Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 21.05.1980, Az.: 17 UF 261/79
Rechtmäßigkeit der Durchführung eines Versorgungsausgleiches; Berechnung des zur Begründung einer Rentenanwartschaft erforderlichen Beitrages; Unverfallbare Teile einer Versorgungsanwartschaft im Versorgungsausgleich
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 21.05.1980
- Aktenzeichen
- 17 UF 261/79
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1980, 13204
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1980:0521.17UF261.79.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Stadthagen - 25.10.1979 - AZ: 3 F 96/78
Rechtsgrundlagen
- § 1587 Abs. 2 BGB
- § 53b Abs. 1 FGG
- § 1587a Abs. 2 Nr. 3 BGB
- § 1587g Abs. 2 S. 1 BGB
- § 1587f Ziff. 4 BGB
- § 1587d Abs. 1 BGB
- § 1 BetrAVG
- § 2 BarwertVO
Verfahrensgegenstand
Ehescheidung und Regelung von Folgesachen
hier: Regelung des Versorgungsausgleichs
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Als unverfallbar im Sinne von § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 BGB kann nur der Teil der Versorgungsanwartschaft aus der Zusatzversicherung angesehen werden, der dem Versicherten auch der Höhe nach in jedem Falle erhalten bleibt; nur insoweit kann die Anwartschaft aus der Zusatzversorgung in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einbezogen werden.
- 2.
Wenn § 1587a Abs. 2 Nr. 3 S. 3 BGB auf verfallbare Anwartschaften oder Aussichten auf eine betriebliche Altersversorgung in den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verweist, folgt daraus, dass diese Anwartschaften im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs nicht zu bewerten und somit auch nicht zu berücksichtigen sind.
- 3.
Das in § 1587 b BGB aufgenommene Gebot des einmaligen Ausgleichs soll verhindern, dass der im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs leistungsverpflichtete Ehegatte nicht etwa vorab über (§ 1587 b) Abs. 1 Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung übertragen bekommt, im Gegenzug aber seinerseits durch reale Beitragsentrichtung Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung zu begründen hat. Es soll vielmehr ausschließlich durch Beitragsentrichtung nur der Wertunterschied ausgeglichen werden, der sich bei Gegenüberstellung aller Versorgungsanrechte ergeben hat.
In der Familiensache
hat der 17. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 14. November 1979
gegen das am 25. Oktober 1979 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Stadthagen
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 21. Mai 1980
beschlossen:
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird teilweise geändert, soweit der Antragsgegner verpflichtet worden ist, als Beiträge zur Begründung einer Rentenanwartschaft von monatlich 91,81 DM zugunsten der Antragstellerin an die ... einen Betrag von 14.268,19 DM zu zahlen. Insoweit wird das Urteil wie folgt neu gefaßt:
Der Antragsgegner hat als Beitrag zur Begründung einer Anwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung auf eine Rente von monatlich 15,35 DM, bezogen auf den 30. April 1978, zugunsten der Antragstellerin an die ... auf das Versicherungskonto ... einen Betrag von 2.684,40 W zu zahlen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragstellerin und der Antragsgegner je zur Hälfte zu tragen.
Der Beschwerdewert beträgt 1.000 DM.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Der am 18.12.1932 geborene Antragsgegner und die am 24.3.1935 geborene Antragstellerin haben am 5.4.1958 die Ehe geschlossen. Auf den dem Antragsgegner am 29.5.1978 zugestellten Antrag der Antragstellerin hin hat das Amtsgericht Stadthagen durch Urteil vom 25.10.1979 die Ehe der Parteien geschieden, die elterliche Sorge über den Sohn ... der Parteien geregelt sowie den Versorgungsausgleich durchgeführt. Während der Ehezeit haben beide Parteien auszugleichende Versorgungsanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, die nach Auskunft der ... für den Antragsgegner monatlich 682 DM und nach Auskunft der ... für die Antragstellerin monatlich 452,10 DM betragen. Insoweit hat das Amtsgericht zum Zwecke der Ausgleichs vom Versicherungskonto des Antragsgegners Anwartschaften in Höhe von monatlich 114,95 DM, bezogen auf den 30. April 1978 (Eheende im Sinne von § 1587 Abs. 2 BGB) auf das Versicherungskonto der Ehefrau übertragen.
Darüber hinaus waren beide Parteien während der Ehezeit bei der ... der Stadt ... (im folgenden ... genannt) zusatzversichert. Über Art und Umfang der Zusatzversicherung hat die ... u.d. 10.4.1979 (Bl. 75 bis 79 d.A.), unter dem 28.8.1979 (Bl. 104 bis 108 d.A.), unter dem 29.2.1980 (Bl. 133 bis 134 d.A.) und unter dem 26.3.1980 (Bl. 137 d.A.) Auskunft erteilt. Aus diesen Auskünften, die keine Fehler erkennen lassen und auf die Bezug genommen wird, ergibt sich folgendes:
Der Antragsgegner hat während der Ehezeit eine Anwartschaft auf eine Gesamtversorgung in Höhe von monatlich 1.004,12 DM erworben. Nach Anrechnung der in der Ehezeit erworbenen Anwartschaft auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 682 DM verbleibt sonach für die Ehezeit eine Anwartschaft auf eine Zusatz-Versorgungsrente von 322,12 DM. Dagegen beträgt die nach der Summe der Pflichtbeiträge bzw. - seit dem 1.1.1978 - nach der Höhe des versicherten Entgelts bemessene Mindestversorgungsrente nach § 31 Abs. 3 der Satzung der ... (im folgenden nur als Satzung bezeichnet) für die Ehezeit 133,87 DM, welchen Wert auch die dem Antragsgegner zustehende Anwartschaft auf eine nach § 35 der Satzung bemessene Versicherungsrente hat. Der Antragsgegner hatte zudem bei Eheende die Voraussetzungen des § 1 BetrAVG und damit auch die Voraussetzungen für die Zahlung einer qualifizierten Versicherungsrente gemäß § 35 a der Satzung erfüllt; die Höhe dieser Anwartschaft betrug im Zeitpunkt des Eheendes monatlich 187,29 DM. Ferner bestand für den Antragsgegner aufgrund der Besitzstandsregelung der §§ 81, 92 der Satzung im Zeitpunkt des Eheendes eine Anwartschaft auf eine Versorgungs- oder Versicherungsrente mit einem Mindestbetrag von 227,84 DM.
Die Antragstellerin hat während der Ehezeit eine Anwartschaft auf eine Gesamtversorgung von 590,58 DM erworben; bei Berücksichtigung ihrer auf die Ehezeit entfallenden Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung von monatlich 252,10 DM ergibt sich eine Anwartschaft auf eine monatliche Zusatz-Versorgungsrente von (aufgerundet) 138,50 DM, während sich ihre Anwartschaft auf eine Mindestversorgungsrente (bzw. Versicherungsrente gemäß § 35 der Satzung) auf 65,50 DM und die unter Berücksichtigung des Betriebsrentengesetzes gemäß § 35 a der Satzung berechnete Anwartschaft auf eine Versicherungsrente zum Eheende auf 105,81 DM belief. Die Voraussetzungen für eine Anwartschaft auf den Besitzstand hat die Antragstellerin hingegen nicht erfüllt.
Das Amtsgericht hat zum Ausgleich der von den Parteien erworbenen Anwartschaften aus der Zusatzversicherung die beiderseitigen Anwartschaften auf Zahlung einer Versorgungsrente einander gegenüber gestellt und den Ehemann verpflichtet, in Höhe der Hälfte des Wertunterschiedes diese Anwartschaften, also in Höhe von 91,81 DM eine Anwartschaft der Antragstellerin in der gesetzlichen Rentenversicherung durch Entrichtung eines Beitrages von 14.268,19 DM zu begründen.
Mit ihrer frist- und formgerecht eingelegten Beschwerde macht die Verfahrensbeteiligte zu 1), die ... geltend, das Amtsgericht habe den von dem Antragsgegner zu leistenden Beitrag um 9,10 DM zu niedrig bemessen. Die Parteien und die Verfahrensbeteiligte zu 2) haben sich an dem Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.
II.
Der Senat sieht davon ab, gemäß § 53 b Abs. 1 FGG mit den Parteien und Verfahrensbeteiligten mündlich zu verhandeln. Eine weitere tatsächliche Aufklärung des Sachverhalts ist nicht erforderlich. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind ausschließlich Rechts- und Berechnungsfragen.
III.
1.
Die Beschwerde der ... ist berechtigt. Das Amtsgericht hat den zur Begründung einer Rentenanwartschaft von 91,81 DM erforderlichen Beitrag unrichtig berechnet. Das bedarf hier jedoch keiner näheren Darlegung. Denn die in der Beschwerdeinstanz amtswegig gebotene Überprüfung der zum Versorgungsausgleich ergangenen Entscheidung führt zu einer Abänderung des Urteils hinsichtlich der Höhe der durch Beitragszahlung zugunsten der Antragstellerin zu begründenden Rentenanwartschaft, so daß sich der vom Antragsgegner zu zahlende Beitrag ohnehin in anderer Weise berechnet.
2.
Das Amtsgericht hat nach Auffassung des Senats zu Unrecht dem Versorgungsausgleich die von beiden Parteien erworbenen Anwartschaften auf eine Versorgungsrente aus der Zusatzversicherung zugrundegelegt. Bei dieser Zusatzversicherung handelt es sich nämlich um eine betriebliche Altersversorgung im Sinne von § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 BGB, bei welcher gemäß Satz 3 dieser Vorschrift Anwartschaften, die im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung noch nicht unverfallbar sind, außer Betracht zu bleiben haben. Das trifft für Anwartschaften auf eine Versorgungsrente zu; denn sie sind solange noch als verfallbar anzusehen, bis der Versorgungsfall eintritt.
Die nach § 47 der Satzung jeweils den Änderungen der Bezüge von Versorgungsempfängern des Bundes entsprechend anzupassende, also "dynamische" volle Versorgungsrente im Sinne von § 31 Abs. 1 der Satzung erhält nur derjenige Versicherte, der bei Eintritt des Versicherungsfalls pflichtversichert, also noch im öffentlichen Dienst beschäftigt ist und die Wartezeit von 60 Umlagemonaten erfüllt hat (§§ 28, 29 der Satzung). Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen wird nach § 31 Abs. 3 der Satzung die Zahlung eines beitrags- (entgelt) bezogenen und daher nicht dynamischen Mindestbetrages (Mindestversorgungsrente) garantiert. Ist aber der Versicherte bei Eintritt des Versorgungsfalls bereits aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden, steht ihm - bei Erfüllung der Wartezeit - ein Anspruch auf Versorgung nur in Form der Versicherungsrente zu, deren Höhe allerdings grundsätzlich derjenigen der Mindestversorgung entspricht (vgl. §§ 31 Abs. 1 und 35 der Satzung). Mit Erfüllung der Wartezeit hat der Versicherte somit eine Anwartschaft auf Versorgungsleistungen erworben, die ihm dem Grunde nach auch dann erhalten bleibt, wenn er danach aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden sollte. Ungewiß aber bleibt bis zum Eintritt des Versicherungsfalls, ob diese Versorgung auch in Form der Versorgungsrente zu gewähren sein wird. Als unverfallbar im Sinne von § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 BGB kann daher nur der Teil der Versorgungsanwartschaft aus der Zusatzversicherung angesehen werden, der dem Versicherten auch der Höhe nach in jedem Falle erhalten bleibt; nur insoweit kann die Anwartschaft aus der Zusatzversorgung in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einbezogen werden. Zur näheren Begründung dieser von dem beschließenden Senat in ständiger Rechtsprechung vertretenen Ansicht wird auf die Ausführungen des 18. Zivilsenates des OLG Celle in seinem Beschluß vom 29.10.1979 (FamRZ 80, ... 164) Bezug genommen (a.A.: OLG Celle, 19. ZS, in NdsRpfl. 80, 27 = FamRZ 80, 265 (LS)).
3.
Die gegenüber der ... der Stadt ... erworbenen Versorgungsanwartschaften können also nur insoweit als unverfallbar angesprochen und damit beim öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich berücksichtigt werden, als es sich um die Versicherungsrente handelt. Das gilt gleichermaßen für die vom Ausgleichs verpflichteten wie auch von der Ausgleichsberechtigten erworbenen Zusatz-Versorgungsanwartschaften (MünchKomm-Maier, BGB, Ergbd., § 1587 a, Rnr. 220).
Demgegenüber wird in der Rechtsprechung und Literatur teilweise die Ansicht vertreten, jedenfalls auf Seiten des Ausgleichsberechtigten müsse auch eine noch verfallbare Anwartschaft, also in einem Fall wie dem vorliegenden die Versorgungsrente, berücksichtigt werden (vgl. OLG Celle, Beschluß vom 25.1.1980 - 12 UF 40/79 -; AG Düsseldorf in FamRZ 79, 50; Palandt-Diederichsen, BGB, 39. Aufl., § 1587 a Anm. 3 B, Ziffer 3; Eckert in NJW 78, 2084/2085). Diese Auffassung vermag der Senat jedoch nicht zu teilen. Nach § 1587 a Abs. 1 Satz 2 BGB steht dem ausgleichsberechtigten Ehegatten die Hälfte des Wertunterschieds der beiderseitigen in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte zu. Abs. 2 dieser Vorschrift beantwortet weiter die Frage, welche Werte "für die Ermittlung des Wertunterschieds" zugrundezulegen sind, ohne hierbei nach Anwartschaften des Ausgleichsverpflichteten und des Ausgleichsberechtigten zu unterscheiden. Wenn daher § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 BGB in diesem Zusammenhang noch verfallbare Anwartschaften oder Aussichten auf eine betriebliche Altersversorgung in den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verweist, folgt daraus, daß diese Anwartschaften im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs nicht zu bewerten und somit auch nicht zu berücksichtigen sind (so auch Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 3, Aufl., § 28 III 4, Fn. 9 a).
Demgegenüber wird von den Vertretern der Gegenmeinung allerdings eingewandt, die Vorschriften über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich hätten nur die Durchführung des Ausgleichs zum Gegenstand, weshalb der Verweis in § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 BGB die Möglichkeit der Bewertung noch verfallbarer Anwartschaften auch im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs offen lasse. Dieser Hinweis vermag jedoch nicht zu überzeugen. Das folgt nicht nur daraus, daß der Verweis auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich im Zusammenhang mit den Vorschriften über die Bewertung von Anwartschaften im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs erfolgt ist, sondern auch aus der Vorschrift des § 1587 g Abs. 2 Satz 1 BGB, die sich ausdrücklich mit der Bewertung der schuldrechtlich auszugleichenden Anwartschaften befaßt. Der mit der Regelung des Versorgungsausgleichs befaßte Regierungsentwurf hatte für den schuldrechtlichen Ausgleich zunächst besondere Bewertungsvorschriften vorgesehen; erst auf Wunsch des Bundesrats ist zum Zwecke der Gleichbewertung aller Anwartschaften auch für den schuldrechtlichen Ausgleich der Bewertungsmaßstab des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs eingeführt worden. Die Vorschriften über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich enthalten also eine eigene Bewertungsregelung, wenngleich diese wiederum auf die Bewertungsmaßstäbe des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs Bezug nimmt. Von dieser besonderen Bewertungsregelung sind auch nicht die in § 1587 f Ziffer 4 BGB aufgeführten Anwartschaften aus der betrieblichen Altersversorgung, die im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung (über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich) noch verfallbar waren, ausgenommen. Wenn daher § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 BGB verfallbare Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung den Vorschriften des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs unterstellt, umfaßt das auch die Frage der Bewertung dieser Anwartschaften. So wird auch in dem zweiten Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages im Zusammenhang mit § 1587 a BGB ausdrücklich darauf hingewiesen, daß nur unverfallbare Anwartschaften "in den Wertausgleich" einzubeziehen seien (BT-Drucks. 7/4361, S. 38).
Von den Vertretern der Gegenmeinung wird weiter ins Feld geführt, die Außerachtlassung der noch verfallbaren Anwartschaften eines Ausgleichsberechtigten könne bei späterer Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs zu einem Rückausgleich, d.h. zu einer Leistungsverpflichtung des im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs Berechtigten kommen; diese Folge sei mit dem Gebot des § 1587 b Abs. 3 Satz 3 (2. Halbs.) BGB, im Wege der Verrechnung nur einen einmaligen, d.h. nur in einer Richtung zielenden Ausgleich vorzunehmen, unvereinbar. Nach Auffassung des Senats rechtfertigt aber auch dieser Hinweis nicht, verfallbare Anwartschaften aus der betrieblichen Altersversorgung - sei es auch nur auf Seiten des Ausgleichsberechtigten - beim öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich zu berücksichtigen. Das in § 1587 b BGB aufgenommene Gebot des einmaligen Ausgleichs soll verhindern, daß der im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs leistungsverpflichtete Ehegatte "nicht etwa vorab über (§ 1587 b) Abs. 1 Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung übertragen bekommt, im Gegenzug aber seinerseits durch reale Beitragsentrichtung Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung zu begründen hat. Es soll vielmehr ausschließlich durch Beitragsentrichtung nur der Wertunterschied ausgeglichen werden, der sich bei Gegenüberstellung aller Versorgungsanrechte ergeben hat" (2. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 7/4361, S. 41/42). Die ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers, nur einen "einmaligen Ausgleich" vorzunehmen, ist nur die Folge davon, daß in den Absätzen 1-3 des § 1587 b BGB unterschiedliche Ausgleichsmodalitäten vorgesehen sind, betrifft also nur den Öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich und steht einer evtl. gegenläufigen Ausgleichsverpflichtung im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nicht entgegen (so im Ergebnis auch: Böhmer in der Rechtsanwenderbroschüre des BMJ, S. 255; Schmalhofer in DöD 1977, 148; Voskuhl-Pappai-Niemeyer, Versorgungsausgleich in der Praxis, S. 72, 75; Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 1977, Rdn. 703; MünchKomm-Maier, BGB, § 1587 g, Rdn. 6; OLG Stuttgart, Beschluß vom 1.12.1978 - 15 UF 235/78 -, zitiert in MünchKomm-Maier, Ergbd., § 1587 g Rdn. 6).
Der Gegenmeinung ist zuzugeben, daß diese Auffassung insofern zu einem mißlichen Ergebnis führt, als der im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Ausgleichs Verpflichtete zunächst gemäß § 1587 b BGB einen Teil seiner Versorgungsanwartschaften im Sinne von § 1587 a Abs. 2 Nrn. 1 und 2 BGB an den berechtigten Ehegatten verliert oder für diesen mit meist erheblichem Kapitalaufwand Rentenanwartschaften durch Beitragszahlung zu begründen hat (mögen ihm auch insoweit durch direkte oder entsprechende Anwendung von § 1587 d Abs. 1 BGB Erleichterungen gewährt werden können), im Falle des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs aber nur ungleich unsichere Rückausgleichsansprüche erhält. Dieses Risiko würde dem ursprünglich Ausgleichsverpflichteten allerdings dann abgenommen, würden auch beim öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich auf der Gegenseite verfallbare Anwartschaften (mit-)bewertet werden. Solches würde aber hingegen für den ursprünglich Berechtigten zur Folge haben, daß er dann, wenn seine verfallbaren Anwartschaften tatsächlich zu keiner Versorgung führen und somit feststeht, daß ihm beim öffentlich-rechtlichen Ausgleich zu wenig zugesprochen worden ist, keinen "ergänzenden" Ausgleichsanspruch gegen den anderen Ehegatten durchsetzen könnte. Die Rechtskraft der Entscheidung über den öffentlich-rechtlichen Ausgleich hindert eine "Nachbesserung". Ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich scheitert hingegen daran, daß dieser Fall in dem als abschließende Regelung zu verstehenden Katalog des § 1587 f BGB (vgl. dazu BGH in FamRZ 80, 129 ff., 130) nicht vorgesehen ist. Insbesondere ist hierfür auch nicht die Vorschrift des § 1587 f Nr. 4 BGB einschlägig, wonach der schuldrechtliche Versorgungsausgleich dann durchzuführen ist, wenn ursprünglich als verfallbar unberücksichtigt gebliebene Anwartschaften später in den Versorgungsausgleich einzubeziehen sind. Denn in dem vorgedachten Fall läge der Rechtsgrund für eine weitere Entscheidung im Gegenteil darin, daß eine bereits im öffentlich-rechtlichen Ausgleich (mit-)bewertete Anwartschaft letztlich nicht in den Ausgleich einzubeziehen ist. Diese Mit-Bewertung hätte also zur Folge, daß der Ausgleichsberechtigte mit dem unzumutbaren Risiko belastet würde, gegebenenfalls seiner Ausgleichsansprüche insoweit völlig verlustig zu gehen. Das Ergebnis ist noch mißlicher als die Folge, daß der ursprünglich Ausgleichsverpflichtete wegen eventueller Rückausgleichsansprüche auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen wird.
4.
a)
Danach sind im vorliegenden Fall in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich die von beiden Parteien während der Ehezeit im Rahmen der Zusatzversicherung erworbenen Anwartschaften nur insoweit einzubeziehen, als es sich um die Versicherungsrente handelt. Die Höhe dieser Anwartschaften berechnet sich grundsätzlich nach § 35 der Satzung der ... Beide Parteien haben jedoch die Voraussetzungen des § 1 BetrAVG erfüllt und daher eine Anwartschaft auf die sogenannte qualifizierte Versicherungsrente nach § 35 a der Satzung erworben, und zwar der Antragsgegner in Höhe von 187,29 DM und die Antragstellerin in Höhe von 105,81 DM. Die sich aufgrund der Berechnungsmaßstäbe des § 35 der Satzung ergebenden Anwartschaften auf eine Versicherungsrente von 133,87 DM für den Antragsgegner und von 65,50 DM für die Antragstellerin unterschreiten den Wert der Anwartschaften der Parteien auf eine qualifizierte Versicherungsrente und bleiben somit außer Betracht, § 35 a Satz 2 der Satzung.
Der Antragsgegner hat darüber hinaus die Voraussetzungen der §§ 81, 92 der Satzung erfüllt, denn er ist nach dem am 31.12.1966 gültig gewesenen Satzungsrecht der ... zusatzpflichtversichert gewesen, wäre dieses auch bei Weitergeltung der bisherigen Satzung am 1.1.1967 geblieben und war weiter bis zum 31.12.1975 ununterbrochen pflichtversichert. Daher steht ihm zur Wahrung seines Besitzstandes als Versicherungsrente eine Anwartschaft auf einen beitrags-bzw. entgeltbezogenen Mindestbetrag (Besitzstandsrente) zu, die die ... mit monatlich 227,84 DM errechnet hat. Für die Antragstellerin besteht hingegen keine Anwartschaft auf eine Besitzstandsrente, denn sie hatte am 31.12.1966 die satzungsgemäße Wartezeit von 60 Umlagemonaten noch nicht erfüllt. Solches wird zwar in §§ 81, 92 der jetzigen Satzung der ... nicht vorausgesetzt. Andererseits errechnet sich der Mindestbetrag des Besitzstandes gemäß § 92 der Satzung auf der Grundlage des Betrages, der einem Versicherten bei Eintritt des Versicherungsfalls am 31.12.1966 zugestanden hätte; war damals aber mangels Erfüllung der Wartezeit ein Versorgungsanspruch noch nicht gegeben, fehlt es schon an einem Grundbetrag und damit an einer Berechnungsgrundlage für die Besitzstandsrente. Daraus folgt, daß - wenn auch nicht aus rechtlichen, so doch - aus rechnerischen Gründen die Erfüllung der Wartezeit am 31.12.1966 Voraussetzung für die Gewährung der Besitzstandsrente ist.
b)
Im Rahmen der Zusatzversicherung der Parteien sind daher Anwartschaften auf Versicherungsrenten in Höhe von 227,84 DM auf Seiten des Antragsgegners und von 105,81 DM auf Seiten der Antragstellerin auszugleichen. Da Versicherungsrenten der ... nicht dynamisch sind (§ 47 der Satzung) und auch nicht aus einem Deckungskapital oder einer vergleichbaren Deckungsrücklage gezahlt werden, sind für den Versorgungsausgleich nicht die zuvor genannten Beträge, sondern vielmehr das Altersruhegeld zugrundezulegen, das sich ergäbe, wenn der für den Zeitpunkt des Eheendes zu ermittelnde Barwert der Versicherungsrenten als Beitrag in die gesetzliche Rentenversicherung einbezahlt würde, § 1587 a Abs. 4, Abs. 3 Ziffer 2 BGB. Der Barwert der Anwartschaften beider Parteien errechnet sich gemäß §§ 1587 a Abs. 3 Ziffer 2 Satz 2 BGB, 2 Abs. 1 und 2 der BarwertVO (BGBl. I 1977, 1014) mittels Vervielfachung des Jahresbetrages der Rente mit dem aus Tabelle 1 der BarwertVO zu entnehmenden Kapitalisierungsfaktor, der sich nach dem Alter der Versicherten bei Eheende im Sinne von § 1587 Abs. 2 BGB richtet. Damit ergibt sich für die Anwartschaft des Antragsgegners auf die Besitzstandsrente ein Barwert von (227,84 DM × 12 × 3 =) 8.202,24 DM und für die entsprechende Anwartschaft der Antragstellerin ein Barwert von (105,81 DM × 12 × 2,7 =) 3.428,24 DM. Die Umrechnung dieser Barwerte in die ihnen entsprechenden Anwartschaften auf Zahlung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt aufgrund der Tabellen 2 und 5 der Bekanntmachung des NdsMJ über die Rechengrößen zur Durchführung des Versorgungsausgleichs (Nds.Rpfl. 1979, 263/264); danach errechnet sich für den Antragsgegner eine monatliche (fiktive) Rentenanwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung von (8.202,24 DM × 0,02380782 × 0,2701 =) 52,74 DM und für die Antragstellerin eine solche von (3.428,24 DM × 0,02380782 × 0,2701 =) 22,05 DM.
5.
Auszugleichen sind daher Versorgungsanwartschaften im Werte von (682 DM + 52,74 DM =) 734,74 DM auf Seiten des Antragsgegners und von (452,10 DM + 22,05 DM =) 474,15 DM auf Seiten der Antragstellerin, deren Ausgleichsanspruch sich somit gemäß § 1587 a Abs. 1 Satz 2 BGB auf (734,74 DM ./. 474,15 DM =) 260,59 DM: 2 = 130,30 DM beläuft.
Das Amtsgericht hat den Ausgleich zutreffend zunächst durch Übertragung der Hälfte des Wertunterschieds zwischen den von den Parteien in der gesetzlichen Rentenversicherung bereits erworbenen Anwartschaften, also in Höhe von (682 DM ./. 452,10 DM =) 229,90 DM: 2 = 114,95 DM vorgenommen, § 1587 b Abs. 1 BGB. Der verbleibende Anspruch der Antragstellerin auf eine monatliche Rentenanwartschaft in Höhe von (130,30 DM abzüglich 114,95 DM =) 15,35 DM ist gemäß § 1587 b Abs. 3 BGB durch Beitragszahlung auszugleichen. Die Höhe dieses Betrages errechnet sich anhand der Tabellen 1 und 3 der oben erwähnten Rechengrößen-Bekanntmachung wie folgt:
15,35 DM | x | 3,702332 | = | 56,83 Werteinheiten (WE) |
---|---|---|---|---|
56,83 WE | x | 47,2356 | = | 2.684,40 DM. |
In dieser Höhe war die Beitragszahlung des Antragsgegners festzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a ZPO.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Behandlung der Anwartschaften aus der Zusatzversicherung des öffentlichen Dienstes im Versorgungsausgleich und der Frage, ob auf seiten des Ausgleichsberechtigten noch verfallbare Anwartschaften aus der betrieblichen Altersversorgung bei der Bewertung der im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich auszugleichenden Anwartschaften einzubeziehen sind, hat der Senat gemäß §§ 621 e Abs. 2, 546 Abs. 1 ZPO die weitere Beschwerde zugelassen.
Streitwertbeschluss:
Der Beschwerdewert beträgt 1.000 DM.