Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 21.08.2007, Az.: 4 B 112/07

Abschluss; Absolvierung; angemessener Zeitraum; Aufenthaltsbewilligung; Aufenthaltserlaubnis; Aufenthaltsgestattung; Ausland; Ausländer; Beendigung; Erteilung; Examen; Fachsemester; Regelstudienzeit; Semester; Student; Studienabschluß; Studiendauer; Studienzeit; Studierender ; Studium; Verlängerung; Versagung; Überschreitung; Überschreitung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
21.08.2007
Aktenzeichen
4 B 112/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 71939
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

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Der sinngemäße Antrag,

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die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, von der Abschiebung des Antragstellers abzusehen,

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hat keinen Erfolg.

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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Sicherung des Aufenthalts eines Ausländers in Deutschland erlassen werden, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile durch eine Aufenthaltsbeendigung von ihm abzuwenden (Sicherungsanordnung). Da nach Wesen und Zweck dieses Verfahrens eine vorläufige Regelung grundsätzlich nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen darf, kann die Verpflichtung einer Ausländerbehörde zum Absehen von einer Abschiebung - wie sie überwiegend im vorliegenden Fall begehrt wird - nur ausgesprochen werden, wenn der Ausländer die tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Duldungsanspruchs nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), den sogenannten Anordnungsanspruch, sowie weiterhin glaubhaft macht, er komme durch die Aufenthaltsbeendigung in eine existentielle Notlage, weshalb er auf sofortige gerichtliche Hilfe dringend angewiesen sei (sogenannter Anordnungsgrund).

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Wendet sich ein Ausländer gegen die Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 des AufenthG (Wegfall der sog. „Fiktionswirkung“ des § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG), so hat er hingegen um vorläufigen Rechtsschutz mittels eines Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Versagungsbescheid nach § 80 Abs. 5 VwGO nachzusuchen.

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In Anwendung der vorstehenden prozessualen Rechtsgrundsätze gilt Folgendes:

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Ein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Abschiebung durch die Antragsgegnerin scheitert am Fehlen eines Anordnungsanspruchs. Dass der Antragsteller nach § 60a AufenthG zu dulden wäre (also ein sog. inlandsbezogenes Abschiebungshindernis wie Krankheit, Reiseunfähigkeit, Suizidgefahr, etc. vorläge), behauptet nicht einmal er selbst. Seine Einwände gegen die angekündigte Abschiebung resultieren ausschließlich auf seiner Annahme, die Antragsgegnerin habe ihm nach § 16 AufenthG seine Aufenthaltserlaubnis zur Fortsetzung seines Studiums zu erteilen. Um dies zu erreichen, hätte er einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO und nicht einen (unzulässigen) Antrag nach § 123 VwGO stellen müssen. Da der Antragsteller anwaltlich vertreten, somit als rechtskundig zu behandeln ist und er zudem im Verfahren 4 B 51/07 vor der erkennenden Kammer bereits mit der Eingangsverfügung des Vorsitzenden auf die richtige Rechtsschutzmöglichkeit hingewiesen wurde, kommt eine Umdeutung des Antrages nicht in Frage.

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Aber auch dann, wenn man wegen der Begründung des Eilantrages und im Hinblick auf die parallel erhobenen Klage 4 A 111/07 ausnahmsweise von einer Zulässigkeit des Rechtsschutzgesuches ausginge, müsste der Antrag abgelehnt werden. Denn die Antragsgegnerin hat es im angefochtenen Bescheid vom 10.07.2007 ermessensfehlerfrei abgelehnt, die dem Antragsteller erstmals am 04.05.2005 zum Zwecke des Studiums nach § 16 Abs. 1 AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnis zu verlängern, weil die Annahme der Antragsgegnerin, dass der Aufenthaltszweck, der erfolgreiche Abschluss des Masterstudiengangs Agrarwissenschaften, nicht mehr in einem angemessenen Zeitraum erreicht werden könne, tragfähig ist. Das Vorbringen in der Antragsschrift vom 10.07.2007 führt zu keiner anderen Beurteilung.

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Ausländer, die für ein Studium an einer Hochschule oder einer vergleichbaren Ausbildungseinrichtung zugelassen sind, erhalten nach § 16 Abs. 1 Satz 2 AufenthG grundsätzlich eine Aufenthaltserlaubnis für eine Geltungsdauer von zwei Jahren. Die Aufenthaltserlaubnis kann um jeweils bis zu weiteren zwei Jahren verlängert werden, wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann. Nicht gesetzlich geregelt ist, was unter einem angemessenen Zeitraum zu verstehen ist. Entscheidend ist insoweit, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und der Normalzeitdauer für die Absolvierung des jeweiligen Studiums noch mit einem ordnungsgemäßen Abschluss gerechnet werden kann. Als Anhaltspunkt kann im Regelfall die durchschnittliche Studiendauer an der betreffenden Hochschule in dem jeweiligen Studiengang zu Grunde gelegt werden. Soweit diese um mehr als drei Semester überschritten ist, ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein ordnungsgemäßer Abschluss nicht mehr erwartet werden kann (vgl. Ziff. 16.1.3.3 Vorl. Nds. VV-AufenthG vom 30.11.2005; Hailbronner, AuslR, Stand: April 2005, A 1, § 16 RdNr. 28, Nds. OVG, B. v. 07.04.2006 - 9 ME 257/05 -, juris).

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Hiernach kann im Falle des Antragstellers nicht davon ausgegangen werden, dass der Aufenthaltszweck, also der Abschluss seines Masterstudiums Agrarwissenschaften, noch in einem angemessenen Zeitraum erreicht werden kann. Der Antragsteller, dem in einem Gesprächsvermerk zum Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (Bl. 8 der Beiakten) ausreichende Deutschkenntnisse attestiert wurden, hat im Sommersemester 2005 sein Studium in Deutschland aufgenommen. Die Regelstudienzeit beträgt 4 Semester, währenddessen 15 verschiedene Studienmodule (zu je 56 Lehrveranstaltungsstunden) erfolgreich, d.h. mit Leistungsnachweisen absolviert werden müssen (siehe Hinweise auf http://www.uni-goettingen.de/de/sh/42572.html). Der Antragsteller hat nach eigenen Angaben bislang keine einzige Prüfung abgelegt. Im kommenden Semester befindet er sich bereits im 6. Fachsemester, und hat somit die Regelstudienzeit bereits jetzt um 1 Semester überschritten. Nach Auskunft der Universität E. an die Antragsgegnerin vom 27.06.2007 (Bl. 109 der Beiakten) kann laut der Fakultät keine Aussage darüber getroffen werden, wann und ob mit einem Studienabschluss des Antragstellers zu rechnen ist. Dieser hätte nach eigener Aussage vor, „ab jetzt in das Studium einzusteigen“. Diese Aussage macht deutlich, dass der Antragsteller nicht nur die fehlenden Prüfungen ablegen muss, sondern auch noch Studienstoff sich erarbeiten muss. Dass er also innerhalb von weiteren zwei Semestern sämtliche Prüfungen erfolgreich wird abschließen können, hält die Kammer vor dem Hintergrund der Angaben des Antragstellers gegenüber der Universität für ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller weder gegenüber der Antragsgegnerin noch gegenüber dem Gericht glaubhaft erklärt hat, womit er sich die vergangenen 5 Semester beschäftigt hat. Hinzu kommt, dass er bereits mit „ausreichenden“ Deutschkenntnissen eingereist ist und die Aufenthaltserlaubnis im Jahre 2005 nicht etwa zum Erlernen der deutschen Sprache (§ 16 Abs. 5 AufenthG), sondern zum Studium erteilt wurde, was hinreichende Sprachkenntnisse voraussetzt. Deshalb greift der - auch insoweit nicht belegte - Einwand des Antragstellers, er habe sich erst mal um seine Sprachkenntnisse bemühen müssen, nicht. Das Studienziel Master der Agrarwissenschaften wird somit nicht in einem angemessenen Zeitraum im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 2 AufenthG erreicht werden, weshalb die Antragsgegnerin rechts- und ermessensfehlerfrei die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ablehnen durfte .

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Somit bedarf es keiner Erörterung mehr, ob die weitere Begründung für die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, nämlich das Nichtvorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wegen der beiden vom Antragsteller begangenen Straftaten (= „Kann-Ausweisungsgrund“), tragfähig ist.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG, wobei wegen der Bedeutung der Angelegenheit für den Antragsteller eine Reduzierung des Wertes im Hinblick auf die Vorläufigkeit der Entscheidung nicht in Betracht kommt.