Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 29.09.2016, Az.: 4 A 96/15

Jugendhilfe; Kostenbeitrag; Rücknahme

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
29.09.2016
Aktenzeichen
4 A 96/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43496
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

§ 44 SGB X findet im Rahmen der Rücknahme eines Kostenbeitragsbescheides gem. §§ 91 ff. SGB VIII Anwendung.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Rücknahme sämtlicher in der Vergangenheit ergangener Kostenbeitragsbescheide, mit welchen der Beklagte ihn jeweils zu den Kosten einer Jugendhilfemaßnahme herangezogen hat.

Der Kläger ist Vater des Kindes C. D. (geboren am E.). Nachdem seine Tochter C. im Frühjahr 2011 Opfer eines sexuellen Missbrauchs im Internet geworden war, suchte der Kläger Hilfe bei dem Jugendamt des Beklagten. Mit Bescheid vom 17. Mai 2011 wurde C. nach § 42 Achtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII - zunächst in Obhut genommen. Unter dem 12. Mai 2011 beantragten der Kläger und seine Ehefrau sodann Hilfe zur Erziehung bei dem Beklagten. Der Beklagte gewährte für C. seit dem 16. Juni 2011 bis zum 10. April 2014 Hilfe zur Erziehung in einem Heim oder sonstigen betreuten Wohnform nach §§ 27, 34 SGB VIII und dann auf entsprechenden Antrag der Frau F. G. vom 17. April 2014, die seit dem 08. April 2014 für C. als Betreuerin bestellt wurde, bis zum 04. Juli 2014 als Anschlusshilfe Hilfe für junge Volljährige in dieser Einrichtung gemäß §§ 41, 34 SGB VIII. Zunächst lebte C. in der Kinder- und Jugendeinrichtung H. in I.. Die gewährte Hilfe zur Erziehung im H. wurde mit Ablauf des 21. Juli 2012 eingestellt und wurde zum 07. September 2012 in der Mädchenwohngruppe im Kinderhaus in J. fortgeführt. Die Jugendhilfemaßnahme wurde zum 04. Juli 2014 beendet.

Mit Schreiben vom 01. September 2011, laut Postzustellungsurkunde zugestellt am 03. September 2011, teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er seiner Tochter C. seit dem 16. Juni 2011 gemäß §§ 27, 34 SGB VIII Hilfe zur Erziehung in einem Heim oder sonstigen betreuten Wohnform gewähre und dass der Unterhaltsbedarf für die Dauer der Hilfegewährung durch die Leistung des Beklagten in vollem Umfang gedeckt sei.

Mit Bescheid vom 06. Oktober 2011 setzte der Beklagte für den Zeitraum ab dem 16. Juni 2011 einen Kostenbeitrag in Höhe von monatlich 275,00 EUR fest. Diesen Bescheid hob der Beklagte unter dem 19. Dezember 2011 mit Wirkung vom 31. Dezember 2011 auf.

Für den Zeitraum ab dem 01. Januar 2012 setzte der Beklagte mit Bescheid vom 09. Januar 2012 einen Kostenbeitrag in Höhe von 380,00 EUR monatlich fest.

Mit Bescheid vom 02. Oktober 2012 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die für C. gewährte Hilfe zur Erziehung im H. mit Ablauf des 21. Juli 2012 eingestellt und zum 07. September 2012 im Kinderhaus in J. fortgeführt werde. Die Kostenbeitragspflicht des Klägers entfiele in der Zeit vom 21. Juli 2012 bis zum 06. September 2012. Ab dem 07. September 2012 sei der Kläger jedoch weiterhin kostenbeitragspflichtig und der Bescheid vom 09. Januar 2012 gelte insoweit unverändert fort.

Mit Bescheid vom 22. August 2013 setzte der Beklagte für den Zeitraum ab 01. April 2013 einen Kostenbeitrag in Höhe von monatlich 425,00 EUR gegen den Kläger fest. Unter dem 31. Oktober 2013 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass sich der mit Bescheid vom 22. August 2013 festgesetzte Kostenbeitrag auf monatlich 241,00 EUR reduziere, da das Kindergeld von 184,00 EUR direkt von der Familienkasse an den Beklagten gezahlt werde.

Mit Bescheid vom 13. Februar 2014 setzte der Beklagte zunächst einen Kostenbeitrag auf die jeweils anteilige Höhe des Kindergeldbetrages entsprechend des Kindergeldbescheides fest. Mit weiterem Bescheid vom 08. Juni 2015 setzte der Beklagte für den Zeitraum ab dem 01. Januar 2014 sodann einen monatlichen Kostenbeitrag von 210,00 EUR fest. Dieser Bescheid ist Gegenstand des Parallelverfahrens (4 A 206/15).

Unter dem 13. November 2013 stellte der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei dem Beklagten den Antrag, sämtliche Kostenbeitragsbescheide für die Vergangenheit aufzuheben und festzustellen, dass ein Kostenbeitrag nicht zu leisten ist sowie sämtliche bereits gezahlten Kostenbeiträge zu erstatten. Zur Begründung wurde geltend gemacht, dass C. Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII habe. Hierfür komme eine Heranziehung zu Kostenbeiträgen nach Ansicht des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht in Betracht.

Nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 17. April 2014 lehnte der Beklagte den Antrag auf Rücknahme der Kostenbeitragsbescheide mit Bescheid vom 26. Februar 2015 ab. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, dass der Kläger und seine Ehefrau einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung gestellt hätten und die zur Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII erforderlichen ärztlichen Stellungnahmen nicht vorliegen würden. Dem Antrag auf Hilfe zur Erziehung sei stattgegeben worden und der Kläger habe gegen den Bewilligungsbescheid keine Klage erhoben. Im Übrigen bestünde bei C. keine Teilhabebeeinträchtigung und der Kläger sei auch bei Gewährung von Eingliederungshilfe kostenbeitragspflichtig.

Daraufhin hat der Kläger am 30. März 2015 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass die Maßnahme der Unterbringung nach § 34 SGB VIII nicht sachgerecht gewesen sei. Vielmehr habe C. einen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII gehabt. Ein entsprechender Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII vom 23. Oktober 2007 sei jedoch von dem Beklagten negativ beschieden worden. Darüber hinaus habe die Unterbringung in I. auf dem H. C. geschadet und traumatisiert. Nach Beendigung des Aufenthalts auf dem H. hätte er seine Tochter gerne wieder bei sich aufgenommen. Der Beklagte sei jedoch ohne weitere Sachverhaltsprüfung davon ausgegangen, dass C. weiter untergebracht werden müsse. Die daraufhin erfolgte Unterbringung in der Mädchenwohngruppe in J. sei ebenfalls nicht sachgerecht gewesen, da dabei insbesondere nicht auf die schulischen Sonderbedürfnisse K. eingegangen worden sei. Ferner sei eine Erziehungshilfe nicht notwendig gewesen, da es niemals Probleme in der Erziehung gegeben hätte. Vielmehr hätte - spätestens nach dem sexuellen Übergriff im Jahr 2011 - Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII gewährt werden müssen, da für C. mehrere Anzeichen einer seelischen Behinderung vorgelegen hätten. Dies würde sich aus den zahlreichen ärztlichen Untersuchungsbefunden, die in den Jahren ab 2011 erfolgt seien, ergeben. Dem Beklagten sei speziell vorzuwerfen, dass er nicht hinreichend abgeklärt habe, ob der Hilfebedarf K. eher auf einer seelischen Störung beruhe oder aber auf eine erzieherische Mangelsituation zurückzuführen sei. Hilfeplangespräche hätten zunächst nicht und erst auf Drängen dann am 09. Juli 2012 stattgefunden. Er und seine Ehefrau hätten aufgrund der psychischen Ausnahmesituation Anfang 2011 akut Hilfe benötigt. Sie hätten jedoch keine Hilfe zur Erziehung benötigt. Im Gegenteil hätte C., sobald die psychische Ausnahmesituation überwunden gewesen wäre, zu ihnen zurückkehren sollen. Danach hätten ambulante Hilfen ausgereicht. Bereits die ursprüngliche Inobhutnahme und die Umwandlung in die Hilfe zur Erziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII seien nicht rechtmäßig gewesen. Da die Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten, dürfe ein Kostenbescheid nicht ergehen. Im Übrigen habe er mehrfach versucht die Maßnahme zu beenden. Den Rechtsweg habe er nicht bestritten, da er Angst gehabt habe, das Sorgerecht zu verlieren. Dies sei ihm so von dem Beklagten mitgeteilt worden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 26. Februar 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, alle bisher gemäß § 34 SGB VIII ergangenen Kostenbeitragsbescheide aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Bescheid und führt ergänzend aus, dass die Frage, ob die Maßnahme nach § 27 SGB VIII notwendig gewesen sei, nicht im Rahmen eines Klageverfahrens gegen einen Kostenbeitragsbescheid zu klären sei. Der Kläger hätte vielmehr gegen den Grundbewilligungsbescheid der Jugendhilfe Klage erheben müssen. Zudem sei diese Frage auch unbeachtlich, da auch im Rahmen der Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII ein Kostenbeitrag zu leisten wäre. Ferner sei die gewährte Maßnahme entgegen der Ansicht des Klägers für C. geeignet gewesen. In diesem Zusammenhang werde insbesondere die Behauptung des Klägers bestritten, dass die Unterbringung auf dem H. nicht sachgerecht erfolgt sein soll. Im Übrigen würde eine nicht sachgerechte Unterbringung keine fehlerhafte Rechtsanwendung nach sich ziehen und hätte keine Auswirkungen auf die Kostenbeitragspflicht. Zudem treffe die Behauptung des Klägers, man habe im Falle einer Beendigung der Maßnahme damit gedroht, dem Kläger das Sorgerecht entziehen zu lassen, nicht zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat lediglich aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Der Bescheid vom 26. Februar 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit der Beklagte die Aufhebung des Kostenbeitragsbescheides vom 06. Oktober 2011 für den Zeitraum vom 16. Juni 2011 bis zum 03. September 2011 abgelehnt hat. Im Übrigen ist der Bescheid vom 26. Februar 2015 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat über den vorgenannten Zeitraum hinaus keinen Anspruch auf Aufhebung der (bestandskräftigen) Kostenbeitragsbescheide vom 06. Oktober 2011, 09. Januar 2012 sowie 22. August 2013.

Rechtsgrundlage für die von dem Kläger begehrte Aufhebung der in der Vergangenheit ergangenen Kostenbeitragsbescheide ist § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Die Regelung des § 44 SGB X findet im Bereich des SGB VIII Anwendung. Nach § 37 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I - gelten das Erste und das Zehnte Buch für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuches, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt. Aus dem SGB VIII ergeben sich keine abweichenden Vorschriften. Zwar ist in der Rechtsprechung im Weiteren streitig, ob § 44 SGB X im Kinder- und Jugendhilferecht anwendbar ist (ablehnend u.a. VG Meiningen, Urteil vom 30.7.2015 - 8 K 166/14 Me, juris; VG Oldenburg, Urteil vom 20.2.2012 - 13 A 2874/09 -, V.n.b.; VG Düsseldorf, Urteil vom 14.6.2004 - 19 K 3244/03 -, juris). Diese Rechtsprechung betrifft jedoch lediglich den Bereich des Leistungsrechts. Hintergrund dieser Rechtsprechung ist, dass die Leistungen des Kinder- und Jugendhilferechts die Deckung eines aktuellen gegenwärtigen Bedarfs, in der Regel durch Sachleistungen der Jugendämter, bezwecken. Ein aktueller Bedarf könne nicht rückwirkend in der Vergangenheit gedeckt werden, denn die spätere Bewilligung kann die frühere Bedarfslage nicht verhindern. Vorliegend geht es indes nicht um einen (gegenwärtigen) Hilfebedarf, sondern um die Heranziehung zu Kostenbeiträgen für eine gewährte jugendhilferechtliche Maßnahme.

Die Ablehnung der Aufhebung der (bestandskräftigen) Kostenbeitragsbescheide vom 06. Oktober 2011, 09. Januar 2012 sowie 22. August 2013 erfolgte überwiegend rechtmäßig. Lediglich soweit der Beklagte eine Rücknahme des Kostenbeitragsbescheides vom 06. Oktober 2011 für den Zeitraum vom 16. Juni 2011 bis 03. September 2011 abgelehnt hat, ist der hier angefochtene Bescheid vom 26. Februar 2015 rechtswidrig. Der Kläger hat insoweit Anspruch auf Aufhebung gemäß § 44 Abs. 1 SGB X, da der Kostenbeitragsbescheid vom 06. Oktober 2011 rechtswidrig ist, soweit darin Kostenbeiträge für den Zeitraum vom 16. Juni 2011 bis 03. September 2011 festgesetzt worden sind.

Im Einzelnen:

Rechtsgrundlage der jeweiligen Kostenbeitragserhebung sind die §§ 91 ff. SGB VIII. Gemäß § 91 Abs. 1 Ziff. 5 Buchst. b), Ziff. 8 SGB VIII i.V.m. § 92 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII können die Eltern von Kindern und Jugendlichen zu den Kosten einer vollstationären Hilfe zur Erziehung in einem Heim oder einer sonstigen betreuten Wohnform (§ 34) herangezogen werden. Die Heranziehung zu den Kosten erfolgt auf Grundlage der §§ 92 bis 94 SGB VIII. Ein Kostenbeitrag kann bei Eltern ab dem Zeitpunkt erhoben werden, ab dem ihnen die Gewährung der Leistung mitgeteilt und sie über die Folgen für ihre Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt worden sind (§ 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII). Was zum Einkommen gehört, bestimmt im Einzelnen § 93 Abs. 1 SGB VIII. Danach gehören zum Einkommen grundsätzlich alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der in der Vorschrift genannten Sozialleistungen, die hier nicht relevant sind. Von dem Einkommen sind nach § 93 Abs. 2 SGB VIII auf das Einkommen gezahlte Steuern, Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung sowie nach Grund und Höhe angemessene Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen zur Absicherung der Risiken Alter, Krankheit, Pflegebedürftigkeit und Arbeitslosigkeit abzusetzen. Von dem nach § 93 Abs. 1 und 2 SGB VIII errechneten Betrag sind sodann Belastungen der kostenbeitragspflichtigen Person abzuziehen. Der Abzug erfolgt grundsätzlich durch eine Kürzung des errechneten Betrages um pauschal 25 vom Hundert. Sind die Belastungen höher als der pauschale Abzug, so können sie abgezogen werden, soweit sie nach Grund und Höhe angemessen sind und die Grundsätze einer wirtschaftlichen Lebensführung nicht verletzen; die kostenbeitragspflichtige Person muss die Belastungen nachweisen. Nach § 93 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII kommen als Belastung insbesondere Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben und Schuldverpflichtungen in Betracht.

Der Umfang der Heranziehung ergibt sich aus § 94 SGB VIII i.V.m. der nach § 94 Abs. 5 SGB VIII ergangenen Verordnung zur Festsetzung der Kostenbeiträge für Leistungen und vorläufige Maßnahmen in der Kinder- und Jugendhilfe (KostenbeitragsV vom 01. Oktober 2005, BGBl. I, S. 2907).

Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Grundlagen erweisen sich die (bestandskräftigen) Kostenbeitragsbescheide vom 06. Oktober 2011, 09. Januar 2012 sowie 22. August 2013 überwiegend als rechtmäßig.

Soweit der Kläger vorbringt, er sei mit der stationären Unterbringung K. nach §§ 2734 SGB VIII nicht einverstanden gewesen, die Unterbringung sei nicht sachgerecht erfolgt, C. habe vielmehr einen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII gehabt, kann er mit diesen Einwendungen im vorliegenden Kostenbeitragsverfahren nicht gehört werden. Insoweit verweist die Kammer vollumfänglich auf die Ausführungen im Urteil vom heutigen Tage in dem Parallelverfahren (Az. 4 A 206/15).

Die Voraussetzungen für die Erhebung der Kostenbeiträge nach den §§ 91 ff. SGB VIII dem Grunde nach liegen vor. Nach § 91 Abs. 1 Ziff. 5 Buchst. b) SGB VIII können Kostenbeiträge u.a. zu Maßnahmen der Hilfe zur Erziehung in einem Heim oder einer sonstigen betreuten Wohnform (§ 34) erhoben werden. Der Beklagte gewährte der Tochter des Klägers in dem vorliegend streitigen Zeitraum Hilfe zur Erziehung in einem Heim oder sonstigen betreuten Wohnform.

Allerdings erfolgte die Erhebung von Kostenbeiträgen für die Heimunterbringung K. erst ab dem 04. September 2011 rechtmäßig. Nach § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII kann ein Kostenbeitrag bei Eltern, Ehegatten und Lebenspartnern erst ab dem Zeitpunkt erhoben werden, ab welchem dem Pflichtigen die Gewährung der Leistung mitgeteilt und er über die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt wurde. Eine dem § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII entsprechende Mitteilung an den Kläger erfolgte erst mit Schreiben vom 01. September 2011. Dieses Schreiben wurde dem Kläger ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Postzustellungsurkunde am 03. September 2011 zugestellt. Der in dem Antrag des Klägers auf Hilfe zur Erziehung vom 12. Mai 2011 enthaltene Hinweis, dass im Falle einer stationären oder teilstationären Hilfe zur Erziehung eine Beteiligung an den Kosten erfolge, genügt insoweit nicht den Anforderungen des § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII, da zum einen nicht die Gewährung der Leistung mitgeteilt wird und zum anderen keine Aufklärung über die Folgen der Leistungsgewährung für die Unterhaltspflicht enthalten ist. Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Umstand, dass dem Kläger mit Schreiben vom 17. Mai 2011 mitgeteilt worden ist, dass der Beklagte C. nach §§ 27, 42 SGB VIII in Obhut genommen hat und der Unterhaltsbedarf K. für die Dauer der Hilfegewährung durch die Leistung des Beklagten in vollem Umfang gedeckt ist. Denn diese Mitteilung hat nur Wirkung für die Kostenbeitragspflicht für die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII. Bei einem Wechsel der für den jungen Menschen gewährten Jugendhilfeleistung ist eine erneute Belehrung nach § 92 Abs. 3 SGB VIII erforderlich, in der die neue Leistungsart benannt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Minderjährige, wie hier die Tochter des Klägers, vom Jugendamt zunächst auf der Grundlage von § 42 SGB VIII in Obhut genommen worden ist und sich daran die Gewährung einer anderen Jugendhilfeleistung, hier die Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung gemäß §§ 27, 34 SGB VIII, anschließt. Denn die Belehrung nach § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII soll es naturalunterhaltspflichtigen Eltern auch ermöglichen, im Hinblick auf die drohende Kostenbeitragspflicht vermögensrechtliche Dispositionen zu treffen, insbesondere Rücklagen für die Beitragszahlung zu bilden (BVerwG, Urteil vom 11.10.2012 - 5 C 22/11 -, juris). Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der Inobhutnahme als einer vorläufigen Maßnahme, die nach ihrem Wesen auf einen kurzen Zeitraum von wenigen Tagen oder Wochen angelegt ist (vgl. § 42 Abs. 3 SGB VIII), und längerfristig angelegten Jugendhilfeleistungen wie der Heimerziehung nach § 34 SGB VIII, denn bei einer Inobhutnahme muss sich ein naturalunterhaltspflichtiger Elternteil wegen der vorläufigen Natur und der absehbar kurzen Dauer dieser Maßnahme vorerst nur in geringem Umfang in seiner wirtschaftlichen Lebensgestaltung auf die Kostenbeitragspflicht einstellen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 8.12.2014 - 4 LA 46/14 -, juris). Eine derartige Belehrung gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII hinsichtlich der Heimerziehung erfolgte vorliegend erst mit Schreiben vom 01. September 2011, zugestellt am 03. September 2011, was zur Folge hat, dass der Beklagte für die Zeit vom 16. Juni 2011 bis einschließlich 03. September 2011 keine Kostenbeiträge erheben kann.

Bedenken gegen die im Einzelnen festgesetzten Kostenbeitragshöhen werden im Übrigen nicht von dem Kläger geltend gemacht und sind nicht ersichtlich.

Der Beklagte hat ausgehend von dem jeweiligen Bruttoeinkommen entsprechend § 93 Abs. 2 SGB VIII jeweils die Lohnsteuer, den Solidaritätszuschlag sowie die Beiträge zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung abgerechnet. Darüber hinaus hat er die von dem Kläger nachgewiesenen Belastungen nach § 93 Abs. 3 SGB VIII abgezogen. Soweit der Beklagte in seinem Bescheid vom 16. September 2011 die Schuldverpflichtungen für das Eigenheim des Klägers nicht in Höhe von 968,12 EUR, sondern (lediglich) in Höhe von 338,36 EUR monatlich als Belastung berücksichtigt hat, begegnet dies keinen rechtlichen Bedenken. Denn Schuldverpflichtungen, die zur Finanzierung selbstgenutzten Wohnungseigentums eingegangen worden sind, stellen nur insoweit Belastungen im Sinne des § 93 Abs. 3 SGB VIII dar, als sie über den Betrag hinausgehen, der für den durch die Nutzung des Eigentums erzielten Wohnwert anzusetzen ist (st. Rspr., vgl. nur Nds. OVG, Beschluss vom 26.1.2010 - 4 ME 2/10 -, juris). Die ortsübliche Miete beträgt vorliegend 629,76 EUR. Dies ergibt sich aus der in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten befindlichen Mitteilung des Klägers vom 06. Juli 2011. Von den nachgewiesenen Belastungen von 968,12 EUR monatlich waren mithin 629,76 EUR abzuziehen, was einer Mehrbelastung von 338,36 EUR entspricht. In dem Kostenbeitragsbescheid vom 22. August 2013 hat der Beklagte als Belastung für das Eigenheim einen Betrag von anteilig 265,32 EUR angesetzt, was ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden ist, da die berücksichtigungsfähigen Kreditbelastungen für das Eigenheim von dem Kläger und von seiner Ehefrau je zur Hälfte getragen werden.

Die Heranziehung des Klägers zu den jeweiligen Kostenbeiträgen ist auch angemessen im Sinne des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. Das Tatbestandsmerkmal „in angemessenem Umfang" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Anwendung der uneingeschränkten Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt. Die Heranziehung zu einem jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag ist nur dann angemessen im Sinne dieser Vorschrift, wenn dem (erwerbstätigen) Kostenbeitragspflichtigen der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt belassen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.8.2010 - 5 C 10/09 -, juris). Nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des Oberlandesgerichts Celle (hier anwendbar mit Stand: 01. Januar 2011) betrug der notwendige Selbstbehalt eines Erwerbstätigen gegenüber seinen minderjährigen Kindern monatlich 950,00 EUR (vgl. Ziff. 21.2 der Leitlinien). Dass dem Kläger dieser unterhaltsrechtliche Selbstbehalt bei den festgesetzten Kostenbeiträgen von 275,00 EUR (Zeitraum bis 31. Dezember 2011), von 380 EUR (Zeitraum vom 01. Januar 2012 bis 31. März 2013) sowie von 425,00 EUR (Zeitraum vom 01. April 2013 bis 31. Dezember 2013) jeweils nicht belassen wurde, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 3, 188 Satz 2 VwGO. Nachdem der Kläger nur hinsichtlich eines geringen Teils aufgrund von Mängeln, die er überhaupt nicht gerügt hatte, obsiegt, erscheint es angemessen, ihm die Kosten des Rechtsstreits insgesamt aufzuerlegen. Streitgegenständlich sind vorliegend festgesetzte Kostenbeiträge in Höhe von insgesamt 10.739,01 EUR für den Zeitraum 16. Juni 2011 bis 31. Dezember 2013 mit Ausnahme des Zeitraums vom 21. Juli 2012 bis 06. September 2012, in welchem der Beklagte keine Kostenbeiträge erhoben hat. Von diesen Kostenbeiträgen obsiegt der Kläger lediglich in Höhe von 724,17 EUR (Zeitraum 16. Juni 2011 bis 03. September 2011) was einer Erfolgsquote von lediglich 7 vom Hundert entspricht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.