Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 23.02.1993, Az.: 4 U 38/92
Notarieller Kaufvertrag mit Verpflichtung zur Zahlung einer Maklerprovision als Vertrag zugunsten Dritter; Wegfall eines Provisionsanspruchs durch Ausübung eines Rücktrittsrechts von einem Kaufvertrag; Aufklärungspflicht und Hinweispflicht auf die Verpflichtung einer Provisionszahlung trotz Ausübung eines Rücktrittsrechts
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 23.02.1993
- Aktenzeichen
- 4 U 38/92
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1993, 17111
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:1993:0223.4U38.92.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - 03.09.1992 - AZ: 4 O 106/92
Rechtsgrundlagen
- § 334 BGB
- § 652 BGB
In dem Rechtsstreit
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 1993
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
die Richterin am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Landgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts ... vom 03.09.1992 - 4 O 106/92 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer der Klägerin beträgt 15.390,- DM.
Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 511, 511 a, 516, 518, 519 ZPO zulässige Berufung ist unbegründet.
Dies gilt ungeachtet der Frage, ob der zwischen der Beklagten und Herrn ... geschlossene notarielle Kaufvertrag vom 10.05.1991 im Hinblick auf die Zahlung der Maklerprovision als Vertrag zugunsten Dritter anzusehen ist mit der Folge eines Wegfalls der Provisionspflicht gemäß § 334 BGB. Denn auch dann, wenn man von einer bloß äußeren Verknüpfung zwischen dem notariellen Kaufvertrag und dem zwischen den Parteien geschlossenen Maklervertrag ausgeht, steht der Klägerin ein Provisionsanspruch gemäß § 652 BGB nicht zu.
Zwar läßt sich nicht ohne weiteres feststellen, ob die hier erfolgte Ausübung eines vertraglichen Rechts zum Rücktritt vom notariellen Kaufvertrag ohne weiteres auch zum Wegfall des Provisionsanspruchs eines Maklers führt. Dies ist vielmehr von einer Auslegung des Rücktrittsrechts und der gesamten vertraglichen Vereinbarung abhängig (vgl. BGH DNotZ 92, 411, 413; BGH WM 77, 21, 22 f). Darauf kommt es hier jedoch nicht an. Denn selbst wenn die Auslegung hier nicht zu einem Wegfall des Provisionsanspruchs führt, kann die Klägerin keine Zahlung der Provision verlangen. Die Beklagte beruft sich nämlich für diesen Fall zu Recht auf den Einwand der Arglist gemäß § 242 BGB.
Die Geltendmachung des Provisionsanspruchs durch die Klägerin verstößt gegen Treu und Glauben. Die Ausübung eines Rechts ist in der Regel dann rechtsmißbräuchlich, wenn der Berechtigte es durch ein gesetz-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erworben hat (vgl. BGHZ 57, 108, 111 [BGH 06.10.1971 - VIII ZR 165/69]; Palandt-Heinrichs, BGB, 52. Aufl., RdNr. 43 zu § 242). Ferner muß der Verpflichtete hierdurch einen Schaden erlitten oder der sittenwidrig Handelnde einen Vorteil erlangt haben (vgl. BGH LM cd Nr. 226 zu § 242 BGB).
Dies ist hier der Fall. Die Klägerin hat den vertraglichen Anspruch auf Zahlung einer Maklerprovision, der gemäß § 6 des notariellen Vertrages vom 10.05.1991 mit Abschluß dieses Vertrages fällig wurde, unter Verletzung der ihr obliegenden Aufklärungs- und Hinweispflichten erlangt. Zwischen einem Makler und seinem Auftraggeber besteht ein besonderes Treueverhältnis; der Makler ist danach verpflichtet, dem Auftraggeber alle ihm bekannten Umstände, die sich auf den Geschäftsabschluß beziehen und für die Willensentschließung des Auftraggebers wesentlich sein könnten, mitzuteilen (vgl. BGH WM 70, 1270). Diese Verpflichtung hat die Klägerin verletzt. Denn sie hat es unterlassen, die Beklagte und ihren Ehemann, den Zeugen ... darauf hinzuweisen, daß ihre Verpflichtung zur Zahlung der Maklerprovision bei Ausübung des vertraglichen Rücktrittsrechts nicht ohne weiteres entfallen würde. Hierüber hätte die Klägerin die Beklagte aufgrund der ihr obliegenden Treuepflicht aufklären müssen. Denn die Frage des Fortbestandes der Provisionsforderung bei einem Scheitern des notariellen Kaufvertrages stellte einen für die Entschließung der Eheleute ... maßgeblichen Umstand dar. Dies ergibt sich aus den allen Beteiligten bekannten besonderen Risiken des notariellen Kaufvertrages. Dessen Durchführung war deshalb problematisch, weil zum einen die Zustimmung des Miteigentümers ..., der unbekannten Aufenthaltes war, zum damaligen Zeitpunkt noch fehlte und zum anderen die Berechtigten des in Abteilung II Nr. 3 eingetragenen Wohnungsrechts eine Löschungsbewilligung noch nicht erteilt hatten. Aus diesem Grunde ist, wie der Notar ... als Zeuge glaubhaft bekundet hat, der Rücktrittsvorbehalt in § 2 des notariellen Kaufvertrages aufgenommen worden. Der Notar hat darüber hinaus den Ehemann der Beklagten auf die Schwierigkeiten bei der Erlangung der Zustimmung des Miteigentümers hingewiesen. Angesichts dieser Risiken lag den Eheleuten ... daran, das Haus nur zu erwerben, wenn Rechte Dritter nicht mehr bestanden. Dies hat der Zeuge ... glaubhaft bekundet.
In dieser Situation lag es in besonderem Maße im Interesse der Beklagten, in den Vertrag, soweit er die Maklerprovision betraf, eine Regelung für den Fall des Scheiterns des notariellen Kaufvertrages aufzunehmen. Ein redlicher Makler hätte angesichts der allen Beteiligten bekannten erheblichen Zweifel an der Durchführung des Kaufvertrages den Kunden darauf hingewiesen, daß die in § 6 des notariellen Vertrages enthaltene Fälligkeitsregelung dieser Interessenlage nicht gerecht wurde. Das gilt hier um so mehr, als die Maklerprovision mit 15.390,- DM eine beträchtliche Höhe erreichte und die Beklagte, zum Zeitpunkt der Beurkundung polnische Staatsangehörige, über keine Erfahrungen bei der Formulierung notarieller Verträge in deutscher Sprache verfügte. Daß die Klägerin die Beklagte auf das Risiko einer Zahlungspflicht bei Ausübung des Rücktrittsvorbehalts nicht hingewiesen hat, ergibt sich aus dem unstreitigen Parteivorbringen. Die Beklagte hat hierzu erklärt, sie sei davon ausgegangen, daß sie nach der Fassung des notariellen Vertrages zur Zahlung der Maklerprovision nur bei Durchführung des notariellen Kaufvertrages verpflichtet sei. Auch die Klägerin behauptet nicht, die Beklagte auf das Risiko der Zahlung einer Maklerprovision im Fall des Scheiterns des notariellen Kaufvertrages hingewiesen zu haben. Sie hat lediglich erklärt, der Maklerlohn habe mit Abschluß des Kaufvertrages fällig werden sollen, und sie gebe üblicherweise einem Notar vor Abschluß des notariellen Vertrages Anweisung, die Klausel in dieser Form mit in den Vertrag aufzunehmen. Anläßlich der Beurkundung sei über die Provision nicht mehr gesprochen worden.
Die weitere Voraussetzung des Arglisteinwandes, nämlich ein sittenwidrig erlangter Vorteil der Klägerin, liegt vor. Diese hat durch ihr unredliches Verhalten einen Anspruch auf Zahlung der Maklerprovision schon mit Abschluß des später nicht durchgeführten notariellen Kaufvertrages vom 10.05.1991 erlangt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97, Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert der Beschwer der Klägerin beträgt 15.390,- DM.