Amtsgericht Holzminden
Beschl. v. 08.02.2006, Az.: 10 IK 96/02

Versagung der Rechtsschuldbefreiung in einem Verbraucherinsolvenzverfahren aufgrund einer Obliegenheitsverletzung des Schuldners; Verschweigen des Wegfalls einer unterhaltsberechtigten Person als Obliegenheitsverletzung

Bibliographie

Gericht
AG Holzminden
Datum
08.02.2006
Aktenzeichen
10 IK 96/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 34639
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHOLZM:2006:0208.10IK96.02.0A

Fundstellen

  • DZWIR 2006, 393-394 (Volltext mit red. LS)
  • NZI 2007, 37
  • ZVI 2006, 260-261 (Volltext mit red. LS)

Tenor:

In dem Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen der C., Beteiligt: als Treuhänderin Frau Rechtsanwältin M., als antragstellender Gläubiger: K. wird der Schuldnerin die Restschuldbefreiung versagt.

Die Schuldnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen nach einem Geschäftswert von 300,-- Euro.

Gründe

1

Die Entscheidung beruht auf § 296 I InsO und erfolgt auf Antrag des beteiligten Gläubigers.

2

Die Schuldnerin beantragte unter dem 4.12.2002 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 305 InsO.

3

Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss vom 14.2.2003 eröffnet und nach Abhaltung des Schlusstermins mit Beschluss vom 11.9.2003 aufgehoben.

4

Der Schuldnerin wurde Restschuldbefreiung angekündigt. (Beschluss vom 12.8.2003) Die bisherige Treuhänderin Rechtsanwältin M. wurde auch für die Wohlverhaltensperiode bestellt. Das Insolvenzverfahren wurde unter dem 11.9.2003 aufgehoben.

5

Mit Schreiben vom (ohne Datum) - bei Gericht eingegangen am 18.2.2005 - beantragte der in der Insolvenztabelle eingetragene Gläubiger K. die Versagung der Restschuldbefreiung.

6

Zur Begründung trug er vor, die Schuldnerin habe ihre Arbeitsstelle bei der Firma T. verloren, weil sie Geldbriefe geöffnet habe.

7

Das Gericht hat die Strafakten beigezogen. (AG Holzminden 5 Ds 19 Js 12970/04). Ausweislich des rechtskräftigen Urteils vom 31.8.2004 wurde die Schuldnerin wegen Verletzung des Postgeheimnisses in Tateinheit mit Unterschlagung in 62 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr auf Bewährung verurteilt worden. Dem Tatbestand des Urteils ist zu entnehmen, dass die Schuldnerin in der Zeit vom 7.11.2003 bis 28.1.2004 in 62 Fällen Bargeld aus Briefsendungen für sich entnommen hat. Diese Taten hatte die Schuldnerin bereits im Ermittlungsverfahren eingestanden.

8

Die Schulderin war seit dem 1.4.2003 im Taxi-Dienst für Herrn I. tätig. Der Arbeitsvertrag wurde von I. unter dem 9.2.2004 fristlos gekündigt. Die Kündigung wurde von der Schuldnerin akzeptiert.

9

Der Treuhänderin war das Arbeitsverhältnis der Schuldnerin bekannt. Es wurden keine Gelder eingezogen, weil der monatliche Nettoverdienst in jedem Monat unterhalt der Pfändungsfreigrenze des § 850 c ZPO lag. Dabei wurde der im Haushalt der Schuldnerin lebende Ehemann (N.K. ) als unterhaltsberechtigte Person berücksichtigt.

10

Ermittlungen des Gerichts haben ergeben, dass der Ehemann der Schuldnerin keine öffentlichen Gelder erhielt. Über etwaige sonstige Einkünfte dieser Person liegen keine Erkenntnisse vor.

11

Nach Angaben der Schuldnerin ist ihr Ehemann im Dezember 2003 aus der ehelichen Wohnung ausgezogen. Seitdem lebten sie getrennt. Auch für diesen Zeitraum konnten keine Einkünfte des Ehemann ermittelt werden. Der Ehemann soll nach Angaben der Schuldnerin von einem Onkel unterstützt worden sein. Zwischenzeitlich ist die Ehe rechtskräftig geschieden.

12

Der Versagungsantrag ist zulässig und begründet.

13

Der Antrag kann von dem Gläubiger nur innerhalb eines Jahres nach bekannt werden der Obliegenheitspflichtverletzung gestellt werden.

14

Diese Frist wurde vorliegend gewahrt, weil die Kündigung erst am 9.2.2004 bzw. das Urteil erst 31.8.2004 ausgesprochen wurde. Es ist nicht nachweisbar, dass der Gläubiger bereits vor dem 18.2.2004 - also 1 Jahr vor Eingang seines Antrages bei Gericht - Kenntnis von Kündigung und Straftaten hatte.

15

Die Schuldnerin hat gegen Obliegenheiten gem. § 295 InsO verstoßen.

16

Gem. § 295 I Ziffer 1 InsO hat sie während der Laufzeit der Abtretungserklärung eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben. Sie hat die fristlose Kündigung des seit 1.4.2003 bestehenden Arbeitsverhältnisses bei der Firma T. aufgrund eigener strafbarer Handlungen zu vertreten.

17

Weiterhin hat sie gegen § 295 I Nr. 3 InsO verstoßen. Danach war die Schuldnerin verpflichtet, gegenüber dem Gericht oder der Treuhänderin umfassend Auskunft über Ihre Einkommensverhältnisse zu erteilen und keine von der Abtretungserklärung erfassten Bezüge zu verheimlichen. Der Wegfall einer unterhaltsberechtigten Person hatte direkt Auswirkungen auf die pfändbaren Beträge des Arbeitseinkommens und führte vorliegend dazu, dass Teile des Einkommens an die Treuhänderin abzuführen waren.

18

Durch diese Obliegenheitspflichtverletzungen ist die Befriedigung der Gläubigerinteressen beeinträchtigt.

19

Für den Zeitraum bis Dezember 2003 liegt eine Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen nicht vor, weil das Einkommen der Schuldnerin unterhalb der Pfändungsfreigrenzen des § 850 c ZPO lag. Es wurden keine Beträge von der Treuhänderin eingezogen.

20

Mit der Trennung und dem Auszug ihres Ehemannes im Dezember 2003 hatten sich die tatsächlichen Verhältnisse der Schuldnerin geändert. Dem Ehemann wurde kein Unterhalt gewährt; dieser hat auch keinen Unterhalt geltend gemacht. Unterhaltspflichten gegenüber dem Ehemann waren mithin spätestens ab dem Monat Januar 2004 nicht mehr im Rahmen der Pfändungstabellen des § 850 c ZPO zu berücksichtigen. Dort kommt es nicht auf eine gesetzlich etwa noch bestehende Unterhaltsverpflichtung im Rahmen der Ehe an, sondern auf eine tatsächliche Unterhaltsgewährung. Im übrigen hat der ausgezogene Ehegatte keinen Anspruch auf rückständigen Unterhalt, wenn er diesen von der Schuldnerin nicht für den aktuellen Monat geltend macht und damit fällig stellt.

21

Ausweislich der vorliegenden Verdienstbescheinigungen Firma T. betrug der Bruttoverdienst im Januar 2004 1.330,-- Euro; ausgezahlt wurden 1.049,37 Euro. Im Februar betrug der Verdienst lediglich 434,80 (343,06 Euro netto), weil zum 9.2. fristlos gekündigt wurde.

22

Nach der Pfändungstabelle zu § 850 c ZPO wären für den Monat Januar 2004 77,-- Euro an die Treuhänderin zu zahlen gewesen. Dies ist nicht geschehen, weil die Schuldnerin die Treuhänderin nicht darüber informiert hat, dass sie ihrem Ehemann keinen Unterhalt mehr gewährt.

23

Eine Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass pfändbare Bezüge zunächst auf die offenen Verfahrenskosten hätten angerechnet werden müssen.

24

Nach dem festgestellten Sachverhalt ist davon auszugehen, dass die Schuldnerin ihre Erwerbstätigkeit bei der Firma T. auf unbestimmte Zeit hätte fortsetzen können, wenn sie die strafbaren Handlungen nicht begangen hätte.

25

Für die Folgemonate hätten sich weitere pfändbare Bezüge ergeben. Theoretisch hätte die Schuldnerin ihre Arbeitsstelle auch aus anderen Gründen verlieren können. Im Rahmen einer Entscheidung gem. § 296 I 1 InsO kann aber nur der im Zeitpunkt der Obliegenheitspflichtverletzung abgestellt werden. Dies ergibt sich aus der Verknüpfung von Pflichtverletzung und Gläubigerbeeinträchtigung ("dadurch").

26

Der Schuldner könnte sich auf einen Fortfall der Erwerbsmöglichkeit nur dann berufen, wenn die Gründe dafür schon im Zeitpunkt der Entscheidung bekannt und nachprüfbar sind. Anderenfalls käme eine Versagung der Restschuldbefreiung bei schuldhaftem Verlust einer Erwerbsmöglichkeit niemals in Betracht.

27

Weiterhin sieht das Gericht auch bei Anrechnung pfändbarer Bezüge auf die Verfahrenskosten eine Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung, weil die Verfahrenskosten regelmäßig vorrangig zu bedienen sind. Die Verteilung an die Insolvenzgläubiger setzt erst dann ein, wenn die Verfahrenskosten vollständig ausgeglichen sind. Eine möglichst frühzeitige Ablösung der Verfahrenskosten durch Schaffung pfändbarer Bezüge liegt deshalb regelmäßig im Interesse aller Insolvenzgläubiger.

28

Der Schuldnerin wurde für das Restschuldbefreiungsverfahren bisher keine Verfahrenskostenstundung bewilligt. Eine Entscheidung gem. § 4 c InsO war deshalb entbehrlich.

29

Die Schuldnerin hat als Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.

30

Als Geschäftswert wurde der Mindestwert in Insolvenzsachen angesetzt, weil sich bisher keine freie Verfahrensmasse ergeben hatte.

31

Holzminden, den 8.2.2006

Kühn, RiAG