Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 25.02.1993, Az.: 3 W 74/92

Androhnung eines Ordnungsgeldes wegen Störungen des Benutzungsrechts an einer in einem Haus gelegenen Bodenkammer; Sofortige weitere Beschwerde in einem Zwangsvollstreckungsverfahren; Zwangsvollstreckung eines Unterlassungsanspruchs auf die Beeinflussung künftigen Verhaltens

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
25.02.1993
Aktenzeichen
3 W 74/92
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1993, 18383
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1993:0225.3W74.92.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Braunschweig - 04.08.1992 - AZ: 119 C 547/91
LG Braunschweig - 21.10.1992 - AZ: 6 T 53/92

Fundstelle

  • WuM 1995, 196-197 (Volltext mit amtl. LS)

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluß des Landgerichts Braunschweig vom 21. Oktober 1992 aufgehoben und der Ordnungsgeldbeschluß des Amtsgerichts Braunschweig vom 4. August 1992 wiederhergestellt.

Dem Schuldner werden die Kosten des gesamten Verfahrens auferlegt.

Der Wert für die Beschwerdeverfahren wird auf jeweils 1.000,- DM festgesetzt.

Gründe

1

Durch Urteil vom 27.5.1991 verurteilte das Amtsgericht Braunschweig den Schuldner unter Androhung eines Ordnungsgeldes, Störungen des Benutzungsrechtes der Gläubigerin an einer im Hause ... in ... gelegenen Bodenkammer zu unterlassen sowie der Gläubigerin den im selben Hause gelegenen Spitzboden weiterhin als Trockenboden zur Verfügung zu stellen sowie Störungen des Benutzungsrechts zu unterlassen. Durch Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 20.12.1991 wurde die Berufung des Schuldners gegen das amtsgerichtliche Urteil verworfen.

2

Mit Beschluß vom 19.8.1991 hatte das Amtsgericht gegen den Schuldner ein Ordnungsgeld in Höhe von 3.500,- DM festgesetzt, weil er gegen Anordnungen des Urteils vom 27.5.1991 verstoßen hatte. Mit Beschluß vom 31.1.1992 ermäßigte das Landgericht das Ordnungsgeld auf 500,- DM.

3

Mit Schreiben vom 5.2.1992 baten die Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin die Anwälte des Schuldners, diesen zu veranlassen, einen passenden Schlüssel zum Bodenbereich bis spätestens 18.2.1992 zur Verfügung zu stellen. Nach fruchtlosem Fristablauf hat die Gläubigerin mit Schriftsatz vom 16.3.1992 beantragt, gegen den Schuldner ein weiteres Ordnungsgeld festzusetzen. Diesem Antrag hat das Amtsgericht entsprochen, indem es durch Beschluß vom 4.8.1992 gegen den Schuldner ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,- DM, ersatzweise für je 100,- DM einen Tag Ordnungshaft, festgesetzt hat. Zuvor war die Gläubigerin durch Urteil des Landgerichts vom 3.7.1992 unter teilweiser Abänderung des klageabweisenden Teilurteils des Amtsgerichts vom 10.12.1991 verurteilt worden, die Bodenkammer und den Spitzboden bis zum 31.7.1992 zu räumen und an den Schuldner herauszugeben.

4

Auf die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht den Beschluß des Amtsgerichts vom 4.8.1992 abgeändert und den Antrag der Gläubigerin auf Festsetzung eines erneuten Ordnungsgeldes zurückgewiesen. Gegen diesen ihr am 29.10.1992 zugegangenen Beschluß hat die Gläubigerin am 10.11.1992 sofortige weitere Beschwerde eingelegt und beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Ordnungsgeldbeschluß des Amtsgerichts vom 4.8.1992 wiederherzustellen.

5

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig und begründet. Nach § 793 Abs. 2 ZPO - angefügt durch Rechtspflegevereinfachungsgesetz vom 17.12.1990 (BGBl. I S. 2847) - findet in Zwangsvollstreckungsverfahren die sofortige weitere Beschwerde statt, sofern - wie hier - das Landgericht über die Beschwerde entschieden hat und soweit, das Gesetz nicht etwas anderes bestimmt. Die weitere Beschwerde ist demnach nur bei neuem selbständigen Beschwerdegrund zulässig (§ 568 Abs. 2 S. 2 ZPO), dagegen ist sie kraft anderer gesetzlicher Bestimmung ausgeschlossen bei Beschwerdeentscheidungen über Kosten (§ 568 Abs. 4 ZPO) und zum Beispiel nach §§ 30 b Abs. 3 Satz 2, 74 a Abs. 5 Satz 2 ZVG, § 189 Abs. 3 KO (vgl. Zöller/Schneider, ZPO, 17. Aufl. 1991, § 793 Rdn. 8). Ein neuer selbständiger Beschwerdegrund ist hier gegeben, da das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluß abgeändert und den Antrag der Gläubigerin auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes abgewiesen hat.

6

Der Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Ordnungsgeldbeschlusses vom 4.8.1992 steht nicht entgegen, daß die Gläubigerin durch Urteil des Landgerichts vom 3.7.1992 verurteilt worden ist, die Bodenkammer und den Spitzboden bis zum 31.7.1992 zu räumen. Zwar vertritt eine Mindermeinung die Auffassung, daß Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach § 890 Abs. 1 ZPO ausnahmslos nicht mehr angeordnet werden dürfen, wenn der Titel nach der Zuwiderhandlung aufgehoben wird oder aus sonstigen Gründen seine Wirkungen entfallen (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 17. Aufl., § 890 Rdn. 9 a m.N.; OLG Düsseldorf MDR 1987, 855; OLG Schleswig JurBüro 1988, 871 m.N. zum Meinungsstand). Demgegenüber unterscheidet die herrschende Meinung, der sich der Senat anschließt, zwischen der Unwirksamkeit des Titels ex tunc und ex nunc. Wird der Vollstreckungstitel rückwirkend beseitigt, so sind die Festsetzung wie die Vollstreckung eines Ordnungsmittels wegen eines vor der Aufhebung begangenen Verstoßes ausgeschlossen. Entfällt der Titel dagegen, zum Beispiel durch Prozeßvergleich oder Erledigung, für die Zukunft, so ist wegen etwaiger Zuwiderhandlungen vor dem Wegfall die Festsetzung und auch die Vollstreckung eines Ordnungsmittels möglich (vgl. Schilken in Münchener Kommentar, ZPO, 1992, § 890 Rdn. 15 mit zahlreichen Nachweisen). Die Mindermeinung übersieht die Doppelnatur der Sanktion nach § 890 Abs. 1 ZPO. Zwar trifft es zu, daß die Zwangsvollstreckung eines Unterlassungsanspruchs auf die Beeinflussung künftigen Verhaltens des Schuldners ausgerichtet ist und daß es bei Wegfall des Titels keine Unterlassungspflicht mehr gibt, der der Schuldner zuwiderhandeln könnte (so insbesondere OLG Düsseldorf MDR 1987, 855). Daneben enthält § 890 Abs. 1 ZPO jedoch auch in der heutigen Fassung strafrechtliche Elemente (BVerfG NJW 1981, 2457). Der Schuldner wird auf Antrag des Gläubigers dafür zur Rechenschaft gezogen, daß er sich über einen Unterlassungsanspruch hinweggesetzt und den Gläubiger in seinen Rechten trotz eines entgegenstehenden Gebots oder Verbots beeinträchtigt hat.

7

In der vorliegenden Sache bestanden für den Schuldner die sich aus dem Urteil des Amtsgerichts vom 27.5.1991 ergebenden Verpflichtungen bis zum Ablauf des 31.7.1992. Die Erledigung der Unterlassungspflichten ist demnach erst am 1.8.1992 eingetreten, so daß die vorher begangenen Zuwiderhandlungen des Schuldners zu ahnden sind. Der Schuldner ließ der Gläubigerin - nach einem mißlungenen Versuch vom 8.4.1992 - den für den Bodenbereich passenden Schlüssel erst am 10.4.1992 aushändigen. Durch seine zumindest bis dahin bestehende Weigerung, der Gläubigerin die Benutzung der Bodenkammer und des Spitzbodens zu ermöglichen, verstieß er in erheblichem Maße gegen die Anordnungen des Urteils vom 27.5.1991. Insoweit ist bei der Bemessung des Ordnungsgeldes zu berücksichtigen, daß der Schlüsselübergabe vom 10.4.1992 der Ordnungsgeldbeschluß des Landgerichts vom 31.1.1992 über 500,- DM und die erfolglose Aufforderung, den Schlüssel bis spätestens zum 18.2.1992 zur Verfügung zu stellen, vorausgegangen waren. Ferner erfolgte die Schlüsselübergabe erst, nachdem die Gläubigerin mit Schriftsatz vom 16.3.1992 den Antrag auf Festsetzung eines weiteren Ordnungsgeldes gestellt hatte und nachdem der Schuldner mit Schreiben des Amtsgerichts vom 30.3.1992 aufgefordert worden war, das Ordnungsgeld von 500,- DM binnen zwei Wochen zu zahlen. Unter diesen Umständen ist, entgegen der Auffassung des Landgerichts, ein erhebliches Verschulden des Schuldners festzustellen, das die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 1.000,- DM durchaus rechtfertigte.

8

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO (BGH NJW-RR 1989, 125).

Streitwertbeschluss:

Der Wert für die Beschwerdeverfahren wird auf jeweils 1.000,- DM festgesetzt.