Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 05.11.1999, Az.: 1 B 3140/99
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss zur Errichtung eines Emssperrwerkes; Prüfungsmaßstab beim Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung); Regelungsbereich des § 75 Abs. 1a VwVfG (Verwalungsverfahrensgesetz); Zulässige Nachholung von Schutzauflagen im Sinne des § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG (Verwaltungsverfahrensgesetz); Rechtswirkungen eines Raumordnungsverfahrens nach dem Niedersächsischen Raumordnungs- und Landesplanungsgesetz (NROG) im Hinblick auf die Planungshoheit der Gemeinde
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 05.11.1999
- Aktenzeichen
- 1 B 3140/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 18393
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:1999:1105.1B3140.99.0A
Rechtsgrundlagen
- § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO
- § 80 Abs. 5 VwGO
- § 74 Abs. 2 VwVfG
- § 75 Abs. 1a VwVfG
- § 19 Abs. 1 NROG
- § 22 Abs. 5 NROG
- § 22 Abs. 6 NROG
- Art. 28 Abs. 1 GG
Fundstelle
- NuR 2000, 405-406
Verfahrensgegenstand
Planfeststellung für das Emssperrwerk
Prozessführer
1. Stadt L. ,
vertreten durch den Bürgermeister,
2. Stadtwerke L. GmbH,
vertreten durch den Geschäftsführer
Proz.-Bev.:zu 1-2: Rechtsanwälte Ziegert und andere,
Prozessgegner
die Bezirksregierung Weser-Ems, Theodor-Tantzen-Platz 8, 26106 Oldenburg
Proz.-Bev.:Rechtsanwälte Stüer und andere, Schützenstr. 21, 48143 Münster
Sonstige Beteiligte
L. GmbH ,
Proz.-Bev.: 1: Rechtsanwälte Hühne und Partner, Jahnstraße 1, 26122 Oldenburg
2: Rechtsanwälte Füßer und andere, Thomaskirchhof 17, 04109 Leipzig,
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss kann nicht im Eilverfahren wieder hergestellt werden, wenn erhebliche Mängel der Abwägung durch nachträgliche Nebenbestimmungen behoben werden können; der Betroffene kann in der Hauptsache lediglich eine Verpflichtungsklage auf entsprechende Ergänzung der Planung erheben.
Maßgeblich ist dabei, ob der festgestellte Mangel nachträglich durch Schutzauflagen im Sinne des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG (Verwaltungsverfahrensgesetz) behoben werden kann und dieser für die Planungsentscheidung nicht von so großem Gewicht ist, dass hierdurch die Ausgewogenheit der Gesamtplanung in Frage gestellt wäre. Dies ist der Fall, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass sich die Behörde in Kenntnis notwendiger Ergänzungen des Planes von solchen Abweichungen hätte beeindrucken lassen und deshalb eine andere Entscheidung getroffen hätte.
Die Nachholung der Schutzauflage scheidet ferner aus, wenn in dem Interessengeflecht der Planung nunmehr andere bisher nicht berührte Belange nachteilig betroffen sind.
- 2.
Ein Anspruch einer Gemeinde auf Durchführung eines Raumordnungsverfahrens mit einer letztlich nicht rechtsverbindlichen Planungsentscheidung besteht nicht.
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 1. Kammer -
am 05. November 1999
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Gründe
I.
Die Antragstellerinnen wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss zur Errichtung eines Emssperrwerks.
Am 15. August 1997 beantragte die Antragsgegnerin, die eine "Projektgruppe Bau eines Emssperrwerks" gebildet hatte, deren Aufgaben zum 01. Januar 1998 auf den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz (NLWK) übergegangen sind, bei sich die Feststellung eines Planes zur Errichtung eines Emssperrwerks. Nach den Unterlagen soll das Sperrwerk bei Stromkilometer 32,2 zwischen G. im Norden und N. im Süden hergestellt werden und eine Länge von 477 m aufweisen. Der Anschluss an die vorhandenen Hauptdeiche erfolgt durch Flügeldeiche, die 140 und 350 m lang sind. Es waren eine 60 m breite Hauptschifffahrtsöffnung, eine Binnenschifffahrtsöffnung sowie weitere sechs Nebenöffnungen jeweils mit einer Breite von 50 m vorgesehen. Ferner sollen Betriebs- und Informationsgebäude sowie Zufahrten hergestellt werden.
Das Emssperrwerk soll der Kehrung von Sturmfluten, die höher als NN +3,70m auflaufen, dienen, sowie dem Aufstau der Ems, deren mittleres Tidehochwasser zwischen 1,60m und 1,70m über NN aufläuft, bis zu einer Höhe von NN +2,70 m. Letzteres soll insbesondere die Überführung von Kreuzfahrtschiffen mit einem Tiefgang bis zu 8,50 m ermöglichen, die auf der Werft der Beigeladenen in Papenburg gefertigt werden.
Der Antrag umfasste ferner die Errichtung eines Liegeplatzes für das zu überführende Schiff oberhalb des Sperrwerks, die Errichtung eines Schöpfwerkes am L.-sperrwerk mit einer Pumpleistung von 30 cbm/s bei L. sowie die Gewinnung und Verklappung von Baggergut in der Ems.
In der Zeit vom 15. Dezember 1997 bis zum 05. Februar 1998 haben an insgesamt 15 Tagen Erörterungstermine stattgefunden. Daraufhin hat die Antragsgegnerin zu verschiedenen Fragen neue Gutachten eingeholt.
Am 29. Mai 1998 änderte der NLWK den Planfeststellungsantrag in einigen Punkten ab. Das Sperrwerk soll eine Länge von 476 m haben. Die fünf südlichen jeweils 50 m breiten Nebenöffnungen sollen durch vier Öffnungen mit einer Breite von je 63,50 m ersetzt werden. Ferner sollen die beiden Nebenöffnungen nördlich und südlich der Schifffahrtsöffnungen statt Drehsegmentverschlüssen nunmehr Hubtore aufweisen. Darüber hinaus sind oberhalb und unterhalb des Sperrwerks zwei Liegestellen für den allgemeinen Schiffsverkehr vorgesehen. Schließlich soll das Schöpfwerk im L.-Sperrwerk eine Pumpkapazität von 40cbm/s erreichen.
Am 16. Juli 1998 beantragte der NLWK bei der Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses, soweit das Sperrwerk zum Zwecke der Sturmflutkehrung errichtet werden soll.
Mit Bescheid vom 14. August 1998 stellte die Antragsgegnerin den Plan für die Errichtung des Emssperrwerks fest und ordnete in dem beantragten Umfang die sofortige Vollziehung an.
Die Nebenbestimmungen sehen u.a. vor, dass ein Aufstau der Ems bis zu einer Höhe von 1,75 m über NN ganzjährig zulässig ist, jedoch die Dauer von 12 Stunden nicht überschreiten darf. In der Zeit vom 16. September bis 14. März darf die Ems in höchstens 52 Stunden bis zur Wasserhöhe von 2,70 m über NN aufgestaut werden. Insgesamt ist der Aufstau pro Jahr auf 104 Stunden beschränkt.
Am 16. September 1998 haben die Antragstellerinnen gegen den Planfeststellungsbeschluss Klage erhoben (1 A 3570/98). Auf ihren am 4. Februar 1999 gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat die beschließende Kammer mit Beschluss vom 25. März 1999 - 1 B 404/99 - die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerinnen wiederhergestellt, soweit der Sofortvollzug angeordnet war. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, dass viel dafür spreche, dass der Sofortvollzug nicht teilweise angeordnet werden dürfe, es also bei der aufschiebenden Wirkung der Klage verblieben sei.
Der hiergegen gerichtete Antrag der Antragsgegnerin auf Zulassung der Beschwerde ist mit Beschluss des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 19. Juli 1999 - 3 M 1922/99 - abgelehnt worden.
Am 22. Juli 1999 erließ die Antragsgegnerin, gestützt auf § 75 Abs. 1a VwVfG, einen als Planergänzungsbeschluss bezeichneten Bescheid. In diesem ist - entsprechend einem Antrag des NLWK vom 7. Mai 1999 - insgesamt die sofortige Vollziehung angeordnet worden. In der Sache enthält er eine neue Verträglichkeitsprüfung im Hinblick auf die durch das Vorhaben betroffenen europäischen Schutzgebiete. Außerdem sind verschiedene Alternativen zu dem Vorhaben untersucht worden, insbesondere die Möglichkeit von Deicherhöhungen an der Ems. In dem Bescheid ist zudem vorbehalten, dass eine Auflage für eine 10 ha große Ausgleichsfläche zum Zwecke des Vogelschutzes festgesetzt wird.
Der ebenfalls am 22. Juli 1999 gestellte Antrag der Antragsgegnerin auf Abänderung des Beschlusses vom 25. März 1999 ist mit Beschluss der Kammer vom 9. August 1999 - 1 B 2773/99 - als unzulässig abgelehnt worden. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass der erneuten Anordnung der sofortigen Vollziehung die Bindungswirkung der früheren Entscheidung der Kammer nicht entgegenstehe.
Am 11. August 1999 haben die Antragstellerinnen ihre o.g. Klage auch auf den Planergänzungsbeschluss der Antragsgegnerin erweitert.
Am 25. August 1999 haben die Antragstellerinnen erneut um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.
Die Antragstellerinnen beantragen,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage - 1 A 3570/98 - gegen den Planfeststellungsbeschluss der Antragsgegnerin vom 14. August 1998/22. Juli 1999 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen jeweils,
den Antrag abzulehnen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens und der Sachen 1 A 3570/98, 1 B 404/99 und 1 B 2773/99 sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Der Antrag der Antragstellerinnen ist nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig. Danach kann das Verwaltungsgericht für den Fall, dass die Behörde - wie hier die Antragsgegnerin - nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung eines Bescheides anordnet, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wiederherstellen.
Der Aussetzungsantrag ist auch nicht deshalb unstatthaft, weil - worauf noch näher einzugehen sein wird - vielen Bedenken der Antragstellerinnen durch den Einbau einer Schleuse in das Emssperrwerk und damit durch eine nachträgliche Schutzauflage gem. § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG Rechnung getragen werden kann. Vorläufiger Rechtsschutz ist zwar in einem solchen Falle nur durch eine einstweilige Anordnung gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu gewähren (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1999 - 11 VR 8/98 - NVwZ 1999, 650). Ausreichend ist indes im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung, dass es nach dem Vortag der Antragstellerinnen nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass sich das Begehren auch insoweit gegen den Planfeststellungsbeschluss als solchen richtet und die Voraussetzungen für eine nachträgliche Schutzauflage nicht vorliegen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. April 1998 - 11 VR 13/97 - NVwZ 1998, 1070 [BVerwG 01.04.1998 - 11 VR 13/97]). Außerdem machen die Antragstellerinnen mehrere Gesichtspunkte geltend, die zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führen können.
Die in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis der Antragstellerin zu 1) ergibt sich daraus, dass sie zum einen im wesentlichen vorträgt, das Fehlen einer Schleuse im Emssperrwerk erschwere die Verwirklichung der Flächennutzungs- und Bebauungspläne für ihr Hafengebiet erschwert, weil die dort ansässigen Betriebe auf eine ständige Befahrbarkeit von Ems und Leda angewiesen seien. Damit macht sie für die Zulässigkeitsprüfung in ausreichender Weise geltend, dass eine hinreichend bestimmte Planung nachhaltig gestört und somit ihre auf Art. 28 Abs. 2 GG beruhende Planungshoheit beeinträchtigt wird (vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996 - 4 C 14.95 - UPR 1997, 292; Urteil vom 27. März 1992 - 7 C 18.91 - BVerwGE 90, 96, 100) [BVerwG 27.03.1992 - 7 C 18/91]. Dies geht über die bloße - der Gemeinde nicht zustehende (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996 aaO) - Geltendmachung von Interessen der Gewerbetreibenden in dem Hafengebiet hinaus. Zum anderen bringt die Antragstellerin zu 1) vor, dass in ihrem Eigentum stehende Hafenflächen in ihrer Nutzbarkeit im Staufall beeinträchtigt würden. Diese Interessen kann sie ebenfalls als abwägungserheblichen Belang geltend machen (vgl. BVerwG, aaO).
Die Antragsbefugnis der Antragstellerin zu 2) folgt daraus, dass sie den Hafen im Gebiet der Antragstellerin zu 1) für diese betreibt und dort auch Eigentümerin von Grundstücken ist.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist jedoch nicht begründet.
Maßgeblich ist, ob das geltend gemachte öffentliche Interesse, bereits vor der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses das Emssperrwerk zu errichten und zu betreiben, das Interesse der Antragstellerinnen daran, dass der Bescheid bis zum Abschluss des Klageverfahrens nicht ausgeführt wird, überwiegt. Bei dieser Interessenabwägung sind mit der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen Zurückhaltung die Aussichten des Begehrens im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Bei einer erfolgversprechenden Klage würde das Suspensivinteresse der Antragstellerinnen jedes denkbare öffentliche Vollzugsinteresse überwiegen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist dagegen in aller Regel unbegründet, wenn die Klage im Verfahren zur Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
Die Kammer ist zu der Auffassung gelangt, dass die Klage der Antragstellerinnen voraussichtlich jedenfalls insoweit unbegründet sein wird, soweit sie gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 14. August 1998/22. Juli 1999 im Ganzen gerichtet ist. Denn der Planfeststellungsbeschluss weist wahrscheinlich jedenfalls nicht solche Mängel auf, die die Antragstellerinnen rügen können und zu dessen Aufhebung bzw. - im Hinblick auf die nach § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG eingeschränkte Kassationsbefugnis der Verwaltungsgerichte - zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 1. April 1998 aaO; Urteil vom 21. März 1996 - 4 C 19.94 - DVBl. 1996, 907, 908) führen. Auch letzteres kommt bei Mängeln der Abwägung nur in Betracht, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG). Danach erhebliche Mängel der Abwägung haben diese Rechtsfolgen auch dann nicht, wenn sie durch nachträgliche Nebenbestimmungen behoben werden können. In diesem Fall kann der Betroffene in der Hauptsache lediglich eine Verpflichtungsklage auf entsprechende Ergänzung der Planung erheben, so dass im Eilverfahren nicht die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wiederhergestellt werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. April 1998 aaO; Beschluss vom 12. November 1992 - 7 ER 300/92 - NVwZ 1993, 266, 267) [BVerwG 12.11.1992 - 7 ER 300/92]. Maßgeblich ist dabei, ob der festgestellte Mangel nachträglich durch Schutzauflagen im Sinne des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG behoben werden kann und dieser für die Planungsentscheidung nicht von so großem Gewicht ist, dass hierdurch die Ausgewogenheit der Gesamtplanung in Frage gestellt wäre. Dies ist der Fall, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass sich die Behörde in Kenntnis notwendiger Ergänzungen des Planes von solchen Abweichungen hätte beeindrucken lassen und deshalb eine andere Entscheidung getroffen hätte. Die Nachholung der Schutzauflage scheidet ferner aus, wenn in dem Interessengeflecht der Planung nunmehr andere bisher nicht berührte Belange nachteilig betroffen sind. Dies gilt auch nach Inkrafttreten des § 75 Abs. 1 a VwVfG aufgrund des Genehmigungsbeschleunigungsgesetzes vom 12. Dezember 1996 (BGBl. I, Seite 1354), der diese Möglichkeit nicht ausdrücklich einräumt. Denn es würde der schon aus der Gesetzesbezeichnung erkennbaren Zielsetzung der Vorschrift zuwiderlaufen, wenn hierdurch der bisherigen Rechtsprechung, die dem Interesse an der Planerhaltung entgegenkommt, die rechtliche Grundlage hätte entzogen werden sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. März 1997 - 11 A 25/95 - NVwZ 1998, 513, 515 [BVerwG 05.03.1997 - 11 A 25/95]; Beschluss 12. November 1992 aaO; Beschluss vom 3. April 1990 - 4 B 50/89 - NVwZ-RR 1990, 454, 455 [BVerwG 03.04.1990 - 4 B 50/89]; Storost, NVwZ 1998, 797, 803; Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl. 1998, RdNr. 74 zu § 74).
Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung (vgl. etwa BVerwG, Beschluss v. 28. November 1995 - 11 VR 38/95 -, NVwZ 1996, 389, 391 [BVerwG 28.11.1995 - 11 VR 38/95]; Urteil vom 19. Mai 1998 - 4 A 9/97 - NVwZ 1998, 961, 966) [BVerwG 19.05.1998 - 4 A 9/97], hier also derjenige des Ergänzungsbescheides vom 22. Juli 1999.
Die Antragstellerinnen können keine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses verlangen. Vielmehr ist der Planfeststellungsbeschluss der Antragsgegnerin lediglich daraufhin überprüfbar, ob die Selbstverwaltungs- und Eigentumsrechte der Antragstellerinnen ordnungsgemäß in die Abwägung der für und gegen das Vorhaben sprechenden Belange eingestellt worden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996 aaO; Beschluss vom 9. Februar 1996 - 11 VR 45/95 - NVwZ 1996, 1021, 1022f. [BVerwG 09.02.1996 - BVerwG 11 VR 45.95][BVerwG 09.02.1996 - 11 VR 45/95]; Beschluss vom 23. März 1993 - 7 B 126/92 - NVwZ 1993, 373 [BVerwG 27.02.1992 - 2 C 28/91]; Urteil vom 27. März 1992 aaO).
Die Antragsteller können dementsprechend nicht rügen, dass die Antragsgegnerin für die Erteilung des Planfeststellungsbeschlusses nicht zuständig gewesen wäre. Gleiches gilt für den Vortrag, es fehle an einer sog. Planrechtfertigung (vgl. hierzu speziell für mittelbar betroffene Eigentümer BVerwG; Urteil vom 8. Juli 1998 - 11 A 30/97 - NVwZ 1999, 70, 71) [BVerwG 08.07.1998 - 11 A 30/97].
Die Antragstellerinnen können auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass vor dem Planfeststellungsverfahren gem. § 19 Abs. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über Raumordnung und Landesplanung in der Fassung vom 27. April 1994 (Nds. GVBl. S. 211), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. November 1997 (Nds. GVBl. S. 481) - NROG - ein Raumordnungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen. Gem. § 22 Abs. 5 Satz 1 NROG ist das Ergebnis eines solchen Verfahrens u.a. bei Planfeststellungen "zu berücksichtigen". Nach § 22 Abs. 6 NROG entsteht hierdurch aber weder eine unmittelbare Rechtswirkung, noch ersetzt das Raumordungsverfahren Planfeststellungen und andere behördliche Entscheidungen. Daraus ergibt sich, dass das Ergebnis eines solchen Verfahrens keine direkte rechtliche Geltungskraft beansprucht, sondern unbedingte Rechtswirkungen erst aufgrund der die Durchführung des Projekts zulassenden Entscheidung entstehen sollen. Es hat somit lediglich den Charakter einer gutachterlichen Äußerung. Mithin kann sich eine Gemeinde im Hinblick auf ihre Planungshoheit gegen das Ergebnis eines Raumordungsverfahrens nicht rechtlich zur Wehr setzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. August 1995 - 4 B 86.95 - NVwZ-RR 1996, 67, 68 [BVerwG 30.08.1995 - 4 B 86/95]; Urteil vom 16. August 1995 - 11 A 2/95 - NVwZ 1996, 267, 269) [BVerwG 16.08.1995 - 11 A 2/95]. Aus diesen Erwägungen ergibt sich nach Ansicht der Kammer, dass ein Anspruch einer Gemeinde auf Durchführung eines solchen Verfahrens mit einer letztlich nicht rechtsverbindlichen Planungsentscheidung nicht bestehen kann. Wenn von einem Raumordnungsverfahren abgesehen wird, können sich allenfalls in materieller Hinsicht Ermittlungsdefizite ergeben.
Diese sind aber von den Antragstellerinnen nicht aufgezeigt worden. Sie machen in diesem Zusammenhang - abgesehen von der noch zu behandelnden Frage des Einbaus einer Schleuse in das von der Antragstellerin planfestgestellte grundsätzlich geöffnete Sperrwerk - im wesentlichen geltend, dass es geboten gewesen sei, näher zu prüfen, ob ein dauerhaft geschlossenes Emssperrwerk mit einer Schleuse errichtet werden soll. Die Antragsgegnerin hat diese Alternative im Planfeststellungsbeschluss (S. 212 der sog. Lesefassung, die auch im folgenden zugrundegelegt wird), indes zu Recht sehr knapp als in naturschutzrechtlicher Hinsicht eindeutig ungeeignet abgelehnt. Denn hierdurch würde die Ems oberhalb von G. und N. dem Einfluss der Gezeiten vollständig entzogen. Die Erhaltung der Tidedynamik der Ems ist aber voraussichtlich ein Erhaltungsziel des potentiellen FFH-Gebiets "Unterems von P. bis D." (vgl. IBL-Umweltplanung, Verträglichkeitsuntersuchung nach § 19c BNatSchG vom 7. Mai 1999, Anlage 413 zum Planfeststellungsbeschluss S. 40 und Beschluss der Kammer vom 26. Oktober 1999 - 1 B 3319/99 - S. 32), welches im Sinne des § 19c Abs. 2 BNatSchG erheblich beeinträchtigt wäre. Die hieraus folgende Unverträglichkeit des Vorhabens könnte wohl nicht überwunden werden, weil es insoweit eine weniger beeinträchtigende Alternative - nämlich ein geöffnetes Sperrwerk - gibt (§ 19c Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG).
Soweit die Antragstellerinnen unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten (insbesondere dem Abwägungsgebot, der Notwendigkeit, ein Raumordnungsverfahren durchzuführen, sowie der Bestimmung des Seehafens Leer als Vorrangstandort im Landesraumordnungsprogramm) geltend machen, die Möglichkeit des Einbaus einer Schleuse in das Emssperrwerk sei im Planfeststellungsbeschluss nicht genügend berücksichtigt worden, führt dies nicht zum Erfolg des Aussetzungsantrages. Denn nach summarischer Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass nach den obigen Grundsätzen allenfalls die Verpflichtung der Antragsgegnerin, eine Schutzauflage im Sinne des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG anzuordnen, bestehen könnte.
Die Kammer geht nach vorläufiger Einschätzung nämlich davon aus, dass eine Schleuse noch nachträglich in das Emssperrwerk eingebaut werden kann. Dies ergibt sich aus einem von der Antragsgegnerin vorgelegten Vermerk des NLWK vom 10. März 1999. In diesem wird dargelegt, dass der Einbau einer 115 m langen Schleuse in die Hauptschifffahrtsöffnung, die optimal zu den Ebbe- und Flutströmen gerichtet ist, ohne Veränderung der Geometrie des Sperrwerks möglich wäre. Das bisher vorgesehene absenkbare Drehsegmenttor könne als Schleusenunterhaupt Verwendung finden. Die Schleuse würde nach Oberstrom ein weiteres absenkbares Drehsegmenttor erhalten. Dem sind die Antragstellerinnen nicht substantiiert entgegengetreten. Ihre diesbezüglichen Ausführungen im Schriftsatz vom 1. Dezember 1998 in der Sache 1 A 3570/98 (S. 20 f.) beziehen sich auf Schwierigkeiten, die bei dem Einbau einer Schleuse in die nördliche Nebenöffnung des Emssperrwerks entstehen würden.
Soweit die Sohlsicherung des Sperrwerks durch den Einbau einer Schleuse um 70m verlängert werden müsste (vgl. dazu NLWK aaO), führt dies auch nach Auffassung der Kammer - im Verhältnis zum übrigen Eingriff in die Natur - zu keinen wesentlichen weiteren Umweltbeeinträchtigungen. Auch ist trotz der erheblichen Kosten, die der Einbau einer Schleuse verursachen würde - sie werden zwischen 85 und 140 Mio DM veranschlagt (vgl. Gutachten der Planco Consulting GmbH vom August 1997, Anlage 127 zum Planfeststellungsbeschluss, Seite 2-1) - nicht davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin bzw. der Vorhabenträger im Falle der Notwendigkeit einer solchen Anlage von der Planung des Emssperrwerks gänzlich abgesehen hätte. Denn zum einen streiten für das Vorhaben nach Ansicht der Antragsgegnerin die gewichtigen Gesichtspunkte des Küstenschutzes und der Wirtschaftskraft der Region Papenburg. Zum anderen hat die Antragsgegnerin den Einbau einer Schleuse stets allein unter dem Gesichtspunkt einer zu erlassenen Schutzauflage untersucht (Planfeststellungsbeschluss, S. 249 ff.) und damit deutlich gemacht, dass die Notwendigkeit einer Schleuse die Errichtung des Emssperrwerks als solches nicht in Frage stellen kann. Auch hat die Antragsgegnerin vorgetragen, dass eine Arbeitsgruppe gebildet worden sei, die prüft, ob nachträglich eine Schleuse in das Sperrwerk eingefügt werden soll. Soweit durch einen nachträglichen Einbau Mehrkosten entstehen sollten, hat die Antragsgegnerin zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die Antragsgegnerin bzw. der Vorhabenträger auf solche nicht werden berufen können, wenn das Emssperrwerk aufgrund eines nicht unanfechtbaren Planfeststellungsbeschlusses errichtet wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1999 aaO; Beschluss vom 26. August 1998 - 11 VR 4/98 - NVwZ 1999, 535, 538 [BVerwG 26.08.1998 - BVerwG 11 VR 4/98]) [BVerwG 26.08.1998 - 11 VR 4/98].
Ein - wie oben ausgeführt - grds. möglicher Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO wäre ebenfalls nicht erfolgreich. Denn es fehlte hierfür an einem sog. Anordnungsgrund, d.h. der Eilbedürftigkeit der Sache. Das Emssperrwerk wird nämlich frühestens in den Jahren 2001/2002 fertiggestellt und für Stauzwecke verwandt werden.
Für das Hauptsacheverfahren weist die Kammer darauf hin, dass die Antragstellerinnen der Kammer im einzelnen werden darlegen müssen, welche Betriebe des Seehafens L. in welchen Umfang von einem geschlossenen Emssperrwerk betroffen sind und wie sich dies auf den Hafenbetrieb als solchen auswirken kann. Außerdem könnte die Einreichung der maßgeblichen Bebauungs- und Flächennutzungspläne, sowie einer Übersichtskarte, in der die im Hafen ansässigen Betriebe verzeichnet sind, vorgelegt werden.
Die weiteren von den Antragstellerinnen geltend gemachten Beeinträchtigungen, die nach ihrem Vortrag im Staufall eintreten und durch den Einbau einer Schleuse nicht verhindert werden können, hat die Antragsgegnerin im Planfeststellungsbeschluss voraussichtlich zutreffend berücksichtigt.
Soweit die Antragstellerinnen befürchten, dass der Betrieb ihrer zum Hafen führenden Seeschleuse durch den im Staufall auftretenden höheren Wasserstand beeinträchtigt würde, hat die Antragsgegnerin im Planfeststellungsbeschluss (S. 235) ausgeführt, dies sei bei der zugelassenen Stauhöhe von 2,70m über NN nicht zu erwarten. Diesen Ausführungen sind die Antragstellerinnen durch substantiierten, die Höhenverhältnisse darstellenden Vortrag nicht entgegengetreten. Allein die Beschreibung der nach ihren Einschätzungen eintretenden Erschwernisse im Schleusenbetrieb ist hierfür nicht ausreichend.
Die Antragstellerinnen bringen zudem vor, dass durch den Aufstau Überflutungen des Hafenbereichs zu befürchten seien. Diesem Anliegen ist indes durch die Nebenbestimmung 1.1 zum Planfeststellungsbeschluss Rechnung getragen worden. Danach muss der Vorhabenträger alle Schöpfwerks- und Sielzugsgebiete an der L. unterhalb des L.-sperrwerks untersuchen. Soweit sich hierbei die Erforderlichkeit von Baumaßnahmen ergibt, hat der Vorhabenträger diese vor dem erstmaligen Aufstau der Ems durchzuführen. Dazu gehört nach dem Planfeststellungsbeschluss (S. 235) ggf. auch ein Pumpwerk in der Seeschleuse der Antragstellerinnen.
Auch die von den Antragstellerinnen befürchtete verstärkte Verschlickung ihres Hafens wird voraussichtlich nicht eintreten. Insoweit kann in entsprechender Anwendung des § 117 Abs. 5 VwGO mangels substantiiertem Vortrag der Antragstellerinnen auf die nachvollziehbaren und gutachterlich belegten Ausführungen auf S.236 des Planfeststellungsbeschlusses Bezug genommen werden.
Die Antragstellerinnen machen nachvollziehbar geltend, infolge des Aufstaus der Ems sei eine Verschlechterung der Oberflächenentwässerung mehrerer Bereiche ihres Gebiets zu befürchten. Dem wird indes ebenfalls durch die bereits erwähnte Nebenbestimmung 1.1. zum Planfeststellungsbeschluss Rechnung getragen, wonach der Vorhabenträger gegebenenfalls die deshalb erforderlichen Einrichtungen (wie zB Pumpwerke) schaffen muss (vgl. auch S. 239 des Planfeststellungsbeschlusses).
In Bezug auf im Staufall zu erwartende Überflutungen im Eigentum der Antragstellerin zu 1) stehender Flächen der im Ortsteil B. an der Ems befindlichen Freizeitanlage E.-M.-B. hat die Antragsgegnerin (Planfeststellungsbeschluss S. 235) ausgeführt, dass wegen der dortigen Höhenverhältnisse erhebliche Probleme nicht zu erwarten seien. Auch diese Darlegung hat die Antragstellerin zu 1) nicht substantiiert angegriffen, zumal darauf hinzuweisen ist, dass das Wasser der Ems lediglich etwa einen Meter höher als das mittlere Tidehochwasser aufgestaut werden soll. Die Kammer geht deshalb davon aus, dass gerade im Winterhalbjahr das Auflaufen höherer Fluten auch unter natürlichen Bedingungen zu erwarten ist, mithin sich die Freizeitanlage auf solche Ereignisse eingestellt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO. Es entsprach insbesondere der Billigkeit die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil sie einen erfolgreichen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 40.000,00 DM festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 3 GKG. Maßgeblich ist die sich aus dem Begehren der Antragstellerinnen für sie ergebende Bedeutung der Sache. Dabei erscheint der Kammer hier einerseits der in dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand: Januar 1996, II. 33.3) für Klagen von Gemeinden gegen Planfeststellungsbeschlüsse vorgesehene Streitwert von 100.000,00 DM zu hoch. Andererseits würde aber auch der Auffangwert in Höhe von 8.000,00 DM (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG) das Begehren der Antragstellerinnen nicht richtig erfassen. Unter Berücksichtigung der Stärke der geltend gemachten Beeinträchtigungen der Planungshoheit sowie der Eigentumsinteressen erscheint der Kammer für beide Antragstellerinnen jeweils ein Streitwert in Höhe von 20.000,00 DM angemessen, der für das Eilverfahren ausnahmsweise nicht zu halbieren ist.