Staatsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 10.02.2017, Az.: StGH 1/16

Bibliographie

Gericht
StGH Niedersachsen
Datum
10.02.2017
Aktenzeichen
StGH 1/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54284
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antragsgegner hat die Antragsteller in deren Recht aus Art. 27 Abs. 1 NV dadurch verletzt, dass er mit seinem Beschluss über die Einsetzung des 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses - "Tätigkeit der Sicherheitsbehörden gegen die islamistische Bedrohung in Niedersachsen" – vom 4. Mai 2016 den Untersuchungsauftrag abweichend vom Einsetzungsantrag der Antragsteller vom 5. April 2016 in der Fassung des 2. Änderungsantrags vom 14. April 2016 und des 3. Änderungsantrags vom 4. Mai 2016 in den Ziffern I. Nrn. 1., 2., 5. und 7. und II. zu Nrn. 1.1. und 1.3., 2.2. bis 2.4., 5.1. bis 5.4. sowie 7.1. bis 7.4. vom "19. Februar 2013" auf den "Beginn des Bürgerkrieges in Syrien (Anfang 2011)" beziehungsweise auf den "Beginn des Bürgerkrieges in Syrien" ausgedehnt hat.

Gründe

A.

Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Frage, ob die vom Antragsgegner bei der Einsetzung des 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses ("Tätigkeit der Sicherheitsbehörden gegen die islamistische Bedrohung in Niedersachsen") beschlossene Erweiterung des Untersuchungsauftrags die Antragsteller in ihrem Recht aus Art. 27 Abs. 1 NV verletzt.

I.

Am 6. April 2016 ging bei der Landtagsverwaltung ein Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ein, der die Überschrift "Mögliche Sicherheitslücken in der Abwehr islamistischer Bedrohungen in Niedersachsen" trug und den Untersuchungsauftrag unter anderem wie folgt bezeichnete (Unterstreichungen nicht im Original):

"Einsetzung eines 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses - "Mögliche Sicherheitslücken in der Abwehr islamistischer Bedrohungen in Niedersachsen" ...

I. Der Untersuchungsausschuss hat die Aufgabe zu prüfen und aufzuklären,

1. welche Hinweise, Erkenntnisse und Informationen die Mitglieder der Niedersächsischen Landesregierung sowie die Bediensteten der Landesministerien und der nachgeordneten Landesbehörden seit 2013 zu welchem Zeitpunkt über das Agieren der sogenannten Wolfsburger IS-Terrorzelle hatten, insbesondere über den Radikalisierungsprozess von Mitgliedern dieser Gruppe, die Ausreisewelle von Wolfsburger Islamisten nach Syrien bzw. in den Irak und deren dortige Aktivitäten sowie über Wolfsburger IS-Rückkehrer, wie sie damit umgingen, welche präventiven und konkret gefahrenabwehrenden Maßnahmen die Sicherheitsbehörden ergriffen, um mögliche Straftaten und mögliche weitere Radikalisierungen der Mitglieder dieser Gruppe und ihres Umfeldes zu verhindern, und wann sie auf welcher rechtlichen und politischen Grundlage welche Entscheidungen diesbezüglich trafen,

2. welche Hinweise, Erkenntnisse und Informationen die Mitglieder der Niedersächsischen Landesregierung sowie die Bediensteten der Landesministerien und der nachgeordneten Landesbehörden seit 2013 zu welchem Zeitpunkt über Aktivitäten des "Deutschsprachigen Islamkreises Hannover e. V", des "Deutschsprachigen Islamkreises Hildesheim e. V" und der "Deutschsprachigen Muslimischen Gemeinschaft e. V. Braunschweig" hatten, insbesondere mit Blick auf Radikalisierungsprozesse und mögliche Verbindungen zum sogenannten Islamischen Staat, wie sie damit umgingen, welche präventiven und konkret gefahrenabwehrenden Maßnahmen die Sicherheitsbehörden ergriffen, um mögliche Straftaten und mögliche weitere Radikalisierungen ihrer Mitglieder und ihres Umfeldes zu verhindern, und wann sie auf welcher rechtlichen und politischen Grundlage welche Entscheidungen diesbezüglich trafen,

[ … ]

5. welche Hinweise, Erkenntnisse und Informationen die Mitglieder der Niedersächsischen Landesregierung sowie die Bediensteten der Landesministerien und der nachgeordneten Landesbehörden zu welchem Zeitpunkt seit 2013 über Ausreisepläne und erfolgte Ausreisen weiterer Angehöriger der islamistischen Szene in Niedersachsen nach Syrien und in den Irak sowie deren dortige Aktivitäten hatten, wie sie damit umgingen, welche präventiven und konkret gefahrenabwehrenden Maßnahmen die Sicherheitsbehörden ergriffen, um mögliche Straftaten und mögliche weitere Radikalisierungen zu verhindern, und wann sie auf welcher rechtlichen und politischen Grundlage welche Entscheidungen diesbezüglich trafen,

[ … ]

7.  welche Hinweise, Erkenntnisse und Informationen die Mitglieder der Niedersächsischen Landesregierung sowie die Bediensteten der Landesministerien und der nachgeordneten Landesbehörden zu welchem Zeitpunkt seit 2013 über im Internet abrufbare Videos und Texte mit islamistischem Gedankengut bzw. von Personen aus der islamistischen Szene in Niedersachsen hatten, wie sie damit umgingen, welche präventiven und konkret gefahrenabwehrenden Maßnahmen die Sicherheitsbehörden diesbezüglich ergriffen und wann sie auf welcher rechtlichen und politischen Grundlage welche Entscheidungen diesbezüglich trafen.

II. Dabei sind insbesondere die nachfolgenden Fragen zu beantworten und Sachverhalte aufzuklären:

Zu 1:

1. Welche Hinweise, Erkenntnisse und Informationen hatten welche niedersächsische Behörden seit 2013 zu welchem Zeitpunkt

a) über den Radikalisierungsprozess von Mitgliedern dieser Gruppe, insbesondere über das Umfeld, die Orte und die Personen, durch die die Angehörigen der Wolfsburger Islamistenszene seit 2013 radikalisiert wurden?

b) über mögliche Ausreisepläne von Mitgliedern der Wolfsburger Islamistenszene nach Syrien bzw. in den Irak, um sich dort dem IS anzuschließen?

c) über Wolfsburger IS-Rückkehrer?

[ … ]

3.  Wie im Einzelnen und in welcher Intensität wurde das Umfeld der Wolfsburger Islamistenszene seit 2013 von welchen niedersächsischen Sicherheitsbehörden beobachtet, und wie erfolgte der Informationsaustausch zwischen den einzelnen Behörden einschließlich des Gemeinsamen Informations- und Analysezentrums Polizei und Verfassungsschutz Niedersachsen (GIAZ)?

4. Was wurde von welchen niedersächsischen Behörden zu welchem Zeitpunkt veranlasst, um ausreisewillige Wolfsburger Islamisten von der Ausreise nach Syrien oder in den Irak zur Unterstützung des IS abzuhalten?

5. Was wurde zu welchem Zeitpunkt von welchen niedersächsischen Behörden veranlasst, nachdem Mitglieder der Wolfsburger Terrorzelle von ihren Aufenthalten im syrischen bzw. irakischen Kriegsgebiet zurückkehrten?

Zu 2:

1. [ … ]

2.  In welchem Umfang und in welcher Intensität wurde das Umfeld des "Deutschsprachigen Islamkreises Hannover e. V.", des "Deutschsprachigen Islamkreises Hildesheim e. V." und der "Deutschsprachigen Muslimischen Gemeinschaft e. V. Braunschweig" seit 2013 von welchen niedersächsischen Sicherheitsbehörden beobachtet, und wie erfolgte der Informationsaustausch zwischen den einzelnen Behörden einschließlich des GIAZ?

3. In welchem Umfang waren und sind seit 2013 ehemalige Studierende der 2012 verbotenen Islamschule Braunschweig des Muhamed Ciftci im Umfeld des "Deutschsprachigen Islamkreises Hannover e. V.", des "Deutschsprachigen Islamkreises Hildesheim e. V." und der "Deutschsprachigen Muslimischen Gemeinschaft e. V. Braunschweig" aktiv?

4.  In welchem Umfang und in welcher Intensität wurden seit 2013 Kooperationsgespräche des Polizeilichen Staatsschutzes mit Verantwortlichen im Umfeld des "Deutschsprachigen Islamkreises Hannover e. V.", des "Deutschsprachigen Islamkreises Hildesheim e. V." und der "Deutschsprachigen Muslimischen Gemeinschaft e. V. Braunschweig" geführt?

[ … ]

Zu 5:

1. Welche Erkenntnisse, Hinweise und Informationen hatten welche niedersächsischen Behörden zu welchem Zeitpunkt seit 2013 über Ausreisepläne und vollzogene Ausreisen von weiteren Personen aus der islamistischen Szene in Niedersachsen nach Syrien und in den Irak?

2.  Welche Erkenntnisse, Hinweise und Informationen hatten welche niedersächsischen Behörden zu welchem Zeitpunkt seit 2013 darüber, in welchem Umfeld sich diese Personen bewegten?

3.  Was haben welche niedersächsischen Behörden seit 2013 wann veranlasst, um die entsprechenden Personen an der Ausreise zu hindern?

4.  Wie sind die niedersächsischen Behörden seit 2013 mit Rückkehrern aus Syrien und dem Irak verfahren?

[ … ]

Zu 7:

1. Welche Erkenntnisse, Hinweise und Informationen hatten welche niedersächsischen Behörden zu welchem Zeitpunkt seit 2013 über im Internet abrufbare Videos und Texte mit islamistischem Gedankengut bzw. von Personen aus der islamistischen Szene in Niedersachsen?

2. In welcher Art und Weise haben niedersächsische Behörden seit 2013 entsprechende Inhalte systematisch ausgewertet?

3.  Wie sind niedersächsische Behörden seit 2013 mit Erkenntnissen, Informationen und Hinweisen dazu umgegangen?

4.  Welche Erkenntnisse, Hinweise und Informationen hatten welche niedersächsischen Behörden zu welchem Zeitpunkt seit 2013 über radikalisierungsgefährdete Kinder, Jugendliche und Heranwachsende in Niedersachsen durch Internetrecherchen bzw. -auswertungen?"

Der Antrag war von den Parlamentarischen Geschäftsführern der Fraktionen von CDU und FDP, den Antragstellern zu 27. und 36., eigenhändig unterschrieben. Dem Antrag waren zwei Listen beigefügt, auf denen 36 Abgeordnete der Fraktion der CDU sowie 14 Abgeordnete der Fraktion der FDP Unterschriften geleistet hatten. Ausweislich der nachfolgend von ihr erstellten Landtagsdrucksache 17/5502 sah die Landtagsverwaltung hierin einen Einsetzungsantrag, gestellt von insgesamt 50 Abgeordneten der Fraktionen von CDU und FDP.

In den nachfolgenden parlamentarischen Beratungen über diesen Antrag schlugen die Verhandlungsführer der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen verschiedene Änderungen vor, unter anderem eine Ausdehnung des Untersuchungszeitraums auf die Jahre ab 2005 bzw. 2008. Hierauf reagierten die Fraktionen von CDU und FDP mit einem 1. Änderungsantrag - LT-Drs. 17/5552 -, der in Ziffern I. Nrn. 1., 2., 5. und 7. und II. zu Nrn. 1.1. und 1.3., 2.2. bis 2.4., 5.1. bis 5.4. sowie 7.1. bis 7.4. eine Erweiterung des Untersuchungszeitraums auf die Jahre ab 2012 vorsah.

Der Einsetzungsantrag und der 1. Änderungsantrag wurden am 13. April 2016 im Landtag beraten. Die von den Fraktionen von CDU und FDP beantragte sofortige abschließende Beratung und Entscheidung über den Einsetzungsantrag kam in dieser Plenarsitzung nicht zustande. Die Sache wurde an den Ältestenrat überwiesen.

Am 14. April 2016 zogen die Fraktionen von CDU und FDP zunächst den 1. Änderungs-antrag zurück und stellten sodann einen 2. Änderungsantrag - LT-Drs. 17/5562 -. Dieser trug die Überschrift "Tätigkeit der Sicherheitsbehörden gegen die islamistische Bedrohung in Niedersachsen" und griff verschiedene redaktionelle und klarstellende Ergänzungs- und Änderungsvorschläge des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes auf. Darüber hinaus wurde der Beginn des Untersuchungszeitraums in den Ziffern I. Nrn. 1., 2., 5. und 7. und II. zu Nrn. 1.1. und 1.3., 2.2. bis 2.4., 5.1. bis 5.4. sowie 7.1. bis 7.4. auf den "19. Februar 2013" festgelegt.

Der Ältestenrat beriet den Einsetzungsantrag in der Fassung des 2. Änderungsantrags und empfahl dem Landtag am 27. April 2016, den Antrag in der einem Änderungsvorschlag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen entsprechenden Fassung anzunehmen. Neben weiteren redaktionellen Korrekturen dehnte dieser Änderungsvorschlag den Untersuchungszeitraum in der Ziffer I. Nr. 1. auf den "Beginn des Bürgerkriegs in Syrien (Anfang 2011)" und in den Ziffern I. Nrn. 2., 5. und 7. und II. zu Nrn. 1.1. und 1.3., 2.2. bis 2.4., 5.1. bis 5.4. sowie 7.1. bis 7.4. auf den "Beginn des Bürgerkriegs in Syrien" aus. Der Antragsgegner folgte dieser Empfehlung des Ältestenrates. Am 4. Mai 2016 - LT-Drs. 17/5687 - beschloss der Landtag mit den Stimmen der Abgeordneten von SPD und Bündnis 90/Die Grünen und gegen die Stimmen der Abgeordneten von CDU und FDP die Einsetzung des Untersuchungsausschusses mit der von der Landtagsmehrheit gewünschten Erweiterung des Untersuchungszeitraums.

Aufgrund dieses Beschlusses galt nach der Geschäftsordnung des Landtags zugleich ein weiterer, nunmehr 3. Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP, den diese am 4. Mai 2016 in der Landtagsdrucksache 17/5682 zur Abstimmung gestellt hatten und der inhaltlich vollständig dem Einsetzungsantrag in der Fassung des 2. Änderungsantrags entsprach, als abgelehnt.

Der Untersuchungsausschuss konstituierte sich in der Sitzung vom 18. Mai 2016 und nahm die Arbeit auf. In seiner Sitzung vom 10. Juni 2016 beschloss er, zunächst nur den in der Landtagsdrucksache 17/5682 bezeichneten Untersuchungsauftrag zu erfüllen.

II.

Am 20. Mai 2016 ist der Antrag auf Durchführung eines Organstreitverfahrens bei dem Staatsgerichtshof eingegangen.

Antragsteller sind 35 Abgeordnete der Fraktion der CDU und ein Abgeordneter der Fraktion der FDP. Alle Antragsteller haben auf den Listen, die dem ursprünglichen Einsetzungsantrag beigefügt waren, Unterschriften geleistet.

Die Antragsteller machen eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 27 Abs. 1 NV geltend. Der Einsetzungsantrag sei wirksam von 36 Abgeordneten der Fraktion der CDU und 14 Abgeordneten der Fraktion der FDP gestellt worden. Der Antrag sei zwar nur von den Parlamentarischen Geschäftsführern der beiden Fraktionen unterschrieben worden. Ihm sei aber eine Liste mit Unterschriften der 36 Abgeordneten der CDU beigefügt gewesen. Bei dieser Liste handele es sich entgegen der Darstellung des Antragsgegners nicht um die Teilnehmerliste einer Fraktionssitzung, sondern um die gesonderte Unterschriftenliste für den Einsetzungsantrag. Unerheblich sei, dass sich die Liste auf einem Vordruck befinde, der auch für Sitzungen der Fraktion, des Fraktionsvorstandes oder eines Arbeitskreises verwendet werde. Die Verwendung dieses Vordrucks bei der Stellung eines Einsetzungsantrags entspreche der üblichen Praxis des Landtags. Dem Einsetzungsantrag sei auch eine Liste mit den Unterschriften der 14 Abgeordneten der FDP beigefügt gewesen. Bei dieser Liste handele es sich zwar tatsächlich um die Teilnehmerliste einer Fraktionssitzung. In dieser Sitzung sei aber der Einsetzungsantrag einstimmig von allen Abgeordneten beschlossen worden, so dass der Wille aller Abgeordneten der FDP-Fraktion, den Einsetzungsantrag zu unterstützen, klar erkennbar sei. Im Übrigen bestehe nach der Niedersächsischen Verfassung keine Verpflichtung der Abgeordneten, einen Einsetzungsantrag schriftlich zu stellen und eigenhändig zu unterschreiben.

Auch die nachfolgenden Änderungsanträge der Fraktionen von CDU und FDP seien den Antragstellern des Einsetzungsantrags zuzurechnen. Für Änderungsanträge im parlamentarischen Verfahren stellten weder die Landesverfassung noch die Geschäftsordnung des Landtags besondere Anforderungen oder verlangten gar gesonderte Unterschriftenlisten.

Der Antragsgegner sei zur Einsetzung des beantragten Untersuchungsausschusses verpflichtet gewesen. Der Untersuchungsauftrag sei hinreichend bestimmt und inhaltlich begrenzt. Es sei möglich, dass der Untersuchungsauftrag bis zum Ende der Legislaturperiode sinnvolle Teilergebnisse liefern werde. Dies belege die bisherige Arbeit des Untersuchungsausschusses. Der Antragsgegner verhalte sich insoweit widersprüchlich, wenn er einerseits die fehlende Begrenztheit des Untersuchungsauftrags beklage, andererseits aber den Untersuchungszeitraum noch um zwei weitere Jahre auf Anfang 2011 ausdehne. Entgegen der Darstellung des Antragsgegners hätten sie - die Antragsteller - im Ältestenrat dieser Ausdehnung auch nicht zugestimmt.

Der Antragsgegner habe den Untersuchungsauftrag nicht gegen den Willen der Antragsteller erweitern dürfen. Das Untersuchungsrecht der parlamentarischen Minderheit sei Ausdruck des Demokratieprinzips und des im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Minderheitenschutzes. Dieses Recht umfasse die Befugnis der Minderheit, den Untersuchungsauftrag grundsätzlich allein zu bestimmen. Nach Artikel 27 Abs. 1 Satz 2 NV dürfe der Untersuchungsauftrag nur ausnahmsweise gegen den Willen der Antragsteller erweitert werden, nämlich dann, wenn der Kern des Untersuchungsauftrags gewahrt bleibe und keine wesentlichen Verzögerungen zu erwarten seien. Diese beiden Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt.

Die vom Antragsgegner beschlossene zeitliche Ausdehnung des Untersuchungsauftrags beeinträchtige dessen Kern. Der Einsetzungsantrag habe schwerpunktmäßig das Ziel verfolgt, das Verhalten der amtierenden Regierung und ihrer Verwaltung seit dem Regierungswechsel 2013 zu untersuchen. Die Begrenzung auf die Zeit nach dem Regierungswechsel sei aufgrund der deutlich veränderten Sicherheitslage und des bewussten Wechsels in der Sicherheitspolitik sachgerecht. Nach dem Einsetzungsbeschluss des Antragsgegners reiche der Untersuchungszeitraum aber zurück bis zum "Beginn des Syrienkrieges (Anfang 2011)" und erstrecke sich damit auch auf die frühere, von den heutigen Oppositionsfraktionen getragene Regierung und die damals tätigen politischen Beamten. Diese Ausdehnung stelle einen unzulässigen Gegenangriff der nunmehr die Regierung tragenden Parlamentsmehrheit dar.

Die Ausdehnung des Untersuchungsauftrags führe zudem zu einer wesentlichen Verzögerung. Der Untersuchungszeitraum werde von etwa drei Jahren auf mehr als fünf Jahre verlängert. Prognostisch bestehe aufgrund des erheblich höheren Aktenumfangs und der erheblich steigenden Zahl der zu vernehmenden Personen die Gefahr, dass der Untersuchungsausschuss seine Arbeit nicht innerhalb der Wahlperiode abschließen könne und dadurch der Diskontinuität anheimfalle. Sie - die Antragsteller - müssten sich nicht darauf verweisen lassen, dass der Untersuchungsausschuss vorrangig den von ihnen bestimmten Untersuchungsauftrag abarbeite.

Der Erweiterung des Untersuchungsauftrags fehle es schließlich an der erforderlichen Bestimmtheit. Die zeitliche Anknüpfung an den "Beginn des Syrienkrieges (Anfang 2011)" sei unzureichend.

Die Antragsteller beantragen,

festzustellen, dass der Antragsgegner durch seinen Beschluss in der 97. Plenarsitzung der 17. Wahlperiode am 4. Mai 2016, mit dem er der Beschlussempfehlung des Ältestenrates vom 27. April 2016 gefolgt ist und den Antrag auf Einsetzung eines 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses - "Mögliche Sicherheitslücken in der Abwehr islamistischer Bedrohungen in Niedersachsen" - in der dem Änderungsvorschlag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen entsprechenden Fassung angenommen hat, sie in ihrem Recht aus Art. 27 Abs. 1 Satz 2 der Niedersächsischen Verfassung insofern verletzt hat, als er in den Ziffern I. Nrn. 1., 2., 5. und 7. sowie II. Nrn. 1.,2., 5. und 7. den Beginn des Untersuchungszeitraumes gegenüber ihrem Einsetzungsantrag in der Fassung des Änderungsantrags vom 4. Mai 2016 vom "19. Februar 2013" auf den "Beginn des Bürgerkrieges in Syrien (Anfang 2011)" beziehungsweise auf den "Beginn des Bürgerkrieges in Syrien" ausgedehnt hat.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er macht geltend, der Antrag sei bereits unzulässig. Den Antragstellern fehle die erforderliche Antragsbefugnis. Antragsbefugt im Organstreit könne nur sein, wer selbst zuvor auch Antragsteller bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses gewesen sei. Im vorliegenden Fall hätten aber die Antragsteller des Organstreitverfahrens weder den Einsetzungsantrag noch die späteren Änderungsanträge selbst gestellt. Die Anträge seien vielmehr von den Parlamentarischen Geschäftsführern der Fraktionen von CDU und FDP im Namen dieser Fraktionen und nicht im Namen der einzelnen Abgeordneten gestellt worden. Das sei bei den Änderungsanträgen offensichtlich. Ein von den Fraktionen gestellter Einsetzungsantrag könne auch nicht als Antrag einzelner Abgeordneter behandelt werden. Der Antrag sei nicht, wie es die Geschäftsordnung des Landtages zwingend vorgebe, eigenhändig von den Antragstellern unterschrieben worden. Dem Antrag hätten auch keine Unterstützungserklärungen von einzelnen Abgeordneten beigelegen, aus denen klar und eindeutig hervorgehe, dass der Antrag von diesen Abgeordneten getragen werde. Dem Einsetzungsantrag hätten nur Teilnehmer- bzw. Anwesenheitslisten der Fraktionssitzungen beigelegen. Aus diesen Listen ergebe sich lediglich, welche Abgeordneten an den Fraktionssitzungen mit dem Thema "Einsetzung eines 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses" teilgenommen hätten. Es sei aber nicht klar, ob auch wirklich alle teilnehmenden Abgeordneten dem Einsetzungsantrag zugestimmt hätten. Der Antrag habe auch nicht von den Fraktionen stellvertretend für die einzelnen Abgeordneten gestellt werden können. Eine solche Stellvertretung sei mit dem Charakter des Art. 27 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 NV unvereinbar. Das Antragsrecht stehe den Abgeordneten nur höchstpersönlich zu.

Der Antragsgegner hält den Antrag zudem für unbegründet. Eine Rechtsverletzung der Antragsteller sei ausgeschlossen, da der Landtag zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses nicht verpflichtet gewesen sei. Das ergebe sich zum einen daraus, dass der Einsetzungsantrag allenfalls von den Fraktionen der CDU und FDP gestellt worden sei und als ein bloßer Fraktionsantrag nicht die Einsetzungspflicht nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 NV ausgelöst habe. Zum anderen sei der Einsetzungsantrag mangels hinreichender Bestimmtheit und Begrenztheit des Untersuchungsauftrags verfassungswidrig. Ein verfassungswidriger Einsetzungsantrag begründe keine Verpflichtung des Landtags auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Unabhängig davon lägen die Voraussetzungen für eine Erweiterung des Untersuchungsauftrags gegen den Willen der Antragsteller vor. Der Einsetzungsbeschluss lasse den Kern des Untersuchungsauftrags unberührt und wesentliche Verzögerungen seien nicht zu erwarten. Der Untersuchungsauftrag sei im Einsetzungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP auf die gesamte "Tätigkeit der Sicherheitsbehörden gegen die islamistische Bedrohung in Niedersachsen" gerichtet worden. Die Landtagsmehrheit habe mit dem Einsetzungsbeschluss nur deshalb den Untersuchungszeitraum von 2013 auf den Beginn des Bürgerkriegs in Syrien (Anfang 2011) ausgedehnt, um so eine möglichst objektive, umfassende und wirklichkeitsgetreue Untersuchung zu ermöglichen. Ab 2011 seien in Niedersachsen erhöhte Aktivitäten von Islamisten und ein darauf bezogenes Handeln niedersächsischer Behörden zu beobachten gewesen. Im Ältestenrat des Landtags hätten Fraktionsvertreter von CDU und FDP der Erweiterung des Untersuchungszeitraums auch zugestimmt. Zu der Erweiterung sei die parlamentarische Mehrheit allerdings auch ohne diese Zustimmung befugt gewesen. Denn der Untersuchungsauftrag sei nicht nach den subjektiven Wünschen der Minderheit, sondern nach dem objektiven Kriterium des öffentlichen Informationsauftrages zu bestimmen. Dass die Erweiterung des Untersuchungsauftrags diesen auch auf Zeiten anderer Regierungsverantwortung erstrecke, sei unerheblich, wenn der Untersuchungsauftrag einen zusammenhängenden Lebenssachverhalt betreffe. Bei anderer Betrachtung könnte die parlamentarische Mehrheit der Minderheitenenquete stets einen eigenen Untersuchungsausschuss mit erweitertem Untersuchungsauftrag entgegen setzen. Dies wäre allerdings der Effektivität parlamentarischer Kontrolle abträglich.

Eine wesentliche Verzögerung sei durch die vergleichsweise geringe Erweiterung des Untersuchungszeitraums nicht zu erwarten. Im Übrigen werde der von der Minderheit bestimmte Untersuchungsauftrag vorrangig abgearbeitet, so dass sich das ursprüngliche Untersuchungsziel der Antragsteller nach wie vor ohne Weiteres in der laufenden Legislaturperiode erreichen lasse.

Die vom Einsetzungsantrag abweichende Bestimmung des Untersuchungszeitraums auf den "Beginn des Bürgerkriegs in Syrien (Anfang 2011)" sei auch hinreichend bestimmt. Es sei ersichtlich der Beginn des Jahres 2011, also der 1. Januar 2011, gemeint gewesen.

III.

Der Landesregierung wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Sie hat von einer Stellungnahme abgesehen, da es sich um einen innerparlamentarischen Vorgang handele.

B.

Der Staatsgerichtshof entscheidet ohne Mitwirkung des Richters Pust. Dieser war kurzfristig verhindert, an der mündlichen Verhandlung am 18. November 2016 teilzunehmen, und konnte deshalb nicht mehr vertreten werden. Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG, der gemäß § 9 Abs. 3 NStGHG nur für die mündliche Verhandlung und Entscheidung des Staatsgerichtshofs entsprechende Anwendung findet, können nach Beginn der mündlichen Verhandlung weitere Richter nicht mehr hinzutreten.

Der Staatsgerichtshof ist nach § 9 Abs. 2 NStGHG beschlussfähig, wenn mindestens sieben Mitglieder anwesend sind.

C.

Der Antrag auf Durchführung des Organstreitverfahrens ist nach Art. 54 Nr. 1 NV vom 19. Mai 1993 (Nds. GVBl. S. 107), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. Juni 2011 (Nds. GVBl. S. 210), und § 8 Nr. 6 NStGHG vom 1. Juli 1996 (Nds. GVBl. S. 342), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Oktober 2016 (Nds. GVBl. S. 238), statthaft und auch sonst zulässig.

I.

Antragsgegenstand ist der Beschluss des Antragsgegners vom 4. Mai 2016 über die Einsetzung des 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses ("Tätigkeit der Sicherheitsbehörden gegen die islamistische Bedrohung in Niedersachsen"), soweit darin abweichend vom Einsetzungsantrag in der Fassung des 2. und 3. Änderungsantrags der Untersuchungsauftrag in den Ziffern I. Nrn. 1., 2., 5. und 7. und II. zu Nrn. 1.1. und 1.3., 2.2. bis 2.4., 5.1. bis 5.4. sowie 7.1. bis 7.4. vom "19. Februar 2013" auf den "Beginn des Bürgerkrieges in Syrien (Anfang 2011)" beziehungsweise auf den "Beginn des Bürgerkrieges in Syrien" ausgedehnt worden ist.

II.

Die Antragsteller sind als Einsetzungsminderheit im Sinne des Art. 27 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 NV im Organstreitverfahren beteiligtenfähig.

Hierfür genügt es nach Art. 54 Nr. 1 NV und § 8 Nr. 6 NStGHG, dass sie durch die Verfassung oder in der Geschäftsordnung des Landtags oder der Landesregierung mit eigenen Rechten ausgestattet sind.

Die 36 Abgeordneten, die den Antrag auf Durchführung des Organstreitverfahrens gestellt haben, machen 26,3 % der 137 Mitglieder des Landtags und damit mehr als ein Fünftel (28 Abgeordnete) aus. Als solche sind sie mit dem Recht aus Art. 27 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 NV ausgestattet.

III.

Die Antragsteller sind auch antragsbefugt im Sinne des § 30 NStGHG in Verbindung mit § 64 Abs. 1 BVerfGG. Sie können geltend machen, durch den Beschluss des Antragsgegners vom 4. Mai 2016 in ihrem Recht aus Art. 27 Abs. 1 NV verletzt zu sein.

Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 NV hat der Landtag auf Antrag von mindestens einem Fünftel seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen, um Sachverhalte im öffentlichen Interesse aufzuklären. Dieses sogenannte Untersuchungsrecht der Einsetzungsminderheit umfasst grundsätzlich die Befugnis, auch den Untersuchungsauftrag selbst zu bestimmen.

Nach dem Vorbringen der Antragsteller besteht die Möglichkeit, dass sie in diesem Untersuchungsrecht verletzt sind. Entgegen der im verfassungsgerichtlichen Verfahren vom Antragsgegner geäußerten Auffassung ist der Staatsgerichtshof zu der Überzeugung gelangt, dass der Antrag auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses vom 5. April 2016 auch von den Antragstellern dieses Organstreitverfahrens und nicht von den Fraktionen der CDU und der FDP gestellt worden ist und auch die nachfolgenden Änderungsanträge vom 14. April 2016 und 4. Mai 2016 den Antragstellern zuzurechnen sind.

Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 NV muss der Einsetzungsantrag von mindestens einem Fünftel der Mitglieder des Landtags gestellt werden. Weitere formelle Anforderungen an den zu stellenden Antrag formuliert die Niedersächsische Verfassung nicht. Nach § 38 Abs. 1 und 2 der Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtags - GO LT - vom 4. März 2003 (Nds. GVBl. S. 135), zuletzt geändert durch Beschluss vom 15. Dezember 2014 (Nds. GVBl. S. 505), besteht für selbstständige Anträge, mit denen der Landtag von der Landesregierung, von einer Fraktion oder von mindestens zehn Mitgliedern des Landtags um eine Entschließung, eine Zustimmung oder um einen sonstigen, nicht besonders geregelten Beschluss gebeten wird, das Schriftformerfordernis. Der Antrag ist schriftlich bei dem Präsidenten des Landtags einzureichen. Der Antrag eines oder mehrerer Abgeordneter muss auch von diesen eigenhändig unterschrieben sein. Für Änderungsanträge verweist § 38 Abs. 3 GO LT auf § 23 GO LT. Nach § 23 Abs. 2 Satz 1 GO LT muss auch ein Änderungsantrag schriftlich eingereicht werden, bedarf aber nicht der Unterschrift der Antragsteller. Nach § 23 Abs. 3 Satz 3 GO LT genügt, dass der Änderungsantrag von den Antragstellern "unterstützt" wird.

Ein Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 NV ist schon dann wirksam gestellt, wenn von der erforderlichen Anzahl personell identifizierbarer einzelner Mitglieder des Landtags gegenüber dem Landtag klar und eindeutig der Wille zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses geäußert worden ist. Maßgebend ist, wie der Empfänger der Willensäußerung diese bei objektiver Würdigung verstehen konnte.

Nach diesem Maßstab ist der Einsetzungsantrag vom 5. April 2016 neben anderen auch von den Antragstellern dieses Organstreitverfahrens gestellt worden.

Der Einsetzungsantrag wurde als Entwurf einer Landtagsdrucksache ("17/0000") erstellt. Als Antragsteller erscheinen die Fraktionen der CDU und der FDP. Er wurde "Für die Fraktion" von den Parlamentarischen Geschäftsführern der Fraktion der CDU, dem Antragsteller zu 27., und der Fraktion der FDP, dem Antragsteller zu 36., eigenhändig unterschrieben. Dem Antrag sind indes zwei Listen beigefügt, auf denen 36 Abgeordnete der Fraktion der CDU, darunter die Antragsteller zu 1. bis 35., sowie 14 Abgeordnete der Fraktion der FDP, darunter der Antragsteller zu 36., Unterschriften geleistet haben.

Die Unterschriftenliste der Fraktion der CDU ist überschrieben mit "Teilnehmerliste für Sitzungen der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag" und datiert auf den 5. April 2016. Als Thema benennt sie die "Einsetzung eines 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses". Entgegen der Darstellung des Antragsgegners im Organstreitverfahren ist diese Unterschriftenliste aber keine Teilnehmerliste einer Fraktionssitzung. Die Unterschriftenliste wurde vielmehr allein für den Einsetzungsantrag gefertigt. Dabei wurde lediglich auf den Vordruck einer Teilnehmerliste für Fraktionssitzungen zurückgegriffen. Die Antragsteller haben ergänzend die eigentliche Teilnehmerliste der Sitzung der Fraktion der CDU vom 5. April 2016 vorgelegt. Diese weist keine Themenbegrenzung auf die Einsetzung des Untersuchungsausschusses auf, ist klar als Teilnehmerliste einer Fraktionssitzung gekennzeichnet und unterscheidet sich auch hinsichtlich der enthaltenen Unterschriften von der Unterschriftenliste, die dem Einsetzungsantrag beigefügt ist. Darüber hinaus haben die Antragsteller
- für den Staatsgerichtshof nachvollziehbar - die entsprechende Praxis in der parlamentarischen Arbeit des Landtags dargestellt. Danach wird, soweit Unterschriften(-listen) erforderlich sind, regelmäßig auf die Vordrucke der Teilnehmerlisten von Fraktionssitzungen zurückgegriffen.

Aus diesen für die Landtagsverwaltung erkennbaren Umständen ergibt sich bei der gebotenen objektiven Würdigung, dass die 36 Abgeordneten der Fraktion der CDU

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nicht nur einen Einsetzungsantrag der Fraktion unterstützen wollten. Mit ihrer eigenhändigen Unterschrift auf der dem Einsetzungsantrag beigefügten Unterschriftenliste haben sie hinreichend klar und eindeutig ihren Willen geäußert, als einzelne Mitglieder des Landtags die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses beantragen zu wollen.

Die dem Einsetzungsantrag beigefügte Unterschriftenliste der Fraktion der FDP ist überschrieben mit "FDP-Fraktion im Niedersächsischen Landtag - Anwesenheitsliste für die Sitzung am: 05.04.2016". Als Thema benennt sie die "Einsetzung eines 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses - 'Sicherheitslücken in der Abwehr islamistischer Bedrohungen in Niedersachsen'". Anders als bei der Unterschriftenliste der Abgeordneten der CDU-Fraktion handelt es sich hier zwar um eine Teilnehmerliste der vorausgegangenen Fraktionssitzung. Nach der den Staatsgerichtshof überzeugenden Darstellung der Antragsteller haben in dieser Fraktionssitzung aber alle Mitglieder der FDP-Fraktion dem Einsetzungsantrag zugestimmt und sich diesen so zu Eigen gemacht.

Aus diesen für die Landtagsverwaltung erkennbaren Umständen ergibt sich bei der gebotenen objektiven Würdigung, dass auch alle 14 Abgeordneten der Fraktion der FDP

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hinreichend deutlich ihren Willen geäußert haben, als einzelne Mitglieder des Landtags die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses beantragen zu wollen. Im Übrigen hat der Antragsteller zu 36., der als einziges Mitglied der Fraktion der FDP an diesem Organstreitverfahren beteiligt ist, den Einsetzungsantrag als parlamentarischer Geschäftsführer auch eigenhändig unterschrieben.

Einem wirksamen Einsetzungsantrag der genannten Abgeordneten der Fraktionen von CDU und FDP steht auch nicht entgegen, dass die Abgeordneten ihren Willen nicht unmittelbar gegenüber dem Landtag geäußert haben, sondern die Willensäußerung im Rahmen oder anlässlich einer Fraktionssitzung erfolgte und die Parlamentarischen Geschäftsführer mit der Weiterleitung des bekundeten Willens an den Landtag beauftragt worden sind (vgl. zu einer vergleichbaren Konstellation BVerfG, Urt. v. 17.7.1984 - 2 BvE 11/83 -, BVerfGE 67, 100, 107 = juris Rn. 28; Waldhoff/Gärditz, PUAG, § 1 Rn. 41). Denn für eine Willensäußerung gegenüber dem Landtag ist ausreichend, dass ein von einzelnen Abgeordneten innerhalb der Fraktion gebildeter und geäußerter Wille bestimmungsgemäß durch einen Vertreter der Fraktion an den Landtag weitergeleitet wird. Dem entspricht auch die von den Antragstellern nachvollziehbar geschilderte parlamentarische Praxis des Landtags.

Die danach gebotene objektive Würdigung, dass die genannten 50 personell identifizierbaren Mitglieder des Landtags gegenüber dem Landtag hinreichend klar und eindeutig ihren Willen zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses geäußert und so wirksam einen Einsetzungsantrag nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 NV gestellt haben, ist auch von dem Präsidenten des Landtags im parlamentarischen Verfahren vorgenommen worden. So sind in der Landtagsdrucksache 17/5502, die den Eingang des Einsetzungsantrags bei dem Landtag dokumentiert, als Antragsteller dieses Einsetzungsantrags bezeichnet "Abgeordnete Jens Nacke (CDU) und Christian Grascha (FDP) und 48 weitere Mitglieder der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP". Auch in der 97. Plenarsitzung des Landtags vom 4. Mai 2016, in der über den Einsetzungsantrag beschlossen worden ist, wies der die Sitzung leitende Präsident des Landtags darauf hin: "Zu dem Antrag in der Drucksache 17/5502 liegen 50 Unterschriften vor. Das nach unserer Verfassung erforderliche Quorum von mindestens einem Fünftel der Mitglieder ist damit erreicht. Der Landtag hat also die Pflicht, den beantragten Untersuchungsausschuss einzusetzen." (PlProt. 17/97, S. 9736). Dieser – zutreffenden – Einschätzung hat im parlamentarischen Verfahren ersichtlich kein Mitglied des Landtags widersprochen.

Nach dem dargestellten Maßstab sind darüber hinaus auch die Änderungsanträge vom 14. April 2016 und vom 4. Mai 2016 den Antragstellern zuzurechnen.

Allerdings weist der Antragsgegner zutreffend darauf hin, dass nach der Formulierung beider Anträge die Fraktionen von CDU und FDP als Antragsteller erscheinen. Die Anträge wurden "Für die Fraktion" von den Parlamentarischen Geschäftsführern dieser Fraktionen eingebracht. Insoweit unterscheiden sich die beiden Änderungsanträge zunächst einmal nicht von dem vorausgegangenen Einsetzungsantrag, der, wie gezeigt, gleichwohl als Antrag einzelner Abgeordneter zu werten ist. Der einzige Unterschied zu dem Einsetzungsantrag besteht darin, dass den Änderungsanträgen eine Liste mit Unterschriften der einzelnen Abgeordneten nicht beigefügt war.

Dieser Umstand schließt es bei der gebotenen objektiven Würdigung indes nicht aus, auch die beiden Änderungsanträge den genannten einzelnen Abgeordneten der Fraktionen von CDU und FDP und damit auch den Antragstellern dieses Organstreitverfahrens zuzurechnen. Schon nach der Geschäftsordnung des Landtags gelten für Änderungsanträge deutlich abgesenkte formelle Anforderungen. Wie dargestellt fordert § 38 Abs. 3 GO LT in Verbindung mit § 23 Abs. 3 Satz 3 GO LT nur, dass der Änderungsantrag von den ursprünglichen Antragstellern "unterstützt" wird. Formelle Erfordernisse an diese Unterstützung werden nicht gestellt; eine Unterschrift der Antragsteller ist nicht mehr erforderlich. Dem entspricht der vom Staatsgerichtshof herausgearbeitete verfassungsrechtliche Maßstab, wonach jede hinreichend deutliche Willensäußerung des notwendigen Quorums personell identifizierbarer Abgeordneter gegenüber dem Landtag für einen wirksamen (Änderungs-)Antrag genügt. Diese hinreichend deutliche Willensäußerung sieht der Staatsgerichtshof für die beiden Änderungsanträge darin, dass der Antrag auf Einsetzung des 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses in der parlamentarischen Debatte am 4. Mai 2016 ausdrücklich als Einheit von Einsetzungsantrag und Änderungsanträgen behandelt worden ist (vgl. PlProt. 17/97, S. 9735 ff.). Die Landtagsverwaltung hat den Einsetzungsantrag und die Änderungsanträge in einem Tagesordnungspunkt zusammengefasst. Der Präsident des Landtags hat, ohne zwischen dem Einsetzungsantrag und den Änderungsanträgen zu unterscheiden, auf die verfassungsrechtliche Pflicht zur Einsetzung des beantragten Untersuchungsausschusses hingewiesen. In der Plenardebatte sind der Einsetzungsantrag und die Änderungsanträge nicht nur gemeinsam beraten worden. Vielmehr haben sowohl die Sprecher der Einsetzungsminderheit als auch die Sprecher der Parlamentsmehrheit nicht, und zwar auch nicht in der Debatte um die Zulässigkeit der Erweiterung des Untersuchungszeitraums, zwischen den verschiedenen Anträgen unterschieden. Ein Widerspruch gegen diese einheitliche Behandlung des Einsetzungsantrags und der Änderungsanträge aus dem Plenum ist nicht ersichtlich.

Der Antragsbefugnis der 36 Antragsteller im Organstreitverfahren steht schließlich nicht entgegen, dass sie nicht vollständig identisch sind mit den 50 Abgeordneten, die den Einsetzungsantrag im Landtag gestellt haben. Es genügt vielmehr, dass die Antragsteller im Organstreitverfahren auch zu den Antragstellern gehören, die den Einsetzungsantrag gestellt haben, und dass sie selbst das in Art. 27 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 NV genannte Quorum erfüllen (vgl. BVerfG, Urt. v. 17.7.1984, a.a.O., S. 124 = juris Rn. 87 (Flick-Untersuchungsaus-schuss); Beschl. v. 2.8.1978 - 2 BvK 1/77 -, BVerfGE 49, 70, 77 = juris Rn. 16 (Untersuchungsausschuss Schleswig-Holstein); Urt. v. 7.3.1953 - 2 BvE 4/52 -, BVerfGE 2, 143, 162 = juris Rn. 71 f. (EVG-Vertrag); NWVerfGH, Urt. v. 17.10.2000 - 16/98 -, NVwZ 2002, 75 = juris Rn. 44; OVG Lüneburg, Urt. v. 26.4.1954 - II OVG C 1/53 -, OVGE 7 (1955), 489, 493 und 496).

IV.

Der Antrag ist zu Recht gegen den Landtag als Antragsgegner gerichtet.

Die Antragsteller beanstanden ein Verhalten, das dem Landtag als Ganzem zuzurechnen ist. Denn die Befugnis, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen und dessen Untersuchungsauftrag zu ändern oder aufzuheben, steht nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 NV allein dem Landtag zu (vgl. BVerfG, Beschl. v. 22.12.1992 - 2 BvQ 14/91 u.a. -, BVerfGE 88, 63, 68 = juris Rn. 24; NWVerfGH, Urt. v. 17.10.2000, a.a.O., S. 75 = juris Rn. 44; Nds. StGH, Urt. v. 16.1.1986 - StGH 1/85 -, StGHE 3, 63, 69 = juris Rn. 26; BayVerfGH, Entsch. v. 27.6.1977 - Vf. 31-IV-77 -, juris Rn. 68 und 76; HessStGH, Urt. v. 24.11.1966 - P.St. 414 -, juris Rn. 61 ff. jeweils mit weiteren Nachweisen).

V.

Das Rechtsschutzbedürfnis ist hier nicht ausnahmsweise entfallen.

Entgegen der Darstellung des Antragsgegners im Organstreitverfahren vermochte der Staatsgerichtshof eine Zustimmung der Antragsteller zur Erweiterung des Untersuchungszeitraums nicht festzustellen.

Das Rechtsschutzbedürfnis ist auch nicht dadurch entfallen, dass der Untersuchungsausschuss in seiner Sitzung am 10. Juni 2016 beschlossen hat, zunächst nur den von der Einsetzungsminderheit bestimmten Untersuchungsauftrag zu erfüllen. Ob sich der Untersuchungsausschuss bei seiner späteren Arbeit an eine solche Verfahrensweise hält, hängt allein vom Willen der Ausschussmehrheit ab, die wiederum von der Mehrheit des Landtags gestellt wird. Wenn das Minderheitsrecht - und mit ihm das parlamentarische Kontrollrecht - nicht über Gebühr geschwächt werden soll, darf die Minderheit in dieser Frage aber nicht auf das Wohlwollen der Mehrheit angewiesen sein. Denn das könnte sie daran hindern, rückhaltlos die Umstände aufzuklären, deren Aufdeckung nicht im Interesse der jeweiligen Mehrheit steht. Der parlamentarischen Opposition würde so ein Instrument genommen, das ihr nicht nur in ihrem eigenen Interesse, sondern in erster Linie im Interesse des demokratischen Staates - nämlich zur Kontrolle der von der Mehrheit gestützten Regierung und der ihr nachgeordneten Behörden - an die Hand gegeben ist. Das wäre mit der Verfassung nicht vereinbar (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2.8.1978, a.a.O., S. 87 = juris Rn. 38).

D.

Der Antrag ist auch begründet.

I.

Aufgrund des durch den Antrag der Antragsteller eingegrenzten Prüfungsrahmens überprüft der Staatsgerichtshof in diesem Organstreitverfahren nicht, ob die Einsetzung des 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses objektiv verfassungsgemäß ist. Die vom Antragsgegner aufgeworfenen Fragen der hinreichenden Begrenztheit und Bestimmtheit des Einsetzungsantrags der Antragsteller bedürfen keiner Beantwortung in diesem Verfahren.

Gegenstand des Organstreitverfahrens vor dem Staatsgerichtshof ist eine Streitigkeit über den Umfang der durch die Niedersächsische Verfassung übertragenen Rechte und Pflichten eines obersten Landesorgans oder eines anderen Beteiligten, der durch die Niedersächsische Verfassung oder in der Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtags oder der Niedersächsischen Landesregierung mit eigenen Rechten ausgestattet ist, auf Antrag des obersten Landesorgans oder des anderen Beteiligten (Art. 54 Nr. 1 NV, § 8 Nr. 6 NStGHG). Der Antragsteller muss geltend machen, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch die Niedersächsische Verfassung übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist (§ 30 NStGHG in Verbindung mit § 64 Abs. 1 BVerfGG). Der Antragsteller muss in seinem Antrag die Bestimmung der Niedersächsischen Verfassung bezeichnen, gegen die durch die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners verstoßen wird (§ 30 NStGHG in Verbindung mit § 64 Abs. 1 BVerfGG). Der Staatsgerichtshof stellt in seiner Entscheidung fest, ob die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners gegen eine Bestimmung der Niedersächsischen Verfassung verstößt (§ 30 NStGHG in Verbindung mit § 67 Satz 1 BVerfGG).

Das Organstreitverfahren ist danach eine kontradiktorische Rechtsstreitigkeit mit Antragsteller und Antragsgegner und kein objektives Prüfungsverfahren. Das Organstreitverfahren dient maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht der davon losgelösten Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2010 - 2 BvE 5/07 -, BVerfGE 126, 55, 67 f. = juris Rn. 45; VerfG Bbg, Urt. v. 19.2.2016 - VfGBbg 57/15 -, NVwZ 2016, 931, 935 = juris Rn. 60; BerlVerfGH, Urt. v. 11.4.2014 - 134/12 -, juris Rn. 31 jeweils mit weiteren Nachweisen).

Den Streitgegenstand des Organstreitverfahrens bestimmt der Antragsteller mit seinem Antrag und der hierin angeführten Maßnahme oder Unterlassung sowie mit der Benennung der als verletzt behaupteten Verfassungsnorm (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.9.2013 - 2 BvE 6/08 u.a. -, BVerfGE 134, 141, 192 = juris Rn. 149; VerfG Bbg, Urt. v. 19.2.2016, a.a.O., S. 935 = juris Rn. 61; BerlVerfGH, Urt. v. 11.4.2014, a.a.O., Rn. 30; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 64 Rn. 11 und 108 f. (Stand: Februar 2012) jeweils mit weiteren Nachweisen). Zugleich beschränkt der Antragsteller so den Prüfungsmaßstab des Staatsgerichtshofs (vgl. VerfG M-V, Beschl. v. 26.5.2011 - 19/10 -, juris Rn. 41; BerlVerfGH, Urt. v. 14.7.2010 - 57/08 -, juris Rn. 82; Bethge, a.a.O., § 64 Rn. 123 (Stand: Februar 2012)). Denn der Staatsgerichtshof prüft im Organstreit den Angriffsgegenstand (vgl. zu diesem Begriff: BVerfG, Urt. v. 3.7.2007 - 2 BvE 2/07 -, BVerfGE 118, 244, 255 [BVerfG 03.07.2007 - 2 BvE 2/07] = juris Rn. 32) keineswegs umfassend und in alle Richtungen. Für eine allgemeine, abstrakte Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit aller in Betracht kommende Aspekte des Falles ist im Organstreit kein Raum (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2010, a.a.O., S. 67 f. und 74 = juris Rn. 45 und 62; Urt. v. 4.7.2007 - 2 BvE 1/06 u.a. -, BVerfGE 118, 277, 318 f. = juris Rn. 191; Urt. v. 22.11.2001 - 2 BvE 6/99 -, BVerfGE 104, 151, 193 f. = juris Rn. 122; VerfG Bbg, Urt. v. 19.2.2016, a.a.O., S. 935 = juris Rn. 62; BerlVerfGH, Urt. v. 11.4.2014, a.a.O., Rn. 31). Der Staatsgerichtshof ist vielmehr an die Begrenzung des Streitgegenstandes, wie sich diese aus dem Antrag und der Antragsbegründung bei verständiger Würdigung des tatsächlichen Begehrens des Antragstellers ergibt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.9.2013, a.a.O., S. 192 = juris Rn. 149; Beschl. v. 22.11.2011 - 2 BvE 3/08 -, BVerfGE 129, 356, 364 f. = juris Rn. 23 jeweils mit weiteren Nachweisen), gebunden (vgl. BVerfG, Urt. v. 16.12.2014 - 2 BvE 2/14 -, BVerfGE 138, 102, 108 = juris Rn. 23; VerfG Bbg, Urt. v. 19.2.2016, a.a.O., S. 935 = juris Rn. 63; Bethge, a.a.O., § 64 Rn. 123 (Stand: Februar 2012) jeweils mit weiteren Nachweisen).

Im vorliegenden Organstreitverfahren machen die Antragsteller geltend, durch den Beschluss des Antragsgegners vom 4. Mai 2016 über die Einsetzung des 23. Parlamen-tarischen Untersuchungsausschusses ("Tätigkeit der Sicherheitsbehörden gegen die islamistische Bedrohung in Niedersachsen") in ihrem Recht auf Bestimmung des Untersuchungsauftrags nach Art. 27 Abs. 1 NV insoweit verletzt zu sein, als damit abweichend vom Einsetzungsantrag in der Fassung des 2. und 3. Änderungsantrags der Untersuchungsauftrag in den Ziffern I. Nrn. 1., 2., 5. und 7. und II. zu Nrn. 1.1. und 1.3., 2.2. bis 2.4., 5.1. bis 5.4. sowie 7.1. bis 7.4. vom "19. Februar 2013" auf den "Beginn des Bürgerkrieges in Syrien (Anfang 2011)" beziehungsweise auf den "Beginn des Bürgerkrieges in Syrien" ausgedehnt worden ist.

Eine Verletzung des (vorgelagerten) Rechts, nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 NV die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsauftrags dem Grunde nach verlangen zu können, rügen die Antragsteller hingegen nicht. Eine solche Rechtsverletzung ist auch ersichtlich nicht gegeben, nachdem der Antragsgegner den 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss eingesetzt hat.

II.

Der Antragsgegner hat die Antragsteller in deren Recht aus Art. 27 Abs. 1 NV dadurch verletzt, dass er mit seinem Beschluss vom 4. Mai 2016 über die Einsetzung des 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses - "Tätigkeit der Sicherheitsbehörden gegen die islamistische Bedrohung in Niedersachsen" - den Untersuchungsauftrag abweichend vom Einsetzungsantrag der Antragsteller vom 5. April 2016 in der Fassung des 2. Änderungsantrags vom 14. April 2016 und des 3. Änderungsantrags vom 4. Mai 2016 in den Ziffern I. Nrn. 1., 2., 5. und 7. und II. zu Nrn. 1.1. und 1.3., 2.2. bis 2.4., 5.1. bis 5.4. sowie 7.1. bis 7.4. vom "19. Februar 2013" auf den "Beginn des Bürgerkrieges in Syrien (Anfang 2011)" beziehungsweise auf den "Beginn des Bürgerkrieges in Syrien" ausgedehnt hat.

1.  Die parlamentarische Minderheit darf bei der Ausübung ihrer Kontrollbefugnisse nicht auf das Wohlwollen der Parlamentsmehrheit angewiesen sein. Der Grundsatz der Gewaltenteilung im parlamentarischen Regierungssystem gewährleistet die praktische Ausübbarkeit der parlamentarischen Kontrolle gerade auch durch die parlamentarische Minderheit; es gilt der "Grundsatz effektiver Opposition" (BVerfG, Urt. v. 3.5.2016 - 2 BvE 4/14 -, juris Rn. 85 ff.). Die Kontrollbefugnisse sind der parlamentarischen Minderheit nicht nur in ihrem eigenen Interesse, sondern in erster Linie im Interesse des demokratischen, gewaltengegliederten Staates - nämlich zur öffentlichen Kontrolle der von der Mehrheit gestützten Regierung und ihrer nachgeordneten Behörden - an die Hand gegeben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2.8.1978, a.a.O., S. 87 = juris Rn. 38 ).

Das Untersuchungsrecht der parlamentarischen Minderheit ist daher mit der Verpflichtung des Parlaments zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses allein noch nicht gewährleistet. Dessen ungehinderte Ausübung setzt weitere Sicherungen voraus. Vor allem muss es der Minderheit überlassen bleiben, den Gegenstand der von ihr beantragten Untersuchung festzulegen. Gegen den Willen der Minderheit darf der Untersuchungsauftrag daher grundsätzlich nicht verändert oder erweitert werden (so die einhellige Auffassung in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung: BVerfG, Beschl. v. 2.8.1978, a.a.O., S. 86 = juris Rn. 37 ; HessStGH, Urt. v. 13.4.2011 - P.St. 2290 -, juris Rn. 87 f.; HVerfG, Urt. v. 1.12.2006 - 01/06 -, NVwZ-RR 2007, 289, 290 = juris Rn. 101; VerfGH NW, Urt. v. 17.10.2000, a.a.O., S. 76 = juris Rn. 58; BayVerfGH, Entsch. v. 19.4.1994, a.a.O., S. 686 = juris Rn. 666; Nds. StGH, Urt. v. 16.1.1986, a.a.O., S. 68 = juris Rn. 25; OVG Lüneburg, Urt. v. 26.4.1954, a.a.O., S. 497 f.; Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, Urt. v. 18.6.1927, RGZ 116 Anhang S. 45, 52 ff.; und auch der verfassungsrechtlichen Literatur: Klein, a.a.O., Art. 44 Rn. 76 ff. (Stand: Dezember 2015); Birkner, in: Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, Art. 27 Rn. 16; Cancik, Vom Charme formaler Anknüpfungen im Parlamentsrecht - Zur Änderung des Auftrags eines Untersuchungsausschusses, in: Der Staat 49 (2010), 251, 258 f.; Hempfer, Zur Änderungsbefugnis der Parlamentsmehrheit bei Minderheitsanträgen auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen, in: ZParl 1979, 295, 296; Pofalla, Das Bepackungsverbot am Beispiel des "Lügenuntersuchungsausschusses", in: DÖV 2004, 335, 338 f. [VerfG Hamburg 01.12.2006 - HVerfG 01/06]; Schliesky, Art. 44 GG - Zulässigkeit der Änderung des Untersuchungsgegenstandes gegen den Willen der Einsetzungsmehrheit, in: AöR 126 (2001), 244, 247, 251f. und 264 f. jeweils mit weiteren Nachweisen).

2.  Dieser Grundsatz gilt indes nicht ausnahmslos. Der Landesverfassungsgesetzgeber und innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen auch der einfache Landesgesetzgeber sind befugt, die Voraussetzungen und Grenzen der Befugnis der Parlamentsmehrheit zur Änderung des Untersuchungsauftrags gegen den Willen der Einsetzungsminderheit zu bestimmen, ohne dass sich insoweit aus dem Homogenitätsgebot in Verbindung mit Art. 44 GG Grenzen ergeben (vgl. Caspar, Das Recht der Minderheit zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen und das Hamburgische Verfassungsgericht, in: NordÖR 2007, 59 [VerfG Hamburg 01.12.2006 - HVerfG 01/06]).

Im Bund und in den Ländern sind unterschiedliche Regelungen zur Befugnis der Parlamentsmehrheit zur Änderung des Untersuchungsauftrags gegen den Willen der Einsetzungsminderheit getroffen worden, die sich im Wesentlichen in zwei Gruppen einteilen lassen (vgl. zur Unterscheidung und Begriffsbildung: Cancik, a.a.O., S. 252 f.; Glauben/Brocker, a.a.O., § 6 Rn. 30): Zum einen sind dies Regelungen, die eine Änderung des Untersuchungsauftrags gegen den Willen der Einsetzungsminderheit ausschließen und Ausnahmen nicht zulassen. Derartige sog. "Zustimmungsregelungen" finden sich etwa im Bund (vgl. § 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages - PUAG -), in Baden-Württemberg (vgl. § 3 Abs. 2 des Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags (Untersuchungsausschussgesetz – UAG BW)) und in Mecklenburg-Vorpommern (vgl. § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen (Untersuchungsausschussgesetz - UAG M-V)). Zum anderen sind dies Regelungen, die eine Änderung des Untersuchungsauftrags gegen den Willen der Einsetzungsminderheit unter bestimmten Voraussetzungen und in gewissen Grenzen zulassen. Solche sog. "Kernregelungen" finden sich etwa in Bayern (vgl. Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes über die Untersuchungsausschüsse des Bayerischen Landtags), in Hamburg (vgl. § 3 Abs. 2 des Gesetzes über die Untersuchungsausschüsse der Hamburgischen Bürgerschaft) und in Schleswig-Holstein (vgl. § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse (Untersuchungsausschussgesetz Schleswig-Holstein – UAG SH)).

Auch in Niedersachsen ist in Art. 27 Abs. 1 Satz 2 NV eine solche "Kernregelung" getroffen worden. Danach darf gegen den Willen der Antragstellerinnen oder Antragsteller der Untersuchungsauftrag nur ausgedehnt werden, wenn dessen Kern gewahrt bleibt und keine wesentliche Verzögerung zu erwarten ist.

3.  Art. 27 Abs. 1 Satz 2 NV bestimmt nur, bis zu welcher Grenze Änderungen des Untersuchungsauftrags zulässig sind, lässt aber offen, ob bis zum Erreichen dieser Grenzen Änderungen durch die parlamentarische Mehrheit voraussetzungs- und insbesondere anlasslos möglich sind.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Entscheidung zum Untersuchungsrecht nach der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, die seinerzeit keine Regelungen zu Voraussetzungen oder Grenzen einer Änderung des Untersuchungsauftrags gegen den Willen der Einsetzungsminderheit enthielt, angenommen, dass das Ausschussverfahren seinen Sinn verliere, wenn der Ausschuss den zu überprüfenden Sachverhalt von vornherein nur unter einem eingeengten Blickwinkel untersuche und damit dem Parlament - und auch der Öffentlichkeit - allenfalls eine verzerrte Darstellung vermitteln könne. Von Verfassungs wegen seien deshalb Zusatzfragen gegen den Willen der Antragsteller zulässig, wenn sie nötig seien, um ein umfassenderes - und wirklichkeitsgetreueres - Bild des angeblichen Missstandes zu vermitteln. Bei jeder Ergänzung sei aber Zurückhaltung geboten. Dass ihre Voraussetzungen gegeben seien, müsse offen zu Tage liegen. Sei dies nicht der Fall, gehe dies zu Lasten der Mehrheit: die Zusatzfragen seien unzulässig. Diese deutliche Abgrenzung sei erforderlich, um das Recht der Minderheit zu schützen. Einen anderen Maßstab dürfe auch das Verfassungsgericht nicht anlegen. Es könne nicht die Aufgabe übernehmen, vielleicht doch bestehende - verborgene - Zusammenhänge aufzudecken und dazu eigene Nachforschungen anzustellen; damit würde die Arbeit parlamentarischer Untersuchungsausschüsse auf das Verfassungsgericht verlagert (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2.8.1978, a.a.O., S. 87 f. = juris Rn. 40). Danach setzt eine Änderung des Untersuchungsauftrags gegen den Willen der Einsetzungsminderheit voraus, dass sie nötig ist, um ein umfassenderes - und wirklichkeitsgetreueres - Bild des angeblichen Missstandes zu vermitteln. Eine diese Voraussetzung erfüllende Änderung ist gleichwohl nur zulässig, wenn sie den Kern des Untersuchungsauftrags wahrt und keine wesentliche Verzögerung zu erwarten ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2.8.1978, a.a.O., S. 88 = juris Rn. 40; und zur Abgrenzung der Voraussetzung "umfassenderes und wirklichkeitsgetreueres Bild" gegenüber den Grenzen "Kern gewahrt" und "keine wesentliche Verzögerung zu erwarten": Cancik, a.a.O., S. 258 f.).

Der Staatsgerichtshof des Landes Hessen hat sich dieser Rechtsprechung für das hessische Verfassungsrecht angeschlossen, das ebenfalls keine Regelungen zu Voraussetzungen oder Grenzen einer Änderung des Untersuchungsauftrags gegen den Willen der Einsetzungsminderheit enthält (vgl. HessStGH, Urt. v. 13.4.2011, a.a.O., Rn. 89). Auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof scheint Voraussetzungen für die Änderung eines Untersuchungsauftrags gegen den Willen der Einsetzungsminderheit formulieren zu wollen, wenn er "triftige Gegengründe" für eine solche Änderung fordert und "bloße Praktikabilitäts- oder Zweckmäßigkeitserwägungen oder sonstige 'materielle Verbesserungen', die keinem verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen", nicht genügen lässt (vgl. BayVerfGH, Entsch. v. 19.4.1994, a.a.O., S. 686 = juris Rn. 666).

Ähnliche Voraussetzungen für eine Änderung des Untersuchungsauftrags sind dem niedersächsischen Verfassungsrecht nicht zu entnehmen.

Dem hiesigen Verfassungsgesetzgeber war bei den Beratungen der am 1. Juni 1993 in Kraft getretenen Niedersächsischen Verfassung die dargestellte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und auch die hiergegen erhobene Kritik (vgl. HVerfG, Urt. v. 1.12.2006, a.a.O., S. 290 = juris Rn. 114; Hempfer, Zur Änderungsbefugnis der Parlamentsmehrheit bei Minderheitsanträgen auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen, in: ZParl 1979, 295, 299 und die Nachweise bei Cancik, a.a.O., S. 260 ff.) bekannt, die vor allem die mangelnde Praktikabilität und Unschärfe des vom Bundesverfassungsgericht gewählten Kriteriums monierte. Anders als etwa in Berlin (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Untersuchungsausschüsse des Abgeordnetenhauses von Berlin (Untersuchungsausschussgesetz - UntAG)) hat sich der niedersächsische Verfassungsgesetzgeber - wie im Bund und in den meisten Ländern - gleichwohl nicht dafür entschieden, (positive) Voraussetzungen für die Befugnis der Parlamentsmehrheit zur Änderung des Untersuchungsauftrags gegen den Willen der Einsetzungsminderheit zu formulieren. Die Materialien zeigen vielmehr deutlich, dass der niedersächsische Verfassungsgesetzgeber allein gewillt war, (negative) Grenzen für die Befugnis der Parlamentsmehrheit zur Änderung des Untersuchungsauftrags gegen den Willen der Einsetzungsminderheit zu bestimmen (vgl. die Gegenüberstellung der Verfassungsentwürfe der Fraktionen von SPD, Grünen, CDU und FDP, LT-Drs. 12/3350, S. 54 f. und im Einzelnen: Verfassungsentwurf der Fraktionen der SPD und der Grünen, LT-Drs. 12/3008, S. 10 f.; Verfassungsentwurf der Fraktion der CDU, LT-Drs. 12/3210, S. 7; Verfassungsentwurf der Fraktion der FDP, LT-Drs. 12/3250, S. 8; sowie die Ausschussberatungen: Niederschriften über die 21./22. öffentliche Sitzung des Sonderausschusses "Niedersächsische Verfassung" v. 7.8.1992, S. 8 f.; über die 33./34. öffentliche Sitzung des Sonderausschusses "Niedersächsische Verfassung" v. 6.11.1992, S. 8; über die 41. öffentliche Sitzung des Sonderausschusses "Niedersächsische Verfassung" vom 26.2.1993, S. 11 f.; und den Schriftlichen Bericht zum Entwurf einer Niedersächsischen Verfassung (LT-Drs. 12/5840, S. 20 f.)).

Nach dem niedersächsischen Verfassungsrecht sind danach Änderungen des Untersuchungsauftrags gegen den Willen der Einsetzungsminderheit, auch wenn sie eine Ausnahme bleiben sollen, voraussetzungs- und insbesondere anlasslos möglich.

Dies umfasst selbstverständlich die Berichtigung von Schreib- oder Rechenfehlern und anderen offenbaren Unrichtigkeiten sowie rein redaktionelle Korrekturen, die eine sachliche Änderung des Untersuchungsauftrags offensichtlich nicht bewirken (vgl. Bayerischer VerfGH, Entsch. v. 19.4.1994, a.a.O., S. 686 = juris Rn. 666; Entsch. v. 27.6.1977, a.a.O., Rn. 80). Dazu gehören die hier durch die parlamentarische Mehrheit im Einsetzungsbeschluss vom 4. Mai 2016 vorgenommenen Änderungen, soweit sie geringfügige sachliche (z.B. "IS" in "ISIS-/IS") oder rein redaktionelle Korrekturen zum Gegenstand haben, die zeitliche Ausdehnung des Untersuchungszeitraumes aber nicht betreffen und als solche von den Antragstellern auch nicht angegriffen worden sind.

4.  Auch wenn Änderungen des Untersuchungsauftrags gegen den Willen der Einsetzungsminderheit voraussetzungs- und insbesondere anlasslos möglich sind, unterliegen sie doch ungeschriebenen und geschriebenen Grenzen.

a.  Neben den in Art. 27 Abs. 1 Satz 2 NV vom Verfassungsgesetzgeber niedergelegten Grenzen bei einer Änderung des Untersuchungsauftrags gegen den Willen der Einsetzungsminderheit besteht die ungeschriebene Grenze, dass die von der Parlamentsmehrheit erstrebte Änderung nicht zur Verfassungswidrigkeit des Untersuchungsauftrags führen darf. Wie der im Einsetzungsantrag bezeichnete Untersuchungsauftrag muss auch der geänderte Untersuchungsauftrag die kompetenziellen Zuständigkeiten des Landtags wahren, hinreichend bestimmt sein und grundrechtlich geschützten Interessen der von der Untersuchung betroffenen Privaten Rechnung tragen (vgl. zu diesen Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit eines Untersuchungsauftrags: BVerfG, Urt. v. 17.7.1984, a.a.O., S. 133 = juris Rn. 109 ; BayVerfGH, Entsch. v. 17.11.2014 - Vf. 70-VI-14 -, juris Rn. 38 ff.; Entsch. v. 19.4.1994, a.a.O., S. 682 = juris Rn. 629; Entsch. v. 27.6.1977, a.a.O., Rn. 79; SächsVerfGH, Urt. v. 29.8.2008, a.a.O., Rn. 180 ff.; Birkner, a.a.O., Rn. 18 ff.; Klein, a.a.O., Art. 44 Rn. 81 ff. (Stand: Dezember 2015); Waldhoff/Gärditz, a.a.O., Vorbemerkung D., Rn. 1 ff., und § 1 Rn. 16).

Diese ungeschriebenen Anforderungen werden durch die Änderung des Untersuchungsauftrags im Beschluss des Antragsgegners vom 4. Mai 2016 erfüllt. Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist die Bezeichnung des Untersuchungszeitraums mit dem "Beginn des Syrienkrieges (Anfang 2011)" bzw. dem "Beginn des Syrienkrieges" noch hinreichend bestimmt.

Das Bestimmtheitsgebot fordert vom Parlament, im Beschluss über die Einsetzung des Untersuchungsausschusses den Untersuchungsauftrag so genau festzulegen, dass dem Untersuchungsausschuss ein klares, möglichst genau und deutlich umschriebenes Arbeitsprogramm vorgegeben ist (vgl. Bayerischer VerfGH, Entsch. v. 19.4.1994, a.a.O., S. 685 = juris Rn. 660; Entsch. v. 27.6.1977, a.a.O., Rn. 93). Zur Bestimmtheit der Arbeit von Untersuchungsausschüssen gehört, dass sie ein eingegrenztes und überschaubares Thema mit einem darstellbaren Aufwand bewältigen können (vgl. StGH BW, Urt. v. 13.8.1991 - 1/91 -, NVwZ-RR 1992, 593, 597; Urt. v. 16.4.1977 - GR 2/76 -, NJW 1977, 1872, 1874; Depenheuer/Winands, Der parlamentarische Untersuchungsauftrag - inhaltliche Bestimmtheit und thematische Reichweite, in: ZRP 1988, 258, 260). Erforderlich sein können daher Eingrenzungen in zeitlicher, sachlicher oder personeller Hinsicht. Maßgeblich sind die Umstände des konkreten Einzelfalls.

Hieran gemessen war eine zeitliche Eingrenzung der zu untersuchenden Themen unbedingt erforderlich. Der Untersuchungsauftrag umfasst sehr viele Themenkomplexe und einen sehr umfangreichen Fragenkatalog. Ohne eine zeitliche Eingrenzung dieser Themen wäre die Arbeit des Untersuchungsausschusses uferlos, nicht mehr zu überschauen und auch nicht mehr mit einem darstellbaren Aufwand zu bewältigen.

Die danach erforderliche zeitliche Eingrenzung ist im Beschluss des Antragsgegners vom 4. Mai 2016 mit noch hinreichender Bestimmtheit vorgenommen worden.

Dafür genügt die Anknüpfung an den "Beginn des Bürgerkriegs in Syrien" allein allerdings nicht. Denn ein konkreter, historisch belegter Zeitpunkt ist hiermit nicht benannt. Nach den vorliegenden Erkenntnissen dürfte "Anfang 2011" ein Bürgerkrieg in Syrien noch nicht begonnen haben.

Als "Bürgerkrieg" werden nach der Legaldefinition in Art. 1 Abs. 1 des Zusatzprotokolls vom 8. Juni 1977 zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (Zusatzprotokoll II, BGBl. II 1990, 1637) verstanden "alle bewaffneten Konflikte, die von Artikel 1 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) nicht erfasst sind und die im Hoheitsgebiet einer Hohen Vertragspartei zwischen deren Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten bewaffneten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebiets der Hohen Vertragspartei ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchzuführen und dieses Protokoll anzuwenden vermögen". Fälle "innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen" sind nach Art. 1 Abs. 2 des Zusatzprotokolls II hingegen noch nicht als "Bürgerkrieg" anzusehen (vgl. zum Begriff und zur Abgrenzung auch Schindler, in: Görres-Gesellschaft, Staatslexikon, 7. Aufl., Band 1, Stichwort "Bürgerkrieg", dort Anm. 1).

Hiernach befand sich Syrien "Anfang 2011" noch nicht in einem Bürgerkrieg. Nach dem von Amnesty International erstellten Jahresbericht 2012 Syrien fanden im Februar 2011 erste kleine Demonstrationen statt, auf denen politische Reformen gefordert wurden. Nachdem die Sicherheitskräfte in Dera'a mit unangemessener Gewalt gegen Menschen vorgegangen waren, die die Freilassung inhaftierter Kinder forderten, kam es Mitte März 2011 zu Massenprotesten. Regierungskräfte bekämpften die sich schnell ausweitenden Proteste mit brutaler Gewalt, u.a. durch Scharfschützen, die auf friedlich Demonstrierende schossen. Um ihre brutalen Maßnahmen zu rechtfertigen, behauptete die Regierung, sie werde von bewaffneten Banden angegriffen, konnte dies aber nicht überzeugend beweisen. Erst gegen Ende des Jahres 2011 begann sich als Antwort auf die anhaltenden Unterdrückungsmaßnahmen ein bewaffneter Widerstand zu formieren, dem sich auch übergelaufene Soldaten anschlossen. Nach dem Ad hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien vom 17. Februar 2012, dort S. 5, war die Situation in Syrien seit der zweiten Jahreshälfte 2011 zunehmend von Gewaltanwendung gegen die Zivilbevölkerung geprägt. Seit Ende Januar 2012 eskalierte die Gewalt. Dem staatlichen Sicherheits- und Militärapparat standen in vielen Städten und ländlichen Gebieten bewaffnete Gruppen aus der Protestbewegung gegenüber. Teile des Landes, insbesondere um die Protesthochburgen Homs, Hama und Idlib, befanden sich erst zu diesem Zeitpunkt an der Schwelle zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Von einem "Beginn des Bürgerkriegs in Syrien (Anfang 2011)" kann daher nicht die Rede sein.

Die mit der Formulierung "Beginn des Bürgerkriegs in Syrien" verbundene zeitliche Unbestimmtheit ist aber im Wege einer zulässigen Auslegung zu beseitigen. Denn der Zusatz "(Anfang 2011)" ist bei objektiver Würdigung dahin zu verstehen, dass der Untersuchungszeitraum jedenfalls am 1. Januar 2011 beginnen soll. Die parlamentarische Mehrheit hat ausweislich der Verhandlungen über den Einsetzungsantrag und unter Berücksichtigung der Plenardebatte maßgeblich eine zeitliche ("(Anfang 2011)") und weniger eine thematische ("Beginn des Bürgerkriegs in Syrien") Bestimmung des erweiterten Untersuchungsauftrags erstrebt.

Die so zu verstehende zeitliche Bestimmung des Untersuchungsauftrags gilt nicht nur für die Formulierung in Ziffer I. Nr. 1. (dort heißt es: "Beginn des Bürgerkriegs in Syrien (Anfang 2011)") des Einsetzungsbeschlusses, sondern auch für die weiteren Formulierungen in Ziffern I. Nrn. 2., 5. und 7. und II. zu Nrn. 1.1. und 1.3., 2.2. bis 2.4., 5.1. bis 5.4. sowie 7.1. bis 7.4. (dort heißt es: "Beginn des Bürgerkriegs in Syrien") des Einsetzungsbeschlusses, die erkennbar auf die vorangegangene Formulierung Bezug nehmen und den Untersuchungszeitraum nicht davon abweichend und eigenständig bestimmen wollen. Der von der parlamentarischen Mehrheit gefasste Einsetzungsbeschluss ist daher bei verständiger Auslegung so zu verstehen, dass der Untersuchungszeitraum hinsichtlich aller vorgenannten Stellen am 1. Januar 2011 beginnen soll.

b.  Geschriebene Grenzen für eine Änderung des Untersuchungsauftrags gegen den Willen der Einsetzungsminderheit ergeben sich aus Art. 27 Abs. 1 Satz 2 NV. Gegen den Willen der Antragsteller darf der Untersuchungsauftrag nur ausgedehnt werden, wenn dessen Kern gewahrt bleibt und keine wesentliche Verzögerung zu erwarten ist.

Die Erweiterung des Untersuchungsauftrags im Beschluss des Antragsgegners vom 4. Mai 2016 verletzt diese Grenzen. Durch die Erweiterung bleibt weder der Kern des Untersuchungsauftrags, wie er von der Einsetzungsminderheit bestimmt worden ist, gewahrt (1), noch ist keine wesentliche Verzögerung zu erwarten (2).

(1)  Der "Kern" eines Untersuchungsauftrags im Sinne des Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 NV umfasst - ausgehend vom Wortsinn (vgl. Grimm/Grimm, Deutsches Wörterbuch, Band 11, Spalte 596 ff.; Pfeifer, Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, 8. Aufl., S. 649), dem Zweck des Untersuchungsrechts der parlamentarischen Minderheit und der Begrenzung der Änderungsbefugnis der Parlamentsmehrheit auf Ausnahmefälle – die Zielrichtung der Untersuchung und die wichtigsten, zentralen Untersuchungsthemen (vgl. auch Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, Urt. v. 18.6.1927, a.a.O., S. 55). Maßgebend ist deren Bestimmung durch die parlamentarische Minderheit in deren Einsetzungsantrag und die hierfür gegenüber dem Landtag gegebene Begründung (vgl. HVerfG, Urt. v. 1.12.2006, a.a.O., S. 290 = juris Rn. 116 und das Sondervotum der Richter Wirth-Vonbrunn und v. Paczensky hierzu: NVwZ-RR 2007, 292, 293 [VerfG Hamburg 01.12.2006 - HVerfG 01/06]).

Auf den so bestimmten "Kern" wirkt eine Erweiterung des Untersuchungsauftrags - anders als eine generell ausgeschlossene Beschränkung des Untersuchungsauftrags - nicht direkt ein. Sie kann vielmehr nur den von der Einsetzungsminderheit bestimmten Kern um weitere Untersuchungsthemen ergänzen oder einen eigenständigen weiteren Kern etablieren und so indirekte Auswirkungen auf den von der Einsetzungsminderheit bestimmten Kern entfalten. Diese indirekten Auswirkungen sind anhand der Beziehung des ursprünglichen, von der Einsetzungsminderheit bestimmten Untersuchungsauftrags zu dem von der Parlamentsmehrheit erweiterten Untersuchungsauftrag im konkreten Einzelfall zu bestimmen.

Unzulässige Erweiterungen des Untersuchungsauftrags liegen regelmäßig dann vor, wenn die Zielrichtung der Untersuchung verändert wird, insbesondere wenn die Untersuchung auf Vorgänge aus anderen Zeiträumen oder unter anderer Verantwortung ausgedehnt wird, oder wenn weitere Untersuchungsthemen von den wichtigsten, zentralen Untersuchungsthemen ablenken und so den sachlichen Schwerpunkt der Untersuchung verschieben (unzulässiger Gegenangriff, vgl. Schriftlicher Bericht zum Entwurf einer Niedersächsischen Verfassung, LT-Drs. 12/5840, S. 20 f.; BVerfG, Beschl. v. 2.8.1978, a.a.O., S. 85 = juris Rn. 42 ; HessStGH, Urt. v. 13.4.2011, a.a.O., Rn. 89 und 94; HVerfG, Urt. v. 1.12.2006, a.a.O., S. 290 f. = juris Rn. 119; Nds. StGH, Urt. v. 16.1.1986, a.a.O., S. 68 = juris Rn. 25; BayVerfGH, Entsch. v. 27.6.1977, a.a.O., Rn. 85; OVG Lüneburg, Urt. v. 26.4.1954, a.a.O., S. 503 f.; Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, Urt. v. 18.6.1927, a.a.O., S. 54 f.; Birkner, a.a.O., Rn. 16; Brocker, in: Epping/Hillgruber, GG, 2. Aufl., Art. 44 Rn. 33; Hilwig, Das parlamentarische Untersuchungsrecht in Niedersachsen, in: NdsVBl. 2005, 38, 41 f.; Pofalla, a.a.O., S. 340).

Hingegen bleibt der Kern des Untersuchungsauftrags trotz dessen Erweiterung gewahrt, wenn die Zielrichtung der Untersuchung nicht verändert wird und die hinzugefügten Themen und Fragen den Blick auf die im Einsetzungsantrag bezeichneten zentralen Untersuchungsthemen nicht verstellen oder von diesen ablenken, die Erweiterung also im besten Sinne auf eine umfassendere Untersuchung und eine möglichst objektive und wirklichkeitsgetreue Tatsachenfeststellung gerichtet ist (zulässige Gegenwehr bzw. Verteidigung, vgl. BVerfG, Beschl. v. 2.8.1978, a.a.O., S. 88 = juris Rn. 40 ; HessStGH, Urt. v. 13.4.2011, a.a.O., Rn. 89; HVerfG, Urt. v. 1.12.2006, a.a.O., S. 291 = juris Rn. 120; BayVerfGH, Entsch. v. 19.4.1994, a.a.O., S. 686 = juris Rn. 666; StGH BW, Urt. v. 13.8.1991, a.a.O., S. 595; OVG Lüneburg, Urt. v. 26.4.1954, a.a.O., S. 503 f.; Waldhoff/Gärditz, a.a.O., § 2 Rn. 20).

Dass trotz einer Erweiterung des Untersuchungsauftrags dessen "Kern gewahrt bleibt", muss offen zutage liegen. Ist das nicht der Fall, geht dies zu Lasten der Parlamentsmehrheit und die Erweiterung des Untersuchungsauftrags ist unzulässig. Diese deutliche Abgrenzung ist erforderlich, um das Untersuchungsrecht der Einsetzungsminderheit zu schützen. Einen anderen Maßstab darf auch der Staatsgerichtshof nicht anlegen. Er kann nicht die Aufgabe übernehmen, vielleicht doch bestehende - verborgene - Zusammenhänge aufzudecken und dazu eigene Nachforschungen anzustellen; damit würde die Arbeit parlamentarischer Untersuchungsausschüsse unzulässig auf den Staatsgerichtshof verlagert (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2.8.1978, a.a.O., S. 88 = juris Rn. 40 ; HessStGH, Urt. v. 13.4.2011, a.a.O., Rn. 89).

Nach diesen Maßgaben wahrt die im Einsetzungsbeschluss des Antragsgegners vom 4. Mai 2016 vorgenommene Änderung des Untersuchungsauftrags den Kern des von den Antragstellern im Einsetzungsantrag in der Fassung des 2. und 3. Änderungsantrags bestimmten Untersuchungsauftrags nicht.

Der Kern des Untersuchungsauftrags, wie er von den Antragstellern im Einsetzungsantrag in der Fassung des 2. und 3. Änderungsantrags bestimmt worden ist, umfasst folgende zentrale Untersuchungsthemen:

Der Untersuchungsausschuss soll maßgeblich prüfen und aufklären, welche Hinweise, Erkenntnisse und Informationen die Mitglieder der Niedersächsischen Landesregierung sowie die Bediensteten der Landesministerien und der nachgeordneten Landesbehörden zu welchem Zeitpunkt über die sogenannte Wolfsburger ISIS-/IS-Terrorzelle (Ziffer I. Nr. 1.), den "Deutschsprachigen Islamkreises Hannover e. V.", den "Deutschsprachigen Islamkreis Hildesheim e. V." und die "Deutschsprachige Muslimische Gemeinschaft e. V. Braunschweig" (Ziffer I. Nr. 2.), die Schülerin Safia S. und deren Bruders Saleh S. aus Hannover (Ziffer I. Nr. 3.) und deren Verbindungen zu in Ziffer I. Nr. 4. genannten Personen, Ausreisepläne und erfolgte Ausreisen weiterer Angehöriger der islamistischen Szene in Niedersachsen insbesondere nach Syrien und in den Irak sowie deren dortige Aktivitäten (Ziffer I. Nr. 5.) und im Internet abrufbare Videos und Texte mit islamistischem Gedankengut bzw. von Personen aus der islamistischen Szene in Niedersachsen (Ziffer I. Nr. 7.) hatten, insbesondere mit Blick auf Radikalisierungsprozesse und mögliche Verbindungen zum sogenannten Islamischen Staat, wie sie damit umgingen, welche präventiven und konkret gefahrenabwehrenden Maßnahmen die Sicherheitsbehörden ergriffen, um mögliche Straftaten und mögliche weitere Radikalisierungen Betroffener und ihres Umfeldes zu verhindern, und wann sie auf welcher rechtlichen und politischen Grundlage welche Entscheidungen diesbezüglich trafen.

Darüber hinaus soll untersucht werden, was die Mitglieder der Landesregierung, die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre sowie die Leiterinnen und Leiter der niedersächsischen Sicherheitsbehörden im Hinblick auf Prävention, Deradikalisierung, Früherkennung von Islamismus und Terrorismus unternommen und welche Vorgaben sie gemacht haben und ferner, wie sich die bisherige Zusammenarbeit der 2015 gegründeten Beratungsstelle zur Prävention neosalafistischer Radikalisierung BeRATen mit niedersächsischen Behörden gestaltete (Ziffer I. Nr. 6.). Diese zentralen Untersuchungsthemen werden in Ziffer II des Einsetzungsantrags in der Fassung des 2. und 3. Änderungsantrags durch detailliert beschriebene Fragen und zu klärende Sachverhalte konkretisiert.

Allein mit Blick auf diese zentralen Untersuchungsthemen könnte die von der Parlamentsmehrheit vorgenommene Änderung des Untersuchungsauftrags vielleicht noch als zulässig angesehen werden. Die zeitliche Ausdehnung hindert die Einsetzungsminderheit an der Untersuchung der von ihr bestimmten zentralen Themen und Fragen als solche nicht; sie mag - vordergründig - sogar auf eine umfassendere Untersuchung und möglichst wirklichkeitsgetreue Tatsachenfeststellung gerichtet gewesen sein.

Diese Betrachtung ließe aber die von den Antragstellern bestimmte Zielrichtung der Untersuchung unberücksichtigt, die neben den zentralen Untersuchungsthemen den "Kern" des Untersuchungsauftrags ausmacht. Das Ziel der von den Antragstellern begehrten Untersuchung besteht maßgeblich darin, mögliche Missstände der von der Parlamentsmehrheit getragenen Landesregierung im Umgang mit islamistischen Bedrohungen aufzuzeigen.

Diese Zielrichtung ergibt sich schon unmittelbar aus der zeitlichen Eingrenzung des Untersuchungsauftrags durch die Antragsteller. Die Untersuchungsthemen beziehen sich maßgeblich auf Vorgänge in der Amtszeit der derzeitigen Landesregierung. Die Untersuchungsthemen und -fragen in Ziffern I. Nrn. 1., 2., 5. und 7. und II. zu Nrn. 1.1. und 1.3., 2.2. bis 2.4., 5.1. bis 5.4. sowie 7.1. bis 7.4. des Einsetzungsantrags in der Fassung des 2. und 3. Änderungsantrags beziehen sich ausdrücklich nur auf Zeiträume ab dem 19. Februar 2013. An diesem Tage wählte die Parlamentsmehrheit den neuen Ministerpräsidenten (PlProt. 17/1, S. 15), der Ministerpräsident berief die Mitglieder der Landesregierung und diese wurden vom Landtag bestätigt (PlProt. 17/1, S. 16). Die Untersuchungsthemen und -fragen in Ziffern I. Nrn. 3. und 4. und II. zu Nrn. 3. und 4. beziehen sich auf tatsächliche Vorgänge im Jahr 2015. Die Untersuchungsthemen und -fragen in Ziffer I. Nr. 6. beziehen sich auf die derzeitigen Mitglieder der Landesregierung einschließlich der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre sowie die Leiterinnen und Leiter der niedersächsischen Sicherheitsbehörden; die konkreten Fragen in Ziffer II. zu Nr. 6. beziehen sich ausdrücklich auf Zeiträume ab dem 19. Februar 2013 sowie Vorhaben der derzeitigen Landesregierung.

Das mit der Untersuchung maßgeblich verfolgte Ziel, mögliche Missstände der derzeitigen Landesregierung im Umgang mit islamistischen Bedrohungen aufzuzeigen, ist von den Antragstellern zudem bei der Begründung ihres Antrags im Rahmen der parlamentarischen Beratungen deutlich formuliert worden. Der Antragsteller zu 27. für die Fraktion der CDU und der Sprecher der Fraktion der FDP führten in der Plenarsitzung am 13. April 2016 aus, dass sich der Untersuchungsausschuss mit Fehlern der niedersächsischen Sicherheitsbehörden bei der Abwehr islamistischer Gefahren befassen solle, die auf die fehlende politische Unterstützung durch die derzeitige Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen zurückzuführen seien. Der Untersuchungsausschuss solle einen Aufklärungsbeitrag leisten, der am Ende die Regierungskoalition zu einem dringend notwendigen Kurswechsel in der niedersächsischen Innen- und Sicherheitspolitik zwinge (PlProt. 17/94, S. 9499 f. und 9505). Im Rahmen der abschließenden Beratungen am 4. Mai 2016 wiesen beide Abgeordneten erneut darauf hin, dass der Untersuchungsausschuss nach ihrem Einsetzungsantrag nur darauf abziele, die Arbeit der aktuellen Landesregierung zu kontrollieren, deren Fehler aufzudecken, Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten und Schlussfolgerungen für die Gegenwart und die Zukunft im Hinblick auf die Gefahren, die durch den islamistischen Terrorismus in Niedersachsen bestehen, zu ziehen (PlProt. 17/97, S. 9738 und 9744).

Diese Zielrichtung der von den Antragstellern begehrten Untersuchung wird durch die von der Parlamentsmehrheit vorgenommene zeitliche Ausdehnung des Untersuchungsauftrags vom "19. Februar 2013" auf den "Beginn des Bürgerkrieges in Syrien (Anfang 2011)" grundlegend verändert. Die Untersuchung soll sich nun auch auf Zeiträume erstrecken, in denen die jetzige parlamentarische Minderheit Regierungsverantwortung getragen hat. Dabei war es erklärtes Ziel der Parlamentsmehrheit, diese frühere Verantwortung der parlamentarischen Minderheit herauszuarbeiten und den von diesen behaupteten Missständen der derzeitigen Regierung gegenüberzustellen. Die Sprecher der Mehrheitsfraktionen hielten den Antragstellern in der Plenarsitzung am 13. April 2016 entgegen, sich nur deshalb gegen eine Ausweitung des Untersuchungszeitraums zu wehren, weil damit auch die Arbeit der von ihnen getragenen Landesregierung in den Blick gerate. Die heutigen Oppositionsfraktionen müssten sich dieser Verantwortung stellen. Der Untersuchungsausschuss werde sich anschauen, ob der Verfassungsschutz von der Vorgängerregierung technisch vernünftig ausgestattet worden sei, welche Vorleistungen es auf dem Gebiet der Prävention gegeben habe und ob es nach dem Regierungswechsel zu Verbesserungen in der Kommunikation, der Zusammenarbeit und den Abläufen gekommen sei (PlProt. 17/94, S. S. 9503 f. und 9507).

Eine solche Veränderung des von der Einsetzungsminderheit bezeichneten Untersuchungsauftrags stellt nach dem dargestellten Maßstab einen unzulässigen Gegenangriff der Parlamentsmehrheit dar (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2.8.1978, a.a.O., S. 88 f. = juris Rn. 42; HessStGH, Urt. v. 13.4.2011, a.a.O., Rn. 94; OVG Lüneburg, Urt. v. 26.4.1954, a.a.O., S. 499; Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, Urt. v. 18.6.1927, a.a.O., S. 55).

(2)  Eine Verzögerung, die durch Erweiterungen des Untersuchungsauftrags eintritt, ist "wesentlich" im Sinne des Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 NV, wenn sie die ordnungsgemäße Durchführung des von der Einsetzungsminderheit bestimmten Untersuchungsauftrags behindert und dadurch die Wirksamkeit des Untersuchungsausschusses als Instrument der politischen Kontrolle erheblich beeinträchtigt wird.

Eine solche Behinderung kann schon dann gegeben sein, wenn durch die Erweiterung des Untersuchungsauftrags die Arbeit des Untersuchungsausschusses derart vermehrt wird oder er so weit unter Zeitdruck gerät, dass er seine Aufgaben nicht mehr sachgerecht erfüllen kann (vgl. HVerfG, Urt. v. 1.12.2006, a.a.O., S. 291 = juris Rn. 134, und zur vergleichbaren Konfliktsituation bei der Beweiserhebung durch den Untersuchungsausschuss: BVerfG, Urt. v. 8.4.2002 - 2 BvE 2/01 -, BVerfGE 105, 197, 234 = juris Rn. 141; HessStGH, Urt. v. 13.4.2011, a.a.O., Rn. 101 f.; SächsVerfGH, Urt. v. 30.1.2009 - Vf. 99-I-08 -, juris Rn. 79). Eine Behinderung der von der Einsetzungsminderheit erstrebten Untersuchung ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Erweiterung des Untersuchungsauftrags dazu führt, dass der Untersuchungsausschuss die von der Einsetzungsminderheit erstrebte Untersuchung nicht innerhalb der laufenden Wahlperiode abschließen kann und aufgrund der Diskontinuität ohne Untersuchungsergebnis zu Ende geht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.7.1997 - 2 BvE 1/97 -, BVerfGE 96, 223, 230 = juris Rn. 25 f. (Plutonium-Ausschuss); Beschl. v. 2.8.1978, a.a.O., S. 86 f. = juris Rn. 38).

Ob nach diesem Maßstab "keine wesentliche Verzögerung zu erwarten ist", bedarf einer prognostischen Beurteilung (vgl. im Einzelnen: HVerfG, Urt. v. 1.12.2006, a.a.O., S. 291 f. = juris Rn. 134 ff.). Auch bei dieser Beurteilung sind aber, wie schon bei der Frage, ob der "Kern gewahrt bleibt", nur solche Umstände einzubeziehen, die offen zutage liegen. Ist anhand solcher Umstände nicht zu prognostizieren, dass keine wesentliche Verzögerung zu erwarten ist, geht dies zu Lasten der Parlamentsmehrheit und die Erweiterung des Untersuchungsauftrags ist unzulässig. Auch hier ist diese deutliche Abgrenzung erforderlich, um das Untersuchungsrecht der Einsetzungsminderheit zu schützen. Mit einem anderen Maßstab würde der Staatsgerichtshof die Aufgabe übernehmen, vielleicht doch bestehende
- verborgene - Zusammenhänge aufzudecken und dazu eigene Nachforschungen anzustellen; damit würde die Arbeit parlamentarischer Untersuchungsausschüsse unzulässig auf den Staatsgerichtshof verlagert (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2.8.1978, a.a.O., S. 88 = juris Rn. 40 ; HessStGH, Urt. v. 13.4.2011, a.a.O., Rn. 89; HVerfG, Urt. v. 1.12.2006, a.a.O., S. 292 = juris Rn. 151 und das Sondervotum der Richter Wirth-Vonbrunn und v. Paczensky hierzu: NVwZ-RR 2007, 292, 293 [VerfG Hamburg 01.12.2006 - HVerfG 01/06]).

Hieran gemessen ist anhand der offen zutage liegenden Umstände nicht zu prognostizieren, dass aufgrund der vom Antragsgegner beschlossenen Erweiterung des Untersuchungsauftrags "keine wesentliche Verzögerung zu erwarten ist".

Die offen zutage liegenden Umstände deuten vielmehr darauf hin, dass die Arbeit des Untersuchungsausschusses derart vermehrt wird, dass er seine Aufgaben nicht mehr zeit- und sachgerecht erledigen kann. Hierfür spricht zum einen schon die Ausdehnung des von den Antragstellern bezeichneten Untersuchungszeitraums vom 19. Februar 2013 bis Mitte 2016 (= 41 Monate) auf die Zeit vom 1. Januar 2011 bis Mitte 2016 (= 66 Monate) und damit um mehr als 50%. Hinzu kommt, dass aufgrund der unterschiedlichen Regierungsverantwortung in den zu untersuchenden Zeiträumen die Zahl zu vernehmender Zeugen signifikant steigen wird.

Zum anderen haben die Antragsteller nachvollziehbar auf die Gefahr hingewiesen, dass der Untersuchungsausschuss seine Arbeit in der laufenden Wahlperiode nicht abschließen kann. Dabei ist davon auszugehen, dass der Untersuchungsausschuss seine Arbeit am 18. Mai 2016 aufgenommen hat und spätestens mit dem Ablauf der derzeitigen Wahlperiode sein Ende finden wird (vgl. zur Geltung des Diskontinuitätsgrundsatzes für parlamentarische Untersuchungsausschüsse: Glauben/Brocker, a.a.O., § 30 Rn. 10 mit weiteren Nachweisen). Die nächste Landtagswahl wird am 14. Januar 2018 stattfinden; die derzeitige Wahlperiode wird daher gemäß Art. 9 Abs. 3 NV spätestens im Februar 2018 enden. Für die Durchführung des Untersuchungsauftrags stehen dem Untersuchungsausschuss somit höchstens 20 Monate zur Verfügung.

Mit Blick auf die Dauer vorausgegangener Untersuchungsausschüsse liegt es hier nicht offen zutage, dass der Untersuchungsausschuss seine Arbeit in dem erweiterten Umfang in der zur Verfügung stehenden Zeit wird abschließen können (vgl. die Übersicht unter http://www.landtag-niedersachsen.de/abgeschlossene_parlamentarische _untersuchungsausschuesse/, Stand: 22.6.2016 und den vom Untersuchungsumfang in der erweiterten Fassung vergleichbaren 11. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, Untersuchung der Planung, Vorbereitung und Ausführung des Sprengstoffanschlages auf die Justizvollzugsanstalt Celle in 1978, LT-Drs. 11/4380: Einsetzung am 12.11.1986 - Abschlussbericht vom 9.10.1989 (= 36 Monate); ferner den 10. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, Zusammenarbeit niedersächsischer Behörden mit dem für Versicherungen tätigen V-Mann Werner Mauss alias "Dr. Lange" alias "Claude" etc., LT-Drs. 10/5900: Einsetzung am 14.5.1984 - Abschlussbericht vom 16.4.1986 (= 24 Monate)).

Auch aus dem Vorbringen des Antragsgegners im Organstreitverfahren ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Durchführbarkeit des von der Parlamentsmehrheit erweiterten Untersuchungsauftrags innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit. Der Antragsgegner verweist insoweit zum einen auf den im Untersuchungsausschuss gefassten Beschluss, zunächst den Untersuchungsauftrag der Antragsteller abzuarbeiten. Zum anderen macht er geltend, auch der von den Antragstellern bestimmte Untersuchungsauftrag sei innerhalb der laufenden Legislaturperiode nicht zu bewältigen. Diese Einwände sind ersichtlich nicht geeignet, einer Verletzung der Minderheitenrechte nach Art. 27 Abs. 1 NV zu begegnen. Die Einsetzungsminderheit muss sich nicht auf ein Wohlverhalten des Untersuchungsausschusses verweisen lassen (siehe oben Abschnitt C. unter V.). Die Einsetzungsminderheit muss den Untersuchungsauftrag auch nicht so gestalten, dass er innerhalb der laufenden Legislaturperiode abzuschließen ist. Es genügt, dass er Teilergebnisse erreichen kann (vgl. SächsVerfGH, Urt. v. 29.8.2008, a.a.O., Rn. 181; BayVerfGH, Entsch. v. 19.4.1994, a.a.O., S. 685 = juris Rn. 660; BVerwG, Beschl. v. 13.8.1999 - BVerwG 2 VR 1.99 -, BVerwGE 109, 258, 263 = juris Rn. 26 ff.), woran hier auch unter Berücksichtigung der bisherigen Arbeit des Untersuchungsausschusses keine ernsthaften Zweifel bestehen.

E.

Das Verfahren ist nach § 21 Abs. 1 NStGHG kostenfrei; Auslagen der Beteiligten werden gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 NStGHG nicht erstattet.