Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 30.05.1980, Az.: 10 UF 128/79

Voraussetzungen der Durchführung eines Versorgungsausgleichs nach einer Ehescheidung durch Übertragung von Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung; Ausgestaltung der Scheidung der Ehe mit einem Strafgefangenen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
30.05.1980
Aktenzeichen
10 UF 128/79
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1980, 20341
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1980:0530.10UF128.79.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 07.06.1979 - AZ: 202 F 47/78

In der Familiensache
...
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
auf die Beschwerde des Antragsgegners vom 13. September 1979 gegen den Beschluß des Amtsgerichts Hannover vom 7. Juni 1979
in der Sitzung vom 30. Mai 1980
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S. sowie
die Richter am Oberlandesgericht S. und v. H.
beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird geändert und wie folgt neu gefaßt:

Von dem Versicherungskonto Nr. ... der Frau A. B. geb. G. bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Ruhrstr. 2, 1000 Berlin-Wilmersdorf, werden auf ein bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte neu zu errichtendes Versicherungskonto für F. B. z.Zt. T. C., Anwartschaften auf das Altersruhegeld in Höhe von monatlich 3,70 DM bezogen auf den 30. April 1975 übertragen.

Die Kosten beider Instanzen dieses Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Beschwerdewert beträgt 1.000 DM.

Gründe

1

Die Antragstellerin und der 1942 geborene Antragsgegner haben am 21. März 1973 die Ehe geschlossen. Zu dieser Zeit befand sich der Antragsgegner in Strafhaft und hatte noch eine Freiheitsstrafe von ca. 4 Jahren zu verbüßen. Nach der Eheschließung wurde der Antragsgegner zu einer weiteren Freiheitsstrafe von 9 Jahren verurteilt. Ob die Antragstellerin im Zeitpunkt der Eheschließung wußte, daß der Antragsgegner auch diese Verurteilung zu erwarten hatte, ist zwischen den beteiligten Eheleuten streitig.

2

Die Antragstellerin hat in der Ehezeit nach der von den Beteiligten nicht beanstandeten Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 28. Februar 1978 Anwartschaften aus der Rentenversicherung der Angestellten von monatlich 7,40 DM erworben. Dagegen besitzt der Antragsgegner keine Versorgungsanrechte.

3

Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 7. Juni 1979 ausgesprochen, daß ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde, weil er unwirtschaftlich und grob unbillig sei. Gegen diesen Beschluß hat der Antragsgegner am 13. September 1979 unter Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist Beschwerde eingelegt. Durch Senatsbeschluß vom selben Tage ist ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden.

4

Die gemäß §§621 Abs. 1 Nr. 6 und 621 e Abs. 1 und 3 ZPO zulässige Beschwerde, über die nach §53 b Abs. 1 FGG ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist begründet.

5

Zwischen den Parteien findet gemäß §§1587, 1587 a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 sowie §1587 b Abs. 1 BGB der Versorgungsausgleich in der Weise statt, daß Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 3,70 DM vom Rentenversicherungskonto der Antragstellerin auf ein neu zu begründendes Konto des Antragsgegners zu übertragen sind. Das neu zu begründende Konto des Antragsgegners ist gemäß §83 c Abs. 1 Satz 1 AVG bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin einzurichten.

6

Die Ansicht des Amtsgerichts, der Wertausgleich sei im vorliegenden Falle wegen Unwirtschaftlichkeit nicht durchzuführen, ist unzutreffend. Die Vorschrift des §1587 b Abs. 4 BGB gibt in Fällen der Unwirtschaftlichkeit des Versorgungsausgleichs nicht die Möglichkeit, von seiner Durchführung abzusehen, sondern eröffnet nur den Weg, den Ausgleich in anderer, wirtschaftlicherer Weise zu regeln. Das Amtsgericht durfte deshalb die Nichtdurchführung des Versorgungsausgleichs nicht mit der Unwirtschaftlichkeit einer Regelung des Splittings begründen.

7

Zum anderen ist eine anderweitige Regelung des Versorgungsausgleichs nach §1587 b Abs. 4 BGB nur auf Antrag möglich. Ein solcher Antrag ist jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 7. Juni 1979 nach Erörterung der Wirtschaftlichkeit des Splittings ausdrücklich nicht gestellt worden. Aber auch wenn ein solcher Antrag gestellt würde, käme eine anderweitige Regelung des Versorgungsausgleichs nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen der Unwirtschaftlichkeit nicht gegeben sind.

8

Durch die Übertragung von Rentenanwartschaften von monatlich 3,70 DM werden im gegenwärtigen Zeitpunkt die rentenrechtlichen Vorausssetzungen weder für ein Altersruhegeld noch für eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit geschaffen, weil die dafür vorgesehenen Wartezeiten nicht erfüllt sind. Darauf kommt es jedoch nicht an. Eine Unwirtschaftlichkeit liegt vielmehr nur dann vor, wenn vorauszusehen ist, daß die Wartezeit von 60 Kalendermonaten für eine Invalidenrente nicht mehr erfüllt werden kann (BGH FamRZ 1980, 129, 130, AG Lüneburg NJW 1978, 379 = Nds.Rpfl 1978, 54, Rolland, 1. EheRG §1587 b BGBRz. 62, MünchKomm/Maier, BGB, §1587 b Rz. 46 und Bastian/Roth-Stielow/Schmeiduch, 1. EheRG§1587 b BGB Rz. 46). Eine solche Entwicklung ist vorliegend jedoch nicht zu erwarten. Der Antragsgegner wird spätestens im Februar 1987 aus der Strafhaft entlassen. Dann wird er 44 Jahre alt sein. Bei diesem Alter kann er ohne weiteres noch die Voraussetzungen für den Erwerb einer Invalidenrente und sicherlich auch die Wartezeit von 180 Kalendermonaten für das Altersruhegeld erfüllen.

9

Der Wertausgleich durch Splitting ist entgegen der Ansicht des Amtsgerichts auch nicht i.S.v. §1587 c Nr. 1 BGB unter Berücksichtigung der Verhältnisse der beteiligten Ehegatten grob unbillig. Eine grobe Unbilligkeit liegt nach allgemeiner Ansicht nur vor, wenn die Durchführung des Wertausgleichs dem Billigkeits- und Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widerspräche (OLG Celle NJW 1978, 1333 [OLG Celle 19.04.1978 - 10 UF 200/77], [OLG Celle 19.04.1978 - 10 UF 200/77] OLG München FamRZ 1959, 310, 311 f, und MDR 1979, 936 [OLG München 14.05.1979 - 4 UF 18/79], OLG Bamberg FamRZ 1979, 440, 441 = FRES 1, 3, FamRZ 1979, 521 und FamRZ 1980, 168, 169, und OLG Stuttgart FamRZ 1979, 831, 832). Der Grund für eine solche grobe Unbilligkeit braucht nicht im wirtschaftlichen Bereich zu liegen; sie kann auch in den persönlichen Verhältnissen der Ehegatten ihre Ursache haben. Es kann deshalb unbillig sein, daß ein Ehegatte, der während der Ehezeit eine längere Freiheitsstrafe verbüßt hat, an den während dieser Zeit von dem anderen Ehegatten erworbenen Versorgungsanrechten im Wege des Versorgungsausgleichs teilnimmt. An der groben Unbilligkeit fehlt es jedoch in einem solchen Falle dann, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte den anderen in Kenntnis der Tatsache geheiratet hat, daß dieser noch eine mehrjährige Freiheitsstrafe zu verbüßen hat und die Ehezeit wie im vorliegenden Falle, während dieser ihm bekannten Strafzeit von noch 4 Jahren endet. In diesen Fällen hat es der ausgleichspflichtige Ehegatte in Kauf genommen, daß er über Jahre hindurch allein für die Begründung der späteren Altersversorgung der Familie zu sorgen haben wird. Es erscheint deshalb nicht grob unbillig, zu seinen Lasten den Versorgungsausgleich durchzuführen (aA AG Cham FamRZ 1978, 37 und MünchKomm/Maier, BGB, ErgBd. §1587 c Rz. 13 e).

10

Die Kostenentscheidung folgt aus §93 a Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über den Beschwerdewert ergibt sich aus §17 GKG.