tätigkeit als Rundfunkgebührenbeauftragte vorangegangen sei. Da der Kläger selbständig und Halter eines Pkw war, hatte er keine Veranlassung, die von ihm erbetene Unterschrift unter das Anmeldeformular zu verweigern. Dafür, dass ihm die Rechtslage erst in der mündlichen Verhandlung klar geworden ist, spricht im übrigen der Inhalt der im Tatbestand wiedergegebenen Schriftsätze seiner Bevollmächtigten.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung mehrfach unterstrichen, dass er seinen Pkw nicht in nennenswertem Umfang für Zwecke seines landwirtschaftlichen Betriebes nutzt. Er hat erklärt, dass er ein Moped benutzt, wenn er etwa über die Felder fährt, um zu sehen, ob das Getreide bereits erntereif ist, was auch daran liege, dass die Feldwege zum Teil mit dem Pkw nicht gut zu befahren seien. Von Transportfahrten jedweder Art war überhaupt nicht die Rede; sie wurden von dem Vertreter des Beklagten auch nicht ins Gespräch gebracht. Während der Kläger nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage seine Rundfunkgebührenpflicht für das Empfangsgerät auf seinem Traktor letztlich anerkannt (und die Klage insoweit zurückgenommen) hat, hat er sich standfest geweigert, solches auch im Hinblick auf das Rundfunkgerät in seinem Pkw zu tun. Das Gericht hat keine Veranlassung, dem Kläger, der in der gesamten Verhandlung den Eindruck eines ehrlichen und gewissenhaften Menschen gemacht hat, nicht zu glauben. Zwar bestehen zwar gewisse Differenzen zwischen seinen Bekundungen und der Aussage der Zeugin, etwa was die Dauer des Gesprächs und dessen äußere Umstände angeht, diese sind jedoch mit unterschiedlicher Wahrnehmung und dem Zeitablauf (von über 2 Jahren) zu erklären.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 VwGO. Die ausgeworfene Kostenquote ist gerechtfertigt, weil der Kläger die Klage etwa in Höhe von 1/3 der insgesamt streitbefangenen Rundfunkgebühren zurückgenommen hat und der Beklagte im übrigen unterlegen ist; hinsichtlich des zurückgenommenen Teils der Klage findet eine Ermäßigung der Gerichtsgebühren gemäß Nr. 5111 des Kostenverzeichnisses zum GKG nicht statt, weil nicht das gesamte Verfahren durch Klagerücknahme beendet worden ist.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.