Verwaltungsgericht Braunschweig
v. 27.05.2015, Az.: 5 A 67/13

Aminosäure; Anreicherungs-Verordnung; Ausnahmegenehmigung; Basis-Verordnung; grenzüberschreitender Sachverhalt; Lebensmittel; Lebensmittelzusatzstoff; L-Histidin; Nahrungsergänzungsmittel; Unionsrecht; freier Warenverkehr

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
27.05.2015
Aktenzeichen
5 A 67/13
Entscheidungsform
Vorlagebeschluss
Referenz
WKRS 2015, 45268
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Vereinbarkeit der Regelungen des LFGB, die das Herstellen oder Behandeln bzw. das Inverkehrbringen eines Nahrungsergänzungsmittels mit Aminosäuren (hier: L-Histidin) verbieten, soweit nicht unter bestimmten weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen eine im Ermessen der nationalen Behörde liegende, befristete Ausnahmegenehmigung erteilt wird, mit Unionsrecht.

Tenor:

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Artikel 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.  Sind Art. 34, Art. 35 und Art. 36 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in Verbindung mit Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit so auszulegen, dass sie einer nationalen gesetzlichen Regelung entgegenstehen, die das Herstellen oder Behandeln bzw. das Inverkehrbringen eines Nahrungsergänzungsmittels mit Aminosäuren (hier: L-Histidin) verbietet, soweit hierfür nicht unter bestimmten weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen eine im Ermessen der nationalen Behörde liegende, befristete Ausnahmegenehmigung erteilt wird?

2. Ergibt sich aus der Systematik der Art. 14, Art. 6, Art. 7, Art. 53 und Art. 55 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit, dass nationale Verbote einzelner Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten nur unter den dort genannten Voraussetzungen erlassen werden dürfen, und steht dies einer nationalen gesetzlichen Regelung wie unter 1. beschrieben entgegen?

3. Ist Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln so auszulegen, dass er einer nationalen gesetzlichen Regelung wie unter 1. beschrieben entgegensteht?

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich mit der Klage dagegen, dass sie für das Herstellen und Inverkehrbringen eines Nahrungsergänzungsmittels, das die Aminosäure L-Histidin enthält, einer Ausnahmegenehmigung bedarf.

Die Klägerin ist ein Unternehmen mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland. Unter anderem stellt sie das Nahrungsergänzungsmittel Doppelherz aktiv + Eisen + Vitamin C  + Histidin + Folsäure her und vertreibt dieses. Nach der Verzehrempfehlung werden hiermit täglich unter anderem 100 mg der Aminosäure L-Histidin zugeführt.

Mit Schreiben vom 27. März 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, einer selbstständigen Bundesoberbehörde mit Aufgaben und Kompetenzen unter anderem im Bereich des Lebensmittelrechts und der Lebensmittelsicherheit, eine Ausnahmegenehmigung nach § 68 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (im Folgenden: LFGB), um ihr Erzeugnis als Nahrungsergänzungsmittel in der Bundesrepublik Deutschland herstellen und dort vertreiben zu dürfen. Zur Begründung führte sie aus, sie sei zwar der Rechtsansicht, dass sie ihr Erzeugnis trotz des enthaltenen L-Histidins auch ohne eine Ausnahmegenehmigung herstellen und vertreiben dürfe; mit ihrem Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung komme sie aber einer entsprechenden Aufforderung der Stadt Flensburg - Amtliche Lebensmittelüberwachung - nach. Die Verwendung des L-Histidins sei, so die Klägerin weiter, gesundheitlich unbedenklich.

Mit Bescheid vom 2. November 2012 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 68 LFGB für das Herstellen und Inverkehrbringen des Nahrungsergänzungsmittels ab. Sie begründete dies im Wesentlichen wie folgt: Nach den Vorschriften des LFGB benötige die Klägerin für das Herstellen und das Inverkehrbringen ihres Erzeugnisses eine Ausnahmegenehmigung nach § 68 LFGB, weil es die Aminosäure L-Histidin enthalte. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung lägen nicht vor. Nach § 68 Abs. 3 LFGB dürfe die Ausnahmegenehmigung nur erteilt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Gefahr für die menschliche oder tierische Gesundheit nicht zu erwarten ist. Das mit dem Erzeugnis zugeführte L-Histidin sei zwar gesundheitlich unbedenklich. Allerdings habe sie im Hinblick darauf, dass mit dem Erzeugnis der Klägerin täglich auch 10 mg Eisen zugeführt würden, gesundheitliche Bedenken. Die Klägerin hat gegen letztgenannte Einschätzung der Beklagten umfangreich zu einer gesundheitlichen Unbedenklichkeit des zugeführten Eisens ausgeführt.

Am 7. Dezember 2012 legte die Klägerin Widerspruch hiergegen ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2013 zurückwies.

Am 22. März 2013 hat die Klägerin die vorliegende Klage zum Verwaltungsgericht erhoben. Sie begehrt die Feststellung, dass sie für das Herstellen und Inverkehrbringen ihres Produktes keiner Ausnahmegenehmigung nach § 68 LFGB bedarf und begründet dies im Wesentlichen wie folgt: Die Regelungen des LFGB, nach denen sich das Erfordernis ergibt, für ihr Erzeugnis wegen des enthaltenen L-Histidins eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen, seien unionsrechtswidrig. Der Bundesgerichtshof habe mit dem Urteil vom 15. Juli 2010 (Aktenzeichen: I ZR 123/09) entschieden, dass die Anwendung nationaler Bestimmungen zur Lebensmittelsicherheit auch bei - wie dies vorliegend der Fall sei - nicht grenzüberschreitenden Lebenssachverhalten unter dem Vorbehalt stehe, dass sie den Erfordernissen entsprechen, die sich für Reglementierungen des Warenverkehrs bei grenzüberschreitenden Lebenssachverhalten aus dem primären Unionsrecht, insbesondere aus Art. 34 und 36 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgenden: AEUV) ergeben, und dass die nationalen Regelungen für die Zulassung von aus anderen als technologischen Gründen zugesetzten Lebensmittel-Zusatzstoffen in § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 LFGB, § 4 Abs. 1 Nr. 2 LFGB, § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LFGB, § 68 LFGB diesen Anforderungen nicht entsprächen. Dies sei auf die in Rede stehenden nationalen Regelungen für die Verwendung von Aminosäuren in Lebensmitteln zu übertragen; der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall unterscheide sich nur insofern, als dort die Gleichstellung mit Lebensmittelzusatzstoffen nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LFGB erfolgte, vorliegend sich die Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LFGB ergebe. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Urteil vom 28. Januar 2010 - C - 333/08 - ) sei es zudem unzulässig, ein Verwendungsverbot für Lebensmittel der Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung im Hinblick auf abstrakte Risiken zu rechtfertigen. Genauso sei die in Rede stehende nationale Regelung aber konzipiert. Schließlich verstoße die nationale Regelung des LFGB gegen Art. 14 der VO (EG) Nr. 178/2002 (im Folgenden: Basis-VO). Hieraus ergebe sich, dass nur solche Lebensmittel nicht in den Verkehr gebracht werden dürften, die nachweislich nicht sicher seien. Es handele sich insoweit um eine europaweit abschließende Regelung zur Lebensmittelsicherheit. Den Mitgliedstaaten sei weder die Einführung eines niedrigeren noch die eines höheren Schutzniveaus erlaubt. Indem die in Rede stehende Regelung die Verwendung von Aminosäuren unabhängig davon verbiete, ob im Einzelfall eine Gefährlichkeit zu befürchten sei, und nur eine sehr eingeschränkte Möglichkeit gebe, eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten, verstoße sie gegen das nach den Vorgaben der Basis-VO abschließend festgelegte Schutzniveau. Die Regelungen des LFGB seien deswegen unanwendbar, auch wenn es sich um einen reinen Inlandsachverhalt handele.

Die Klägerin beantragt:

festzustellen, dass für das Herstellen und Inverkehrbringen des Produkts „Doppelherz aktiv“ mit Zusatz von 10 mg Eisen, Vitamin C, Histidin und Folsäure keine Ausnahmegenehmigung gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 LFGB erforderlich ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erwidert im Wesentlichen wie folgt:

Die in Rede stehenden Regelungen des LFGB seien nicht unionsrechtswidrig. Grund für die in Rede stehende Regelung sei gewesen, dass der Gesetzgeber die Sicherheit des Zusatzes von Aminosäuren in Lebensmitteln als nicht belegt angesehen habe. Zu verweisen sei zudem auf die Erwägungsgründe Nummer 6, 8 und 14 der Richtlinie 2002/46/EG. Der Europäische Gesetzgeber gehe davon aus, dass unter anderem Aminosäuren als Zutat von Nahrungsergänzungsmitteln erst dann verwendet werden dürfen, wenn durch eine wissenschaftliche Risikobewertung deren Unbedenklichkeit feststehe.

Mit Bescheid vom 17. Februar 2015 hat die Beklagte während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ihren Bescheid vom 2. November 2012 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2012 aufgehoben und der Klägerin eine Ausnahmegenehmigung nach § 68 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 LFGB, befristet auf drei Jahre, erteilt. Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, dass sie - entgegen ihrer ursprünglichen Rechtsansicht - den Inhaltsstoff Eisen im Erzeugnis der Klägerin bei der Prüfung der Voraussetzungen nach § 68 LFGB nicht länger berücksichtige.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, den Anlagenband sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

II.

Das Verfahren ist auszusetzen und es ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen, Art. 267 AEUV). Die Fragen betreffen die Auslegung

Von Art. 34, Art. 35 und Art. 36 des Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 2008 (im Folgenden: AEUV), (ABl. Nr. C 115 S. 47), zuletzt geändert durch Art. 2 ÄndBeschl. 2012/419/EU vom 11. 7. 2012 (ABl. Nr. L 204 S. 131)

von Art. 14, Art. 6, Art. 7, Art. 53, Art. 55 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (im Folgenden: Basis-VO), (ABl. Nr. L 31 S. 1), zuletzt geändert durch Art. 48 ÄndVO (EU) 652/2014 vom 15. 5. 2014 (ABl. Nr. L 189 S. 1)

sowie von Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln (ABl. Nr. L 404 S. 26, ber. ABl. 2008 Nr. L 50 S. 71c), zuletzt geändert durch Art. 2 ÄndVO (EU) 119/2014 vom 7. 2. 2014 (ABl. Nr. L 39 S. 44) (im Folgenden: VO (EG) Nr. 1925/2006).

Da es um die Auslegung von Unionsrecht geht, ist der Gerichtshof zuständig.

Folgende nationale Vorschriften des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juni 2013 (BGBl. I S. 1426), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 5. Dezember 2014 (BGBl. I S. 1975) geändert worden ist (LFGB), bilden den rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits:

§ 2 LFGB - Begriffsbestimmungen

[…]

(2) Lebensmittel sind Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002.

(3) 1Lebensmittelzusatzstoffe sind Lebensmittelzusatzstoffe im Sinne des Artikels 3 Absatz 2 Buchstabe a in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelzusatzstoffe (ABl. L 354 vom 31.12.2008, S. 16, L 105 vom 27.4.2010, S. 114, L 322 vom 21.11.2012, S. 8), die zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 298/2014 (ABl. L 89 vom 25.3.2014, S. 36) geändert worden ist. 2Den Lebensmittelzusatzstoffen stehen gleich

1. Stoffe mit oder ohne Nährwert, die üblicherweise weder selbst als Lebensmittel verzehrt noch als charakteristische Zutat eines Lebensmittels verwendet werden und die einem Lebensmittel aus anderen als technologischen Gründen beim Herstellen oder Behandeln zugesetzt werden, wodurch sie selbst oder ihre Abbau- oder Reaktionsprodukte mittelbar oder unmittelbar zu einem Bestandteil des Lebensmittels werden oder werden können; ausgenommen sind Stoffe, die natürlicher Herkunft oder den natürlichen chemisch gleich sind und nach allgemeiner Verkehrsauffassung überwiegend wegen ihres Nähr-, Geruchs- oder Geschmackswertes oder als Genussmittel verwendet werden,

2. […]

3. Aminosäuren und deren Derivate,

4. […]

§ 4 LFGB - Vorschriften zum Geltungsbereich

(1) Die Vorschriften dieses Gesetzes

1. […]

2. für Lebensmittelzusatzstoffe gelten auch für die ihnen nach § 2 Absatz 3 Satz 2 oder aufgrund des Absatzes 3 Nummer 2 gleichgestellten Stoffe,

3. […],

4. […]

§ 5 LFGB - Verbote zum Schutz der Gesundheit

(1) 1Es ist verboten, Lebensmittel für andere derart herzustellen oder zu behandeln, dass ihr Verzehr gesundheitsschädlich im Sinne des Artikels 14 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 ist. 2Unberührt bleiben

1. das Verbot des Artikels 14 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 über das Inverkehrbringen gesundheitsschädlicher Lebensmittel und

2. […]

§ 6 LFGB - Verbote für Lebensmittelzusatzstoffe

 (1) Es ist verboten,

1. bei dem Herstellen oder Behandeln von Lebensmitteln, die dazu bestimmt sind, in den Verkehr gebracht zu werden,

a) nicht zugelassene Lebensmittelzusatzstoffe unvermischt oder in Mischungen mit anderen Stoffen zu verwenden,

b)[…],

c)[…]

2. Lebensmittel in den Verkehr zu bringen, die entgegen dem Verbot der Nummer 1 hergestellt oder behandelt sind oder einer nach § 7 Absatz 1 oder 2 Nummer 1 oder 5 erlassenen Rechtsverordnung nicht entsprechen,

3. […]

(2) […]

(3) Die Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 und die Verordnung (EG) Nr. 1332/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelenzyme und zur Änderung der Richtlinie 83/417/EWG des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 des Rates, der Richtlinie 2000/13/EG des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 258/97 (ABl. L 354 vom 31.12.2008, S. 7), die durch die Verordnung (EU) Nr. 1056/2012 (ABl. L 313 vom 13.11.2012, S. 9) geändert worden ist, bleiben unberührt.

§ 68 LFGB - Zulassung von Ausnahmen

(1) 1Von den Vorschriften dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen können im Einzelfall auf Antrag Ausnahmen nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 zugelassen werden. 2 […]

(2) Ausnahmen dürfen nur zugelassen werden

1. für das Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen bestimmter Lebensmittel, kosmetischer Mittel oder Bedarfsgegenstände, sofern Ergebnisse zu erwarten sind, die für eine Änderung oder Ergänzung der für Lebensmittel, kosmetische Mittel oder Bedarfsgegenstände geltenden Vorschriften von Bedeutung sein können, unter amtlicher Beobachtung oder sofern eine Angleichung der Rechtsvorschriften an Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union noch nicht erfolgt ist; dabei sollen die schutzwürdigen Interessen des Einzelnen sowie alle Faktoren, die die allgemeine Wettbewerbslage des betreffenden Industriezweiges beeinflussen können, angemessen berücksichtigt werden,

2. […]

3. […]

4. in sonstigen Fällen, in denen besondere Umstände, insbesondere der drohende Verderb von Lebensmitteln oder Einzelfuttermitteln oder Mischfuttermitteln, dies zur Vermeidung unbilliger Härten geboten erscheinen lassen; das Bundesministerium ist von den getroffenen Maßnahmen zu unterrichten.

(3) Ausnahmen dürfen nur zugelassen werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Gefahr für die menschliche oder tierische Gesundheit nicht zu erwarten ist; […]

(4) […]

(5) 1Die Zulassung einer Ausnahme nach Absatz 2 ist auf längstens drei Jahre zu befristen. 2In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1 kann sie auf Antrag dreimal, in den Fällen des Absatzes 2 Nummer 2 und 3 wiederholt um jeweils längstens drei Jahre verlängert werden, sofern die Voraussetzungen für die Zulassung fortdauern.

III.

Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof.

Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig, obwohl die Beklagte der Klägerin im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eine Ausnahmegenehmigung nach § 68 LFGB für ihr Erzeugnis erteilt hat. Denn die von der Klägerin begehrte Feststellung, keiner Genehmigung für das Herstellen und Inverkehrbringen ihres Erzeugnisses in der Bundesrepublik Deutschland zu bedürfen, ist weiterreichend als der ihr mit Erteilung der Genehmigung vermittelte Rechtsposition, zumal die Genehmigung nach § 68 Abs. 5 LFGB nur befristet und auf maximal insgesamt 12 Jahre erteilt werden darf.

Nach den Regelungen des LFGB bedarf die Klägerin einer Ausnahmegenehmigung. Ausgangspunkt ist insoweit § 6 LFGB. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a LFGB ist es verboten, bei dem Herstellen oder Behandeln von Lebensmitteln, die dazu bestimmt sind, in den Verkehr gebracht zu werden, nicht zugelassene Lebensmittelzusatzstoffe unvermischt oder in Mischungen mit anderen Stoffen zu verwenden. § 6 Abs. 1 Nr. 2 LFGB erstreckt das Verbot auf das Inverkehrbringen derartig hergestellter oder behandelter Lebensmittel. § 4 Abs. 1 Nr. 2 LFGB bestimmt, dass die Verbotsvorschriften auch für die den Lebensmittelzusatzstoffen nach § 2 Abs. 3 Satz 2 LFGB gleichgestellten Stoffe gelten. Das in dem Erzeugnis der Klägerin enthaltene L-Histidin ist als Aminosäure nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LFGB den Lebensmittelzusatzstoffen gleichgestellt. Nach den Regelungen des LFGB ist das Herstellen und Inverkehrbringen des Produkts der Klägerin deswegen nur nach Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zulässig.

Die Erteilung der Ausnahmegenehmigung durch die nationale Behörde setzt nach § 68 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 4 LFGB tatbestandlich zunächst voraus, dass  entweder Ergebnisse zu erwarten sind, die für eine Änderung oder Ergänzung der für Lebensmittel, kosmetische Mittel oder Bedarfsgegenstände geltenden Vorschriften von Bedeutung sein können, oder dass eine Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften an Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union noch nicht erfolgt ist, oder dass in sonstigen Fällen besondere Umstände, insbesondere der drohende Verderb von Lebensmitteln oder Einzelfuttermitteln oder Mischfuttermitteln, die Erteilung der Ausnahmegenehmigung zur Vermeidung unbilliger Härten als geboten erscheinen lassen. Darüber hinaus setzt die Erteilung der Ausnahmegenehmigung nach § 68 Abs. 3 LFGB tatbestandlich voraus, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch die Erteilung der Ausnahmegenehmigung eine Gefahr für die menschliche oder tierische Gesundheit nicht zu erwarten ist. Für diesen Umstand ist der jeweilige Antragsteller materiell beweisbelastet. Die nationale Behörde hat einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Erteilung der Ausnahmegenehmigung. Die nationale Behörde darf die Ausnahmegenehmigung nach § 68 Abs. 5 LFGB nur befristet für maximal drei Jahre erteilen und auf erneute Anträge maximal dreimal um maximal drei Jahre verlängern.

Das vorlegende Gericht hat Zweifel, ob diese Regelungen des LFGB dem Unionsrecht entsprechen und somit anwendbar sind. Diese Zweifel resultieren aus folgenden Erwägungen:

Zur Vorlagefrage 1:

Es kommt ein Verstoß der nationalen gesetzlichen Regelung gegen Art. 34, Art. 35 und Art. 36 AEUV i.V.m. Art 14 der Basis-VO in Betracht.

Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat mit Urteil vom 26. März 2012 (-1 A 164/10 -, juris Rn. 23 ff.) unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. Juli 2010 (- I ZR 123/09 -, juris Rn. 7 ff.) im Hinblick auf die Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LFGB, die bestimmte Stoffe, die Lebensmitteln aus anderen als technologischen Gründen beim Herstellen oder Behandeln zugesetzt werden, den Lebensmittelzusatzstoffen gleichstellt und somit einem Verwendungsverbot mit der Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung nach § 68 LFGB unterwirft, wie folgt ausgeführt:

„Die Anwendung nationaler Bestimmungen zur Lebensmittelsicherheit steht gemäß Art. 14 Abs. 9 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 unter dem Vorbehalt, dass sie mit dem primären Unionsrecht, insbesondere mit den Art. 34 und 36 AEUV, im Einklang stehen. Diese Voraussetzung erfüllt die im Streitfall einschlägige Regelung im deutschen Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch nicht (BGH, U. v. 15.07.2010 – a. a. O., Rdnr. 12).

Der genannte Vorbehalt gilt nicht nur für grenzüberschreitende Lebenssachverhalte. … . Denn andernfalls stellte die Wendung in Art. 14 Abs. 9 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 „sofern diese Bestimmungen unbeschadet des Vertrags, insbesondere der Artikel 28 und 30, erlassen und angewandt werden" einen der Sache nach überflüssigen und allenfalls klarstellenden Hinweis auf das höherrangige primäre Unionsrecht dar. Vor allem aber würde die Bestimmung den in Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 1 dieser Verordnung bestimmten Zweck verfehlen, auf denjenigen Teilgebieten des Lebensmittelrechts, auf denen spezifische Bestimmungen der Union fehlen, die allgemeinen Grundsätze für Lebensmittel im Allgemeinen und für die Lebensmittelsicherheit im Besonderen nicht nur auf der Ebene der Union, sondern auch auf einzelstaatlicher Ebene festzulegen (BGH, U. v. 15.07.2010 – a. a. O., Rdnr. 13).

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union läuft es dem Unionsrecht allerdings grundsätzlich nicht zuwider, dass ein Mitgliedstaat verbietet, Lebensmittel ohne vorherige Genehmigung in Verkehr zu bringen, wenn ihnen Nährstoffe wie beispielsweise andere als die durch die Unionsrechtliche Regelung als Zusatz zugelassenen Vitamine oder Mineralstoffe hinzugefügt worden sind. Im Hinblick auf den von den Mitgliedstaaten auch bei der Ausübung ihres Ermessens im Bereich des Gesundheitsschutzes einzuhaltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss eine solche Regelung jedoch ein leicht zugängliches und innerhalb eines angemessenen Zeitraums abzuschließendes Verfahren vorsehen, das es den Wirtschaftsteilnehmern ermöglicht, die Aufnahme des Nährstoffs in die nationale Liste der zugelassenen Stoffe zu erreichen. Dabei muss vorgesehen sein, dass der Aufnahmeantrag nur dann abgelehnt werden darf, wenn eine eingehende einzelfallbezogene Prüfung, bei der die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigt werden, ergibt, dass der Stoff tatsächlich ein Risiko für die Gesundheit der Bevölkerung birgt. Außerdem muss eine ablehnende Entscheidung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens angefochten werden können (BGH, U. v. 15.07.2010 – a. a. O., Rdnr. 14 m. w. N.).

Die für die Zulassung von aus anderen als technologischen Gründen zugesetzten Lebensmittel-Zusatzstoffen einschlägigen Bestimmungen des deutschen Lebensmittelrechts entsprechen diesen Anforderungen nicht. …

Die Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung i. S. d. § 68 LFGB [ist] kein den Vorgaben des EU Rechts entsprechendes Zulassungsverfahren. Denn eine solche Ausnahmegenehmigung kann nur dann erteilt werden kann, wenn die Voraussetzungen eines der in § 68 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 LFGB abschließend aufgeführten Erteilungsgründe erfüllt sind, von denen im Streitfall keiner einschlägig ist. Außerdem steht die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 LFGB im Ermessen der Behörde (§ 40 VwVfG), dessen Ausübung gemäß § 114 VwGO gerichtlich nur in eingeschränktem Umfang überprüft werden kann. Eine Ausnahmegenehmigung darf gemäß § 68 Abs. 3 Halbs. 1 LFGB überdies nur dann erteilt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Gefahr für die menschliche Gesundheit nicht zu erwarten ist. Danach trägt im Fall des § 68 LFGB nicht die Behörde die Beweislast für das Vorliegen einer Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung, sondern im Gegenteil der Antragsteller die Beweislast für das Fehlen einer solchen Gefahr. Auch aus diesem Grund enthält § 68 LFGB keine Regelung, die den Anforderungen genügt, die nach der bereits dargestellten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union insoweit im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bestehen (BGH, U. v. 15.07.2010 – a. a. O., Rdnr. 16).“

Es kommt in Betracht, diesen Maßstab, den das Verwaltungsgericht Magdeburg sowie der Bundesgerichtshof zugrunde gelegt haben, auf die vorliegend umstrittene Konstellation zu übertragen. Es spricht vieles dafür, dass die Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LFGB, die Gegenstand der Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Magdeburg und des Bundesgerichtshofes gewesen ist, mit der vorliegend umstrittenen Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LFGB vergleichbar ist: Beide Vorschriften betreffen ihrem Regelungsgegenstand nach die Zugabe von „anderen“ Stoffen als Lebensmittelzusatzstoffen zu Lebensmitteln aus anderen als technologischen Gründen und somit insbesondere wegen ihrer ernährungsphysiologischen Wirkung; zugleich ist die angeordnete Rechtsfolge, die rechtliche Gleichstellung dieser „anderen“ Stoffe mit Lebensmittelzusatzstoffen in der Anwendung des LFGB, identisch. Anderer Ansicht ist allerdings das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen (U. v. 29.01.2014 . 13 A 1901/11 - juris Rn. 64 ff.).

Legt man den Maßstab des Verwaltungsgerichts Magdeburg und des Bundesgerichtshofes zugrunde, wäre die vorliegend umstrittene Regelung wegen des Verstoßes gegen europäisches Unionsrecht im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Über die im Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg angeführte Begründung hinaus entspräche die Möglichkeit, nach § 68 Abs. 1 Satz 1 LFGB eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen, auf die Beklagte verweist, zusätzlich auch deshalb nicht den Anforderungen an ein Unionsrechtskonformes Zulassungsverfahren, weil eine Genehmigung nach § 68 Abs. 5 LFGB nur zeitlich befristet und selbst bei erwiesener Ungefährlichkeit nicht auf Dauer erteilt werden dürfte.

Zur Vorlagefrage 2:

Es kommt in Betracht, dass eine nationale Regelung wie die in Rede stehende mit Unionsrecht nicht vereinbar ist, weil mit den Vorschriften der Art. 14, Art. 6, Art. 7 Basis-VO der Bereich der Lebensmittelsicherheit abschließend in einer Weise geregelt ist, wonach nationale Verbote einzelner Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten nur unter den dort genannten Voraussetzungen erlassen werden dürften.

Dies könnte insbesondere in Art. 14 Abs. 8 Basis-VO zum Ausdruck kommen, wonach die zuständigen nationalen Behörden Maßnahmen treffen können, um Beschränkungen für das Inverkehrbringen eines nicht sicheren Lebensmittels zu verfügen oder eine Rücknahme vom Markt zu verlangen, obwohl dieses spezifischen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen entspricht. Hierfür ist erforderlich bzw. genügt, dass ein begründeter Verdacht besteht, dass das Lebensmittel nicht sicher ist. Die Regelungen über ein Schnellwarnsystem nach Art. 50 Basis-VO sowie über Sofortmaßnahmen nach Art. 53 bis Art. 55 Basis-VO könnten hiermit in einer Weise korrespondieren, die für nationale Maßnahmen nur Raum lässt, sofern ein aufgrund regelrechter nationaler Beurteilung nach den Prinzipien der Art. 6 und Art. 7 Basis-VO unsicheres Lebensmittel im Sinn von Art. 14 Abs. 2 Basis-VO zugleich spezifischen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts entspricht oder dass die Kommission Maßnahmen nach Art. 53 Basis-VO nicht erlässt (vgl. Meisterernst in: : Festschrift für Ulf Doepner zum 65. Geburtstag,C.H. Beck 2008, S. 245 ff., 251).

Hierzu könnte die in Rede stehende nationale gesetzliche Regelung in Widerspruch stehen, weil sie die Verwendung von Aminosäuren in Lebensmitteln pauschal - unabhängig davon, ob der Verdacht einer Gesundheitsgefährdung im Einzelfall hinreichend begründet ist - verbietet und die Möglichkeit, nach den nationalen gesetzlichen Regelungen eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten, den beschriebenen Einschränkungen unterliegt.

Zur Vorlagefrage 3:

In Betracht kommt, dass das Verfahren nach Art. 8 der VO (EG) Nr. 1925/2006 i.V.m. den Durchführungsbestimmungen der VO (EU) Nr. 307/2012 die Zulässigkeit eines Zusatzes von Aminosäuren zu Nahrungsergänzungsmitteln abschließend regelt, keinerlei Möglichkeit für eine abweichende nationale Regelungen belässt und die in Rede stehende nationale gesetzliche Regelungen nach dem LFGB deswegen unanwendbar ist (so Meyer in: Meyer/Streinz, LFGB/BasisVO/HCVO, 2. Aufl., § 2 LFGB Rn. 34).

Der europäische Gesetzgeber hat dort ein Verfahren bereitgestellt, das die Verwendung sonstiger Stoffe betrifft, die nicht Vitamine oder Mineralstoffe sind, und die eine ernährungsbezogene oder eine physiologische Wirkung haben und deren Verwendung in Lebensmitteln ein potenzielles Risiko für die Verbraucher bergen kann. Die Verwendung von Aminosäuren in Nahrungsergänzungsmitteln wie des L-Histidins im Erzeugnis der Klägerin dürfte in den Anwendungsbereich der Verordnung  fallen, zumal Art. 1 Abs. 2 der VO (EG) 1925/2006 Nahrungsergänzungsmittel nur im Hinblick auf Vitamine und Mineralstoffe vom Anwendungsbereich ausschließt und Aminosäuren in Satz 1 des Erwägungsgrunds 1 ausdrücklich erwähnt werden.

Hiernach kann erst dann, wenn sich im konkreten Einzelfall aufgrund einer wissenschaftlichen Bewertung der Risiken für die Verbraucher erweist, dass die Verwendung der Aminosäure im Nahrungsergänzungsmittel gesundheitsschädlich ist, deren Verwendung mit der Aufnahme in Anhang III Teil A verboten oder mit der Aufnahme in Anhang III Teil B an Bedingungen geknüpft werden. Sofern auf der Grundlage der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse im Einzelfall ein potenzielles Risiko für die Verbraucher nachgewiesen ist, kann der Stoff in Anhang III Teil C aufgenommen werden. Nach Art. 8 Abs. 5 VO (EG) 1925/2006 würde spätestens binnen vier Jahren nach Aufnahme eines Stoffes in den Anhang III Teil C darüber entschieden, ob dessen Verwendung allgemein erlaubt oder ob er in Anhang III Teil A oder B aufgenommen wird.

Dafür, dass dieses Verfahren die Zulässigkeit der Verwendung von Aminosäuren in Nahrungsergänzungsmitteln abschließend regelt, könnte sprechen, dass Gegenstand und Ziel der Verordnung nach deren Art. 1 Abs. 1 ist, die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Zusatz u.a. solcher „anderer“ Stoffe zu Lebensmitteln anzugleichen, um das Funktionieren des Binnenmarkts und gleichzeitig ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten. Ebenso ist im Erwägungsgrund 1 der VO (EG) 1925/2006, in dem Aminosäuren ausdrücklich erwähnt werden, von der Notwendigkeit die Rede, Gemeinschaftsvorschriften zu erlassen, um nationale Bestimmungen über den Zusatz von u.a. „anderen“ Stoffen zu harmonisieren. Zwar sind bislang - soweit ersichtlich - keine Entscheidungen im Verfahren nach Art. 8 der VO (EG) 1925/2006 ergangen; andererseits steht das Verfahren den Mitgliedsstaaten offen.

Unabhängig hiervon  kommt - als selbstständig tragende Begründung - in Betracht, dass der Europäische Gesetzgeber mit dem Verfahren nach Art. 8 VO (EG) Nr. 1925/2006 ein in sich geschlossenes System zum Umgang mit sonstigen Stoffe - u.a. Aminosäuren - normiert hat. Dies könnte zur Folge haben, dass sich Mitgliedsstaaten, selbst wenn bis auf Weiteres grundsätzlich Raum für nationale gesetzliche Regelungen bleibt, nicht in prinzipiellem Widerspruch hierzu setzen dürfen. Die in Rede stehende nationale gesetzliche Regelung könnte dem Regelungsprinzip des Verfahrens nach Art. 8 VO (EG) Nr. 1925/2006 diametral entgegenstehen, indem sie die Verwendung von Aminosäuren in Lebensmitteln pauschal - unabhängig davon, ob im Einzelfall ein begründeter Verdacht einer Gesundheitsgefährdung besteht - verbietet und die Möglichkeit, nach den nationalen Vorschriften eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten, den beschriebenen Einschränkungen unterliegt (vgl. Möstl, Rechtliche Anforderungen für den Einsatz funktioneller Inhaltsstoffe im Lebensmittelbereich, Zeitschrift für Lebensmittelrecht 2013, 682 ff.; Meyer, a.a.O., § 2 LFGB Rn. 38.). Die nationale gesetzliche Regelung könnte deswegen unanwendbar sein.