Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 06.05.2015, Az.: 6 A 275/14

Funktionaler Zusammenhang; Grünfläche; Grünstreifen; Natürliche Betrachtungsweise; Öffentliche Straße; Straßenreinigung; Widmung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
06.05.2015
Aktenzeichen
6 A 275/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 45326
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein an einen Grünstreifen grenzendes Grundstück liegt nur dann im Sinne des § 52 Abs. 4 Satz 1 NStrG an einer öffentlichen Straße an, wenn der Grünstreifen dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist und auf diese Weise als Teil der öffentlichen Straße im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 NStrG gilt.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Verpflichtung, vor seinem Grundstück die Straße zu reinigen und den Winterdienst durchzuführen.

Er ist Eigentümer des von ihm mit den heutigen baulichen Anlagen erworbenen und selbst bewohnten Grundstücks Braunschweiger Straße  in D., einem Ortsteil der Gemeinde E.. Die Braunschweiger Straße bildet hier die Ortsdurchfahrt der     K 5. Die Beklagte hat die Straßenreinigung nach Maßgabe ihrer Satzung über die Straßenreinigung vom 23.04.1999 (SRS) auf die Eigentümer der angrenzenden Grundstücke übertragen. Einzelheiten regelt die Verordnung über die Art und den Umfang der Straßenreinigung vom 19.12.2013 (VS).

Das Grundstück des Klägers grenzt auf einer Länge von ca. 70 m an eine Grünfläche, die an ihrem südlichen Ende nur ca. 4 m breit ist und sich nach Norden bis zur Einmündung der Straße F. auf ca. 14 m weitet. Dort befindet sich auf dem klägerischen Grundstück eine Garage, die über eine gepflasterte Fläche auf der Grünfläche erreicht werden kann. Daran grenzt nach Süden eine kleine Gruppe von Bäumen und Sträuchern an. In Höhe des Wohnhauses stehen zum Gehweg hin zwei kleinere Obstbäume. Dort ist vom Gehweg zum Grundstück ein ca. 1,50 m breiter gepflasterter Zugang angelegt worden. Im Übrigen ist die Grünfläche mit Rasen versehen. Sie endet in Richtung Ortsausgang an einer Überfahrt zu dem Außenbereichsgrundstück mit der Flurstücksbezeichnung G., das mit Stallgebäuden für Pferde bebaut ist.

Ein dieses Grundstück nordwestlich der Straße begleitender Graben ist von hier an Richtung Norden verrohrt. Das Rohr erstreckt sich am klägerischen Grundstück entlang und setzt sich bis zu dem Grundstück Im Kamp 2 nordwestlich des Grundstücks Braunschweiger Straße 23 fort.

Die o. g. Grünfläche gehört zum selben Flurstück wie die Straße (Flurstück H., Flur I., Gemarkung D.), das im Eigentum des Landkreises Wolfenbüttel steht. Sie ist aber nicht von der Widmung der Braunschweiger Straße erfasst (s. die unten stehenden Ausführungen).

Die Grünfläche wird gärtnerisch von der Beklagten gepflegt (Rasenmähen, Baumschnitt). Bis zum Winter 2010/11 übernahm die Beklagte auch die Reinigung des Gehwegs und der Gosse sowie den Winterdienst auf der Braunschweiger Straße entlang des Klägergrundstücks. Mit Schreiben vom 20.12.2010 verwies die Beklagte auf die satzungsgemäße Pflicht der Anwohner zur Reinigung der Straße und erklärte, fortan die Straßenreinigung einschließlich Winterdienst nicht mehr durchzuführen. Nachdem im Winter 2012/13 ein Bekannter des Klägers vorrübergehend den Winterdienst übernommen hatte, bat der Kläger mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 01.10.2013, in der Angelegenheit eine abschließende Klärung herbeizuführen. Die Beklagte blieb mit Schreiben vom 07.11.2013 bei ihrer Rechtsauffassung.

Am 07.02.2014 hat der Kläger eine Klage mit dem Antrag erhoben, festzustellen, dass der Eigentümer des Grundstücks Braunschweiger Straße  in D. nicht der Straßenreinigungspflicht für den davor verlaufenden Abschnitt des Gehwegs an der Braunschweiger Straße unterliegt (6 A 37/14).

Mit Datum vom 13.08.2014 erließ die Beklagte eine Ordnungsverfügung, mit welcher der Kläger aufgefordert wurde, innerhalb einer Woche nach Zugang der Verfügung die Straßenreinigung an seinem Grundstück Braunschweiger Straße  entlang der Straßen Braunschweiger Straße und F. vorzunehmen. Außerdem drohte die Beklagte die Ersatzvornahme an. Zur Begründung des gleichzeitig angeordneten Sofortvollzugs bezog sich die Beklagte auf die Notwendigkeit, die mit Unkraut zugewachsene Gosse zu reinigen. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass durch in Einlauf und Kanäle gespülten Schmutz der Regenwasserabfluss nicht mehr ordnungsgemäß gewährleistet sei. Ferner könnten andere Anwohner sich ebenfalls über die Reinigungspflicht hinwegsetzen.

Der Kläger erhob Klage gegen den Bescheid vom 13.08.2014 (6 A 275/14) und stellte einen Antrag auf  Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (6 B 276/14).

Da der Kläger sich weigerte, den Gehweg und insbesondere die Gosse der Braunschweiger Straße zu reinigen, beauftragte die Beklagte die Firma J. mit der Reinigung der Gosse, die am 26.08.2014 erfolgte und der Beklagten mit 205,28 EUR in Rechnung gestellt wurde. Die Beklagte erließ unter dem 15.09.2014 einen Bescheid über die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von 205,28 EUR.

Daraufhin erklärte der Kläger das einstweilige Rechtsschutzverfahren für erledigt und änderte den Klageantrag im Hauptsacheverfahren 6 A 275/14 in eine Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 13.08.2014. Außerdem bezog er den Bescheid vom 15.09.2014 in das Verfahren ein.

Nach Erledigungserklärung durch die Beklagte hat der Berichterstatter mit Beschluss vom 30.10.2014 das einstweilige Rechtsschutzverfahren 6 B 276/14 eingestellt und die Beklagte in Anwendung des § 161 Abs. 2 VwGO zur Kostentragung verpflichtet.

Mit Bescheid vom 17.02.2015 hat die Beklagte eine weitere Ordnungsverfügung erlassen. Darin ist der Kläger aufgefordert worden, bis zum 06.03.2015 seiner Reinigungspflicht auf der Braunschweiger Straße nach den einschlägigen Satzungen der Beklagten nachzukommen und den Gehweg von Verunreinigungen und Unkraut zu reinigen. Gleiches gelte für die Gosse und die Fahrbahn der Straße „F.“ vor dem Grundstück bis zur Straßenmitte. Die Reinigung habe bei Bedarf alle 14 Tage zu erfolgen. Außerdem forderte die Beklagte den Kläger auf, seiner Reinigungspflicht hinsichtlich der Schnee- und Eisräumung nachzukommen. Diese Pflicht habe er werktags von 07:00 Uhr bis 20:00 Uhr und sonn- und feiertags von 09:00 bis 20:00 Uhr zu erfüllen. Auch zu diesen Verfügungen sind der Sofortvollzug angeordnet und Zwangsmittel angedroht worden.

Gegen den Bescheid vom 17.02.2015 hat der Kläger am 25.02.2015 die Klage 6 A 110/15 erhoben.

Er trägt zur Begründung in allen Verfahren vor, wegen der dazwischen liegenden Grünfläche habe er an der Braunschweiger Straße den Gehweg einschließlich der Gosse nicht zu reinigen und keinen Winterdienst zu übernehmen. Nach der Straßenreinigungssatzung der Beklagten obliege die Reinigungspflicht einschließlich Winterdienst zwar auch den Eigentümern der angrenzenden Grundstücke, die durch einen Grünstreifen, eine Stützmauer, eine Böschung, durch Trenn-, Seiten- oder Sicherheitsstreifen oder in ähnlicher Weise von der Straße getrennt seien. Das gelte jedoch nicht, wenn das Grundstück von der Straße durch einen Geländestreifen getrennt sei, der weder dem öffentlichen Verkehr gewidmet noch Bestandteil der Straße sei. Der zwischen seinem Grundstück und der Braunschweiger Straße liegende Grünstreifen sei nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet. Er sei auch nicht Bestandteil der Straße. Denn Trenn-, Seiten-, Rand und Sicherheitsstreifen gehörten nur dann zum Straßenkörper, wenn sie die bautechnische Funktion hätten, den beim Befahren der Straße auftretenden seitlichen Druck aufzufangen, die befestigten Teile des Straßenkörpers zu unterstützen und das Oberflächenwasser abzuleiten, was hier jeweils nicht zu den Aufgaben des Grünstreifens gehöre. Der Straßenentwässerung diene er nicht, weil die Straßeneinläufe das Oberflächenwasser von der Fahrbahn aufnähmen und dem dafür vorgesehenen Kanal zuführten.

Die Funktion der Grünfläche beschränke sich darauf, den verrohrten Graben zu überdecken. Es sei ein trennender, selbstständiger Geländestreifen. Auf die Erschließungssituation komme es nach dem niedersächsischen Straßenrecht und den Satzungen der Beklagten nicht an.

In der mündlichen Verhandlung hat die Kammer durch Beschluss die Verfahren 6 A 275/14 und 6 A 110/15 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen 6 A 275/14 verbunden. Die Beteiligten haben das Verfahren 6 A 37/14 im Ganzen und das Verfahren 6 A 275/14 hinsichtlich der Klage gegen den Bescheid vom 13.08.2014 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide vom 15.09.2014 und 17.02.2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Kläger sei zur Reinigung von Gehweg und Gosse auf der Braunschweiger Straße vor seinem Grundstück einschließlich Winterdienst verpflichtet, weshalb die Ordnungsverfügungen vom 13.08.2014 und 17.02.2015 rechtmäßig seien und die Ersatzvornahme im August 2014 zu Recht erfolgt sei. Das Grundstück grenze nicht nur an die Straße an, es sei auch von dieser erschlossen. Es handele sich um ein im Sinne des § 52 Abs. 4 Satz 1 NStrG anliegendes Grundstück.

Die Erschließung des Grundstücks von der Straße über die Grünfläche komme schon in der befestigten Zuwegung zum Ausdruck. Auch sei die Garage nur über diese zu erreichen. Eine trennende Wirkung komme dem Seitenstreifen damit nicht zu. Er stelle kein Hindernis dar. Auch die eigentumsrechtliche Zuordnung des Grünstreifens zum Straßenflurstück spreche für eine Einheit beider Straßenbestandteile.

Weiterhin sei der Grünstreifen aufgrund seiner Funktion ein Bestandteil der Straße. Er nehme einen verrohrten Graben auf, dessen Aufgabe es sei, das nördlich der L 625 anfallende Regen- und Sickerwasser weiterzuleiten und im Bereich der Ortsdurchfahrt Oberflächenwasser vom Straßenkörper aufzunehmen. Auch vor dem klägerischen Grundstück werde das Regenwasser über die Straßeneinläufe in den Oberflächenwasserkanal in der Braunschweiger Straße geleitet, der entweder bereits in Höhe des Klägergrundstücks oder weiter südwestlich eine Verbindung zu dem Graben bzw. dem darin liegenden Rohr habe. Daher diene der Graben auch hier der Straßenentwässerung. Hierzu hat die Beklagte Pläne vorgelegt.

Auf die Breite der Grünfläche könne es nicht ankommen, da sich nach Begradigung des historisch stärker geschwungenen Verlaufs der Braunschweiger Straße heute mal engere, mal breitere Seitenstreifen ergäben. Ziel sei es offenbar gewesen, zwischen Gehweg und Grundstück eine verkehrssichere und leicht zu unterhaltende Lösung zu finden, was mit der Verrohrung des Grabens und der darüber befindlichen Rasenfläche gelungen sei. Die Festigkeit des straßenbegleitenden Streifens sei nicht ausschlaggebend.

Die Gosse müsse regelmäßig gereinigt werden, um den Abfluss des Regenwassers in die Kanalisation zu ermöglichen. Die Gullys dürften nicht durch Pflanzenreste verschmutzt werden. Andernfalls könnten Überschwemmungen auf der Fahrbahn die Verkehrssicherheit gefährden. Durch Spritzwasser würden andere Verkehrsteilnehmer sowie Fußgänger und Fahrradfahrer vermeidbar belästigt. Vor dem Grundstück des Klägers sei die Gosse im Sommer 2014 erheblich mit teils sogar größeren Pflanzen zugewuchert gewesen. Sie habe sich daher nach pflichtgemäßem Ermessen zum Einschreiten entschlossen. Im Frühjahr 2015 habe der Kläger erneut zum Tätigkeitwerden aufgefordert werden müssen.

Eine besondere oder atypische Belastung werde dem Kläger mit der Reinigungspflicht selbst unter Berücksichtigung der Lage an zwei zu reinigenden Straßen nicht auferlegt.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch eine Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten seitens des Berichterstatters. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll des Termins vom 20.04.2015 Bezug genommen.

Im Übrigen wird zu den Einzelheiten und den gewechselten Schriftsätzen auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Soweit die Beteiligten das Verfahren bezüglich der Klage gegen den Bescheid vom 13.08.2014 für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.

Die Bescheide der Beklagten vom 15.09.2014 und 17.02.2015 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Reinigungspflicht für die in den Ordnungsverfügungen erwähnte Straße F. ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Die Klagen sind nur wegen der von der Beklagten behaupteten Verpflichtung des Klägers hinsichtlich der Braunschweiger Straße erhoben worden, weshalb die aus diesem Grund erlassenen Bescheide insgesamt aufzuheben sind, soweit sie nicht Gegenstand der Erledigungserklärungen sind.

Mit der Ordnungsverfügung vom 17.02.2015 ist der Kläger aufgefordert worden, bis zum 06.03.2015 seiner Reinigungspflicht einschließlich Winterdienst nachzukommen.

Rechtsgrundlage dieser Anordnung ist § 11 Nds. SOG i. V. m. § 1 SRS. Mit dem Auffangtatbestand des § 11 SOG können Verwaltungsbehörden (und die Polizei) die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren. Eine (konkrete) Gefahr ist gem. § 2 Nr. 1 Buchst. a Nds. SOG eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eintreten wird. Die Vorschriften über die Straßenreinigung in der SRS und der VS, welche auf den Vorgaben des Landesgesetzgebers in § 52 NStrG beruhen, sind Teil der öffentlichen Sicherheit. Vorliegend war wegen der Auseinandersetzung um die Reinigungspflicht des Klägers hinreichend wahrscheinlich, dass durch ein Unterbleiben von Straßenreinigung einschließlich Winterdienst auf der Braunschweiger Straße vor dem klägerischen Grundstück die Regelungen über die regelmäßige Reinigung der Straßen zeitnah verletzt werden und Nachteile für die Verkehrssicherheit eintreten, die durch § 52 NStrG und die Satzungsbestimmungen gerade vermieden werden sollen.

Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 NStrG sind die Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslage einschließlich der Ortsdurchfahren von Bundes-, Landes- und Kreisstraßen zu reinigen, wobei nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b und Buchst c NStrG auch die Schneeräumung und das Bestreuen bei Glätte zur Straßenreinigung gehören. Reinigungspflichtig sind gem. § 52 Abs. 2 NStrG die Gemeinden. § 52 Abs. 4 Satz 1 NStrG eröffnet den Gemeinden die Möglichkeit, durch Satzung die ihnen obliegenden Straßenreinigungspflichten ganz oder zum Teil den Eigentümern der anliegenden Grundstücke aufzuerlegen. Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte in ihrer SRS Gebrauch gemacht, indem sie gem. § 1 Abs. 1 SRS den Eigentümern der an öffentliche Straßen angrenzenden bebauten und unbebauten Grundstücke die Reinigung der öffentlichen Straßen einschließlich Winterdienst auferlegt hat. Die Kammer sieht - dies vorweggenommen - zwischen den Begriffen des Anliegens und des Angrenzens keinen rechtlichen Wertungsunterschied.

Der Kläger ist nach den genannten Bestimmungen nicht zur Straßenreinigung einschließlich Winterdienst auf der Braunschweiger Straße verpflichtet, weil sein Grundstück nicht an diese öffentliche Straße angrenzt (§ 52 Abs. 4 Satz 1 NStrG) bzw. an ihr anliegt (§ 1 Abs. 1 SRS).

Zwischen seinem Grundstück und der Braunschweiger Straße liegt ein Grünstreifen, der eine trennende Wirkung entfaltet. Zwar gehören nach § 1 Abs. 2 SRS auch Grün-, Trenn-, Seiten- und Sicherheitsstreifen zur Straße im Sinne des § 1 Abs. 1 SRS. Ferner stellt § 1 Abs. 3 Satz 1 SRS insofern klar, dass die Reinigungspflicht einschließlich Winterdienst den Eigentümern auch solcher Grundstücke obliegt, die durch u. a. einen Straßengraben oder einen Grünstreifen von der Straße getrennt sind. Dies gilt nach § 1 Abs. 3 Satz 2 SRS jedoch nicht, wenn das Grundstück von der Straße durch einen Geländestreifen getrennt ist, der weder dem öffentlichen Verkehr gewidmet noch Bestandteil der Straße ist. Danach ist der Kläger nicht zur Straßenreinigung verpflichtet.

Die satzungsrechtlichen Regelungen der Beklagten zur Straßenreinigungspflicht sind gesetzes- und verfassungskonform auszulegen, d. h. sie müssen der gesetzlichen Ermächtigung in § 52 NStrG und dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG entsprechen.

Die nach § 52 Abs. 1 Satz 1 NStrG zu reinigenden Straßen sind öffentliche Straßen im Sinne des § 2 NStrG. Öffentliche Straßen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 NStrG diejenigen Straßen, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Auch § 1 Abs. 1 SRS und § 2 Abs. 1 VS beziehen sich auf öffentliche Straßen. Diese müssen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 NStrG dem öffentlichen Verkehr gewidmet sein. Öffentliche Straßen sind also nur die Straßen und Wege bzw. Plätze, die nach den Vorgaben des § 6 Abs. 1 NStrG dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind oder kraft Gesetzes als gewidmet gelten (vgl. den zum 01.01.2005 aufgehobenen § 63 Abs. 2 Satz 1 und 5 Satz 1 NStrG a. F.: Aufnahme in das Straßenbestandsverzeichnis bis Ende 1983). Als Straßenbestandteile können nur Flächen angesehen werden, die von der Widmung umfasst sind (Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Aufl., Rn. 11; Müller/Schulz, FStrG, 2. Aufl., § 1 Rn. 20; Marschall, FStrG, 6. Aufl., § 1 Rn. 8 f., 33).

Der in Rede stehende Grünstreifen (die Grünfläche) ist nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Welche Straßen dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind, ist dem Straßenbestandsverzeichnis zu entnehmen. Nach dem Straßenbestandsverzeichnis der Gemeinde E. für den Ortsteil D. umfasst die Widmung der Braunschweiger Straße (Ortsdurchfahrt der K 5) am 01.12.1983 nicht den Grünstreifen neben dem Gehweg. Weder die Eintragungen für die Braunschweiger Straße auf der dafür angelegten Karteikarte, etwa in den Feldern „Bemerkungen“ oder „sonstige Angaben“, noch die dort in Bezug genommene Kartendarstellung lassen erkennen, dass die Fläche westlich von Fahrbahn und Gehweg vor dem Grundstück Braunschweiger Straße  als Teil der öffentlichen Straße von der Widmung umfasst ist. Die „Fußwege“ wurden nach einer Eintragung unter „Sonstige Angaben“ nach dem Ausbau aufgemessen und in der beiliegenden Karte dargestellt, was mit einer Markierung in roter Farbe unter Hinzufügen von Längenangaben geschehen ist. Spätestens anlässlich dieser Ergänzung hätte klargestellt werden müssen, dass die Grünfläche vor dem klägerischen Grundstück (und ggfs. andere Seitenstreifen o. ä.) Teil der Widmung ist.

Da nach höherrangigem Recht im NStrG die Widmung maßgeblich ist, kann die Reinigungspflicht nicht allein deshalb bestehen, weil der Grünstreifen gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 SRS ohne Widmung Bestandteil der Straße ist.

Selbst wenn man dies annähme, hätte die Klage allerdings keinen Erfolg. Denn wollte man der Widmung nur eine indizielle Bedeutung für ein Anliegen im Sinne des § 52 Abs. 4 Satz 1 NStrG zumessen, so käme es darauf an, ob der Grünstreifen einen „funktionalen Zusammenhang“ mit der Straße hat (Sauthoff, a. a. O., Rn. 11) bzw. nach einer „natürlichen Betrachtungsweise“ noch zur Straße im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 NStrG gehört (Sauthoff, a. a. O., Rn. 19; Wichmann, Straßenreinigung und Winterdienst in der kommunalen Praxis, 6. Aufl., Rn. 164). Kriterien dafür sind der Umfang der Grünfläche, die Art der Bepflanzung und die Zweckbestimmung der Anlage, die auch in deren Gestaltung zum Ausdruck kommen kann. Daran gemessen ist hier überaus zweifelhaft, ob die sich bis zu einer geschätzten Breite von maximal 14 m aufweitende Fläche noch als Straßenbestandteil angesehen werden kann. Der Umfang der Grünfläche spricht dagegen. Die Gestaltung als Rasenfläche verdeutlicht ebenfalls keinen der Straße dienenden Zweck.

Wenn das von dem Oberflächenwasserkanal in der Braunschweiger Straße vor dem klägerischen Grundstück aufgenommene Wasser dem verrohrten oder weiter südlich offenen Graben zugeführt werden sollte, ergäbe sich daraus noch kein funktionaler Zusammenhang von Grünfläche und Straße. Der verrohrte Graben macht nur einen kleinen Teil der Grünfläche aus. Dass sie allein dem Zweck dienen soll, den der Straßenentwässerung dienenden Graben zu überdecken, kann nach dem Vorbringen der Beteiligten und den Feststellungen vor Ort nicht angenommen werden. Zwischen Graben und Straße liegt eine von Süden breiter werdende Fläche, die eher den Charakter einer kleinen selbstständigen Grünanlage als den eines Straßenbegleitgrüns hat und - wie die Beklagte selbst vorträgt - angelegt worden sein könnte, um nach der Begradigung des historisch geschwungenen Straßenverlaufs den Zwischenraum zu dem Grundstück des Klägers in geordneter Form zu überbrücken. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine unmittelbare Entwässerung von der Straße auf die Grünfläche schon wegen des Hochbords vor dem Gehweg nicht möglich ist. Eine besondere Befestigung, die den durch die Nutzung auf Fahrbahn und Gehweg entstehenden Druck auffängt, ist ebenfalls nicht zu erkennen.

Schließlich besteht auch nicht eine aus Gründen der Gleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG zur willkürfreien Inanspruchnahme der Klägers zur Straßenreinigung erforderliche „vernünftige objektive Beziehung“ (Sauthoff, a. a. O., Rn. 1127 f., s. a. Wichmann, a. a. O., Rn. 159) des Grundstücks zu der Straße. Der Zugang zur Straße müsste dann rechtlich und tatsächlich vollständig gesichert sein. Andernfalls fehlt ein Vorteil für das Grundstück aufgrund der Straße. Ein Grundstückseigentümer, der den Gehweg in einer solchen Lage trotzdem reinigen müsste, würde durch diese Pflicht in grundlegend anderer Weise betroffen als die übrigen, bei denen der Reinigungslast ein Vorteil jedenfalls in der Gestalt einer Zugangsmöglichkeit gegenübersteht. Dieser qualitative Unterschied darf bei der Überwälzung der Reinigungspflicht nicht außer Acht gelassen werden (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 14.11.2006 - 5 S 2619/05 -, juris Rn. 26).

Der Kläger hat unzweifelhaft die tatsächliche Möglichkeit, sein Grundstück von der Braunschweiger Straße zu erreichen. Dafür nutzt er sogar einen gepflasterten Weg. Auch überfährt er an der Einmündung F. auf einer befestigten Fläche die Grünanlage. Es wird von den Beteiligten jedoch nicht vorgetragen, dass Zugang oder Zufahrt rechtlich durch eine Grunddienstbarkeit oder eine Baulast gesichert ist.

Es besteht auch keine „vernünftige objektive Beziehung“ aus einem anderen Grund, etwa, weil von dem Grundstück eine nicht völlig unerhebliche Verschmutzung der Straße ausgeht (Sauthoff, a. a. O., Rn. 1128). Dafür gibt es auf dem Wohngrundstück des Klägers keinen Anhaltspunkt.

Darauf, dass das Grundstück von der Straße „erschlossen“ ist, kommt es nach der Rechtslage in Niedersachsen nicht an (s. zur unterschiedlichen Rechtslage in den Ländern Wichmann, a. a. O., Rn. 158 - 166). Ebenso wenig ist von Bedeutung, dass Grünfläche und Straße denselben Eigentümer haben.

Schließlich ist nicht entscheidend, ob sich die angefochtene Verfügung vom 17.02.2015 womöglich bereits deshalb als rechtswidrig erweist, weil die Beklagte auch die Reinigung der Gosse der Braunschweiger Straße zum Schutz der Straßeneinläufe (Gullys) verfügt hat. Nach der Klageerwiderung in dem Verfahren 6 A 37/14 vom 25.03.2014 sind Gossen unter Verweis auf § 2 Abs. 5 Buchst. a und b VS ausgenommen, weil sie das rechtliche Schicksal der Fahrbahn teilen. Nach § 52 Abs. 4 Satz 3 NStrG können Reinigungspflichten nicht übertragen werden, wenn sie den Eigentümern wegen der Verkehrsverhältnisse nicht zuzumuten sind. § 2 Abs. 5 Satz 2 SRS nimmt aus diesem Grund die Ortsdurchfahrten von Landes- und Kreisstraßen aus, wobei Satz 3 des § 2 Abs. 5 SRS Gossen, Radwege, Parkspuren und Radwege aber ausdrücklich in die übertragene Reinigungspflicht einbezieht, was einen Widerspruch zu § 2 Abs. 5 Buchst. a und b VS darstellt. Denn danach bilden Fahrbahnen eine Einheit mit u. a. Gossen. In diesem Sinn wird auch in der Literatur die Reinigung der Gosse als eine solche der Fahrbahn betrachtet, weshalb für die Übertragung dieselben Kriterien wie für die Fahrbahnreinigung gelten sollen und die Gefährdung des Reinigungspflichtigen zu prüfen sei (Wichmann, a. a. O., Rn. 186 m. w. N. z. Rspr.). Die Kammer hat im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden, ob § 2 Abs. 5 Satz 3 SRS der Regelung in § 2 Abs. 5 Buchst. a und b VS angepasst werden muss, weil sich etwa eine Reinigungspflicht der Fahrbahn immer auch auf die Gosse bezieht, oder, weil die Verkehrsverhältnisse auf den jeweiligen Straßen im Hinblick auf die Zumutbarkeit einer Übertragung bewertet werden müssen.

Der auf § 66 Nds. SOG gestützte Bescheid vom 15.09.2014 über die Erstattung der Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von 205,28 EUR ist nach den vorstehenden Ausführungen ebenfalls rechtswidrig. Denn die Beklagte durfte den Gehweg einschließlich Gosse nicht im Wege der Ersatzvornahme reinigen, weil insoweit keine Reinigungspflicht des Klägers bestand. Der zugrundeliegende Bescheid vom 13.08.2014 ist nicht bestandskräftig geworden, weil er mit der Klage 6 A 275/14 angefochten wurde. Dass er im Zeitpunkt der Gehwegreinigung durch die Firma K. vollziehbar war (vgl. § 64 Abs. 1 Nds. SOG), ändert nichts an seiner Rechtswidrigkeit, die dem Anspruch der Beklagten auf Kostenerstattung entgegensteht.

Die Kostenentscheidung beruht für den streitigen Verfahrensteil auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Soweit die Beteiligten das Verfahren hinsichtlich der Klage gegen den Bescheid vom 13.08.2014 in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, waren die Kosten gem. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes der Beklagten aufzuerlegen. Der Bescheid vom 13.08.2014 war rechtswidrig, was sich aus den vorstehenden Ausführungen zu den Bescheiden vom 15.09.2014 und 17.02.2015 ergibt.

Der Streitwert ist gem. § 52 Abs. 1 GKG hinsichtlich des Verfahrens 6 A 275/14 (Bescheide vom 13.08.2014 und 15.09.2014) auf 205,28 EUR festzusetzen. Dieser Betrag entspricht den Kosten der Ersatzvornahme. Das Interesse des Klägers an der Aufhebung des Bescheids vom 17.02.2015 (6 A 110/15) bemisst die Kammer mit 500,00 EUR, weil hier auch die Kosten des Winterdienstes zu berücksichtigen sind.