Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 28.01.2009, Az.: 6 A 101/07
Kürzung einer Betriebsprämie für das Jahr 2006 wegen wiederholter Verstöße gegen anderweitige Verpflichtungen ( hier: sog. Cross Compliance); Vorliegen von Verstößen im Bereich der Kennzeichnung und Registrierung von Rindern; Nichteinhaltung der Grundanforderungen an die Betriebsführung
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 28.01.2009
- Aktenzeichen
- 6 A 101/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 10574
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2009:0128.6A101.07.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 6 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003
- Art. 7 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003
- Art. 33 Abs. 1VO (EG) Nr. 1782/2003
- Art. 36 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003
- Art. 66 Abs. 4VO (EG) Nr. 796/2004
Verfahrensgegenstand
Betriebsprämie 2006
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Gärtner,
die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Drews,
die Richterin Struhs sowie
die ehrenamtlichen Richter D. und E.
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2006 wird geändert.
Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine weitere Betriebsprämie in Höhe von 7.133,88 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 0,5% für jeden vollen Monat seit Klageerhebung auf einen Betrag von 7.100,00 EUR zu bewilligen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Kürzung der Betriebsprämie für das Jahr 2006 wegen wiederholter Verstöße gegen anderweitige Verpflichtungen, sog. Cross Compliance.
Die Klägerin, eine GbR, ist Inhaberin eines landwirtschaftlichen Betriebes mit dem Schwerpunkt Rinderhaltung. Am 17. Mai 2005 stellte sie den Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen sowie den Sammelantrag Agrarförderung 2005.
Am 17. Mai 2005 führte die Landwirtschaftskammer L im Betrieb der Klägerin eine Vor-Ort-Kontrolle der Rinderbestände durch. Im Prüfbericht führte sie aus, es seien 900 Rinder im Betrieb vorhanden gewesen. Der vorhandene Bestand sei zahlenmäßig nicht identisch mit der Zahl der im Bestandsregister eingetragenen Tiere, mit der Zahl der vorhandenen zulässigen Identifizierungsdokumente und mit der Zahl der laut Datenbank gemeldeten Tiere. Im Kontrollbogen - Anlage 1 zum Prüfbericht - wurde bei 10 Tieren vermerkt, es lägen Bestandsregistermängel (Code 24 = Tier ist nicht im Bestandsregister ausgetragen) und Mängel bei der Datenbankmeldung (Code 47 = Tier nicht abgemeldet; Meldefrist überschritten) vor. Hierzu enthält der Kontrollbogen folgende Bemerkung: "Tier nicht im Bestand vorhanden". Hinsichtlich 9 weiterer Rinder wurden Mängel bei Identifizierungsdokumenten festgestellt (Code 32 = kein zulässiges Identifizierungsdokument - Rinderpass bzw. Begleitpapier - vorhanden).
Am 09. März 2006 stellte die Beklagte im Rahmen einer zusammenfassenden Bewertung (Bl. 68, Beiakte C) fest, im Bestand seien 900 Tiere vorgefunden worden, die Anzahl der im Bestandsregister geführten Tiere habe 908 betragen. Eine Anzahl von 9 Rindern sei im Register geführt, aber nicht vorhanden gewesen. 9 Tiere hätten nicht über Papiere verfügt. Die Verstöße in den Bereichen "Bestandsregister", "Rinderpässe" und "Datenbank HIT" bewertete sie mit jeweils 1%; den Verstoß insgesamt mit 1%.
Mit Bescheiden zur Betriebsprämienregelung - Antragsjahr 2005 - vom 31. Mai 2006 und 28. Juli 2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Betriebsprämie für das Jahr 2005 in Höhe von insgesamt 103.226,66 EUR, nachdem sie eine Kürzung des Betrages aufgrund eines Verstoßes im Rahmen von Cross Compliance um 1%, d.h. um 1.042,69 EUR, vorgenommen hatte. In Anlage 6 der Bescheide heißt es hierzu, bei der Kontrolle im Rahmen von Cross Compliance ergebe sich hinsichtlich des Rechtsaktes "Tierkennzeichnung Rind" im Bereich "Gesundheit von Mensch und Tier" eine Kürzung von 1%.
Am 12. Mai 2006 stellte die Klägerin den Sammelantrag Agrarförderung 2006. Unter Ziffer 21 des Antragsformulars erklärte sie, ihr sei bekannt, dass im gesamten Betrieb die Anforderungen gemäß Art. 4 und 5 der VO (EG) Nr. 1782/2003 (Cross Compliance) zu erfüllen seien.
Am 18. und 19. Mai 2006 führte die Beklagte eine Vor-Ort-Kontrolle zur Einhaltung der anderweitigen Verpflichtungen im Betrieb der Klägerin durch. Im Prüfberichtsmantelbogen, Anlage 6 a - Prüfbericht 2006 bezüglich Rechtsakt 6, 7 und 8 des Anhangs III der VO (EG) Nr. 1782/2003 "Kennzeichnung und Registrierung von Rindern" - stellte sie bei der Führung des Bestandsregisters, bei den Rinderpässen und bei den Meldungen zur HIT-Datenbank Verstöße fest. Zum Zeitpunkt der Kontrolle seien 939 Rinder im Bestand gewesen. Im Bestandsregister und in der Datenbank HIT seien 947 Rinder eingetragen gewesen. Ein Rind sei im Bestand vorhanden, aber nicht im Bestandsregister und nicht in der Datenbank geführt worden. Die Meldefrist zur Datenbank sei überschritten. 9 weitere Rinder seien zwar im Bestandsregister und in der Datenbank geführt, aber nicht im Bestand vorhanden (Kontrollfeststellungen, Ziff. 3 "Prüfung des Bestandsregisters" und Ziff. 5 "Datenbank HIT"). Ein Rind habe nicht über einen Rinderpass/ Begleitpapier verfügt (Kontrollfeststellungen, Ziff. 4 "Rinderpässe"). Die Verstöße im Bereich Bestandsregister (Prüfkriterium 2), Rinderpässe (Prüfkriterium 3) und Datenbank (Prüfkriterium 4) bewertete sie jeweils mit "leicht". Der Bewertungsvorschlag zur Kürzung belief sich auf 1%.
Mit Bescheid vom 27. Dezember 2006 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Betriebsprämie in Höhe von 108.197,21 EUR. Den Beihilfebetrag, den sie insgesamt mit 123.852,12 EUR ermittelt hatte, kürzte sie um 4% Modulation (4.954,09 EUR) und um weitere 9% wegen eines Verstoßes gegen Cross Compliance (10.700,82 EUR). Die dem Bescheid beigefügte Anlage 6 "Kürzungen aufgrund von Verstößen gegen anderweitige Verpflichtungen: Cross Compliance 2006" weist eine Kürzung von 1% zum Rechtsakt "Tierkennzeichnung Rind" aus. Die Gesamtkürzung ist mit 9% angegeben.
Auf Nachfrage der Klägerin, wie sich der Kürzungsbetrag von 9% zusammensetze, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 10. Januar 2007 mit, die Berechnung der Kürzung im Wiederholungsfall richte sich nach den einzelnen Anforderungen (Prüfkriterien) innerhalb eines Rechtsaktes. Innerhalb des Rechtsaktes "Rinderkennzeichnung" gebe es vier Prüfkriterien (Kennzeichnung, Bestandsregister, Tierpässe, Datenbank), die bei einem Wiederholungsverstoß einzeln zu berechnen seien. Im Betrieb der Klägerin seien sowohl im Jahr 2005 als auch im Jahr 2006 jeweils leichte Verstöße bei den Prüfkriterien Bestandsregister, Pässe und Datenbank festgestellt worden. Die Verstöße in den drei Prüfkriterien seien jeweils mit 1% bewertet worden. Für jedes der drei Prüfkriterien liege ein Wiederholungsverstoß vor, so dass jedes mit dem Faktor 3 zu multiplizieren und die Ergebnisse zu addieren seien. Es ergebe sich eine Gesamtkürzung von 9%.
Die Klägerin hat gegen den Bescheid vom 27. Dezember 2006 am 26. Januar 2007 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor:
Die Beklagte habe die festgestellten Verstöße im Bereich der Rinderkennzeichnung zu Unrecht als sanktionsrelevante Verstöße bewertet. Aufgrund eines Erlasses des ML sei in Bagatellfällen von einer Sanktionierung abzusehen. Auch das Gemeinschaftsrecht in seiner aktuellen Fassung sehe vor, dass die Mitgliedstaaten bei geringfügigen Verstößen beschließen könnten, keine Kürzungen anzuwenden. Durch die Einfügung von § 31 a InVeKoSV sei dies in Deutschland beschlossen worden. Ein als geringfügig eingestufter Verstoß könne nicht zu einem Wiederholungsverstoß führen.
Auf die im Jahr 2006 festgestellten Verstöße sei die Bagatell-Regelung anzuwenden. Bei dem Prüfkriterium 1 (Kennzeichnung mit Ohrmarken) sei kein Fehler festgestellt worden. Beim Prüfkriterium 2 (Bestandsregister) hätten sich Fehler bei 10 Rindern ergeben, womit eine Fehlerquote von etwa 1% vorliege. Diese Fehlerquote spiegele sich automatisch bei den Meldungen zur Datenbank. Viele Betriebe, so auch die Klägerin, verwendeten die Datenbank als Bestandsregister und führten kein eigenes manuelles Bestandsregister mehr. Eines der beiden Prüfkriterien - Bestandsregister bzw. Datenbank - sei überflüssig. Die doppelte Berücksichtigung desselben Fehlers sei im Bereich der Sanktionierung nicht zulässig. Bei dem Prüfkriterium Rinderpässe habe nur ein Pass gefehlt und die Fehlerquote bei 0,1% gelegen. Insgesamt seien also Verstöße im Bereich Datenbank/ Bestandsregister von etwa 1% und im Bereich Rinderpässe von 0,1% festgestellt worden.
Jedenfalls dürfe die Kürzung nicht mehr als 3% betragen. Art. 66 Abs. 4 VO (EG) Nr. 796/2004 ordne an, dass der Kürzungssatz, welcher für den erstmaligen Verstoß festgesetzt worden sei, bei der ersten Wiederholung mit dem Faktor 3 multipliziert werde. Die Regelung rechtfertige eine Sanktionierung maximal im Umfang des dreifachen Kürzungssatzes des erstmaligen Verstoßes. Dies führe hier aufgrund des im Jahr 2005 festgelegten Kürzungssatzes von 1% zu einer Kürzung von 3%. Die Rechenweise der Beklagten, die den Kürzungsfaktor 1% für jedes einzelne Prüfkriterium (Bestandsregister, Rinderpässe und Datenbank) jeweils mit dem Faktor 3 multipliziert habe, sei nicht korrekt. Seien Verstöße bei verschiedenen Prüfkriterien, wie hier, zusammenfassend als einziger Verstoß bewertet worden, so sei nach Art. 66 Abs. 4 Satz 2 VO (EG) Nr. 796/2004 im Wiederholungsfall nur dieses Ergebnis mit dem Faktor 3 zu multiplizieren, nicht jedoch die einzelnen Kürzungssätze der verschiedenen Prüfkriterien.
Die Klägerin beantragt,
den Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2006 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin eine weitere Betriebsprämie in Höhe von 10.700,82 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 0,5% für jeden vollen Monat ab Klageerhebung auf den Betrag von 10.700,00 EUR zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert:
Die Gewährung der Betriebsprämie sei an die Einhaltung der Grundanforderungen an die Betriebsführung (sog. Cross-Compliance-Verpflichtungen) in verschiedenen Bereichen entsprechend den in Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 aufgeführten Rechtsakten gebunden. Hierzu zähle in dem Bereich "Gesundheit von Mensch und Tier", die Kennzeichnung und Registrierung von Tieren gemäß VO (EG) Nr. 1760/2003. Würden diese Verpflichtungen nicht eingehalten, sei der Gesamtbetrag der Betriebsprämie zu kürzen. Gemäß Art. 66 Abs. 4 VO (EG) Nr. 796/2004 sei bei wiederholten Verstößen der für den erstmaligen Verstoß festgesetzte Kürzungssatz mit dem Faktor 3 zu multiplizieren. Ein wiederholter Verstoß liege vor, wenn die Nichteinhaltung derselben Anforderung innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren wiederholt festgestellt werde. Der Begriff "Anforderung" bezeichne jede einzelne Grundanforderung an die Betriebsführung, die aus einem der in Anhang III der VO (EG) Nr. 1782/2003 aufgeführten Rechtsakte folge. Die Berechnung der Kürzung im Wiederholungsfall richte sich nicht nach dem für den Erstverstoß zusammenfassend ermittelten Kürzungssatz innerhalb eines Bereiches, sondern nach den einzelnen Anforderungen (Prüfkriterien) innerhalb eines Rechtsaktes. Innerhalb des Rechtsaktes " Kennzeichnung und Registrierung von Rindern" gebe es vier Prüfkriterien, für die der Kürzungssatz im Fall eines Wiederholungsverstoßes jeweils einzeln zu berechnen sei. Die Klägerin habe in den Jahren 2005 und 2006 gegen die Prüfkriterien "Bestandsregister", "Tierpässe" und "Datenbank" verstoßen, so dass die Wiederholung der zunächst mit 1% bewerteten Verstöße zu einer Kürzung von 3% je Prüfkriterium, insgesamt also zu einer Kürzung von 9%, führe.
Die Klägerin könne sich nicht auf eine Identität der Prüfkriterien "Bestandsregister" und "Datenbank" berufen. Art. 7 der VO (EG) Nr. 1760/2003 lege dem Tierhalter die Verpflichtung auf, ein Register auf dem neuesten Stand zu halten. Auch wenn den Tierhaltern ge-stattet worden sei, die von der zentralen Datenbank HIT bereitgestellten Bestandsregister als Nachweis zur Führung eines eigenen Bestandsregisters zu verwenden, sei zwischen beiden Kriterien zu unterscheiden.
Auch ein Bagatellfall liege nicht vor. Zwar könne nach dem Erlass des ML vom 11. Dezember 2006 bei einer Bestandsgröße von über 100 Tieren und Beanstandungen von bis zu 3% von einer Kürzung abgesehen werden. Diese Regelung gelte jedoch nur in besonders begründeten Ausnahmefällen und führe nicht dazu, dass in solchen Fällen generell von einer Kürzung abzusehen sei. Ein begründeter Ausnahmetatbestand liege hier nicht vor. Zudem könne ein Verstoß, der bereits im Vorjahr als Bagatelle behandelt worden sei, nicht erneut als geringfügig angesehen werden.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat überwiegend Erfolg.
Der Klägerin steht eine weitere Betriebsprämie in Höhe von 7.133,88 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 0,5% für jeden vollen Monat seit Klageerhebung auf einen Betrag von 7.100,00 EUR zu. Im Übrigen ist die mit Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2006 vorgenommene Kürzung der Betriebsprämie in Höhe von 3% rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Betriebsprämien im Rahmen der einheitlichen Betriebsprämienregelung werden gemäß Art. 33 Abs. 1 i.V.m. Art. 36 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für die Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (ABl. L 270/01) - mit späteren Änderungen - auf der Grundlage der Zahlungsansprüche nach Kapitel III der Verordnung für eine entsprechende Hektarzahl beihilfefähiger Flächen im Sinne von Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 gezahlt.
Nach diesen Vorschriften wurde der Klägerin eine Betriebsprämie für das Antragsjahr 2006 auf der Grundlage der ihr zugewiesenen Zahlungsansprüche bewilligt. In dem angefochtenen Bescheid ist ein Beihilfebetrag in Höhe von 123.852,12 EUR abzüglich 4% Modulationen gem. Art. 10 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003, d.h. ein Betrag von insgesamt 118.898,03 EUR vorgesehen (Anlage 4 des Bescheides). Diese Berechnung wird von der Klägerin nicht in Abrede gestellt. Im Streit steht eine darüber hinausgehende Kürzung der Beihilfe. Die Beklagte hat eine Kürzung der Betriebsprämie in Höhe von 10.700,82 EUR (9%) aufgrund eines Verstoßes gegen die Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen (Cross Compliance - CC -) vorgenommen (vgl. Anlagen 4 und 6 des Bescheides).
Die Beklagte war gem. Art. 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 i.V.m. Art. 66 Abs. 4 VO (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004 (ABl. L 141/18) zur Kürzung der Betriebsprämie in Höhe von 3% berechtigt, weil die Klägerin im Jahr 2006 die Grundanforderungen an die Betriebsführung in Form der Einhaltung der Vorschriften zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern wiederholt nicht eingehalten hat. Die darüber hinausgehende Kürzung der Betriebsprämie ist zu Unrecht erfolgt. Sie findet in Art. 66 VO (EG) Nr. 796/2004 keine rechtliche Grundlage.
Gem. Art. 6 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 wird der Gesamtbetrag der Direktzahlungen nach den Durchführungsbestimmungen gem. Art. 7 dieser Verordnung gekürzt oder gestrichen, wenn die Grundanforderungen an die Betriebsführung oder das Kriterium des guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustands in einem bestimmten Kalenderjahr zu irgendeinem Zeitpunkt nicht erfüllt werden und dieser Verstoß das Ergebnis einer Handlung oder Unterlassung ist, die unmittelbar dem Betriebsinhaber anzulasten ist. Die Grundanforderungen an die Betriebsführung werden gem. Art. 4 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 i.V.m. Anhang III dieser Verordnung in den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft in verschiedenen Bereichen festgelegt, insbesondere in dem Bereich "Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanzen". Zu diesem Bereich gehören gem. Nr. 8 des Anhangs III der VO (EG) Nr. 1782/2003 die Vorschriften über die Kennzeichnung und Registrierung von Tieren gem. den Art. 4 und 7 VO (EG) Nr. 1760/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juli 2000 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen (ABl. L 204/1).
Durchführungsbestimmungen zu den Kürzungen und Ausschlüssen im Fall der Nichteinhaltung der Grundanforderungen an die Betriebsführung sind gem. Art. 7 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 in den Vorschriften der Art. 65 ff. VO (EG) Nr. 796/2004 erlassen worden. Nach Art. 7 Abs. 1 S. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 werden Schwere, Ausmaß, Dauer und Häufigkeit der Verstöße berücksichtigt. Ist die festgestellte Nichteinhaltung auf Fahrlässigkeit des Betriebsinhabers zurückzuführen, so wird nach Art. 66 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO (EG) Nr. 796/2004 eine Kürzung des Gesamtbetrags der Direktzahlungen vorgenommen, der dem Betriebsinhaber aufgrund von Beihilfeanträgen gewährt wird, die er während des Kalenderjahres der Feststellung gestellt hat bzw. stellen wird. Diese Kürzung beträgt in der Regel 3% des Gesamtbetrags. Nach Art. 66 Abs. 1 Unterabsatz 2 VO (EG) Nr. 796/2004 kann die Zahlstelle jedoch auf der Grundlage der Bewertung durch die zuständige Kontrollbehörde im Kontrollbericht gem. Art. 48 Abs. 1 Buchstabe c beschließen, den genannten Prozentsatz entweder auf 1% des Gesamtbetrags zu vermindern oder ihn auf 5% zu erhöhen oder aber in den in Art. 48 Abs. 1 Buchstabe c genannten Fällen überhaupt keine Kürzung zu verhängen. Wurde mehr als ein Fall von Nichteinhaltung in Bezug auf die verschiedenen Rechtsakte oder Standards desselben Bereichs der anderweitigen Verpflichtung festgestellt, so sind diese Fälle für die Festsetzung der Kürzung gem. Abs. 1 als ein einziger Verstoß anzusehen (Art. 66 Abs. 2 VO [EG] Nr. 796/2004). Den Fall wiederholter Verstöße regelt Art. 66 Abs. 4 VO (EG) Nr. 796/2004. Unbeschadet der Fälle von vorsätzlichen Verstößen wird danach, falls wiederholte Verstöße festgestellt werden, der gem. Abs. 1 für den erstmaligen Verstoß festgesetzte Prozentsatz bei der ersten Wiederholung mit dem Faktor 3 multipliziert (Satz 1). Zu diesem Zweck bestimmt die Zahlstelle, sofern dieser Prozentsatz nach Abs. 2 festgesetzt wurde, den Prozentsatz, der im Hinblick auf die erste Nichteinhaltung mit der betreffenden Anforderung oder dem Standard angewendet worden wäre.
Nach diesen Vorschriften ist die Beklagte wegen der im Jahr 2006 erfolgten Feststellung von Verstößen im Bereich der Kennzeichnung und Registrierung von Rindern im Betrieb der Klägerin zu Recht von wiederholten Verstößen im Sinne von Art. 66 Abs. 4 VO (EG) Nr. 796/2004 ausgegangen, die sie jedoch nur zu einer Kürzung der Betriebsprämie in Höhe von 3% des Gesamtbetrages berechtigen.
Die Klägerin hat wiederholt gegen die Grundanforderungen an die Betriebsführung verstoßen, indem sie die in Anhang III der VO (EG) 1782/2003 i.V.m. den Art. 4 und 7 VO (EG) Nr. 1760/2000 gestellten Anforderungen an die Kennzeichnung und Registrierung von Rindern nicht eingehalten hat.
Nach Art. 7 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1760/2000 müssen Tierhalter folgende Anforderungen erfüllen:
Sie halten ein Register auf dem neuesten Stand,
Sie teilen der zuständigen Behörde ab dem Zeitpunkt, zu dem die elektronische Datenbank voll betriebsfähig ist, die genauen Daten jeder Umsetzung von Tieren in den oder aus dem Betrieb sowie die Daten aller Tiergeburten und Todesfälle bei Tieren im Betrieb innerhalb einer vom Mitgliedstaat festgesetzten Frist von drei bis sieben Tagen nach dem betreffenden Ereignis mit.
Nach Art. 7 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1760/2000 ergänzen die Tierhalter unter Berücksichtigung von Art. 6 die Pässe unmittelbar nach jedem Zugang von Tieren in den Betrieb und unmittelbar vor jedem Abgang von Tieren aus dem Betrieb und tragen dafür Sorge, dass der Pass das betreffende Tier stets begleitet.
Diese Vorschriften hat die Klägerin nicht eingehalten.
Wie die Beklagte im Rahmen einer Vor-Ort-Kontrolle am 18. und 19. Mai 2006 festgestellt hat, hat sie das Bestandsregister nicht ordnungsgemäß geführt. Ein Rind war im Bestand vorhanden, aber nicht im Bestandsregister enthalten. 9 weitere Rinder waren im Bestandsregister aufgeführt, aber im Bestand nicht mehr vorhanden. § 24 i Abs. 1 S. 2 der Verordnung zum Schutz gegen die Verschleppung von Tierseuchen im Viehverkehr (Viehverkehrsverordnung - ViehVerkV -) i.d.F. v. 24. März 2003 konkretisiert den Begriff des "neuesten Standes" im Sinne von Art. 7 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1760/2000 dahingehend, dass die Eintragung jedes im Bestand vorhandenen Rindes unverzüglich vorzunehmen ist. Das gilt nach § 24 i Abs. 1 S. 2 Ziffer 7 ViehVerkV auch für den Abgang eines Tieres. Dass eine unverzügliche Eintragung bzw. Registrierung des Abganges bezüglich der 10 beanstandeten Rinder durch die Klägerin nicht unverzüglich erfolgt ist, steht zwischen den Beteiligten außer Streit.
Weiterhin hat die Klägerin die Meldungen zu der i.S.v. Art. 7 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1760/ 2000 eingerichteten elektronischen Datenbank, der HIT-Datenbank, bezüglich dieser 10 Tiere nicht rechtzeitig vorgenommen. Nach § 24 g Abs. 1 VieVerkV hat der Tierhalter jede Veränderung seines Rinderbestandes der zuständigen Behörde oder einer von dieser beauftragten Stelle innerhalb von sieben Tagen anzuzeigen. Nach den Feststellungen der Beklagten war diese Frist für die beanstandeten 10 Rinder verstrichen.
Zudem befand sich bei der Vor-Ort-Kontrolle ein Rind entgegen den Vorschriften des Art. 7 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1760/2000 i.V.m. § 24 h ViehVerkV ohne den erforderlichen Rinderpass im Bestand. Rinder dürfen aus einem Bestand nur verbracht oder abgegeben werden, wenn sie von einem Rinderpass begleitet sind (vgl. § 24h ViehVerkV).
Die somit vorliegenden Verstöße gegen die Kennzeichnung und Registrierung von Tieren sind i.S.v. Art. 6 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 unmittelbar der Klägerin anzulasten, so dass der Gesamtbetrag der Direktzahlungen gem. Art. 6 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 gekürzt oder gestrichen wird.
Im Falle eines Wiederholungsverstoßes richtet sich die Höhe der Kürzung nach Art. 66 Abs. 4 VO (EG) Nr. 796/2004. Diese Vorschrift ist hier anwendbar, weil die Landwirtschaftskammer L bereits im Vorjahr bei einer Vor-Ort-Kontrolle am 17. Mai 2005 festgestellt hat, dass 10 Rinder nicht im Bestandsregister ausgetragen und nicht rechtzeitig zur HI-Tier-Datenbank gemeldet worden sind sowie 9 Rinder ohne Rinderpass bzw. Begleitpapier vorhanden waren.
Nach Art. 41 Buchstabe a VO (EG) Nr. 796/2004 liegt ein "wiederholter" Verstoß vor, wenn die Nichteinhaltung derselben Anforderung, desselben Standards oder einer Verpflichtung gem. Art. 4 mehr als einmal innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums von 3 Jahren festgestellt wird, sofern der Betriebsinhaber auf den vorangegangenen Verstoß hingewiesen wurde und er je nach Fall die Möglichkeit hatte, die erforderlichen Maßnahmen zur Abstellung des vorangegangenen Verstoßes zu treffen. Unter einer "Anforderung" ist dabei gem. Art. 2 Abs. 34 VO (EG) Nr. 796/2004 im Rahmen der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen jede einzelne Grundanforderung an die Betriebsführung zu verstehen, die sich aus den in Anhang III VO (EG) Nr. 1782/2003 aufgeführten Artikeln eines Rechtsaktes ergibt und inhaltlich von anderen Anforderungen desselben Rechtsaktes abweicht.
Die Beklagte hat bereits im Jahr 2005 und erneut im Jahr 2006 Verstöße der Klägerin gegen die Anforderungen "Bestandsregister", "elektronische Datenbank" und "Tierpässe" festgestellt. Hierbei handelt es sich jeweils um eine Grundanforderung an die Betriebsführung, die sich aus dem in Anhang III VO (EG) Nr. 1782/2003 aufgeführten Rechtsakt, nämlich der VO (EG) Nr. 1760/2000, ergibt. Mit der mehr als einmaligen Feststellung innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums von 3 Jahren liegen Wiederholungsverstöße vor.
Die Beklagte war nicht verpflichtet, bezüglich der im Jahr 2006 festgestellten Verstöße von einer Sanktionierung abzusehen.
Gem. Art. 66 Abs. 4 S. 1 i.V.m. Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 ist es der Beklagten versagt, den Prozentsatz der Kürzung auf weniger als 1% festzulegen. Die Zahlstelle kann nach dieser Vorschrift lediglich den Regelkürzungssatz von 3% auf 1% des Gesamtbetrages vermindern oder ihn auf 5% erhöhen. Entsprechend diesen Vorgaben hat die Beklagte den Kürzungssatz für die Verstöße, die als leicht bewertet wurden, auf 1% des Gesamtbetrages vermindert. Die Möglichkeit, nach Art. 66 Abs. 1 Unterabsatz 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 1 Buchstabe cVO (EG) Nr. 796/2004 in den dort genannten Fällen keine Kürzung zu verhängen, stand der Beklagten nicht offen. Art. 48 Abs. 1c Unterabsatz 2 sieht die Befugnis, eine festgestellte Nichteinhaltung nicht weiter zu verfolgen, nur vor, soweit die Vorschriften hinsichtlich der betreffenden Anforderung einen Ermessensspielraum enthalten. Einen Ermessensspielraum, eine festgestellte Nichteinhaltung nicht weiter zu verfolgen, sieht die hier maßgebliche Vorschrift des Art. 7 VO (EG) Nr. 1760/2000 nicht vor (vgl. VG L, Urt. v. 11. Juli 2008 - 11 A 4000/06 -). Es fehlt deshalb an einem Ausnahmetatbestand i.S.v. Art. 48 Abs. 1 Buchstabe c Unterabsatz 2 VO (EG) Nr. 796/2004, der die Beklagte berechtigen könnte, von einer Kürzung abzusehen.
Die Klägerin kann ein Absehen von der Kürzung nicht aufgrund einer Bagatellregelung verlangen.
Eine Regelung, nach der die zuständige Behörde im Fall eines geringfügigen Verstoßes von einer Kürzung absehen konnte, sah das Europäische Recht zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Kalenderjahres der Feststellung des Verstoßes (vgl. Art. 66 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 796/2004) nicht vor. Die in dem Kontrollkonzept CC - Rinder -, Stand 11. Dezember 2006, vom Nds. ML vorgegebene Bagatellgrenze, die vorsah, dass bei einer Beanstandungsquote bis zu drei Tieren oder bis zu 3% nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall zu prüfen sei, ob eine Sanktion gerechtfertigt sei, entbehrte zunächst einer gemeinschaftsrechtlichen Grundlage. Eine solche ist nunmehr mit Art. 7 Abs. 2 Unterabsatz 2 und 3 VO (EG) Nr. 1782/2003 in der Fassung der VO (EG) Nr. 146/2008 des Rates vom 8. Februar 2008 (ABl. L 46/1) in Verbindung mit Art. 66 Abs. 2 Buchstabe b VO (EG) Nr. 796/2004 in der Fassung der VO (EG) Nr. 319/2008 der Kommission vom 7. April 2008 (ABl. L 95/63) geschaffen worden. In hinreichend begründeten Fällen können die Mitgliedstaaten danach beschließen, keine Kürzung anzuwenden, wenn ein Verstoß nach Schwere, Ausmaß und Dauer als geringfügig anzusehen ist. Verstöße, die eine indirekte Gefährdung der Gesundheit von Mensch und Tier bedeuten, gelten jedoch nicht als geringfügig (Art. 7 Abs. 2 Unterabsatz 1 VO (EG) Nr. 1782/2003). Sofern der Betriebsinhaber nicht sofortige Abhilfemaßnahmen getroffen hat, mit denen der festgestellte Verstoß beendet wird, trifft die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen, die ggf. auf eine administrative Prüfung beschränkt sein können, um sicherzustellen, dass der Betriebsinhaber dem betreffenden Verstoß abhilft (Art. 7 Abs. 2 Unterabsatz 3 VO (EG) Nr. 1782/2003). Wenn ein Mitgliedstaat nach diesen Vorschriften von der Möglichkeit Gebrauch macht, einen Verstoß als geringfügig zu betrachten, und der Betriebsinhaber innerhalb einer bestimmten Frist keine Abhilfemaßnahmen getroffen hat, wird gemäß Art. 66 Abs. 2 Buchstabe b Unterabsatz 1 eine Kürzung angewandt. Die Frist wird von der zuständigen Behörde festgesetzt und endet spätestens mit Ablauf des Kalenderjahres nach dem Jahr der Feststellung des Verstoßes (Unterabsatz 2). Der betreffende Verstoß wird nicht als geringfügig angesehen und eine Kürzung von mindestens 1% gemäß Abs. 1 wird angewandt (Unterabsatz 3). Ein Verstoß, der als geringfügig angesehen wurde und vom Betriebsinhaber innerhalb der Frist gemäß Unterabsatz 1 behoben worden ist, gilt nicht als Verstoß im Sinne von Abs. 4 (Unterabsatz 4).
Von der Möglichkeit, einen Verstoß als geringfügig anzusehen, hat die Bundesrepublik Deutschland in § 31 a der Verordnung über die Durchführung von Stützungsregelungen und gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen nach der VO (EG) Nr. 1782/2003 im Rahmen des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems (InVeKoSV) vom 3. Dezember 2004 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 8. Mai 2008 (BGBl. I S. 801) Gebrauch gemacht. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Landesstelle von einer Kürzung von Zahlungen absehen, wenn ein fahrlässiger Verstoß gegen die Grundanforderungen an die Betriebsführung nach Schwere, Ausmaß und Dauer als geringfügig anzusehen ist (§ 31 a Nr. 1 a InVeKoSV).
Die Vorschriften der Art. 7 Abs. 2 Unterabsatz 2 und 3 VO (EG) Nr. 1782/2003 und Art. 66 Abs. 2 Buchstabe b VO (EG) Nr. 796/2004 finden auf die hier vorgenommenen Kürzungen keine Anwendung, weil diese sich auf einen Beihilfeantrag für das Jahr 2006 beziehen. Die mit der Verordnung Nr. 319/2008 der Kommission vom 7. April 2008 (ABl. L 95/63) eingeführte Vorschrift des Art. 66 Abs. 2 Buchstabe b VO (EG) Nr. 796/2004 gilt gemäß Art. 4 dieser Verordnung für Beihilfeanträge für Jahre bzw. Prämienzeiträume, die am 1. Januar 2008 oder später beginnen. Nach dem Erwägungsgrund (6) zu VO (EG) Nr. 319/2008 gilt die Möglichkeit, bei geringfügigen Verstößen keine Kürzung anzuwenden, seit dem 1. Januar 2008. Die eingeführten Änderungen beziehen sich demnach auf Beihilfeanträge für ab dem 1. Januar 2008 beginnende Jahre bzw. Prämienzeiträume. Die Verstöße im Betrieb der Klägerin wurden jedoch im Jahr 2006 festgestellt, und die Kürzung betrifft die Betriebsprämie für das Jahr 2006.
Die begünstigende Regelung des Art. 66 Abs. 2 Buchstabe b VO (EG) Nr. 796/2004 kann die Klägerin auch nicht unter Berufung auf das Günstigkeitsprinzip (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 VO [EG, EURATOM] Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften) in Anspruch nehmen. Danach gelten bei späterer Änderung der in einer Gemeinschaftsregelung enthaltenen Bestimmungen über verwaltungsrechtliche Sanktionen die weniger strengen Bestimmungen rückwirkend. Diese Regelung kann nur Anwendung finden, wenn die Bedingungen einer später eingeführten günstigeren Vorschrift rückwirkend noch erfüllt werden können. Dies ist hier nicht der Fall. Nach Art. 66 Abs. 2 Buchstabe b, Unterabsatz 1 und 2 besteht die Möglichkeit, von einer Kürzung abzusehen nicht, wenn ein Verstoß als geringfügig zu betrachten ist, der Betriebsinhaber jedoch innerhalb einer bestimmten Frist, die von der zuständigen Behörde festzusetzen ist und mit Ablauf des Kalenderjahres nach dem Jahr der Feststellung des Verstoßes endet, keine Abhilfemaßnahmen getroffen hat. In diesem Fall wird eine Kürzung angewandt. Dieser von der Vorschrift vorgegebene Ablauf kann rückwirkend nicht eingehalten und die fristgemäße Beseitigung von Verstößen nicht überprüft werden. Die Beklagte hat der Klägerin zur Beseitigung der Verstöße eine entsprechende Frist nicht gesetzt und das Ergreifen von Abhilfemaßnahmen innerhalb der Frist nicht kontrolliert. Zu einer solchen Fristsetzung war die Beklagte aufgrund der im Jahr 2006 bestehenden Rechtslage auch nicht verpflichtet. Eine rückwirkende Anwendung der Vorschrift auf Beihilfeanträge, die sich auf das Jahr 2006 beziehen, kommt deshalb nicht in Betracht, weil eine Durchführung des vorgesehenen Verfahrens, das ein Absehen von der Kürzung zur Folge hätte, im Nachhinein nicht mehr möglich ist.
Gemäß Art. 66 Abs. 4 VO (EG) Nr. 796/2004 in der für das Jahr 2006 maßgeblichen Fassung der Änderungsverordnung (EG) Nr. 239/2005 (ABl. L 42/ 3) hatte die Beklagte demnach eine Kürzung für die wiederholt festgestellten Verstöße vorzunehmen. Nach Satz 1 der Vorschrift ist der gem. Art. 66 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 für den erstmaligen Verstoß festgesetzte Prozentsatz bei der ersten Wiederholung mit dem Faktor 3 zu multiplizieren. Zu diesem Zweck bestimmt die Zahlstelle, sofern dieser Prozentsatz nach Art. 66 Abs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 festgesetzt wurde, den Prozentsatz, der im Hinblick auf die erste Nichteinhaltung mit der betreffenden Anforderung oder dem Standard angewendet worden wäre. Die Beklagte hat die im Jahr 2005 erstmalig festgestellten Verstöße zusammenfassend als einzigen Verstoß mit 1% bewertet und hatte diesen Kürzungsprozentsatz im hier vorliegenden Wiederholungsfall mit dem Faktor 3 zu multiplizieren. Die in Art. 66 Abs. 4 S. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 (in der maßgeblichen Fassung der VO (EG) Nr. 239/2005) vorgesehene Bewertung von Einzelverstößen wirkt sich nur dann aus, wenn im Wiederholungsfall nur gegen einzelne der Anforderungen, die im Rahmen des Erstverstoßes zusammenfassend bewertet wurden, verstoßen wurde und insoweit eine gesonderte Betrachtung erforderlich ist. Die Vorschrift des Art. 66 Abs. 4 VO (EG) Nr. 796/2004 (in der maßgeblichen Fassung der VO [EG] Nr. 239/2005) ist jedoch so zu verstehen, dass die Höhe des Kürzungssatzes im Wiederholungsfall das Dreifache des für den Erstverstoß gemäß Abs. 2 der Vorschrift zusammenfassend festgelegten Kürzungssatzes nicht überschreiten darf. Demnach ergibt sich hier ein Kürzungssatz von 3%. Dies entspricht einem Betrag von 7.133,88 EUR
Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 14 Abs. 2 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (MOG) vom 31. August 1972 i.d.F. der Neubekanntmachung vom 24. Juni 2005 (BGBl. I S. 1847) i.V.m. §§ 236 ff. der Abgabenordnung (AO). Betriebsprämien nach Titel III der VO (EG) Nr. 1782/2003 unterfallen als Direktzahlungen im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 MOG dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 17.07.2008 - 19 ZB 08.1232 -). Sie stellen eine besondere Vergünstigung im Sinne von § 6 MOG dar, die nach Maßgabe des § 14 Abs. 2 MOG zu verzinsen ist. Nach § 236 Abs. 1 Satz 1 AO ist der festgesetzte Betrag vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen. Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag gemäß § 238 Abs. 2 AO auf den nächsten durch 50,-- Euro teilbaren Betrag abgerundet. Die Zinsen betragen nach § 238 Abs. 1 S. 1 AO für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz (§ 238 Abs. 1 S. 2 AO). Nach diesen Vorschriften ist der Verzinsung ein gerundeter Betrag von 7.100,-- Euro zugrunde zu legen. Die Zinsen von 0,5% sind für jeden vollen Monat seit Klageerhebung zu entrichten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Zulassung der Berufung erfolgt gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 124a Abs. 1 S. 1 VwGO.
Gegen dieses Urteil ist die Berufung zulässig.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf
10.700,82 Euro |
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festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
Dr. Drews
Struhs